Ordre public-Verstoß (Art.
6 EGBGB) des iranischen Sorgerechts - Grundrechtsverletzung, Inlandsbezug
und einzelfallorientierte Betrachtungsweise
BGH, Urt. v. 14.10.1992, XII ZB 18/92
Fundstellen:
BGHZ 120, 29
NJW 1993, 848
IPRax 1993, 102 mit Anm. Henrich ebda. S. 81 ff
s. auch BGH v. 6.10.2004 - XII ZR
225/01
Amtl. Leitsatz:
Zur Frage, wann ausländisches Recht, das die elterliche Sorge nach der
Scheidung dem Vater beläßt, wegen Verstoßes gegen den ordre public (Art. 6
EGBGB) nicht anzuwenden ist.
Gründe:
I.
Der am 17. November 1980 geborene S., der am 21. August 1982 geborene A.
und die am 20. August 1983 geborene M. entstammen der am 5. Dezember 1976
in K./Iran geschlossenen Ehe der Beteiligten zu 1 und 2, die iranische
Staatsangehörige schiitischen Glaubens sind. Auch die Kinder besitzen die
iranische Staatsangehörigkeit. Alle Beteiligten wohnen seit Jahren in der
Bundesrepublik Deutschland.
Auf den Scheidungsantrag der Mutter (Antragstellerin) hat das Amtsgericht
- Familiengericht - durch Verbundurteil vom 13. April 1989 die Ehe der
Beteiligten zu 1 und 2 vorab geschieden. Das Urteil ist rechtskräftig. Mit
Beschluß vom 18. Juli 1991 hat das Familiengericht nach Einholung eines
Rechtsgutachtens des Direktors des Instituts für Internationales Recht und
Ausländisches Privatrecht der Universität K. zum iranischen Recht das
Sorgerecht für S. und M. der Mutter, das für A. dem Vater (Antragsgegner)
übertragen. Zur Begründung hat es ausgeführt, die Regelung der elterlichen
Sorge richte sich hier nach Iranischem Recht. Danach stehe kraft Gesetzes
allein dem Vater die elterliche Sorge zu, da die Kinder die Altersgrenzen,
innerhalb deren ein Recht der Mutter zur tatsächlichen Personensorge in
Betracht komme, überschritten hätten. Die Anwendung dieser ausländischen
Regelung verstoße hinsichtlich der Kinder S. und M. gegen den ordre public,
da deren Wohl ein Verbleib bei der Mutter erfordere. Hiergegen hat der
Vater Beschwerde eingelegt, mit der er die Übertragung des Sorgerechts
auch für S. und M. begehrt hat. Das Oberlandesgericht hat die Entscheidung
des Familiengerichts geändert und festgestellt, daß das Sorgerecht für
alle drei Kinder dem Vater zusteht (veröffentlicht in FamRZ 1992,848). Die
- zugelassene - weitere Beschwerde, mit der die Mutter die
Wiederherstellung des Beschlusses des Familiengerichts begehrt, hatte
Erfolg.
II.
1. Gegenstand des Verfahrens der weiteren Beschwerde ist die Entscheidung
des Oberlandesgerichts nur insoweit, als sie die elterliche Sorge des
Vaters für die Kinder S. und M. feststellt. 2. Die internationale
Zuständigkeit der deutschen Gerichte ist gegeben. Sie ist auch in den
Sachen, deren Verfahren sich nach den Vorschriften des Gesetzes über die
Angelegenheiten der freiwilligen Gerichtsbarkeit bestimmt, in jeder Lage
des Verfahrens von Amts wegen zu prüfen (Keidel/Amelung, Freiwillige
Gerichtsbarkeit 12. Aufl. Einl. 78 m.Nachw.). Sie ergibt sich aus Art. 1
des Haager Übereinkommens über die Zuständigkeit der Behörden und das
anzuwendende Recht auf dem Gebiet des Schutzes von Minderjährigen vom 5.
Oktober 1961 (BGBl 1971 II 217 - Minderjährigenschutzabkommen, MSA), da
die Kinder ihren gewöhnlichen Aufenthalt in der Bundesrepublik Deutschland
haben (Senatsbeschluß BGHZ 89,325, 336). Allerdings besteht die
internationale Zuständigkeit des Aufenthaltsstaates nach Art. 1 MSA nur
vorbehaltlich (u. a.) Art. 3 MSA. Sie entfällt, wenn nach dem
innerstaatlichen Recht des Staates, dem der Minderjährige angehört, ein
Gewaltverhältnis kraft Gesetzes besteht (BGHZ 80,68; Senatsbeschluß vom
11. April 1984 - IVb ZB 96/82 - FamRZ 1984, 686, 687). Auf diesen
Vorbehalt kommt es hier jedoch nicht an. Denn das anzuwendende materielle
Recht ist - wie unter 3. näher ausgeführt wird - nicht Art. 2 MSA, sondern
dem Niederlassungsabkommen zwischen dem Deutschen Reich und dem
Kaiserreich Persien vom 17. Februar 1929 (RGBl 1930 II 1006 -
deutsch-iranisches Niederlassungsabkommen), dessen Weitergeltung mit
Wirkung vom 4. November 1954 bestätigt worden ist (BGBl 1955 II 829), zu
entnehmen. Damit ist das Heimatrecht der Kinder ohnehin für die gesamte
Sorgerechtsbeziehung maßgebend, so daß Art. 3 MSA hier gegenstandslos ist
(ebenso Coester IPRax 1991,236). 3. Nach Art. 3 Abs. 2 EGBGB gehen
völkerrechtliche Vereinbarungen, soweit sie unmittelbar anwendbares
innerstaatliches Recht geworden sind, den Vorschriften des
Einführungsgesetzes zum Bürgerlichen Gesetzbuch vor. Zwar ist auch das
Minderjährigenschutzabkommen unmittelbar anwendbares innerstaatliches
Recht, jedoch läßt es nach seinem Art. 18 Abs. 2 Bestimmungen anderer
zwischenstaatlicher Übereinkünfte unberührt, die - wie das
deutsch-iranische Niederlassungsabkommen - im Zeitpunkt seines
Inkrafttretens (17. September 1971 - Bekanntmachung vom 11. Oktober 1971,
BGBl II 1150) zwischen den Vertragsstaaten gelten. Diese Bestimmung
beschränkt sich dabei nicht auf Abkommen nur »mit den Vertragsstaaten«,
sondern läßt auch Abkommen mit Drittstaaten unberührt (Kropholler NJW
1971,371; vgl. auch BGHZ 60,68, 74; Senatsurteil vom 15. Januar 1986 - IVb
ZR 75/84 - FamRZ 1986, 345, 346). Nach Art. 8 Abs. 3 des
deutsch-iranischen Niederlassungsabkommens in Verbindung mit der zum
Geltungsbereich dieses Artikels abgegebenen Erklärung, die nach dem
Schlußprotokoll (RGBl 1930 II 1012) »einen wesentlichen Teil des Abkommens
selbst bildet«, bleiben die Staatsangehörigen der vertragschließenden
Staaten u. a. in Angelegenheiten der Volljährigkeit und der Vormundschaft
ihrem Heimatrecht unterworfen. Die Frage, welchem der iranischen
Beteiligten zu 1 und 2 die elterliche Sorge für die Kinder S. und M. nach
der Scheidung der Ehe zusteht oder zu übertragen ist, richtet sich deshalb
nach iranischem Recht (vgl. auch Palandt/Heldrich, BGB 51. Aufl. Anhang zu
EGBGB 24 Rdn. 51 m.Nachw.).
4. Davon geht auch das Oberlandesgericht aus. Nach seinen Feststellungen
sieht das iranische Familienrecht für die Angehörigen der verschiedenen
anerkannten Religionsgemeinschaften unterschiedliche Regelungen vor (vgl.
Art. 12,13 der iranischen Verfassung vom 15. November 1979, abgedruckt bei
Bergmann/ Ferid, Internationales Ehe- und Kindschaftsrecht Iran S. 15).
Welche dieser Regelungen vorliegend Anwendung findet, richtet sich nach
iranischem Recht (Art. 4 Abs. 3 EGBGB). Nach diesem Recht kommen für die
Beurteilung familienrechtlicher Beziehungen der islamischen Bevölkerung
das Zivilgesetzbuch (Bergmann/Ferid aaO Iran S. 6) sowie das Gesetz über
den Schutz der Familie vom 12. Februar 1975 in Betracht, das ein
gleichnamiges Gesetz aus dem Jahre 1967 ersetzt hat (Bergmann/Ferid aaO
Iran S. 7 und 35).
Zur Anwendung des materiellen iranischen Rechts führt das
Oberlandesgericht im wesentlichen aus: Nach Art. 1180 iran. ZGB stehe das
minderjährige Kind unter dem »walayat« (der Gewalt) seines Vaters und
dessen männlicher Vorfahren. Der Mutter komme nach Art. 1169 iran. ZGB das
Recht der Sorge für die Person minderjähriger männlicher Kinder in den
ersten zwei Jahren nach der Geburt, bei weiblichen Kindern bis zur
Erreichung von sieben Jahren nach der Geburt zu, wobei es sich dabei nur
um einen Teilausschnitt des Personensorgerechts handele, der nur die
tatsächliche Sorge umfasse. Das Gesetz zum Schutz der Familie vom 12.
Februar 1975, das die Möglichkeit eröffne, nach Scheidung der Ehe eine
anderweitige Regelung zu treffen, sei im Iran nicht mehr in Kraft. Da alle
Kinder über sieben Jahre alt seien und nach dem vom Familiengericht
eingeholten Gutachten im Iran auch keine sonstige Regelung der elterlichen
Sorge vorgesehen sei, soweit Art. 1181 ff. iran. ZGB eingreifen, bleibe es
auch nach der Scheidung der Parteien bei dem »walayat« des Vaters. Es
handele sich dabei um ein gesetzliches Gewaltverhältnis. Entgegen der
Auffassung des Familiengerichts liege in der Aufrechterhaltung dieses
gesetzlichen Gewaltverhältnisses des Vaters auch gegenüber den Kindern S.
und M. keine Verletzung des deutschen ordre public (Art. 6 EGBGB).
Allerdings lasse das deutsch-iranische Niederlassungsabkommen die Prüfung
des Art. 6 EGBGB zu. Die sich zunächst aufdrängende Verletzung des
Grundsatzes der Gleichberechtigung von Mann und Frau nach Art. 3 GG, die
in der Bevorzugung des Mannes nach iranischem Recht zu erkennen sei,
reiche für einen Verstoß gegen den ordre public nicht aus. Es müsse weiter
geprüft werden, ob die Anwendung des ausländischen Rechts in bezug auf den
konkreten Sachverhalt zu untragbaren Ergebnissen führe. Dabei sei zu
beachten, daß das Elternrecht nicht ohne das gleichermaßen von der
deutschen Verfassung (Art. 6 GG) geschützte Recht des Kindes beurteilt
werden könne. Auch müsse berücksichtigt werden, daß beide Parteien
iranische Staatsbürger und in iranischer Tradition aufgewachsen seien.
Auch wenn sie schon lange Jahre in Deutschland lebten, seien sie über die
Staatsangehörigkeit und ihr religiöses Bekenntnis, das das Fundament des
iranischen Zivilrechts bilde, in iranischem Denken und heimatlicher
Tradition verhaftet. Bei staatsvertraglich geregelter Anwendung
ausländischen Rechts sei bei einer solchen Situation zurückhaltend zu
beurteilen, ob die im ausländischen Recht fest verwurzelten Vorstellungen
wegen des Gleichheitsgrundsatzes ignoriert werden dürften. Eine
Nichtbeachtung könne abgesehen davon, daß die Praktikabilität und die
Gegenseitigkeit der Staatsverträge gefährdet werde, dazu führen, daß dem
einzelnen Ausländer eine fremde Rechtsordnung aufgedrängt werde.
Die Berücksichtigung des Kindeswohles führe nicht dazu, daß das Ergebnis
als unerträglich empfunden werde. Das Wohl der Kinder S. und M. sei nicht
gefährdet, wenn das Sorgerecht beim Vater verbleibe. Das Familiengericht
habe auf den Willen der Kinder und den Grundsatz der Kontinuität
abgestellt. Dabei handele es sich um ein allgemein anerkanntes und
praktiziertes Prinzip für die Abwägung, bei welchem gleichwertigen
Elternteil den Interessen eines gemeinschaftlichen Kindes eher gedient
sei. Dieses Kriterium sei hier jedoch weniger geeignet. Um dem Vater das
Sorgerecht zu entziehen, dem es nach seinem Heimatrecht zustehe, müßten
viel eher die Voraussetzungen der §§ 1666 ff. BGB erfüllt sein. Es könne
jedoch nicht davon ausgegangen werden, daß S. und M. in ihrer Person oder
ihrem Vermögen durch den Vater ernsthaft gefährdet würden. Der Einholung
eines Sachverständigengutachtens hierzu bedürfe es nach den Umständen
nicht. Zur Frage, bei welchem Elternteil eine bessere Entwicklung der
Kinder zu erwarten sei, komme kein Gutachten in Betracht, weil diese Frage
nach dem Vorstehenden nicht entscheidend sei.
Diese Ausführungen tragen die Verneinung eines Verstoßes gegen den ordre
public nicht.
a) Art. 6 Satz 1 EGBGB untersagt die Anwendung einer Rechtsnorm eines
anderen Staates, wenn ihre Anwendung zu einem Ergebnis führt, das mit
wesentlichen Grundsätzen des deutschen Rechts offensichtlich unvereinbar
ist. Die Rechtsprechung hat schon Art. 30 EGBGB a.F., der in seinem
sachlichen Gehalt Art. 6 EGBGB entsprach (BGHZ 104,240, 243), als die
»Einbruchstelle« der Grundrechte in das internationale Privatrecht
verstanden (BVerfGE 31, 58, 72 ff., 86; BGHZ 60,68, 78). Diesen Gedanken
hat der Gesetzgeber bei der Reform des deutschen internationalen
Privatrechts durch die Aufnahme von Satz 2 in Art. 6 EGBGB besonders
hervorgehoben, der klarstellt, daß eine ausländische Rechtsnorm
insbesondere nicht anzuwenden ist, wenn ihre Anwendung mit den
Grundrechten unvereinbar ist. Eine Grundrechtsverletzung im Einzelfall
durch Anwendung einer Vorschrift fremden Rechts ist als unvereinbar mit
dem deutschen ordre public stets von vornherein ausgeschlossen (vgl.
Begründung des RegE des IPR-Neuregelungsgesetzes, BT-Drucks. 10/504 S. 44
sowie auch Bericht des Rechtsausschusses, BT-Drucks. 10/5632 S. 40,
wiedergegeben bei Pirrung, Internationales Privat- und Verfahrensrecht S.
125). Allerdings führt nicht jede Anwendung ausländischen Rechts, die
bei einem Inlandsfall grundrechtswidrig wäre, bereits zur offensichtlichen
Unvereinbarkeit mit wesentlichen Grundsätzen des deutschen Rechts.
Vielmehr bedarf es einer ausreichenden Inlandsbeziehung des Einzelfalls,
um einen Verstoß gegen den ordre public anzunehmen (BVerfGE 31, 58,
77; BGHZ 60,68, 79; Palandt/Heldrich aaO EGBGB 6 Rdn. 6; MünchKomm/Sonnenberger
2. Aufl. Art. 6 EGBGB Rdn. 40). Es kommt auch darauf an, ob und
inwieweit das Grundrecht in bezug auf den konkreten Sachverhalt Geltung
beansprucht, insbesondere auch unter Berücksichtigung der Gleichstellung
anderer Staaten und der Eigenständigkeit ihrer Rechtsordnungen. Es kann
auch eine den Besonderheiten des Falles, insbesondere dem Grad der
Inlandsbeziehungen angepaßte Auslegung der Grundrechte angezeigt sein
(BGHZ 63,219, 226).
b) Hiernach kommt ein Verstoß gegen den ordre public, dessen Beachtung das
deutsch-iranische Niederlassungsabkommen nicht entgegensteht (Art. 8 Abs.
3 Satz 2 des Abkommens), in Betracht.
Nach der Rechtsprechung des Bundesverfassungsgerichts ist das Kind
Grundrechtsträger. Es hat ein eigenes Recht auf Entfaltung seiner
Persönlichkeit im Sinne der Art. 1 Abs. 1 und Art. 2 Abs. 1 GG (BVerfGE
24, 119, 144). Die Elternverantwortung ist auf das Wohl des Kindes
ausgerichtet und muß das Kind in seiner Individualität als
Grundrechtsträger berücksichtigen. Bei einem etwaigen Interessenkonflikt
zwischen Elternverantwortung und Kind kommt dem Kind der Vorrang zu (BVerfGE
31, 217, 252). Ausschlaggebend ist deshalb auch bei der Entscheidung über
die elterliche Sorge nach Scheidung der Ehe das Wohl des Kindes. Diesem
Wohl entspricht es, daß nach dem Förderungsprinzip derjenige Elternteil
die elterliche Sorge erhalten soll, bei dem das Kind vermutlich die meiste
Unterstützung für den Aufbau seiner Persönlichkeit erwarten kann (BVerfGE
55, 171, 181). Ferner ist es von Verfassungs wegen geboten, den Willen des
Kindes zu berücksichtigen, soweit dies mit seinem Wohl vereinbar ist (BVerfGE
55, 171, 182). Auf eine ausländische Staatsangehörigkeit des Kindes kommt
es nicht an, da das Grundrecht aus Art. 2 Abs. 1 GG auch ausländischen
Staatsangehörigen in der Bundesrepublik zusteht (BVerfGE 35, 382, 399).
Diesen Grundsätzen wird die Entscheidung des Oberlandesgerichts nicht
gerecht.
Das Oberlandesgericht prüft nicht, bei welchem Elternteil die Kinder S.
und M. die meiste Unterstützung für den Aufbau ihrer Persönlichkeit
erwarten können, sondern stellt darauf ab, ob ein Verbleib der elterlichen
Sorge beim Vater die Kinder in ihrer Person oder ihrem Vermögen gefährdet.
Damit hat es den von Verfassungs wegen zu berücksichtigenden Gedanken der
Förderung der Entwicklung der Kinder nicht ausreichend beachtet. Ferner
hat es nicht genügend in seine Überlegungen einbezogen, daß sich beide
Kinder - ebenso das Jugendamt - für einen Verbleib bei ihrer Mutter
ausgesprochen haben. Die Entscheidung des Oberlandesgerichts kann deshalb
sowohl Grundrechte der Kinder (Art. 2 Abs. 1 GG) als auch die durch Art. 6
Abs. 2 Satz 2 GG auf die staatliche Gemeinschaft übertragene, ebenfalls
auf das Wohl der Kinder ausgerichtete Verpflichtung (BVerfGE 24, 119,
144), die Pflege und Erziehung des Kindes zu überwachen, verletzen, wenn
das Wohl der Kinder eine andere Regelung der Personensorge verlangt (vgl.
auch Palandt/Heldrich aaO EGBGB 6 Rdn. 25; Coester IPRax 1991,236).
Die mögliche Verletzung verfassungsrechtlich geschützter Positionen der
Kinder verlangt auch gegenüber der iranischen Rechtsordnung Beachtung. Die
Mutter lebt seit Jahren, der Vater schon seit Jahrzehnten, in der
Bundesrepublik Deutschland. Die nach dem Bericht des Jugendamts N. vom 29.
November 1990 in Deutschland geborenen Kinder wachsen hier auf und gehen
hier zur Schule. Von einer Absicht der Beteiligten zur Rückkehr in den
Iran ist nicht die Rede. Bei einer derartigen Inlandsbeziehung ist es mit
wesentlichen Grundsätzen des deutschen Rechts offensichtlich unvereinbar,
wenn ein deutsches Gericht, das auch bei der Anwendung einer ausländischen
Rechtsnorm deutsche Staatsgewalt ausübt, die unter den Geboten des Art. 1
Abs. 3 und Art. 20 Abs. 3 GG steht, eine Entscheidung zur elterlichen
Sorge trifft, die das Kindeswohl nicht berücksichtigt. Dies muß von den
Beteiligten - die Mutter beruft sich ohnehin auf die Wertvorstellungen des
deutschen Rechts - wegen der starken Inlandsbeziehung des Falles
hingenommen werden.
In der Verweigerung der Anwendung des Heimatrechts der Beteiligten liegt
keine Diskriminierung des iranischen Rechts, das im eigenen Bereich
sinnvoll oder vertretbar sein mag, sondern nur die Feststellung, daß die
konkrete uneingeschränkte Anwendung des Art. 1180 iran. ZGB durch ein
deutsches Gericht unserer Verfassungsordnung widerspricht, wenn ihr das
Kindeswohl entgegensteht (vgl. BVerfGE 31, 58, 75). Den ausländischen
Beteiligten wird damit auch keine ihnen fremde Rechtsordnung aufgezwungen,
vielmehr wird ihnen lediglich die Anwendung ihres Heimatrechts durch die
deutschen Gerichte versagt, falls sie zu einem mit wesentlichen
Grundsätzen des deutschen Rechts offensichtlich unvereinbaren Ergebnis
führen würde.
5. Hiernach kann die angefochtene Entscheidung nicht bestehen bleiben,
ohne daß es noch darauf ankommt, ob die bisherige Anwendung des iranischen
Rechts durch das Oberlandesgericht zugleich gegen den Grundsatz der
Gleichberechtigung von Mann und Frau (Art. 3 Abs. 2 GG) verstößt, wie die
weitere Beschwerde meint.
Dem Senat ist eine abschließende Entscheidung verwehrt, da weitere
Feststellungen dazu erforderlich sind, welche Regelung der elterlichen
Sorge dem Wohl der Kinder S. und M. am besten entspricht. Solche
Feststellungen zu treffen, hat das Oberlandesgericht bisher - von seinem
Standpunkt aus folgerichtig - unterlassen. Die Sache ist deshalb an das
Beschwerdegericht zurückzuverweisen.
6. Für die weitere Sachbehandlung weist der Senat auf folgendes hin:
Sollten die weiteren Feststellungen ergeben, daß das Wohl der Kinder ihren
Verbleib bei der Mutter erfordert, führt die Anwendung des iranischen
Rechts dann nicht zu einem Verstoß gegen den ordre public, wenn das
iranische Recht die Möglichkeit vorsieht, die tatsächliche Personensorge
mit dem Recht der Aufenthaltsbestimmung der Mutter zu übertragen (BGHZ
60,68, 81 f.; Staudinger/Henrich, BGB 12. Aufl. Art. 19 Rdn. 45). Auch
wenn Art. 12 des iranischen Gesetzes zum Schutz der Familie vom 12.
Februar 1975, wie das Oberlandesgericht meint, nicht mehr fortgilt (für
eine Fortgeltung: OLG Celle FamRZ 1990, 1131, 1132; OLG Frankfurt FamRZ
1991, 730, 731; vgl. auch OLG Celle IPRax 1989,390), wird das
Beschwerdegericht im Rahmen seiner Amtsermittlungspflicht prüfen müssen,
ob jene Möglichkeit nach islamischen Rechtsgrundsätzen besteht (für eine
solche Möglichkeit: OLG Bremen FamRZ 1992, 343, 344). Sollte jedoch eine
solche Möglichkeit nach iranischem Recht ausscheiden, würde ein Verstoß
gegen den ordre public nicht zwangsläufig dazu führen, daß für die
Regelung der elterlichen Sorge für die Kinder S. und M. deutsches Recht
zur Anwendung kommt. Vielmehr wäre zu versuchen, die Regelungslücke, die
durch die Nichtanwendung der dem ordre public zuwiderlaufenden Vorschrift
entsteht, nach Möglichkeit nach dem iranischen Recht zu schließen (vgl.
Palandt/Heldrich aaO EGBGB 6 Rdn. 13; Ferid, Internationales Privatrecht
3. Aufl. Rdn. 3 - 34; MünchKomm/Sonnenberger aaO Art. 6 Rdn. 80 ff.). Dies
könnte etwa in der Weise geschehen, daß dem Vater die Vermögenssorge
belassen bleibt, während der Mutter die Personensorge - u.U. auch das
Recht, die Kinder in Unterhaltssachen zu vertreten, - übertragen wird. |