BGHZ 36, 56
Amtl. Leitsätze:
1. Die Begründung, das Berufungsgericht
weiche möglicherweise von einer Entscheidung des Bundesgerichtshofs
ab, genügt für die Zulassung der Revision, wenn das Berufungsgericht
beachtliche Bedenken gegen die Vereinbarkeit seiner Entscheidung mit der
des Bundesgerichtshofs hat.
2. Bei gutgläubigem Erwerb von einem Nichteigentümer
genügt es für die Übergabe im Sinne des § 929 BGB,
daß der Besitz auf Geheiß des Veräußerers von einem
Dritten, der unmittelbarer Besitzer ist, an den Erwerber übertragen
wird.
Aus den Gründen:
I. ... (betr. Zulässigkeit der Divergenzrevision, s. Ls. 1, in BGHZ aaO abgedruckt, von der Wiedergabe wird hier abgesehen)
II. Das Berufungsgericht nimmt mit Recht an, daß ein Kaufvertrag zwischen den Parteien nicht zustande gekommen ist (wird ausgeführt).
III. Das Berufungsgericht verneint auch einen Bereicherungsanspruch
der Klägerin.
1. Es ist der Meinung, daß die Beklagte
den Koks grundlos unmittelbar von der Klägerin erlangt hat. Jedoch
ist nach seiner Ansicht die Bereicherung weggefallen (§ 818 Abs. 3
BGB), weil die Beklagte das Entgelt für den Koks an H. gezahlt hat.
2. Ersichtlich nimmt das Berufungsgericht an,
daß sich die Vermögensverschiebung durch Verbrauch fremder Sachen
vollzogen hat. Das setzt voraus, daß die Beklagte kein Eigentum an
dem Koks erworben hat und dieser noch der Klägerin gehörte.
Eine Übereignung seitens der Klägerin
an die Beklagte ist in der Tat zu verneinen (wird ausgeführt).
3. Bei dieser Sachlage hätte das Berufungsgericht
zunächst erwägen sollen, ob der Klägerin nicht ein Schadensersatzanspruch
nach §§ 990, 989 BGB zustehe. Das Revisionsgericht kann diese
Frage nicht entscheiden. Ihre Beantwortung hängt davon ab, ob Bösgläubigkeit
in Bezug auf die Berechtigung zum Besitz vorliegt, und erfordert eine tatsächliche
Würdigung. Diese wird das Berufungsgericht, dessen Urteil ohnehin
aufzuheben ist, gegebenenfalls noch vorzunehmen haben.
4. Liegen die Voraussetzungen des § 990 BGB
nicht vor, so kommt allerdings nur ein Bereicherungsanspruch wegen Verbrauchs
fremder Sachen in Betracht. Er wird durch die in §§ 987 ff BGB
getroffene Regelung nicht ausgeschlossen (BGHZ 14, 7 f; Staudinger 11.
Aufl. § 987 Rdz. 10; BGB-RGRK 11. Aufl. § 993 Anm 8)...
5. Es kann auch entgegen der Ansicht des Berufungsgerichts
ein Bereicherungsanspruch nicht wegen der Zahlung der Beklagten an H. verneint
werden (wird ausgeführt).
IV. Mit der bisherigen Begründung kann demnach
das Berufungsurteil nicht aufrechterhalten werden.
Die Entscheidung des Berufungsgerichts würde
allerdings im Ergebnis zutreffen, wenn etwa die Beklagte das Eigentum gutgläubig
von H. erworben hätte (§ 932 BGB). Dann schiede ein Anspruch
aus dem Verhältnis zwischen Eigentümer und Besitzer (§ 990
BGB) aus, ebenso aber auch ein Anspruch aus § 812 BGB. Denn bei gutgläubigem
Erwerb vom Nichteigentümer kann der wahre Eigentümer grundsätzlich
keinen Bereicherungsanspruch gegen den Erwerber haben; sonst wäre
der Gutglaubensschutz praktisch bedeutungslos. Dementsprechend gibt das
Gesetz für diesen Fall einen Bereicherungsanspruch nur gegen den veräußernden
Nichteigentümer (§ 816 Abs. 1 Satz 1 BGB). Der gutgläubige
Erwerber selbst kann nur ausnahmsweise, nämlich bei unentgeltlichem
Erwerb, in Anspruch genommen werden (§ 816 Abs. 1 Satz 2 BGB).
Das Berufungsgericht hat sich die Frage, ob die
Beklagte gutgläubig von H. erworben hat, nicht gestellt. Sie lag aber
nach den eigenen Feststellungen und Ausführungen des Berufungsgerichts
nicht fern (wird ausgeführt).
Hiernach ist zu erwägen, ob nicht ein Übereignungsgeschäft
zwischen H. und der Beklagten stattgefunden hat und ob dadurch der Beklagten
nach §§ 929, 932 BGB das Eigentum verschafft worden ist. Der
gute Glaube der Beklagten an das Eigentum H. muß, da es an tatsächlichen
Feststellungen fehlt, im Revisionsverfahren unterstellt werden.
Erforderlich für einen solchen Eigentumserwerb
ist allerdings - neben der Einigung und dem guten Glauben der Beklagten
- eine Übergabe seitens des H. Die Übergabe braucht jedoch nicht
notwendig dadurch zu geschehen, daß der veräußernde Nichteigentümer
selbst dem Erwerber den Besitz überträgt. Es genügt auch,
wenn der Besitz von einem Dritten als unmittelbarem Besitzer, z. B. von
dem Lieferanten des Veräußerers, auf Geheiß des Veräußerers
übertragen wird; dabei ist auch nicht notwendig, daß der unmittelbare
Besitzer Besitzmittler des Veräußerers ist. Das ist die fast
allgemeine Ansicht in der Rechtslehre (Planck, 5. Aufl. BGB § 929
Anm. 2 III 3 und Anm. 4 vor § 932; Wolff/Raiser, Sachenrecht, 10.
Bearb. § 69 II 2 a; Staudinger, BGB § 932 Anm. 22; Westermann,
Sachenrecht, 4. Aufl. § 39 II 2, § 47 I 1; Soergel, 9. Aufl.
§ 932 Anm. 5; BGB-RGRK § 932 Anm. 7 - damit allerdings nicht
recht vereinbar BGB-RGRK § 932 Anm. 2, wo es im Anschluß an
RGZ 72, 309 312 heißt, der veräußernde Nichteigentümer
müsse zur Zeit der Einigung Besitzer gewesen sein oder den Besitz
schon vorher auf den Erwerber übertragen haben). Aus der Rechtsprechung
des Bundesgerichtshofs ergibt sich nichts Gegenteiliges. In der Entscheidung
des Oberlandesgerichts München NJW 1957, 875 nimmt dieses anscheinend
an, die Entscheidung BGHZ 10, 81 nehme einen anderen Standpunkt ein. Das
trifft aber nicht zu (vgl. BGB-RGRK § 932 Anm. 7). Die angeführte
Entscheidung des Bundesgerichtshofs betrifft (ebenso wie die Entscheidung
LM Nr. 6 zu § 932 BGB) eine andere Frage, nämlich diejenige,
ob der gute Glaube an das Eigentum eines der Veräußerung zustimmenden
Dritten genügt. In der hier maßgebenden Frage, ob die Übergabe
durch einen Dritten auf Geheiß des Veräußerers ausreicht,
spricht die Entscheidung des Bundesgerichtshofs eher für die in der
Rechtslehre herrschende Meinung (aaO S. 84 unten).
Ihr schließt sich auch der erkennende Senat
an.
Die Vorschrift des § 932 BGB schützt
den Erwerber, der auf Grund der Besitzlage an das Eigentum des Veräußerers
glauben darf (BGHZ 10, 86). Vom Erwerber aus gesehen übt aber nicht
nur derjenige die tatsächliche Gewalt über die Sache (§
854 BGB) aus, der sie selbst dem Erwerber übergibt, sondern auch derjenige,
auf dessen Weisung die Sache dem Erwerber durch einen Dritten ausgefolgt
wird. In beiden Fällen braucht und verdient der Erwerber Schutz.
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