BGHZ 133, 36
NJW 1996, 2734
MDR 1996, 1140
BB 1996, 2271
WM 1996, 1618
ZIP 1996, 1667
VersR1996, 1279
Amtl. Leitsätze:
a) Mit der Revision können Fehler der erstinstanzlichen
Beweisaufnahme grundsätzlich nicht gerügt werden, wenn diese
Fehler bis zum Schluß der mündlichen Verhandlung vor dem Berufungsgericht
nicht beanstandet worden sind.
b) Wer in verdeckter Stellvertretung eine Auskunft
für einen Dritten einholt, kann grundsätzlich nicht den Schaden
zum Gegenstand eines eigenen Ersatzanspruchs machen (Drittschadensliquidation),
den der Dritte dadurcherleidet, daß er im Vertrauen auf die Auskunft
Vermögensverfügungen trifft.
Im Mittelpunkt der Entscheidung steht die Abgrenzung von Drittschadensliquidation (DSL) und Vertrag mit Schutzwirkung für Dritte. Der BGH verneint hier zu Recht einen Fall der DSL: Diese soll eine - vom Schädiger aus gesehen - zufällige Verlagerung des Schadens vom Vertragspartner auf einen Dritten erfassen. Sie kann daher nur dann Anwendung finden, wenn der geltendgemachte Schaden ebensogut beim Vertragspartner hätte eintreten können. Das ist auch etwa der Grund, aus dem man im Bereich der deliktischen Produkthaftung nicht mit DSL arbeiten kann (vgl. dazu die "Hühnerpest"-Entscheidung BGHZ 51, 91 ff). Kommt es daher zu einer Kumulierung von Schadensrisiken auf Seiten des Schädigers, kann man nur mit dem Vertrag mit Schutzwirkung für Dritte zu einem vertraglichen Schadensersatzanspruch Dritter gelangen. Dies setzt aber neben der Leistungsnähe des Dritten und einem Interesse des Gläubigers am Schutz des Dritten u.a. Erkennbarkeit dieser Kriterien für den Schuldner bei Vertragsschluß voraus, was der BGH in casu verneint.
I.
Das Berufungsgericht hat Schadensersatzansprüche
desKlägers wegen falscher Auskunft über die Bonität der
D. verneint. Es ist aufgrund der vom Landgericht durchgeführtenBeweisaufnahme
zu dem Ergebnis gelangt, daß der Kläger nicht bewiesen habe,
daß zwischen den Parteien ein Auskunftsvertrag zustande gekommen
sei. Es hat sich der Beweiswürdigung des Landgerichts hinsichtlich
der Aussagender in erster Instanz vernommenen Zeugen angeschlossen und
eine wiederholte Vernehmung für nicht angezeigt gehalten. Hierzu hat
es u.a. ausgeführt:
Für eine entscheidend höhere Glaubwürdigkeit
und Glaubhaftigkeit der Aussagen des Zeugen H., der für den Kläger
gehandelt habe, und des Zeugen W. von der inzwischen in Konkurs gefallenen
Streithelferin, die sich eigener Schadensersatzansprüche gegen die
Beklagte berühme, im Verhältniszur Aussage des Zeugen M. von
der Beklagten gebe es keine greifbaren Anhaltspunkte. Die Aussage des Zeugen
M., er sei vor der Erteilung der Auskünfte von dem Zeugen W. nicht
darauf hingewiesen worden, daß die Auskunft nicht von der Streithelferin
selbst gebraucht werde, sondern der Vorbereitung einer Investitionsentscheidung
des Klägers bei der D.dienen solle, sei unwiderlegt geblieben.
Ein Fall zulässiger Drittschadensliquidation
liege ebenfalls nicht vor. Voraussetzung dafür sei, daß das
durch den Vertrag geschützte Interesse aufgrund besonderer Rechtsbeziehungen
zwischen dem Gläubiger - hier der Streithelferin - und einem Dritten
- hier dem Kläger - so auf den Dritten verlagert wäre, daß
der Schaden diesen rechtlich treffe. Hier sei mangels Einbeziehung des
Klägers in den Vertrag weder dessen Interessean der Richtigkeit der
Auskunft noch das Interesse der Streithelferin an der Weitergabe der Auskunft
an Dritte auf Risiko des Auskunftgebers geschützt.
II.
Die mit der Revision erhobenen Verfahrensrügen
greifen nicht durch.
1. Entgegen der Ansicht der Revision mußte
das Berufungsgericht die vom Landgericht vernommenen Zeugen nicht nochmals
vernehmen.
a) Die Wiederholung der Beweisaufnahme war hier
nicht etwa schon deshalb geboten, weil die Zeugen in erster Instanz überwiegend
nicht von der gesamten Kammer, sondern von einem Mitglied der Kammer als
beauftragtem Richter vernommen worden waren. Selbst wenn die Voraussetzungen
für eine Zeugenvernehmung durch einen beauftragten Richter nach §
375 ZPO nicht vorgelegen haben sollten, so wäre ein etwaiger Verstoß
nach § 295 Abs. 1 ZPO geheilt worden; denn
133,39 [ 5. Drittschadensliquidation bei falscher
Auskunft ]
der Kläger hat es unterlassen, eine Rüge
in der der Beweisaufnahme folgenden mündlichen Verhandlung vom 25.
November 1993 zu erheben (vgl. BGH, Urteil vom 2. Februar 1979 - V ZR 146/77
= NJW 1979, 2518).
b) Ob im übrigen die Beweisaufnahme erster
Instanz an einem Verfahrensmangel litt, der nicht gemäß §
295 ZPO geheilt worden ist, kann dahingestellt bleiben; insbesondere bedarf
es keiner Klärung, ob das Landgericht angesichts der einander widersprechenden
Zeugenaussagen vor dem beauftragten Richter gehalten gewesen wäre,
zur Beurteilung der persönlichen Glaubwürdigkeit sich einen unmittelbaren
Eindruck von den Zeugen zu verschaffen. Denn grundsätzlich kann mit
der Revision nicht gerügt werden, das Berufungsgericht habe gegen
§ 286 ZPO verstoßen, weil es eine im ersten Rechtszug vom beauftragten
Richter durchgeführte Beweisaufnahme nicht wiederholt hat, wenn diese
Rüge im Berufungsrechtszug nicht erhoben worden ist. Die Partei muß
nämlich dem Berufungsgericht den Rechtsstreit in einer Weise unterbreiten,
daß dieses erkennen kann, aus welchen Gründen das Urteil des
ersten Rechtszuges angegriffen wird (vgl. BGHZ 35, 103,106 f.). Hierzu
fehlt es am Vortrag des Klägers.
Die Berufungsbegründung des Klägers
erstreckt sich ausdrücklich nur auf Beweisantritte, läßt
aber das Verfahren des Landgerichts unbeanstandet. Der Kläger hat
auch später bis zum Schluß der mündlichen Verhandlung in
der Berufungsinstanz nicht zu erkennen gegeben, daß er die erstinstanzliche
Beweisaufnahme nicht gegen sich gelten lassen wolle. Es bestand mithin
kein Anlaß für das Berufungsgericht, aufgrund des Berufungsvorbringens
zu prüfen, ob die Beweisaufnahme zu wiederholen sei (vgl. Wieczorek/Rössler,
ZPO3. Aufl. § 526 Anm. A; MünchKomm-ZPO/Rimmelspacher§ 525
Rdn. 3). Der Kläger hat in der Berufungsinstanz auch nicht geltend
gemacht, daß die persönliche Glaubwürdigkeit einzelner
Zeugen unterschiedlich zu bewerten sei.
c) Angesichts des somit revisionsrechtlich nicht
zu beanstandenden Verfahrens des Landgerichts durfte das Berufungsgericht
sich der erstinstanzlichen Beweiswürdigung anschließen und von
einer Wiederholung der Beweisaufnahme absehen. Eine solche Wiederholung
war auch nicht ausnahmsweise deshalb von Amts wegen rechtlich geboten,
weil das Berufungsgericht die Glaubwürdigkeit eines Zeugen anders
beurteilen oder weil es die protokollierte Aussage eines Zeugen anders
verstehen wollte als die Vorinstanz (vgl. Senatsurteil vom 29. Januar 1991
- XI ZR 76/90 = WM 1991, 693, 694 m.w.Nachw.).
Das Berufungsgericht hat sich der landgerichtlichen
Beweiswürdigung angeschlossen. Es hat sich nicht auf die persönliche
Glaubwürdigkeit eines Zeugen gestützt, sondern lediglich bemerkt,
daß für eine entscheidend höhere Glaubwürdigkeit und
Glaubhaftigkeit der einen oder anderen Zeugenaussage keine greifbaren Anhaltspunkte
bestünden. Das trifft zu. Solche Glaubwürdigkeitsgesichtspunkte
ergeben sich weder aus dem Protokoll über die Beweisaufnahme noch
aus dem Vorbringen der Parteien. Auch das Landgericht hat - ohne daß
es dies ausdrücklich betont hat - keine höhere Glaubwürdigkeit
einzelner Zeugen festgestellt. Unter diesen Umständenund weil für
die Bewertung der Zeugenaussagen keine Faktoren im Vordergrund standen,
deren Beurteilung - wie z.B. die Urteilsfähigkeit der Zeugen, ihr
Erinnerungsvermögen und ihre Wahrheitsliebe - wesentlich vom persönlichen
Eindruck der Zeugen auf den Richter abhingen (BGH, Urteil vom 21. Dezember
1992 - II ZR 276/91 = NJW-RR 1993, 510; Urteil vom 3. Mai 1995 - VIII ZR
113/94 = WM 1995, 1563, 1564), war es nicht ermessensfehlerhaft, wenn das
Berufungsgericht davon abgesehen hat, sich ein persönliches Bild von
den Zeugen zu machen. Allein der Umstand, daß die Glaubwürdigkeit
von Zeugen, deren Aussagen einander widersprechen, für die Entscheidung
nicht unerheblich ist, zwang das Berufungsgericht nicht zur erneuten Vernehmung
(vgl. BGH, Urteil vom 20. Oktober 1987 - X ZR 49/86 = NJW 1988, 484, 485).
III.
Auch materiellrechtlich ist das angefochtene Urteil
nicht zu beanstanden.
1. Das Berufungsgericht hat rechtsfehlerfrei an
den Kläger abgetretene Ansprüche der Streithelferin unter dem
rechtlichen Gesichtspunkt der sogenannten Drittschadensliquidation verneint.
Grundsätzlich kann aufgrund eines Vertrages
nur der Ersatz des Schadens verlangen, bei dem der Schaden tatsächlich
eingetreten ist und dem er rechtlich zur Last fällt. Tritt der Schaden
bei einem Dritten ein, so haftet ihm der Schädiger - von wenigen gesetzlichen
Ausnahmen abgesehen (z.B. §§ 844 Abs. 2, 845 BGB) - in der Regel
nur nach Deliktsrecht. Nur in ganz besonders gelagerten Fällen hat
die Rechtsprechung eine sogenannte Drittschadensliquidation zugelassen:
Wenn das durch den Vertrag geschützte Interesse infolge besonderer
Rechtsbeziehungen zwischen dem aus dem Vertrag berechtigten Gläubiger
und dem Träger des Interesses dergestalt auf den Dritten verlagert
ist, daß der Schaden ihn und nicht den Gläubiger trifft, soll
letzterer berechtigt sein, den Drittschaden geltend zu machen (vgl. dazu
BGHZ 25, 250, 258; 40, 91, 100; 51, 91, 93 m.w.Nachw.; v. Caemmerer ZHR
127 [1965], 241,256 f.; Büdenbender JZ 1995, 920, 925). So ist gewohnheitsrechtlich
anerkannt, daß der Beauftragte den Schaden geltend machen kann, den
sein Auftraggeber durch vertragswidriges Verhalten des Drittkontrahenten
erlitten hat (vgl. BGHZ 40, 91, 100; Hagen, Die Drittschadensliquidation
im Wandel der Rechtsdogmatik S. 253 m.w.Nachw.).
Um eine solche Fallgestaltung typischer Schadensverlagerung
handelt es sich jedoch nicht bei der hier zu beurteilenden Bankauskunft
der Beklagten gegenüber der Streithelferin als mittelbarer Vertreterin
des Klägers. Durch die unterstellt fehlerhafte Auskunft der Beklagten
ist kein Schaden eingetreten, der als Folge typischer Schadensverlagerung
den Kläger anstelle der Streithelferin getroffen hat. Die Auskunft
als solche hat weder unmittelbar zu einem Schaden beim Klägergeführt,
noch hat die Streithelferin als mittelbare Vertreterin des Klägers
die Auskunft zur Grundlage einer den Klägerschädigenden Vermögensverfügung
gemacht. Vielmehr hat der Kläger, nachdem ihm die Auskunft der Beklagten
durch die Streithelferin übermittelt worden war, selbständig
Vermögensdispositionen getroffen. Von einer typischen Schadensverlagerung,
wie sie die Rechtsprechung namentlich beim Kommissions- und Speditionsgeschäft
bejaht hat (zu typischen Konstellationen vgl. z.B. RGZ 113, 250, 254; 115,
419, 425; BGHZ 25, 250, 258; Hagen aaO S. 3, 252 f.; Peters AcP 180 [1980],
329, 350 ff.), kann mithin keine Rede sein.
Einer Ausdehnung der Drittschadensliquidation
auf den hier zu beurteilenden Spezialfall der Bankauskunft bedarf es auch
nicht deshalb, weil die Bank andernfalls unberechtigte Vorteile erlangen
würde. Dabei ist zu berücksichtigten, daß die Bank bei
falscher Auskunft, ungeachtet der Vorschrift des § 676 BGB, nicht
nur dem anfragenden Kunden zum Schadensersatz verpflichtet ist, wenn für
diesen die Auskunft erkennbar von erheblicher Bedeutung ist und er sie
zur Grundlage wesentlicher Vermögensverfügungen machen will (vgl.
z.B. Senatsurteile vom 27. Juni 1989 - XI ZR 52/88 = WM 1989, 1409, 1411
und vom 16. Oktober 1990 - XI ZR 165/88 = WM 1990, 1990, 1991 m.w.Nachw.),
sondern daß darüber hinaus eine Haftung der Bank gegenüber
dem auf die Auskunft Vertrauenden ausnahmsweise auch begründet sein
kann, wenn die Auskunft einem Dritten erteilt worden ist. Bei dieser Sachlage
ist es jedoch erforderlich, daß die Auskunft für jenen bestimmt
und die auskunftgebende Bank sich bewußt war, daß sie für
diesen in der erwähnten Weise bedeutsam und als Grundlage entscheidender
Vermögensverfügungen dienen werde (vgl. Senatsurteil vom 16.
Oktober 1990 aaO). Wird das nicht offenbart, muß die Bank nicht mit
der atypischen Situation rechnen, daß der anfragende Kunde die Auskunft
in verdeckter Stellvertretung für einen Dritten einholt. Sie hat deshalb
auch nicht für einen etwaigen Drittschaden einzustehen. Eine Ausdehnung
der Drittschadensliquidation auf derartige Fälle, in denen die Bankauskunft
vom Kunden in verdeckter Stellvertretung eingeholt wird, wäre auch
im Hinblick auf die in § 676 BGB enthaltene Wertung bedenklich und
brächte die Gefahr von unübersehbaren, aus der interessemäßigen
Wertung nicht mehr zu rechtfertigenden, Haftungsrisiken mit sich.
Ein Anspruch auf Ersatz der Schäden, die
dem Klägeraufgrund der Anfang 1988 erteilten telefonischen Auskünfte
entstanden sein sollen, kommt danach nicht in Betracht.
2. Auch im Hinblick auf die Besprechung vom 20.
Februar 1988 ergeben sich solche Ansprüche nicht. Entgegen der Ansicht
der Revision müßte sich die Beklagte ein etwaiges Wissen ihres
Mitarbeiters H., der von dem Zeugen W. erfahren haben soll, daß die
Auskunft für den Kläger bestimmt gewesen sei, nicht zurechnen
lassen. Abgesehen davon, daß nicht feststeht, daß der Zeuge
W. dem für die Auskunfterteilung unzuständigen Zeugen H. überhaupt
den Namen des Klägers genannt hat, kann jedenfalls - entgegen der
Ansicht der Revision - das Wissen des Zeugen H. der Beklagten nicht zugerechnet
werden. Eine solche Wissenszurechnung kommt nur dann in Betracht, wenn
das Wissen für denjenigen, für den die Zurechnung gelten soll,
verfügbar war oder konkreter Anlaß bestand, sichdieses Wissen
zu beschaffen (vgl. BGH, Urteil vom 2. Februar 1996 - V ZR 239/94 = WM
1996, 594, 597). Diese Voraussetzungen liegen hier nicht vor. Der Zeuge
W. hatte sich an den Vertreter der Beklagten M. als für die Auskunft
zuständigen Sachbearbeiter gewandt. Diesem war nicht bekannt, daß
während seiner vorübergehenden Abwesenheit der Zeuge W. in einem
privaten Gespräch mit dem ihm befreundeten und - wie er wußte
- mit der Sache nicht befaßten und für die Auskunft unzuständigen
Zeugen H. geäußert hatte, daß die Auskunft für einen
Dritten benötigt werde, der eine Beteiligung an der D. anstrebe. Es
bestand danach weder für H. Anlaß, den Inhalt dieses privaten
Gesprächs an M. weiterzugeben oder aktenmäßig festzuhalten,
noch hatte der Zeuge M. Grund, sich beiseinem Kollegen H. über dessen
Wissenstand zu erkundigen.
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