BGH, Urteil vom 24. Juni 1958 - VIII ZR 205/57
Amtlicher Leitsatz
1. Wird ein in vertraglich bestimmten Räumen befindliches
Warenlager mit wechselndem Bestande, in dem sich unter
Eigentumsvorbehalt gelieferte und im Eigentum des Sicherungsgebers
stehende Gegenstände befinden, an einen Darlehnsgläubiger in der Weise
vollständig zur Sicherung übereignet, daß in erster Linie die
Anwartschaft auf das Eigentum an dem Sicherungsgut übergehen soll
und außerdem vereinbart wird, es solle das Eigentum an solchen Gegenständen
als übertragen gelten, die bereits bei Vertragsschluß oder bei späterer
Einbringung in das Lager im Eigentum des Sicherungsgebers standen, so
ist die Einigung nicht mangels Bestimmtheit des Sicherungsguts
unwirksam (Abweichung von BGHZ 21, 52).
2. Ist infolge Änderung der Geschäftsverteilung des Bundesgerichtshofs
anstelle des bisherigen ein anderer Zivilsenat zur Entscheidung von
Rechtsstreitigkeiten über Ansprüche aus einem bestimmten, in sich
abgeschlossenen Rechtsgebiet berufen, so darf dieser Senat in einer
Rechtsfrage aus dem ihm nunmehr zugewiesenen Rechtsgebiet von einer vor
der Änderung der Geschäftsverteilung ergangenen Entscheidung des früher
mit demselben Rechtsgebiet befaßten Senats ohne Anrufung des Großen
Senats für Zivilsachen selbst dann abweichen, wenn die Möglichkeit
besteht, daß die Rechtsfrage infolge ihrer Natur auch einmal in einem
Rechtsstreit über Ansprüche aus einem sonstigen Rechtsgebiet Bedeutung
gewinnen kann, zu dessen Entscheidung ein anderer Zivilsenat berufen
ist.
Fundstellen:
BGHZ 28 , 16
NJW 1958, 1133
LM § 930 BGB Nr. 7
MDR 1958, 683
BB 1958, 678
DB 1958, 795
WM 1958, 1024
Zum Sachverhalt:
Die Beklagte nimmt bei der Klägerin, einer Großbank, laufend Kredit in Anspruch. Zur Absicherung des Kredits schlossen die Parteien einen Sicherungsübereignungsvertrag. In ihm ist bestimmt, daß die Beklagte der Klägerin ihr gehörige Bestände an Rohmaterial, Halbzeug und Fertigfabrikaten übereignet, die auf dem in einer dem Vertrag. beigefügten Skizze genau bezeichneten Fabrikgrundstück der Beklagten lagern, und zwar derart, daß jeweils die dort befindlichen gesamten Vorräte in ihrem gegenwärtigen und künftigen Bestande übereignet sind. Weiter heißt es in dem Vertrage: "Die Firma (Beklagte) überträgt der Bank (Klägerin) hiermit das bedingte Eigentum (die Anwartschaft) an dem Sicherungsgut, das sich in den Sicherungsräumen befindet oder in Zukunft in diese eingebracht wird. Ist im Einzelfall die Bedingung bereits bei Vertragsabschluß (bei dem z. Z. im Sicherungsraum befindlichen Sicherungsgut) oder bei Einbringung (bei künftig in den Sicherungsraum gelangendem Sicherungsgut), gilt insoweit das Eigentum als übertragen; ein gleiches gilt für solches jetzt oder in Zukunft in dem Sicherungsraum befindliches Sicherungsgut, an dem zu keiner Zeit ein Eigentumsvorbehalt bestanden hat, das also ebenfalls bei Vertragsabschluß bzw. Einbringung in den Sicherungsraum unbedingtes Eigentum der Firma ist." Die Besitzübergabe ist durch die Abrede ersetzt worden, daß die Beklagte das Sicherungsgut für die Klägerin unentgeltlich verwahrt. Zwischen den Parteien besteht Streit darüber, ob der Vertrag wirksam ist. Das Landgericht hat die Wirksamkeit bejaht. Die Sprungrevision der Beklagten ist ohne Erfolg geblieben.
Aus den Gründen:
1. ...
2. ...
3. a) Der IV. Zivilsenat des Bundesgerichtshofs - (BGHZ 21, 52), dem sich das Oberlandesgericht Hamburg (Betrieb 1958, 625) angeschlossen hat, hat sich bei der Beurteilung eines ähnlichen Sachverhalts, wie er dem Rechtsstreit der Parteien zugrundeliegt, auf den Standpunkt gestellt, ein Warenlager mit wechselndem Bestand, in dem sich auch Sachen befinden oder befinden werden, an denen noch ein Eigentumsvorbehalt besteht, könne nicht in der Weise übereignet werden,. daß der Sicherungsnehmer an diesen Sachen nur das dem Veräußerer zustehende Anwartschaftsrecht und an den übrigen Gegenständen das Eigentum erwerbe. Er hat dieses Ergebnis damit begründet, daß eine Übereignung nach § 930 BGB wirksam nur erfolgen könne, wenn sich die Abreden auf individuell bestimmte Gegenstände bezögen. Hierfür sei aber erforderlich, daß die Parteien zuvor konkret festgestellt hätten, welche in dem Wareniager befindlichen Sachen dem Veräußerer gehörten und Gegenstand der Übereignung sein sollten. Es sei zwar zulässig, auch Waren, die der Sicherungsgeber erst später erwerbe, schon vorweg an einen Dritten zu übereignen und die Übergabe durch ein vorweggenommenes Besitzkonstitut zu ersetzen. Für die vorweggenommene Übereignung sei jedoch zu fordern, daß die zwischen den Parteien getroffenen Abreden eine einwandfreie und klare Bestimmung des in das Eigentum des Erwerbers übergehenden Gegenstandes ermöglichten. Es genüge daher für die vorweggenommene Übereignung nicht, daß die Parteien vereinbarten, der Erwerber solle an allen in bestimmte Räume verbrachten Sachen das Eigentum erwerben, soweit der Veräußerer daran Eigentum erlangt habe.
Das gelte auch für den Fall der Übereignung eines Warenlagers, in dem sich noch unter Eigentumsvorbehalt verkaufte Sachen befänden. Auch für diesen Fall müsse an den nach der Rechtsdogmatik gebotenen Erfordernissen festgehalten werden. Die Beteiligten müßten volle Klarheit darüber haben, an welchen Sachen das Eigentum übergegangen sei. Außerdem sei bei gegenteiliger Entscheidung die Rechtsstellung desjenigen, der Ware unter Eigentumsvorbehalt geliefert habe, in ganz erheblichem Umfange gefährdet, wenn der Erwerber des Warenlagers nicht von vornherein klar und eindeutig wisse, welche Rechte er an den dort befindlichen Sachen habe. Es sei daher auch für diesen Fall an den allgemeinen Erfordernissen festzuhalten, daß die Parteien eine Vorstellung darüber haben müßten, an welchen individuell bestimmten Gegenständen das Eigentum übergehen solle. Bei der Übereignung umfangreicher Warenlager könne es zwar den Beteiligten Mühe und Arbeit machen, diese Anforderungen zu erfüllen, es sei aber in der Regel nicht unmöglich, die erforderlichen Feststellungen zu treffen.
b) Diesen Gedankengängen vermag der erkennende Senat nicht zu folgen. Richtig ist allerdings, daß das Reichsgericht in ständiger Rechtsprechung an dem Grundsatz festgehalten hat, bei einer Sicherungsübereignung müßten die übereigneten Gegenstände im Vertrage bestimmt bezeichnet werden, so daß bloße Bestimmbarkeit dazu nicht ausreiche (RGZ 132, 183, 187). Der IV. Zivilsenat des Bundesgerichtshofs (BGHZ 21, 52) hat diese Rechtsprechung übernommen. Auch der erkennende Senat, der anstelle des IV. Zivilsenats nunmehr zur Entscheidung von Rechtsstreitigkeiten über Ansprüche aus Eigentum an beweglichen Sachen berufen ist, ist von ihr nicht abgewichen (Urteil vom 29. April 1958 - VIII ZR 211/57 - BB 1958, 539). Der Grund für das Verlangen nach Bestimmtheit des Sicherungsgegenstandes liegt, wie Erath (AcP 128, 344, 347) zutreffend hervorgehoben hat, nicht unmittelbar im Gesetz, sondern ergibt sich aus der Lehre vom Vertrag. Eine Übereignung setzt eine wirksame Einigung, d. h. einen dinglichen Vertrag über den Übergang des Eigentums voraus. Die Einigung kann sich ihrer Natur nach jedoch stets nur auf
bestimmte Gegenstände beziehen. Daraus folgt aber weiter, wieder erkennende Senat in dem angeführten Urteil in Übereinstimmung mit RGZ 132, 183, 188 betont hat, daß für die Frage der Bestimmtheit des Gegenstandes der Sicherungsübereignung allein der Zeitpunkt des Vertragsschlusses maßgebend ist und nachträgliche Ereignisse hierfür keine Bedeutung haben können. Es muß daher auch in dem hier zu entscheidenden Falle zunächst geprüft werden, ob das Sicherungsgut im Zeitpunkt des Vertragsschlusses genügend bestimmt gewesen ist.
c) Für diesen Zeitpunkt läßt sich aber mit den in BGHZ 21, 52 angestellten Erwägungen die Bestimmtheit nicht verneinen. Aus dem Vertrage ergibt sich vielmehr, daß die gesamten Bestände an Rohmaterial, Halbzeugen und Fertigfabrikaten, die auf dem aus einem dem Vertrage als Anlage beigefügten Lageplan ersichtlichen Fabrikgelände der Beklagten lagerten, das Sicherungsgut darstellen sollten. Damit war klargestellt, daß alle dort befindlichen Warenvorräte unter den Vertrag fielen. Es trifft zwar zu, daß ein großer Teil dieser Gegenstände noch nicht im Eigentum der Beklagten stand, weil die Lieferanten sich das Eigentum vorbehalten hatten. Dieser Umstand allein kann jedoch nicht den Schluß rechtfertigen, daß das Sicherungsgut nicht ausreichend bestimmt gewesen sei. Zwar würde es an ausreichender Bestimmtheit dann fehlen, wenn vereinbart worden wäre, daß in bestimmten Räumen befindliche Waren in das Eigentum des Sicherungsnehmers übergehen sollten, soweit sie dem Veräußerer gehörten (BGHZ 21, 52, 56). Eine solche Vereinbarung ist indes von den Parteien gerade nicht getroffen worden; vielmehr sollten die auf dem Fabrikgelände befindlichen Rohmaterialien, Halb- und Fertigfabrikate ausnahmslos als Sicherungsgut dienen, gleichgültig, ob an ihnen noch ein Eigenumsvorbehalt des Lieferanten bestand oder ob die Waren der Beklagten gehörten. Der Revision ist zuzugeben, daß an den noch unter Eigentumsvorbehalt der Lieferanten stehenden Waren die Beklagte der Klägerin nicht das Eigentum, sondern lediglich die Anwartschaft auf das Eigentum verschaffen konnte und deshalb die Klägerin an den Waren, je nachdem ob sie bereits der Beklagten gehörten oder nicht,
durch den Vertrag entweder das Eigentum oder nur das Anwartschaftsrecht erhalten sollte. Dies ist ersichtlich auch der Grund, aus dem der IV. Zivilsenat des Bundesgerichtshofs in dem erwähnten Urteil die zum Sicherungsgut gehörenden Gegenstände nicht für ausreichend bestimmt gehalten hat. Er hat gewissermaßen, wie Westermann (NJW 1956, 1297) und Pohle (MDR 1956, 732 Anm. zu BGHZ 21, 52) zutreffend bemerken, die Vereinbarung der Parteien in zwei Vertragsteile zerlegt, nämlich einmal die Obereignung der im Eigentum des Veräußerers stehenden Sachen und außerdem die Übereignung des Anwartschaftsrechts an den Waren, an denen noch ein Eigentumsvorbehalt bestand. Bei dieser Betrachtung sind beide Vertragsteile mangels Bestimmtheit der Bezeichnung des Sicherungsgutes unwirksam, und damit ist dann auch der ganze Vertrag nichtig.
d) Diese Folgerung wäre nach Auffassung des erkennenden Senats aber nur dann berechtigt, wenn die Übertragung des Eigentums und des Anwartschaftsrechts auf das Eigentum nach verschiedenen Grundsätzen zu erfolgen hätte. Wären insoweit unterschiedliche Vereinbarungen oder Vollziehungshandlungen erforderlich, so würde allerdings, wie die Revision geltend macht, eine Klärung der Eigentumsverhältnisse an dem Sicherungsgut und eine genaue Konkretisierung der zur Zeit des Abschlusses der Vereinbarung im Eigentum der Sicherungsgeberin stehenden und der noch mit dem Eigentumsvorbehalt der Lieferanten belasteten Gegenstände unerläßlich sein, um die erforderliche Bestimmtheit zu schaffen. Es ist jedoch anerkannt, daß die Übertragung des Anwartschaftsrechts auf das Eigentum denselben Regeln unterliegt wie die Übereignung beweglicher Sachen (vgl. RGZ 140, 223, 229; RG HRR 1934, 1116 = Bankwirtschaft 1943, 113, 114; BGHZ 10, 69, 72; BGB-RGRK, 10. Aufl. § 929 Anm. 1b S. 261; Berg bei Staudinger, BGB 11. Aufl. § 929 Nr. 28c S. 622; vgl. auch Palandt, BGB 17. Aufl. § 929 Anm. 6 B b; Wolff/Raiser, Sachenrecht, 10. Bearb. § 2113b S. 12; Westermann,Sachenrecht § 44 unter 2 S. 217). Das Anwartschaftsrecht ist nämlich eine bloße Vorstufe des Eigentums, es ist im Vergleich zum Eigentum »kein aliud, sondern ein wesensgleiches minus« (Berg bei Staudinger aaO
S. 621). Demgemäß ist weder eine Benachrichtigung des Lieferanten, der sich das Eigentum vorbehalten hat, noch auchseine Zustimmung erforderlich. Die Übertragung der Anwartschaft an unter Eigentumsvorbehalt gelieferten Sachen hat vielmehr, wie in BGHZ 20, 88, 100 im Einklang mit der im Schrifttum überwiegend vertretenen Auffassung ausgesprochen worden ist, zur Folge, daß beitn Eintritt der Bedingung, d. h. bei Befriedigung des Lieferanten wegen der Forderungen, deretwegen er sich das Eigentum vorbehalten hat, unmittelbar das volle Eigentum vom Lieferanten auf den Erwerber der Anwartschaft unter Umgehung des Vorbehaltskäufers als ersten Anwartschaftsberechtigten übergeht. Bei dieser Sachlage ist kein Grund ersichtlich, weshalb bei der Sicherungsübereignung eines Warenlagers, das aus Gegenständen, an denen noch der Eigentumsvorbehalt des Lieferanten wirksam ist, und aus vorbehaltsfreien Sachen zusammengesetzt ist, die getrennteBezeichnung der Vorbehaltsware und der freien Ware erforderlich sein sollte, um dem Bestimmtheitserfordernis zu genügen.
Vielmehr lassen sich aus diesem Gesichtspunkt Bedenken gegen die Wirksamkeit des Vertrages nicht herleiten. Denn aus ihm ist klar zu entnehmen, daß er sich auf a ll e in dem Warenlager befindlichen Rohmaterialien, Halbzeuge und Fertigfabrikate erstrecken sollte. An allen diesen Gegenständen sollte entweder das Eigentum oder aber das ihm wesensgleiche Anwartschaftsrecht auf das Eigentum von der Beklagten auf die Klägerin übergehen. 7u demselben Ergebnis gelangen Westermann(aaO), der ebenfalls auf die »Inhaltsgleichheit« von Eigentum und Anwartschaftsrecht hinweist (gegen diesen Ausdruck wendet sich Zunft - NJW 1957, 445, 446 -, der aber sachlich auf demselben Standpunkt steht und Bestimmtheit der Einigung bejaht), Pohle (aaO), der den Unterschied zwischen Eigentum und Anwartschaft nicht für so groß hält, daß eine getrennte Betrachtung geboten erscheint, und Paulus (JZ 1957,41, 44 1. Sp.), der ausführt, bei der Anwendung der Bestimmtheitsmaßstäbe könne es nicht auf die Feststellung von institutionellen Verschiedenheiten der Sicherungsform als solcher ankommen, sondern nur auf die ihnen etwa entsprechenden Unterschiede in der dinglichen Zuordnungswirkung; diese
Unterschiede seien jedoch wegen der Rechtsähnlichkeit von Eigentum und Anwartschaftsrecht so gering, daß die durch das Bestimmtheitsgebot geschützten Interessen nicht beeinträchtigt werden könnten. Dieser entscheidende Gesichtspunkt, die« Gleichartigkeit von Eigentum und Anwartschaft auf das Eigentum und die Übertragung beider Rechte nach denselben Grundsätzen, ist in BGHZ 21, 52 nicht ausreichend in Betracht gezogen worden. Auch Johannsen geht in seinen Anmerkungen zu diesem Urteil LM BGB § 929 Nr. 3 und Sparkasse 1956, 326 auf ihn nicht näher ein. Der angegebene Gesichtspunkt muß aber notwendig dazu führen, die Rechtsfrage im gegenteiligen Sinne von BGHZ 21, 52 zu beantworten.
f) Auch die wirtschaftspolitischen Gesichtspunkte, auf die in BGHZ 21, 52 hingewiesen ist, können nicht das Ergebnis rechtfertigen, daß der hier in Frage stehende Vertrag unwirksam sei.
Wie Zunft (aaO S. 446) zutreffend hervorhebt, dient das Erfordernis der Bestimmtheit bei Sicherungsübereignungsvertragen in erster Reihe dem Schutz anderer Gläubiger. Es ist überdies aber auch nicht einzusehen, aus welchem Grunde der hier in Frage stehende Vertrag im Verhältnis zwischen den Parteien Unklarheiten hervorrufen könnte. Wie ausgeführt, ergibt sein Inhalt deutlich, daß die Klägerin an a l l e n Rohstoffen, Halbfabrikaten und Fertigwaren, die sich auf dem Fabrikgrundstück der Beklagten befinden, das Eigentum oder das Anwartschaftsrecht auf das Eigentum erwerben soll. Damit besteht an der dinglidyen Rechtslage hinsichtlich der erwähnten bestimmt bezeichneten Gegenstände kein Zweifel: Die Beklagte hat weder Eigentumsrechte noch Anwartschaftsrechte auf das Eigentum an ihnen (Pohle aaO S. 733). Im Verhältnis zwischen djn Parteien können also dadurch keine Unklarheiten hervorgerufen werden, daß die Klägerin an den im Vertrage bezeichneten Gegenständen entweder das Eigentum oder aber nur das Anwartschaftsrecht erworben hat, und daß sie nicht weiß, an welchen Sachen ihr bereits das volle Eigentum zusteht, denn es steht nach dem Vertrage fest, und nur hierauf kommt es an, daß die Beklagte weder Eigentum noch Anwartschaft auf das
Eigentum an den Gegenständen besitzt, daß ihr also keinerlei Rechte dieses Inhalts mehr zustehen.
Bei der Ausgestaltung des Sicherungsvertrages, wie sie zwischen den Parteien erfolgt ist, kann auch das in BGflZ 21, 52 weiter geäußerte Bedenken nicht durchgreifen, die Rechtsstelluqg des Lieferanten, dem noch das Eigentum an der Ware zustehe, würde gefährdet werden, wenn der Erwerber des Warenlagers nicht von vornherein wisse, welche Rechte an den einzelnen in dem Lager befindlichen Gegenständen er erworben habe. Zwischen den Parteien ist ausdrücklich vereinbart, daß die Klägerin grundsätzlich nur »das bedingte Eigentum, d. h. die Anwartschaft« an dem Sicherungsgut erhalten solle. Die Klägerin muß somit hinsichtlich aller Gegenstände davon ausgehen, daß sie noch im Eigentum der Lieferanten stehen. Sie kann sich nicht darauf berufen, daß sie an das Eigentum der Beklagten geglaubt habe, und haftet den Vorbehaltsverkäufern, falls sich herausstellt, daß sie Gegenstände verwertet hat, die diesen noch gehörten. Durch den Abschluß eines Sicherungsvertrages, wie er hier in Frage steht, ist der Vorbehaltsverkäufer daher nicht stärker gefährdet als in jedem anderen Falle der allgemein als zulässig angesehenen Übertragung eines Anwartschaftsrechts auf das Eigentum durch den Käufer von noch unter Eigentumsvorbehalt stehenden Sachen.
Bedenken gegen diese Auffassung können auch nicht aus Nr. 9 der zum Bestandteil des Vertrages der Parteien gemachten Allgemeinen Sicherungsübereignungsbedingungen der Klägerin hergeleitet werden, durch die der Klägerin unter bestimmten Voraussetzungen das Recht eingeräumt ist, das Sicherungsgut in ihren unmittelbaren Besitz zu nehmen und nach billigem Ermessen, auch durch freihändigen Verkauf, unter Beachtung bestehender gesetzlicher Bestimmungen zu verwerten; denn die Klägerin, die nach dem Vertrage grundsätzlich lediglich »das bedingte Eigentum (die Anwartschaft)« übertragen erhält, ist ungeachtet der angeführten Bestimmung in Nr. 1 nur dann dazu berechtigt, die Herausgabe der Sachen von der Beklagten zu verlangen, wenn der Eigentumsvorbehalt der Lieferanten erloschen und dadurch der diesen zustehende mittelbare Besitz beendet ist.
g) Der in BGHZ 21, 52 vertretene Standpunkt würde im Ergebnis dazu führen, daß die Übereignung des Warenlagers eines mittleren oder gar eines größeren Unternehmens im Regelfalle aus Rechtsgründen unmöglich wäre. Dies wird aaO S. 58 zu« Unrecht in Abrede gestellt. Eine Trennung in vorbehaltsfreie und unter Eigentumsvorbehalt stehende Waren läßt sich nämlich angesichts der allgemein verbreiteten Übung, ohne sofortige Barzahlung Waren nur unter Eigentumsvorbehalt zu liefern, wobei vielfach sogar ein erweiterter oder ein verlängerter Eigentumsvorbehalt vereinbart wird, in Mittel- und Großbetrieben praktisch in sinnvoller Weise garnicht durchführen. Sie würde zudem in dem Augenblick, in dem sie fertiggestellt ist, bereits überholt sein, weil in einem Mittel- und Großbetrieb ständig neue Waren eingehen und Zahlungen für bereits gelieferte Waren geleistet werden (vgl. dazu Dönhoff, BB 1956, 827). Da die Kapitaldecke der deutschen Wirtschaft nach der Währungsreform sehr schmal und sie auf Kredite dringend angewiesen ist, würde der Wegfall des Warenlagers als Kreditunterlage für viele Unternehmen schwerwiegende Folgen haben (vgl. Muthesius, Kalte Restriktion in ZKredW 1956, 693 und Justat, ZKredW 1957, 63 gegen Werhahn, ZKredW 1957, 62, der die Entscheidung BGHZ 21, 52 offensichtlich in ihrer Bedeutung verkannt hat). In diesem Urteil ist aber mit Recht betont, daß die Rechtsprechung bei der Rechtsanwendung auch die Interessen des Wirtschaftslebens nicht Außer acht lassen darf und dogmatische Gründe allein nicht zu einer diesen Interessen zuwiderlaufenden Entscheidung Anlaß geben können. Da die von dem IV. Zivilsenat angeführten wirtschaftspolitischen Gründe, die den von ihm vertretenen Standpunkt rechtfertigen sollen, wie dargelegt, nicht stichhaltig sind, sprechen die vorstehend erörterten wirtschaftlichen Gegebenheiten ebenfalls für die Richtigkeit des hier bereits aus dogmatischen Erwägungen hergeleiteten Ergebnisses.
h) Ebensowenig kann BGHZ 21, 52, 58 darin beigepflichtet werden, daß die Entscheidung nicht mehr fordere, als was auch das Reichsgericht stets gefordert habe (vgl. dazu die Anmerkungen von Johannsen aaO, in denen dieser Hinweis besonders
unterstrichen wird). Das Reichsgericht hat nämlich in seinem Urteil vom 2. Februar 1934 (HRR 1934, 1116, ausführlicher abgedruckt in Bankwirtschaft 1943, 113) ausdrücklich hervorgehoben, daß die Übereignung des gesamten Warenlagers einschließlich solcher Gegenstände, an denen noch etwaige Rechte von Vorbehaltskäufern haften, nicht der zur Wirksamkeit der Sicherungsübereignung erforderlichen Bestimmtheit entbehrt. Der Umstand, so hat das Reichsgericht weiter ausgeführt, daß nach dem Willen der Vertragsschließenden sich die Übereignung auf Waren erstreckt habe, an denen vermöge eines Eigentumsvorbehalts noch Eigentumsrechte dritter Personen bestanden hätten, berühre nicht die Rechtswirksamkeit der Übereignung im Verhältnis der Vertragsschließenden untereinander, denn die Übereignung der Anwartschaft vollziehe sich nach denselben Grundsätzen, denen die Übertragung des unbedingten Eigentums an beweglichen Sachen unterworfen sei. Das Reichsgericht hat sich mithin in seiner Begründung sogar auf dieselben Gedanken gestützt, die vorstehend zur Rechtfertigung der hier getroffenen Entscheidung angeführt worden sind. Auch aus früheren Entscheidungen des Reichsgerichts, soweit diese nicht (wie z. B. RGZ 113, 57) ausdrücklich aufgegeben worden sind (vgl. RGZ 132, 183,188), läßt sich ein abweichender Standpunkt nicht herleiten. In Übereinstimmung mit dieser Rechtsprechung hat das Schrifttum vor Erlaß des Urteils BGHZ 21, 52 ganz einhellig die Auffassung vertreten, es sei zulässig, das gesamte Warenlager in der Weise zur Sicherung zu übereignen, daß an den noch unter Eigentumsvorbehalt stehenden Gegenständen nicht das volle Eigentum, sondern nur die Anwartschaft
übertragen werde (vgl. Boehmer, Grundlagen der bürgerlichen Rechtsordnung, 1952, 2. Buch 2. Abt. § 29 C III 2 S.151;Berg aaO § 929 Nr. 28c S.622 und Nr. 35 S. 632; Rautmann, NJW 1951, 298, 299, der sogar eine entsprechende Fassung des Vertrages, wie sie die Parteien vorgenommen haben, ausdrücklich empfiehlt; Janberg, Betrieb 1950, 521 und Lehmann in dem in
BGHZ 21, 52 54 erwähnten Rechtsgutachten). Das nach Erlaß der Entscheidung veröffentlichte Schrifttum hat sie überwiegend abgelehnt (vgl. Westermann aaO, Pohle aaO, Paulus aaO, Zunft aaO). Es bedeutet daher
lediglich eine Rückkehr zu einer gefestigten Rechtsmeinung, wenn der erkennende Senat unter Abweichung von der vereinzeit gebliebenen Entscheidung BGHZ 21, 52 die ausreichende Bestimmtheit des Sicherungsgutes in dem hier zu beurteilenden« Vertrage zwischen den Parteien bejaht.
4. Unerörtert geblieben ist in BGHZ 21, 52, ob Bedenken gegen die Wirksamkeit eines Vertrages, wie ihn die Parteien abgeschlossen haben, daraus hergeleitet werden können, daß die Besitzübergabe auch hinsichtlich der unter Eigentumsvorbehalt stehenden Gegenstände durch die Vereinbarung eines Verwahrungsvertrages ersetzt worden ist. Im Schrifttum wird diese Frage einhellig verneint. Westermann (aaO S. 1298), Pohle (aaO) und Paulus (aaO S. 44/45) neigen dazu, mittelbaren Nebenbesitz des Lieferanten und des Sicherungsnehmers zu bejahen und ihn ausreichen zu lassen, während Zunft (aaO S. 446-448) diese Auffassung ablehnt und den Standpunkt vertritt, daß der Sicherungsnehmer mittelbarer Fremdbesitzer ersten Grades und der Vorbehaltsverkäufer mittelbarer Eigenbesitzer zweiten Grades werde.
Die Ansicht von Zunft erscheint richtig. Wie bereits ausgeführt, ist anerkannt, daß sich die Übertragung des Anwartschaftsrechtes auf das Eigentum nach den Vorschriften zu vollziehen hat, die für die Eigentumsübertragung an beweglichen Sachen gelten. Es kann also die Übergabe der Sache durch ein sogenanntes antezipiertes Besitzkonstitut ersetzt werden (Berg aaO § 929 Nr. 28c S. 622). Diese Auffassung liegt auch dem Urteil BGHZ 20, 88 zugrunde. Bei einer derartigen Übereignung entsteht mehrstufiger mittelbarer Besitz. Daß ein solcher mehrfacher mittelbarer Besitz möglich ist, ergibt sich aus der Bestimmung des § 871 BGB. Allerdings werden in Rechtsprechung und Schrifttum (vgl. BGB-RGRK, 10. Aufl. § 371 Anm. 1 mit Nachweisen und Erman, BGB 2. Aufl. § 871 Anm.) als Möglichkeiten der Entstehung des mehrfach gestuften mittelbaren Besitzes nur die Fortgabe der Sache durch den unmittelbaren Besitzer unter Vereinbarung eines Besitzmittlungsverhältnisses und die Vereinbarung eines Rechtsverhältnisses zwischen mittelbarem Besitzer und einem Dritten behandelt,
durch das dieser gleichfalls mittelbarer Besitzer wird. Es ist aber nicht einzusehen, weshalb nicht auch dann mehrfach gestufter mittelbarer Besitz sollte entstehen können, wenn der unmittelbare Besitzer, der bereits Besitzmittler ist und es auch im Verhältnis zu dem bisherigen mittelbaren Besitzer bleiben will, außerdem noch einem Dritten weiteren mittelbaren Besitz einräumt. Richtig ist zwar, daß der Wille, für einen anderen zu besitzen, die Bereitschaft voraussetzt, die Sache an ihn herauszugeben, sobald der Dritte dies verlangen darf (Seufert bei Staudinger, BGB 11. Aufl. § 868 Nr. 27 S. 83). Ein solcher Wille läßt sich aber bei dem Vorbehaltskäufer, der das Anwartschaftsrecht unter Vereinbarung eines Besitzkonstituts auf einen Dritten überträgt, nicht verneinen. Da zwischen dem Dritten und dem Vorbehaltsverkäufer schuldrechtliche Rechtsbeziehungen nicht bestehen und der Dritte daher dem Vorbehaltsverkäufer als Eigentümer gegenüber nicht zum Besitze berechtigt ist, kann der Dritte die Herausgabe an sich erst verlangen, wenn der Eigentumsvorbehalt erloschen und daher der mittelbare Besitz des Lieferanten beendigt ist. Damit erledigt sich auch dieses Bedenken gegen die Wirksamkeit des Sicherungsvertrages der Parteien.
5. ...
Der erkennende Senat weicht mit dieser Entscheidung zwar in einer Rechtsfrage von dem Urteil des IV. Zivilsenats BGHZ 21, 52 ab. Trotzdem nötigt dieser Umstand nicht zur Anrufung des Großen Senats für Zivilsachen des Bundesgerichtshofs. Das Urteil BGHZ 21, 52 ist zu einer Zeit ergangen, als der IV. Zivilsenat nach dem Geschäftsverteilungsplan des Bundesgerichtshofs zur Entscheidung von Rechtsstreitigkeiten über Ansprüche aus Besitz und Eigentum an beweglichen Sachen berufen war. Inzwischen sind infolge Änderungen der Geschäftsverteilung diese Rechtsstreitigkeiten auf den erkennenden Senat übergegangen, während der IV. Zivilsenat mit derartigen Streitigkeiten nicht mehr befaßt ist. Der erkennende Senat ist mithin in bezug auf die hier in Frage stehenden Rechtsstreitigkeiten über Ansprüche aus Besitz und Eigentum an die Stelle des IV. Zivilsenats getreten, so daß ein Abweichungsfall, der zur Anrufung des Großen Senats für Zivilsachen zwingt, nicht
vorliegt (RGZ 115, 103, 105; Wieczorek, ZPO Band V, 1957, § 136 GVG Anm. B II; Sydow/Busch, ZPO 22. Aufl. § 136 Anm. 4). Der Beschluß des Großen Senats für Zivllsachen vom 30. März 1953 (BGHZ 9, 179, 181) steht der hier vertretenen, Auffassung nicht entgegen. Im Gegensatz zu der Rechtsfrage, die der Große Senat für Zivilsachen damals zu beantworten hatte, handelt es sich bei der hier zur Entscheidung stehenden Rechtsfrage nicht um ein allgemeines Problem, das mehrere Rechtsgebiete berührt, die nach der Geschäftsverteilung von verschiedenen Senaten des Bundesgerichtshofs zu bearbeiten sind. Vielmehr betrifft sie lediglich Ansprüche aus Besitz und Eigentum an beweglichen Sachen, die allein dem erkennenden Senat zugewiesen sind. In einem derartigen Falle besteht aber keine Bindung an die Entscheidung des früher zuständigen Senats mit der Wirkung, daß der nunmehr zur Entscheidung berufene Senat ohne Anrufung des Großen Senats nicht abweichen dürfte, wie in dem erwähnten Beschluß des Großen Senats ausdrücklich anerkannt ist. Hieran ändert nichts, daß die zu entscheidende Rechtsfrage möglicherweise auch einmal in einem Rechtsstreit aus einem ganz anderen Gebiet auftauchen kann und dann von einem anderen Zivilsenat entschieden werden muß. Es läßt sich niemals ausschließen, daß ein Senat im Rahmen einer Rechtsstreitigkeit aus einem ihm zugewiesenen Sachgebiet zu Rechtsfragen bindend Stellung nehmen muß, über die nach der Geschäftsverteilung ein anderer Senat zur Entscheidung berufen ist. Müßte auf alle diese besonderen Fallgestaltungen Rücksicht genommen werden, so könnte bei einem Wechsel der Geschäftsverteilung der Senat, dem das betreffende Sachgebiet nunmehr zugewiesen ist, praktisch auch dann niemals von einer Entscheidung des nach der Geschäftsverteilung bisher zuständigen Senats abweichen, wenn keine gegenteilige Entscheidung eines anderen Senats vorliegt. Damit würde aber der Bestimmung des § 136 GVG eine Bedeutung beigemessen, die sie ersichtlich nicht haben sollte. Sie ist nämlich dazu bestimmt,
die Rechtseinheit innerhalb des Bundesgerichtshofs zu wahren, nicht aber ist ihr Sinn, allen nur denkbaren Möglichkeiten einer etwa zu befürchtenden Abweichung zu begegnen. Maßgebend muß vielmehr sein, daß der
erkennende Senat an die Stelle des Senats getreten ist, der die frühere Entscheidung erlassen hat und nunmehr das gesamte Rechtsgebiet des Eigentums an beweglichen Sachen, zu dem die zu entscheidende Rechtsfrage gehört, als in sich abgeschlossen auf ihn übergegangen ist. In einem solchen Falle entscheidet er an Stelle des bisher zuständigen Senats und der Fall ist nicht anders zu beurteilen, als weiche der erkennende Senat von einer eigenen Entscheidung ab, was ihm nicht verwehrt ist.
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