Konkludentes Einverständnis mit dem Wandelungsbegehren des Käufers, Verjährung des Anspruchs aus Wandelung

BGH, Urteil v. 08.03.1995  - VIII ZR 156/94

Fundstellen:

BGHZ 129, 86
NJW 1995, 1481
WM 1995, 930
ZIP 1995, 653



Amtl. Leitsatz:

1. Ein konkludentes Einverständnis des Verkäufers mit der Wandelung des Kaufvertrages kann darin liegen, daß er nach Abweisung seiner Kaufpreisklage aufgrund der vom Käufer erklärten Wandelungseinrede (§§ 478, 490 III BGB) die Kaufsache zurücknimmt.
2. Der Anspruch des Käufers auf Ersatz von Nebenkosten nach § 488 BGB entsteht mit der Vollziehung der Wandelung und unterliegt der regelmäßigen Verjährung gem. § 195 BGB.



Zum Sachverhalt:

Der Kl. ersteigerte auf einer von der Bekl. durchgeführten Zuchtviehversteigerung im Jahre 1989 ein Rind. Da bei diesem eine Eierstockzyste festgestellt wurde, ließ der Kl. den zur Zahlung gegebenen Scheck sperren. Die daraufhin von der Bekl. erhobene Zahlungsklage wurde in zweiter Instanz vom LG Trier durch Urteil vom 15. 11. 1990 mit der Begründung abgewiesen, dem Kl. stehe gegenüber dem Zahlungsanspruch die Bereicherungseinrede aus § 821 BGB zu, da er den Wandelungsanspruch auch noch nach Verjährung einredeweise nach § 490 III BGB geltend machen könne. Am 5. 12. 1990 ließ die Bekl. das Rind, das bis dahin im Stall des Kl. gestanden hatte, abholen. Mit seiner am 4. 10. 1991 eingereichten Klage begehrt der Kl. Ersatz seiner für das Tier aufgewendeten Kosten, die er abzüglich gezogener Nutzungen zuletzt mit 4418,44 DM beziffert hat, sowie Erstattung der im Vorprozeß zur Abwendung der Zwangsvollstreckung gezahlten Avalprovision von 116,17 DM. Die Bekl. bestreitet die Höhe der geltend gemachten Kosten und beruft sich im übrigen auf Verjährung.
Das LG hat die Klage abgewiesen. Die hiergegen gerichtete Berufung des Kl. ist vom BerGer. zurückgewiesen worden. Die Revision des Kl. hatte überwiegend Erfolg und führte zur Aufhebung und Zurückverweisung.

Aus den Gründen:

I. Das BerGer. hält in Übereinstimmung mit dem LG die Klage insoweit für unzulässig, als der Kl. Ersatz der gezahlten Avalprovision verlangt; hierbei handele es sich um Verfahrenskosten im weiteren Sinne, die im Kostenfestsetzungsverfahren hätten geltend gemacht werden können.
Ob dem Kl. durch die Versorgung des ersteigerten Rindes Aufwendungen entstanden seien, könne dahinstehen. Etwa daraus resultierende Ansprüche des Kl. seien gem. § 490 I BGB verjährt, so daß die Bekl. zu Recht die Leistung verweigere. Dabei könne auch offenbleiben, ob vorliegend von einer vollzogenen Wandelung auszugehen sei, so daß nur noch ein Anspruch aus Wandelung in Betracht komme. Verwendungsansprüche nach § 488 BGB verjährten ebenso wie der Anspruch auf Wandelung in sechs Wochen. Auch wenn einer Wandelungsklage stattgegeben worden sei, bedeute das nicht, daß der Anspruch aus § 488 BGB nunmehr erst nach 30 Jahren verjähre. Durch die Vollziehung der Wandelung entstehe kein neuer Anspruch, vielmehr seien die daran geknüpften Rechtsfolgen unmittelbar aus dem zugrundeliegenden Kaufvertrag und der daraus entspringenden Gewährleistungspflicht abzuleiten. Das, was für den Hauptanspruch als solchen gelte, treffe auch für die Nebenforderung nach § 488 BGB zu, so daß auch insoweit trotz Vollziehung der Wandelung die sechswöchige Verjährungsfrist Platz greife. Für die kurze Verjährungsfrist spreche schließlich, daß die Verwendungsersatzansprüche des § 488 BGB zur Herstellung des Rechtsfriedens und zur Vermeidung von Beweisschwierigkeiten einer schleunigen Klärung bedürften.
II. Diese Ausführungen halten einer rechtlichen Nachprüfung, soweit diese im Rahmen der zugelassenen Revision vorzunehmen ist, nicht stand.
1. Die Revision ist unzulässig, soweit sie weiterhin die Zahlung der im Vorprozeß zur Abwendung der Zwangsvollstreckung aufgewendeten Avalprovision in Höhe von 116,17 DM erstrebt. Zwar enthält die Urteilsformel keinen die dort ausgesprochene Revisionszulassung einschränkenden Zusatz. Nach allgemeiner Meinung kann die Beschränkung aber auch in den Entscheidungsgründen erfolgen; eine solche Beschränkung wollte das BerGer. mit seiner Formulierung ("weil die Rechtssache von grundsätzlicher Bedeutung ist und eine höchstrichterliche Entscheidung - soweit ersichtlich - zur Frage der Verjährung der Ansprüche des § 488 BGB bisher nicht vorliegt") hier erkennbar vornehmen (vgl. BGH, NJW 1993, 1799 = LM H. 8/1993 § 17a GVG Nr. 9 = BGHR § 546 I 1 Revisionszulassung, beschränkte 12, insoweit in BGHZ 121, 367ff. nicht abgedr.). Die Beschränkung auf den vom Kl. geltend gemachten Verwendungsersatzanspruch, der einem Teilurteil zugänglich gewesen wäre, war auch zulässig (vgl.Senat, NJW 1988, 1778 (unter A) = LM § 209 BGB Nr. 61, insoweit in BGHZ 104, 6ff. nicht abgedr.; BGH, NJW 1989, 774 (unter A) = LM § 1004 BGB Nr. 181). Entgegen der Ansicht der Revision  ergibt sich die Zulässigkeit des Rechtsmittels auch nicht aus § 547 ZPO, da das BerGer. die Berufung nicht als unzulässig verworfen hat.
Die Revision des Kl. war daher, soweit mit ihr die Abweisung der Klage in Höhe von 116,17 DM angegriffen wird, gem. §§ 546, 554a ZPO als unzulässig zu verwerfen (BGHZ 48, 134 (136f.) = NJW 1967, 2312 = LM § 116 BRAGebO Nr. 1; BGH, NJW 1981, 287 = LM § 546 ZPO Nr. 100 = VersR 1981, 57 (58)).
2. Entgegen der Ansicht des BerGer. ist der Anspruch des Kl. auf Ersatz der von ihm für das Tier aufgewendeten Kosten, die er mit 4418,44 DM berechnet hat, nicht verjährt.
a) Das BerGer. hat zwar offengelassen, ob die Parteien die Wandelung des zwischen ihnen geschlossenen Kaufvertrages vollzogen haben. Diese Frage kann der Senat selbst entscheiden, da insoweit weitere tatsächliche Feststellungen nicht mehr in Betracht kommen (vgl. BGHZ 65, 107 (112) = NJW 1976, 43 = LM Allg. Geschäftsbedingungen Nr. 79a; BGHZ 109, 19 (22) = NJW 1990, 441 = LM § 847 BGB Nr. 81; BGHZ 121, 284 (289) = NJW 1993, 1532 = LM H. 9/1993 Berufsunfähigkeitszusatzvers. Nr. 19). Allerdings liegt eine Vollziehung der Wandelung nicht schon darin, daß der Kl. als Bekl. im Vorprozeß mit Schriftsatz vom 26. 6. 1989 die Wandelung des Kaufvertrages erklärt hatte (BGHZ 85, 367 (371) = NJW 1983, 390 = LM § 465 BGB Nr. 5; Senat, NJW 1990, 2680 (unter III 1) = LM § 465 BGB Nr. 8). Die Vollziehung der Wandelung ist hier jedoch dadurch erfolgt, daß die Bekl. am 5. 12. 1990 das Rind aus dem Stall des Kl. mit dessen Einverständnis abgeholt hat. Nach Abweisung der Kaufpreisklage aufgrund der vom Kl. erhobenen Wandelungseinrede kann in der Rücknahme des Tieres nur das konkludente Einverständnis der Bekl. mit der vom Kl. verlangten Wandelung gesehen  werden (vgl. Soergel/Huber, BGB, 12. Aufl., § 478 Rdnr. 6). In diesem Sinne mußte jedenfalls der Kl., auf dessen Verständnis bei Auslegung des Rückgabeverlangens der Bekl. abzustellen ist, mangels gegenteiliger Äußerungen der Bekl. deren Verhalten verstehen. Von einer Vollziehung der Wandelung durch Rücknahme des Tiers am 5. 12. 1990 ist auch das LG ausgegangen.
b) Welche Verjährungsfrist auf den Anspruch auf Erstattung der Nebenkosten gem. § 488 BGB anzuwenden ist, hat der Senatbisher offengelassen (NJW 1978, 1058 (unter III 2b) = LM § 261b ZPO Nr. 22). Diese Frage entscheidet der Senat nunmehr dahin, daß insoweit grundsätzlich die 30jährige Verjährungsfrist gilt. Der Anspruch des Käufers auf Ersatz der ihm entstandenen Nebenkosten gem. § 488 BGB beruht auf der vollzogenen Wandelung und entsteht nicht vor deren Vollziehung (Mezger, in: RGRK, 12. Aufl., § 490 Rdnr. 1; Soergel/Huber, § 488 Rdnr. 2). Wie der Senat in ständiger Rechtsprechung entschieden hat, unterliegen die sich aus der Vollziehung der Wandelung ergebenden Ansprüche der regelmäßigen Verjährung des § 195 BGB (BGHZ 85, 367 (370) = NJW 1983, 390 = LM § 465 BGB Nr. 5; BGHZ 87, 104 (111f.) = NJW 1983, 1479 = LM § 467 BGB Nr. 7; Senat,NJW-RR 1987, 1338 unter II 2a aa = LM EKG Nr. 13). Dasselbe muß für den sich aus der vollzogenen Wandelung ergebenden  Anspruch des Käufers gem. § 488 BGB gelten (Soergel/Huber, § 488 Rdnr. 2; Palandt/Putzo, BGB, 54. Aufl., § 488 Rdnr. 1). Soweit nach anderer Ansicht auf den Verwendungsersatzanspruch nach § 488 BGB die kurze Verjährungsfrist des § 490 BGB jedenfalls entsprechend Anwendung finden soll (Mezger, in: RGRK, § 490 Rdnr. 1; Staudinger/Honsell, BGB, 12. Aufl., § 488 Rdnr. 1; H. P. Westermann, in: MünchKomm, 2. Aufl., §§ 487, 488 Rdnr. 7; s. auch LG Neiße, JW 1930, 1325 m. abl. Anm. Stölzle), ist dies unvereinbar damit, daß das durch Vollziehung der Wandelung begründete gesetzliche Rückgewährschuldverhältnis die Grundlage für den Verwendungsersatzanspruch des § 488 BGB ist. Entsteht der Verwendungsersatzanspruch nach § 488 BGB erst mit der Vollziehung der Wandelung, so kann er auch nicht vor diesem Zeitpunkt verjähren (§ 198 BGB). Dies gilt auch dann, wenn die Wandelung trotz Verjährung des Anspruchs auf Wandelung vollzogen wird. Nach der Gegenmeinung müßten ferner die vor Vollziehung der Wandelung entstandenen Verwendungsersatzkosten innerhalb der Verjährungsfrist in verjährungsunterbrechender Weise geltend gemacht werden, auch wenn ihr Umfang sich bis dahin noch nicht übersehen läßt, was lediglich im Wege einer Feststellungsklage erfolgen könnte. Ein derartiges  prozessuales Vorgehen, durch das der Verwendungsersatzanspruch für unterschiedliche Zeiträume in mehrere prozessuale Ansprüche zerlegt werden müßte, würde jedoch dem Käufer die Durchsetzung seiner Verwendungsersatzansprüche in unzumutbarer Weise erschweren. Soweit durch die geltende 30jährige Verjährungsfrist sich Beweisschwierigkeiten zur Höhe des geltend gemachten Anspruchs ergeben, gehen diese wie auch sonst zu Lasten des anspruchsberechtigten Käufers.
III. Das Berufungsurteil war daher insoweit, als es die Klage auf Ersatz der geltend gemachten Verwendungskosten abgewiesen hat, aufzuheben und die Sache zur Feststellung der Höhe des Anspruchs an das BerGer. zurückzuverweisen.



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