BGHZ 116, 334
NJW 1992, 1036
Anm.:
Die Entscheidung betrifft den Pachtvertrag, die
Problematik ist jedoch mit derjenigen des Mietvertrags identisch: Wird
die gemietete (gepachtete) Sache vollstädnig zerstört, liegt
ein Fall der Umnöglichkeit vor. Der Vermieter/Verpächter ist
dann nach § 275 BGB von der Leistungspflicht befreit. Ihn trifft keine
Pflicht zur Wiederherstellung der Sache nach § 536 BGB, weil es sich
nicht mehr um die "Erhaltung", sondern die Neuschaffung des Gegenstandes
handeln würde.
Amtl. Leitsätze:
a) Werden Gebäude eines verpachteten landwirtschaftlichen
Anwesens zerstört (hier: durch Brand), so trifft den Verpächter
keine Pflicht zum Wiederaufbau, wenn ohne das zerstörte Gebäude
die Nutzung des überlassenen landwirtschaftlichen Anwesens gleichwohl
möglich war.
b) Spricht alles dafür, daß ein
Brand des Pachtgebäudes die Folge von Heuselbstentzündung des
vom Pächter eingelagerten Heus ist und gibt es auch keine konkreten
Anhaltspunkte für eine vorsätzliche Brandstiftung des Verpächters,
dann läßt sich ohne weiteres feststellen, daß der Verpächter
den Brand nicht zu vertreten hat.
c) Eine etwaige Wiederaufbaupflicht des Verpächters
entfällt jedenfalls dann, wenn der Pächter die Zerstörung
eines Pachtgebäudes zu vertreten hat.
Aus den Gründen:
I. Das Berufungsgericht ist der Ansicht, der Beklagte sei dem Kläger und dessen Ehefrau zum Ausgleich der Vermögensschäden verpflichtet, die durch verschuldete Verzögerungen beim Wiederaufbau des abgebrannten Gebäudes entstanden sind. Auch wenn durch den Brand ein für die Bewirtschaftung des Betriebes bedeutsamer Teil zerstört worden sei, führe dies nicht zur Unmöglichkeit der Gebrauchsgewährung insgesamt wie im Falle einer vollständigen Zerstörung der Pachtsache. Da der Kläger und seine Ehefrau die Pachtflächen weiterhin genutzt und in gewissem Umfang noch Tierhaltung betrieben hätten, sei lediglich von einer Teilunmöglichkeit der Gebrauchsgewährung auszugehen. Es komme nicht darauf an und bedürfe deshalb keiner Aufklärung, ob der Kläger und seine Ehefrau den zur Zerstörung des Wirtschaftsgebäudes führenden Brand verursacht hätten. Wenn der Pächter eine Teilzerstörung zu vertreten habe, könne der Verpächter Schadensersatzansprüche geltend machen und das Pachtverhältnis kündigen. Kündige er nicht und werde ihm der zum Wiederaufbau des zerstörten Gebäudes erforderliche Geldbetrag zur Verfügung gestellt, müsse er mit dem Wiederaufbau beginnen und könne mit dieser Verpflichtung in Schuldnerverzug geraten. Der Beklagte sei seit dem 7. August 1987 zum Wiederaufbau verpflichtet gewesen. Er habe diesen schuldhaft verzögert. Weder lägen die Voraussetzungen eines entschuldigten Rechtsirrtums vor, noch sei der Wiederaufbau bis zum Ende der Weideperiode 1987 unmöglich gewesen.
II. Dies hält der rechtlichen Überprüfung
nicht stand. Entgegen der Auffassung des Berufungsgerichts hatten der
Kläger und seine Ehefrau gegen den Beklagten keinen Anspruch auf Wiederaufbau
des zerstörten Gebäudes. Damit entfällt die Grundlage für
den zuerkannten Schadensersatzanspruch (§ 286 BGB).
1. Zwar ist der Verpächter verpflichtet,
die Pachtsache in einem zur vertragsgemäßen Nutzung geeigneten
Zustand zu erhalten (§ 586 Abs. 1 Satz 1 BGB). Er hat aber keine Verpflichtung,
die ohne sein Verschulden zerstörte Pachtsache wieder herzustellen,
denn die Wiederaufbaupflicht ist Ausfluß der Pflicht zur Gebrauchsüberlassung;
entfällt diese (§ 275 Abs. 1 BGB), so besteht auch jene nicht
(BGH, Urt. v. 14. Juli 1976, VIII 291/74, WM 1976,640). Nichts anderes
gilt im Falle der Teilunmöglichkeit, wie der Bundesgerichtshof für
einen vergleichbaren Fall bereits entschieden hat (vgl. BGH, Urt. v. 12.
Januar 1977, VIII ZR 142/75, WM 1977,400,401), weil § 275 Abs. 1 BGB
auch die teilweise Unmöglichkeit erfaßt. Teilunmöglichkeit
setzt allerdings voraus, daß die Leistung teilbar ist. Gerade dies
aber hat das Berufungsgericht festgestellt, indem es näher ausführt,
daß ohne das zerstörte Gebäude die Nutzung des überlassenen
landwirtschaftlichen Anwesens gleichwohl möglich war. Diese Voraussetzung
hat auch der VIII. Zivilsenat des Bundesgerichtshofes als das entscheidende
Kriterium für eine Teilunmöglichkeit angesehen (BGH, WM 1977,400,401).
Der Senat tritt dem bei.
Zwar hat sich das Berufungsgericht nicht ausdrücklich
mit der Frage befaßt, ob der Beklagte den Brand des Wirtschaftsgebäudes
zu vertreten hat. Es hat lediglich offengelassen, ob den Kläger und
seine Ehefrau insoweit ein Verschulden trifft. Der Senat kann die zu §
275 Abs. 1 BGB notwendige Feststellung aber nach dem gegebenen Sach- und
Streitstand selbst treffen, weil eine weitere Sachaufklärung hierzu
nicht zu erwarten ist. Nach den vom Berufungsgericht beigezogenen Ermittlungsakten
spricht alles dafür, daß der Brand eine Folge von Heuselbstentzündung
ist. Den Beklagten trifft für die im Besitz der Pächter befindlichen
Pachtsachen keinerlei Sorgfaltspflicht, die er fahrlässig verletzt
haben könnte. Konkrete Anhaltspunkte dafür, daß eine vorsätzliche
Brandstiftung des Beklagten vorliegt, hat der Kläger nicht behauptet.
An den Entlastungsbeweis des Beklagten dürfen keine zu hohen Anforderungen
gestellt werden. Es genügt, wenn die Brandursache hinreichend wahrscheinlich
festgestellt werden kann (hier: Heuselbstentzündung). Daraus folgt
dann gleichzeitig, daß der Beklagte diese Ursache jedenfalls nicht
zu vertreten hat. Von ihm kann nicht verlangt werden, daß er sein
mangelndes Verschulden für rein abstrakte Möglichkeiten anderer
Brandursachen beweist, für die es keinerlei Anhaltspunkte gibt (vgl.
auch BGH, Urt. v. 12. November 1952, II ZR 67/52, NJW 1953,59,60 m. w.
Nachw.).
2. Aus dem Pachtvertrag vom 10. April 1964 läßt
sich abweichend von der gesetzlichen Regelung kein Anspruch der Pächter
auf Wiederherstellung des abgebrannten Gebäudes herleiten (wird ausgeführt).
Sollte der Kläger und seine Ehefrau neben
dem Pachtzins auch die Brandversicherungsbeiträge für den verpachteten
Betrieb gezahlt haben, so folgt hieraus nicht ohne weiteres ein Anspruch
auf Wiederherstellung des abgebrannten Gebäudes. Im allgemeinen ist
in der Zahlung solcher Beiträge nicht mehr zu sehen als die Entrichtung
eines Teils des Pachtzinses (BGH, Urt. v. 12. Januar 1977, VIII ZR 142/75,
WM 1977,400,401). Umstände, aus denen sich hier im Wege der Auslegung
ausnahmsweise etwas anders ergeben könnte, hat der Kläger nicht
vorgetragen.
3. Eine Wiederaufbaupflicht des Beklagten kann
auch nicht aus § 242 BGB begründet werden. Haben die Pächter
die Brandursache nicht zu vertreten, können sie den Pachtzins entsprechend
mindern (§ 586 Abs. 2, § 537 Abs. 1 BGB) oder aber den Pachtvertrag
fristlos kündigen (§§ 594e, 542 BGB). Es liegt in ihrer
Entscheidung, ob sie am Vertrag festhalten oder nicht. Mit beiden Rechten
wird den Belangen der Pächter ausreichend Rechnung getragen. Die genannten
Rechte stehen ihnen allerdings nicht zu, wenn sie den Brand zu vertreten
haben. Das Gesetz enthält damit sowohl in dem einen wie in dem anderen
Fall eine ausgewogene Regelung zum Ausgleich der Interessen beider Teile,
die grundsätzlich nicht über § 242 BGB unterlaufen werden
kann. Besondere Umstände, die allenfalls ein anderes Ergebnis rechtfertigen
könnten, sind nicht festgestellt und auch nicht vorgetragen.
4. Es kommt nach allem nicht mehr darauf an, ob
der Kläger und seine Ehefrau den Brand zu vertreten haben. Nur am
Rande sei bemerkt, daß das Berufungsgericht von seinem Standpunkt
aus diese Frage nicht offenlassen durfte, denn eine Wiederaufbaupflicht
des Beklagten entfällt jedenfalls (auch) dann, wenn die Pächter
die Beschädigung der Pachtsache zu vertreten haben (vgl. BGB-RGRK/Gelhaar
12. Aufl. §§ 535,536 Rdn. 33; Ermann/Schopp, BGB 8. Aufl. §
536 Rdn. 23 und 32; Münch- Komm/Voelskow 2. Aufl. §§ 535,536
Rdn. 68; Palandt/Putzo, BGB 50. Aufl. § 535 Rdn. 23; Staudinger/Emmerich,
BGB 12. Aufl. [1986] §§ 535,536 Rdn. 47 und vor § 537 Rdn.
10/11; Soergel/Kummer, BGB 11. Aufl. § 535,536 Rdn. 128,124 und Rdn.
202; Lange/Wulff/Lüdtke/Handjerry, Landpachtrecht 3. Aufl. §
586 Rdn. 25; Faßbender/Hötzel/Lukanow, Landpachtrecht §
586 Rdn. 22). Schon aus den unter Ziffer 1 bis 3 aufgeführten Gründen
ist aber die Sache dahin entscheidungsreif (§ 565 Abs. 3 Nr. 1 ZPO),
daß die Klage abzuweisen ist, weil andere Anspruchsgrundlagen als
§ 286 BGB nicht in Betracht kommen.