Abgrenzung von Erhaltungspflicht (§ 536 BGB) zur Unmöglichkeit beim Miet- und Pachtvertrag
BGH, Urt. v. 13.12.1991; LwZR 5/91
Fundstellen:

BGHZ 116, 334
NJW 1992, 1036


Anm.:
Die Entscheidung betrifft den Pachtvertrag, die Problematik ist jedoch mit derjenigen des Mietvertrags identisch: Wird die gemietete (gepachtete) Sache vollstädnig zerstört, liegt ein Fall der Umnöglichkeit vor. Der Vermieter/Verpächter ist dann nach § 275 BGB von der Leistungspflicht befreit. Ihn trifft keine Pflicht zur Wiederherstellung der Sache nach § 536 BGB, weil es sich nicht mehr um die "Erhaltung", sondern die Neuschaffung des Gegenstandes handeln würde.
Amtl. Leitsätze:

a) Werden Gebäude eines verpachteten landwirtschaftlichen Anwesens zerstört (hier: durch Brand), so trifft den Verpächter keine Pflicht zum Wiederaufbau, wenn ohne das zerstörte Gebäude die Nutzung des überlassenen landwirtschaftlichen Anwesens gleichwohl möglich war.
b) Spricht alles dafür, daß ein Brand des Pachtgebäudes die Folge von Heuselbstentzündung des vom Pächter eingelagerten Heus ist und gibt es auch keine konkreten Anhaltspunkte für eine vorsätzliche Brandstiftung des Verpächters, dann läßt sich ohne weiteres feststellen, daß der Verpächter den Brand nicht zu vertreten hat.
c) Eine etwaige Wiederaufbaupflicht des Verpächters entfällt jedenfalls dann, wenn der Pächter die Zerstörung eines Pachtgebäudes zu vertreten hat.



Mit Vertrag vom 10. April 1964 pachteten der Kläger und seine Ehefrau von der Rechtsvorgängerin des Beklagten ein ca. 44,20 ha großes landwirtschaftliches Anwesen in N. Die Laufzeit des insoweit geänderten Vertrages war zunächst bis zum 1. Mai 1988 vereinbart; später wurde das Pachtverhältnis im Rahmen eines Verfahrens über die Pachtfortsetzung bis zum 1. Mai 1991 verlängert.
Am 21. Juli 1987 brannte das Stallgebäude mit dem Wohntrakt bis auf die Umfassungsmauer des Erdgeschosses und die Giebelwand des Wohngebäudes ab. Eine kleine Nebenscheune blieb unbeschädigt. Ein daraufhin gegen den Kläger eingeleitetes Ermittlungsverfahren wegen des Verdachts der fahrlässigen Brandstiftung infolge Nichtbeachtung von Schutzvorkehrungen gegen Heuselbstentzündung wurde eingestellt, weil nach Auffassung der Staatsanwaltschaft eine Selbstentzündung als Brandursache nicht mit hinreichender Sicherheit nachgewiesen werden konnte.
Der Kläger und seine Ehefrau setzten dem Beklagten mit Anwaltsschreiben vom 29. September 1987 eine Frist zum Wiederaufbau des abgebrannten Gebäudes und drohten für den Fall eines fruchtlosen Fristablaufs u. a. die Geltendmachung von Schadensersatzansprüchen an. Der Beklagte versuchte zunächst, sich die von der Brandversicherung ab dem 7. August 1987 zur Verfügung gestellte Entschädigungssumme ohne Wiederaufbauverpflichtung auszahlen zu lassen. Dann verhandelte er bis Anfang 1988 ergebnislos über einen Verkauf des landwirtschaftlichen Betriebes. Schließlich ließ er sich unter Berücksichtigung der Wünsche potentieller Erwerber einen Bauplan entwerfen. Die Bauarbeiten begannen am 5. August 1988 und waren im wesentlichen im Jahr 1989 abgeschlossen. Nach Ablauf der Weideperiode 1989 waren die Stallungen wieder benutzbar. Der Kläger hat vom Beklagten für sich und seine Ehefrau 79175,56 DM nebst Zinsen als Schadensersatz aus dem Gesichtspunkt des Schuldnerverzuges wegen verzögerten Wiederaufbaus des abgebrannten Gebäudes verlangt. Das Amtsgericht - Landwirtschaftsgericht - hat unter Berücksichtigung einer Hilfsaufrechnung des Beklagten den Klageanspruch in Höhe von 62324,35 DM nebst Zinsen für begründet erachtet. Auf die Berufung des Beklagten hat das Oberlandesgericht unter Zurückweisung der weitergehenden Berufung die Klage in Höhe von 14645,39 DM nebst Zinsen abgewiesen, sie im übrigen dem Grunde nach für gerechtfertigt erklärt und das Verfahren an das Amtsgericht zurückverwiesen. Die Revision des Beklagten führte zur Klageabweisung.

Aus den Gründen:

I. Das Berufungsgericht ist der Ansicht, der Beklagte sei dem Kläger und dessen Ehefrau zum Ausgleich der Vermögensschäden verpflichtet, die durch verschuldete Verzögerungen beim Wiederaufbau des abgebrannten Gebäudes entstanden sind. Auch wenn durch den Brand ein für die Bewirtschaftung des Betriebes bedeutsamer Teil zerstört worden sei, führe dies nicht zur Unmöglichkeit der Gebrauchsgewährung insgesamt wie im Falle einer vollständigen Zerstörung der Pachtsache. Da der Kläger und seine Ehefrau die Pachtflächen weiterhin genutzt und in gewissem Umfang noch Tierhaltung betrieben hätten, sei lediglich von einer Teilunmöglichkeit der Gebrauchsgewährung auszugehen. Es komme nicht darauf an und bedürfe deshalb keiner Aufklärung, ob der Kläger und seine Ehefrau den zur Zerstörung des Wirtschaftsgebäudes führenden Brand verursacht hätten. Wenn der Pächter eine Teilzerstörung zu vertreten habe, könne der Verpächter Schadensersatzansprüche geltend machen und das Pachtverhältnis kündigen. Kündige er nicht und werde ihm der zum Wiederaufbau des zerstörten Gebäudes erforderliche Geldbetrag zur Verfügung gestellt, müsse er mit dem Wiederaufbau beginnen und könne mit dieser Verpflichtung in Schuldnerverzug geraten. Der Beklagte sei seit dem 7. August 1987 zum Wiederaufbau verpflichtet gewesen. Er habe diesen schuldhaft verzögert. Weder lägen die Voraussetzungen eines entschuldigten Rechtsirrtums vor, noch sei der Wiederaufbau bis zum Ende der Weideperiode 1987 unmöglich gewesen.

II. Dies hält der rechtlichen Überprüfung nicht stand. Entgegen der Auffassung des Berufungsgerichts hatten der Kläger und seine Ehefrau gegen den Beklagten keinen Anspruch auf Wiederaufbau des zerstörten Gebäudes. Damit entfällt die Grundlage für den zuerkannten Schadensersatzanspruch (§ 286 BGB).
1. Zwar ist der Verpächter verpflichtet, die Pachtsache in einem zur vertragsgemäßen Nutzung geeigneten Zustand zu erhalten (§ 586 Abs. 1 Satz 1 BGB). Er hat aber keine Verpflichtung, die ohne sein Verschulden zerstörte Pachtsache wieder herzustellen, denn die Wiederaufbaupflicht ist Ausfluß der Pflicht zur Gebrauchsüberlassung; entfällt diese (§ 275 Abs. 1 BGB), so besteht auch jene nicht (BGH, Urt. v. 14. Juli 1976, VIII 291/74, WM 1976,640). Nichts anderes gilt im Falle der Teilunmöglichkeit, wie der Bundesgerichtshof für einen vergleichbaren Fall bereits entschieden hat (vgl. BGH, Urt. v. 12. Januar 1977, VIII ZR 142/75, WM 1977,400,401), weil § 275 Abs. 1 BGB auch die teilweise Unmöglichkeit erfaßt. Teilunmöglichkeit setzt allerdings voraus, daß die Leistung teilbar ist. Gerade dies aber hat das Berufungsgericht festgestellt, indem es näher ausführt, daß ohne das zerstörte Gebäude die Nutzung des überlassenen landwirtschaftlichen Anwesens gleichwohl möglich war. Diese Voraussetzung hat auch der VIII. Zivilsenat des Bundesgerichtshofes als das entscheidende Kriterium für eine Teilunmöglichkeit angesehen (BGH, WM 1977,400,401). Der Senat tritt dem bei.
Zwar hat sich das Berufungsgericht nicht ausdrücklich mit der Frage befaßt, ob der Beklagte den Brand des Wirtschaftsgebäudes zu vertreten hat. Es hat lediglich offengelassen, ob den Kläger und seine Ehefrau insoweit ein Verschulden trifft. Der Senat kann die zu § 275 Abs. 1 BGB notwendige Feststellung aber nach dem gegebenen Sach- und Streitstand selbst treffen, weil eine weitere Sachaufklärung hierzu nicht zu erwarten ist. Nach den vom Berufungsgericht beigezogenen Ermittlungsakten spricht alles dafür, daß der Brand eine Folge von Heuselbstentzündung ist. Den Beklagten trifft für die im Besitz der Pächter befindlichen Pachtsachen keinerlei Sorgfaltspflicht, die er fahrlässig verletzt haben könnte. Konkrete Anhaltspunkte dafür, daß eine vorsätzliche Brandstiftung des Beklagten vorliegt, hat der Kläger nicht behauptet. An den Entlastungsbeweis des Beklagten dürfen keine zu hohen Anforderungen gestellt werden. Es genügt, wenn die Brandursache hinreichend wahrscheinlich festgestellt werden kann (hier: Heuselbstentzündung). Daraus folgt dann gleichzeitig, daß der Beklagte diese Ursache jedenfalls nicht zu vertreten hat. Von ihm kann nicht verlangt werden, daß er sein mangelndes Verschulden für rein abstrakte Möglichkeiten anderer Brandursachen beweist, für die es keinerlei Anhaltspunkte gibt (vgl. auch BGH, Urt. v. 12. November 1952, II ZR 67/52, NJW 1953,59,60 m. w. Nachw.).
2. Aus dem Pachtvertrag vom 10. April 1964 läßt sich abweichend von der gesetzlichen Regelung kein Anspruch der Pächter auf Wiederherstellung des abgebrannten Gebäudes herleiten (wird ausgeführt).
Sollte der Kläger und seine Ehefrau neben dem Pachtzins auch die Brandversicherungsbeiträge für den verpachteten Betrieb gezahlt haben, so folgt hieraus nicht ohne weiteres ein Anspruch auf Wiederherstellung des abgebrannten Gebäudes. Im allgemeinen ist in der Zahlung solcher Beiträge nicht mehr zu sehen als die Entrichtung eines Teils des Pachtzinses (BGH, Urt. v. 12. Januar 1977, VIII ZR 142/75, WM 1977,400,401). Umstände, aus denen sich hier im Wege der Auslegung ausnahmsweise etwas anders ergeben könnte, hat der Kläger nicht vorgetragen.
3. Eine Wiederaufbaupflicht des Beklagten kann auch nicht aus § 242 BGB begründet werden. Haben die Pächter die Brandursache nicht zu vertreten, können sie den Pachtzins entsprechend mindern (§ 586 Abs. 2, § 537 Abs. 1 BGB) oder aber den Pachtvertrag fristlos kündigen (§§ 594e, 542 BGB). Es liegt in ihrer Entscheidung, ob sie am Vertrag festhalten oder nicht. Mit beiden Rechten wird den Belangen der Pächter ausreichend Rechnung getragen. Die genannten Rechte stehen ihnen allerdings nicht zu, wenn sie den Brand zu vertreten haben. Das Gesetz enthält damit sowohl in dem einen wie in dem anderen Fall eine ausgewogene Regelung zum Ausgleich der Interessen beider Teile, die grundsätzlich nicht über § 242 BGB unterlaufen werden kann. Besondere Umstände, die allenfalls ein anderes Ergebnis rechtfertigen könnten, sind nicht festgestellt und auch nicht vorgetragen.
4. Es kommt nach allem nicht mehr darauf an, ob der Kläger und seine Ehefrau den Brand zu vertreten haben. Nur am Rande sei bemerkt, daß das Berufungsgericht von seinem Standpunkt aus diese Frage nicht offenlassen durfte, denn eine Wiederaufbaupflicht des Beklagten entfällt jedenfalls (auch) dann, wenn die Pächter die Beschädigung der Pachtsache zu vertreten haben (vgl. BGB-RGRK/Gelhaar 12. Aufl. §§ 535,536 Rdn. 33; Ermann/Schopp, BGB 8. Aufl. § 536 Rdn. 23 und 32; Münch- Komm/Voelskow 2. Aufl. §§ 535,536 Rdn. 68; Palandt/Putzo, BGB 50. Aufl. § 535 Rdn. 23; Staudinger/Emmerich, BGB 12. Aufl. [1986] §§ 535,536 Rdn. 47 und vor § 537 Rdn. 10/11; Soergel/Kummer, BGB 11. Aufl. § 535,536 Rdn. 128,124 und Rdn. 202; Lange/Wulff/Lüdtke/Handjerry, Landpachtrecht 3. Aufl. § 586 Rdn. 25; Faßbender/Hötzel/Lukanow, Landpachtrecht § 586 Rdn. 22). Schon aus den unter Ziffer 1 bis 3 aufgeführten Gründen ist aber die Sache dahin entscheidungsreif (§ 565 Abs. 3 Nr. 1 ZPO), daß die Klage abzuweisen ist, weil andere Anspruchsgrundlagen als § 286 BGB nicht in Betracht kommen.