BGHZ 35, 339
Zum Umfang der Rechtskraft eines die Klage abweisenden Versäumnisurteils.
In einem von der Klägerin im Jahre 1942 geführten
Rechtsstreit wurde am 21. Dezember 1942 ein gerichtlicher Vergleich geschlossen.
Mit dem Vorbringen, ihr damaliger Prozeßbevollmächtigter habe
trotz ihrer ausdrücklichen Weigerung auf Drängen des damaligen
Gerichtsvorsitzenden dem Vergleich zugestimmt, hat die Klägerin im
Jahre 1948 gegen die Witwe R. als Erbin ihres früheren Prozeßbevollmächtigten
und gegen das auch jetzt beklagte Land H. Klage erhoben, mit der sie von
der Witwe R. Zahlung eines bestimmten Betrages und im übrigen die
Feststellung der gesamtschuldnerischen Schadensersatzpflicht beider Beklagten
erstrebte. Diese Klage wurde durch Versäumnisurteil vom 7. Juni 1950
abgewiesen. Den hiergegen eingelegten Einspruch nahm die Klägerin,
soweit das Versäumnisurteil die Klage gegen das Land betraf, zurück,
nachdem ihr insoweit auch in der Beschwerdeinstanz das Armenrecht versagt
worden war, und zwar erstmals mit der Begründung, ihre Klage habe
gegen das Land schon deswegen keine Erfolgs aussichten, weil allenfalls
eine fahrlässige Amtspflichtverletzung des an dem Vergleichsabschluß
beteiligten Richters in Betracht komme und deshalb gemäß §
839 Abs. 1 Satz 2 BGB vor Inanspruchnahme des Landes der bisher noch nicht
erbrachte Nachweis geführt werden müsse, daß die Klägerin
von der Witwe R. keinen Ersatz verlangen könne. Der Klage gegen die
Witwe R. wurde zu einem geringen Betrag stattgegeben; im übrigen wurde
sie rechtskräftig abgewiesen.
Mit der jetzigen Klage verlangt die Klägerin
von dem beklagten Land erneut Zahlung eines Teilbetrages des ihr angeblich
durch den Vergleichsabschluß vom 21. Dezember 1942 entstandenen Schadens.
Sie hat dazu u. a. vorgetragen: Ihrer Klage stehe der Einwand der rechtskräftig
entschiedenen Sache nicht entgegen, da sie in dem früheren Rechtsstreit
noch keine Möglichkeit gehabt habe, das Nichtbestehen einer anderweiten
Ersatzmöglichkeit im Sinne des § 839 Abs. 1 Satz 2 BGB vorzutragen.
Erst nachdem sie mit ihrer Klage gegen die Witwe R. zum weitaus überwiegenden
Teil abgewiesen worden sei, stehe fest, daß diese zu weiteren Zahlungen
nicht verpflichtet sei.
Die Klage wurde in allen Instanzen abgewiesen.
Aus den Gründen:
Da das Versäumnisurteil vom 7. Juni 1950 rechtskräftig
geworden ist, steht die Rechtskraft dieser die damals erhobene Feststellungsklage
abweisenden Entscheidung der Geltendmachung des mit der vorliegenden Klage
erhobenen Zahlungsanspruchs entgegen.
Daß auch ein die Klage abweisendes und insoweit
sachlich entscheidendes Versäumnisurteil der materiellen Rechtskraft
gemäß § 322 ZPO fähig ist, steht außer Frage
(RGZ 132, 349, 350; RArbG 13, 242, 244 u. a.). Irgend ein Anhalt dafür,
daß in dem vorliegenden Fall das Versäumnisurteil vom 7. Juni
1950 die Klage nur aus prozessualen Gründen abgewiesen habe, ist aus
Formel und Gründen des Urteils nicht zu entnehmen; vielmehr läßt
das Urteil in seiner Gesamtheit keinen Zweifel daran, daß die Klage
sachlich abgewiesen worden ist. Die durch das Versäumnisurteil abgewiesene
Klage war auf die Feststellung gerichtet, daß auch das Land H. verpflichtet
sei, »der Klägerin den Schaden zu ersetzen, der ihr durch Abschluß
des Vergleichs vom 21. Dezember 1942 .... entstanden ist oder noch entstehen
wird«. Mit der Rechtskraft dieser Entscheidung wurde daher jede nochmalige
Verhandlung und Entscheidung über das Bestehen oder Nichtbestehen
der Rechtsfolge, die den Gegenstand der Feststellungsklage gebildet hatte,
unzulässig (BGH NJW 1958, 790; RGZ 125, 159, 161; Rosenberg, Lehrbuch
des Zivilprozeßrechts, 8. Aufl. § 150 III). Die Klägerin
leitet in dem vorliegenden Rechtsstreit, in dem sie - teilweisen - Ersatz
des ihr angeblich durch das vermeintlich amtspflichtwidrige Verhalten des
früheren Landgerichtsdirektors H. bei dem Zustandekommen des Vergleichs
erwachsenen Schadens begehrt, aus demselben Sachverhalt wie in dem Vorprozeß
dieselbe Rechtsfolge, nämlich die Schadensersatzpflicht des beklagten
Landes, her, deren Bestehen durch das Versäumnisurteil verneint worden
ist. Eine Klage mit diesem Begehren ist mithin angesichts der Rechtskraft
des Versäumnisurteils unzulässig.
Diese Wirkung der Rechtskraft des Versäumnisurteils
kann von der Klägerin auch nicht mit dem Hinweis in Frage gestellt
werden, daß sie in dem Vorprozeß noch nicht die fehlende anderweite
Ersatzmöglichkeit im Sinne des § 839 Abs. 1 Satz 2 BGB habe vortragen
können, sie in dem jetzigen Rechtsstreit hingegen das Vorliegen dieser
- negativen - Anspruchsvoraussetzung dartun könne. Richtig ist,
daß die Rechtskraft nur insoweit wirkt, wie über den Anspruch
des Klägers entschieden worden ist (RGZ 79, 230, 232; RG JW 1931,
2482/2 u. a.). Das bedeutet, daß in den Fällen, in denen die
Klage mangels Fehlens eines bestimmten Tatbestandsmerkmals (z. b. mangelnde
Fälligkeit des Anspruchs) als - zur Zeit - unbegründet abgewiesen
wird, die Rechtskraft dieses Urteils der späteren klageweisen Geltendmachung
desselben Anspruchs mit der Begründung, daß das bisher fehlende
anspruchsbegründende Tatbestandsmerkmal nunmehr gegeben sei, nicht
entgegensteht (vgl. RGZ 41, 63/4). Dabei ist aber stets Voraussetzung,
daß die Auslegung des Vorurteils ergibt, daß die Klage gerade
und allein wegen des Fehlens des Tatbestandsmerkmals, dessen Vorliegen
in dem neuen Prozeß dargetan werden soll, abgewiesen worden ist.
Eine derartige Feststellung läßt sich indes bei einem die Klage
sachlich abweisenden Versäumnisurteil nicht treffen. Bei Säumnis
des Klägers wird die Klage nicht auf Schlüssigkeit und Begründetheit
geprüft, sondern die Abweisung der Klage erfolgt nach der gesetzlichen,
auf Zweckmäßigkeitserwägungen beruhenden Regelung des §
330 ZPO (gegebenenfalls i. V. m. § 333 ZPO) lediglich auf Grund der
Säumnis des Klägers mit der Wirkung, daß der Kläger
mit seiner Klage schlechthin abgewiesen wird, ohne daß es auf die
Gründe des Klägers, das Versäumnisurteil gegen sich ergehen
zu lassen, oder darauf, wie bei dem gegebenen Sach- und Streitstand im
Falle eines kontradiktatorischen Urteils die Entscheidung hätte lauten
können oder müssen, ankommen könnte (vgl. dazu RGZ 7, 395,
397/8; Rosenberg aaO § 106 IV I; Wieczorek, Anm. E und E 1 zu §
330 ZPO). Auf Grund des Versäumnisurteils steht hier sonach rechtskräftig
fest, daß auf Grund des in Rede stehenden Sachverhalts ein Schadensersatzanspruch
der Klägerin nicht besteht. Die von der Klägerin erhobene Schadensersatzklage
ist daher angesichts des gegen sie ergangenen und ihren Schadensersatzanspruch
rechtskräftig verneinenden Versäumnisurteils vom 7. Juni 1950
unzulässig.
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