Verwendungsersatz im EBV: Enger Verwendungsbegriff des BGH beim Bau auf fremden Grund; Konkurrenz zwischen §§ 951, 812 I 1 Alt. 2 BGB und §§ 987 ff 
BGH, Urt. v. 26. Februar 1964,  V ZR 105/61. 
Fundstelle:

BGHZ 41, 157 


Amtl. Leitsätze:

1. Die Vorschriften der §§ 994 - 1003 BGB regeln im Verhältnis zwischen Eigentümer und nichtberechtigtem Besitzer den Ersatz von Verwendungen erschöpfend und schließen die Anwendbarkeit des allgemeinen Bereicherungsrechts aus; der Ausschluß erstreckt sich zugleich auf den § 951 Abs. 1 BGB. Bei dieser Ausschlußwirkung bewendet es auch dann, wenn sich eine werterhöhende Maßnahme des Besitzers nicht als Verwendung im Rechtssinne darstellt und er infolgedessen keinen Ersatz nach § 996 BGB verlangen kann.
2. Darf der Besitzer, der mittels unentschuldigten Grenzüberbaues auf fremdem Grund und Boden ein Gebäude erstellt hat, wegen des Abbruchverbotes in § 22 Abs. 1 des Wohnraumbewirtschaftungsgesetzes von seinem Wegnahmerecht aus § 997 BGB keinen Gebrauch machen, so hat ihm der Eigentümer, der ihn auf Herausgabe in Anspruch nimmt, eine angemessene Entschädigung in Geld zu gewähren. 


Zentrales Problem:

Als Verwendungen i.S.v. § 994 BGB werden gemeinhin willentliche Vermögensaufwendungen verstanden, die (zumindest auch) der Sache zugute kommen sollen, indem sie sie wiederherstellen, erhalten oder verbessern. Der BGH vertritt in ständiger Rechtsprechung beim Bau auf fremden Grund einen "engen Verwendungsbegriff", indem er die grundlegende Umgestaltung des Grundstücks durch Bebauung nicht als Verwendung i.S.v. § 994 BGB ansieht. Da er aber dennoch eine Sperrwirkung der §§ 987 ff BGB gegenüber dem Bereicherungsrecht bejaht, hat derjenige, der auf fremden Grund gebaut hat, nicht nur keinen Anspruch auf Verwendungsersatz, sondern auch keinen Bereicherungsanspruch aus §§ 951, 812 I 1 Alt. 2 BGB (Verwendungskondiktion). Es bleibt ihm dann lediglich ein - häufig wertloses - Wegnahmerecht nach § 997 BGB. Nur in Ausnahmefällen (etwa Ausschluß des Wegnahmerechts aus öffentlich-rechtlichen Gründen) wird ein Ausgleichsanspruch aus § 242 BGB bejaht. Die Gegenansicht in der Literatur geht dagegen von einem weiten Verwendungsbegriff aus, vgl. etwa Medicus BürgR Rn. 875. Str. ist allerdings, ob der Begriff der Wertsteigerung subjektiv danach zu bestimmen, was die Verwendung gerade für den Eigentümer wert war, oder ob ein objektiver Maßstab anzulegen ist.
Soweit die Literatur dem engen Verwendungsbegriff des BGH folgt, wird z.T. entgegen der in der vorliegenden Entscheidung vertretenen Ansicht die Auffassung vertreten, daß der Besitzer in diesem Fall nach §§ 951, 812 Wertersatz für die Aufwendungen verlangen kann, also keine Sperrwirkung des EBV vorliegt. 



Zum Sachverhalt:

Die beklagte Siedlungsgesellschaft hat in den Jahren 1951 und 1952 bei Errichtung eines Wohnblocks dergestalt über die Grenze gebaut, daß ein Teil des Gebäudes auf den beiden Grundstücken der Klägerin zu stehen kam. Verhandlungen mit dem Ziel, die Klägerin zur käuflichen Überlassung der beiden Grundstücke zu bewegen, führten zu keinem Erfolg. Ein von der Beklagten eingeleitetes Enteignungsverfahren endete wegen Fristversäumung ergebnislos.
In dem gegenwärtigen Rechtsstreit verfolgt die Klägerin ihre Eigentümerrechte gegenüber der Beklagten. Nachdem ihr für den zunächst erhobenen Anspruch auf Beseitigung des Überbaues das Armenrecht versagt worden war, hat sie Herausgabe ihrer beiden Grundstücke verlangt, ferner im Wege der Stufenklage Auskunft über die von der Beklagten aus den Grundstücken gezogenen Nutzungen und Erstattung dieser Nutzungen. Dem Auskunftsanspruch ist durch Teilurteil stattgegeben worden (vgl. dazu das frühere Revisionsurteil des erkennenden Senats BGHZ 27, 204). Gegenüber dem Anspruch auf Grundstücksherausgabe macht die Beklagte ein Zurückbehaltungsrecht geltend wegen ihrer Bauaufwendungen, die sie mit insgesamt 772 663,67 DM beziffert; sie hat dieserhalb Widerklage erhoben. Das Oberlandesgericht hat die Beklagte verurteilt, die beiden Grundstücke mit dem darauf bzw. darüber befindlichen Teil des Hochhauses an die Klägerin herauszugeben; es hat auf die Widerklage die Klägerin zur Zahlung von 772 663,67 DM an die Beklagte verurteilt und ausgesprochen, daß die vorgenannten beiden Verpflichtungen Zug um Zug zu erfüllen seien.

Die Revision der Klägerin führte zur Aufhebung und Zurückverweisung.

Aus den Gründen:

1. Mit Recht wendet sich die Revision gegen den Standpunkt des Berufungsgerichts, die für die Rechtsbeziehungen der Parteien maßgebliche Gesetzesvorschrift sei der § 951 Abs. 1 BGB. Sie verweist demgegenüber zutreffend auf die höchstrichterliche Rechtsprechung, wonach es sich bei den §§ 987 ff BGB um eine erschöpfende Sonderregelung handele, die dem allgemeinen Bereicherungsrecht vorgehe (RG JW 1937, 2519 Nr. 16; RGZ 163, 348, 352; vgl. auch BGB-RGRK 11. Aufl. § 994 Anm. 1).
Die genannten Vorschriften regeln das Verhältnis des nichtberechtigten Besitzers zum nichtbesitzenden Eigentümer abschließend, so daß daneben andere, scheinbar auf den gleichen Tatbestand zugeschnittene gesetzliche Bestimmungen nicht zum Zuge kommen. »Ausschließlich« in diesem Sinne ist insbesondere die Regelung der §§ 994 - 1003 BGB über den Ersatz der vom Besitzer auf die Sache gemachten Verwendungen; sie geht, wie der Senat entschieden hat (Urt. v. 7. Februar 1962, V ZR 194/60, S. 10), den Vorschriften der §§ 812 ff BGB vor. Zu dem hiernach von der Anwendung ausgeschlossenen Bereicherungsrecht gehört auch der § 951 Abs. 1 BGB; denn wenn in dieser Vorschrift - die für den Eigentumsverlust infolge Verbindung beweglicher Sachen mit einem Grundstück (§ 946 BGB) einen Anspruch auf Vergütung in Geld gewährt - auf die Bereicherungsbestimmungen verwiesen wird, so bedeutet das, daß der Vergütungsanspruch nur unter den in § 812 Abs. 1 BGB angegebenen Voraussetzungen entsteht; § 951 BGB schafft keinen selbständigen Entstehungstatbestand für einen Geldanspruch, er stellt lediglich einen Unterfall des allgemeinen Bereicherungsrechts dar (BGHZ 17, 236, 238 f; 35, 356, 359 f; 40, 272, 276; LM BGB § 812 Nr. 14; Urt. v. 29. Januar 1964, V ZR 185/61, zur Veröffentlichung vorgesehen; BGB RGRK aaO § 951 Anm. 3; Siebert/Oechßler, BGB 9. Aufl. § 951 Anm. 1; Berg, AcP 160, 505 f; ebenso jetzt auch Westermann, Sachenrecht 4. Aufl. § 54 Nr. 1, S. 270, unter Aufgabe seines abweichenden Standpunktes in der 3. Aufl. aaO, S. 261). Den §§ 994 ff BGB gebührt also der Vorrang nicht nur vor den allgemeinen Bestimmungen der §§ 812 ff BGB, sondern auch vor § 951 Abs. 1 BGB.
Da diese Vorschrift, auf die das Berufungsgericht die Verurteilung der Klägerin zur Geldzahlung gestützt hat, als Anspruchsgrundlage ausscheidet, bleibt zu prüfen, ob das Widerklagebegehren durch die §§ 994 ff BGB gerechtfertigt wird. Ihre allgemeinen Voraussetzungen sind gegeben: Zwischen den Parteien besteht ein Eigentümer-Besitzer-Verhältnis; die Beklagte war ferner, was für die Anwendbarkeit der genannten Vorschriften unerläßlich ist (BGHZ 27, 317, 320; 31, 129, 132), bei Errichtung des Hochhauses nicht zum Besitz der überbauten Grundfläche berechtigt, da unstreitig keine rechtswirksame Enteignung stattgefunden hatte. Was die einzelnen Vorschriften anbetrifft, so käme hier aber lediglich der § 996 BGB in Betracht; denn »notwendige« Verwendungen nach Maßgabe der §§ 994, 995 BGB liegen nicht vor, insbesondere stellte die Bebauung der beiden Grundstücke mit einem Hochhaus-Teil keine Maßnahme dar, die zu ihrer Erhaltung oder ordnungsgemäßigen Bewirtschaftung objektiv erforderlich gewesen wäre (BGH Urt. v. 14. Dezember 1954, I ZR 134/53, NJW 1955, 340, 341; BGB-RGRK aaO § 994 Anm. 21). Dagegen wurde durch die Bebauung der Wert der überbauten Grundstücke im Sinne von § 996 BGB erhöht. Allein diese Vorschrift gewährt (sofern das weitere Erfordernis der Gutgläubigkeit erfüllt ist) einen Ersatzanspruch nur für Verwendungen. Es fragt sich, ob die Erstellung eines Gebäudes auf einem fremden Grundstück als »Verwendung« in dem angegebenen Sinne verstanden werden kann. Der Berufungsrichter hat das verneinen wollen; denn er stellt darauf ab, daß die von der Beklagten vorgenommene Grundstücksbebauung nicht dazu gedient habe, die Bausubstanz, die in den Grundstücken der Klägerin bereits vorhanden gewesen sei, zu erhalten, zu verbessern oder zu pflegen, sondern daß damit ein vollkommen neues Bauwerk geschaffen worden sei.
Dem ist beizutreten. Verwendungen sind Vermögensaufwendungen, die der Sache zugute kommen sollen, ohne sie grundlegend zu verändern (Palandt/Hoche aaO Vorbem. 2 vor § 994). Wie der erkennende Senat in BGHZ 10, 171 ausgeführt hat, fallen unter den Verwendungsbegriff nur diejenigen Maßnahmen, die darauf abzielen, den Bestand der Sache als solcher zu erhalten oder wiederherzustellen. Das kann, handelt es sich um ein Grundstück, zwar unter Umständen auch im Wege der Bebauung geschehen, etwa wenn ein vom Hochwasser gefährdetes Grundstück durch Errichtung eines Deiches geschützt oder ein abschüssiges Grundstück durch Bau einer Stützmauer vor dem Abgleiten bewahrt wird; ebenso stellt möglicherweise die Anlegung eines Stalles auf einem landwirtschaftlichen oder eines Kesselhauses auf einem industriellen Grundstück eine Verwendung dar. Der Senat hat es aber in jener Entscheidung als etwas durchaus anderes bezeichnet, wenn der Besitzer auf einem bisher unbebauten Grundstück ein Wohnhaus, eine Lagerhalle oder ein Fabrikgebäude errichtet; dann werde durch den Bau nicht das Grundstück in seinem Bestand verbessert, sondern sein Zustand verändert, indem es fortan für einen Zweck benutzt werde, dem es bisher nicht gedient habe; in solchen Fällen sei die Errichtung des Bauwerks keine Verwendung auf das Grundstück im Rechtssinne, wie sie denn auch im Sprachgebrauch nicht als Grundstücksverwendung bezeichnet werde. Diese Auslegung des Verwendungsbegriffs, die im Schrifttum gelegentlich Ablehnung erfahren hat (Breetzke, NJW 1954, 171; Siebert/Mühl, BGB 9. Aufl. § 994 Anm. 2, unter Bezugnahme auf OLG Breslau HRR 1939 Nr. 1101), ist vom Senat in späteren Entscheidungen aufrechterhalten worden (Urteile v. 23. Oktober 1953, V ZR 38/52, LM BGB § 946 Nr. 6 = NJW 1954, 265, und v. 17. September 1954, V ZR 35/54, LM BGB § 1004 Nr. 14; vgl. ferner Urt. v. 7. Februar 1962, V ZR 194/60, S. 10). Er hält auch nach erneuter Prüfung an ihr fest. Wollte man ganz allgemein die Errichtung von Gebäuden einbeziehen, so würde der Anwendungsbereich der §§ 994 ff BGB in einer Weise erweitert, die ersichtlich nicht mehr dem Zweck der gesetzlichen Regelung entspräche und für die auch kein vernünftiges wirtschaftliches Bedürfnis bestünde.
Die Anwendung dieser Grundsätze auf den vorliegenden Fall ergibt, daß die Beklagte keine »Verwendungen« auf die Grundstücke der Klägerin gemacht hat. Denn die Bebauung des Geländes, auf dem früher in zwei Einzelhäusern ein Altersheim betrieben wurde, mit dem Teil eines achtstöckigen Wohnblocks war, wie das Berufungsgericht zutreffend angenommen hat, keine den Bestand der Grundstücke erhaltende, wiederherstellende oder verbessernde Maßnahme, vielmehr handelte es sich um eine Zustandsveränderung, die darauf hinzielte, das Anwesen einer ganz anderen Zweckbestimmung zu unterwerfen als bisher. Fehlt es aber an einer Verwendung, dann entfällt damit die Anwendbarkeit des § 996 BGB. Auf die vom Berufungsgericht offengelassene Frage, ob die Beklagte sich bei Errichtung des Hochhauses hinsichtlich ihrer Berechtigung zum Besitz im guten Glauben befunden habe, kommt es infolgedessen für die Entscheidung nicht mehr an.
Die geschilderte Rechtslage hat zur weiteren Folge, daß der Anspruch auf Ersatz der Bauleistungen, den die Beklagte mit der Widerklage geltend macht und den ihr der Berufungsrichter zuerkannt hat, sich als unbegründet erweist. Die Beklagte möchte allerdings aus der Nichtanwendbarkeit des § 996 BGB den Schluß ziehen, nunmehr müsse doch wieder auf den § 951 Abs. 1 BGB zurückgegriffen werden; sie meint, diese Vorschrift komme hier deshalb zum Zuge, weil sie in Ermangelung eines Verwendungs-Tatbestandes nicht durch die gesetzlichen Vorschriften über das Eigentümer-Besitzer-Verhältnis verdrängt werde. Das ist indessen nicht richtig. Die Beziehungen zwischen Eigentümer und nichtberechtigtem Besitzer haben, wie oben ausgeführt wurde, durch die §§ 987 ff BGB eine erschöpfende Sonderregelung erfahren, die dem allgemeinen Bereicherungsrecht und damit zugleich dem § 951 BGB vorgeht und seine Anwendung ein für allemal ausschließt. Es geht nicht an, diese Ausschlußwirkung dahin einzuschränken, daß jeweils darauf abgestellt wird, ob eine Verpflichtung zum Verwendungsersatz besteht oder nicht. Entfällt die Ersatzpflicht im konkreten Fall wegen Fehlens einer der gesetzlichen Voraussetzungen, insbesondere weil - wie hier - keine »Verwendungen« im Sinne der §§ 994 ff BGB vorliegen, dann verbleibt es gleichwohl bei dem Ausschluß der Bereicherungsvorschriften. Die weiteren Rechtsfolgen bestimmen sich auch in solchen Fällen allein nach den für das Eigentümer-Besitzer-Verhältnis geltenden Regeln.
Soweit die Ausführungen des Senats in dem bereits erwähnten Urteil BGHZ 10, 171 etwas Gegenteiliges besagen sollten (S. 178 f), wird der dortige Standpunkt nicht aufrechterhalten. Die Ansicht, daß der § 951 Abs. 1 BGB gegebenenfalls auch neben den Sonderbestimmungen der §§ 994 ff BGB angewendet werden könne, würde vor allem bei mangelndem guten Glauben zu unbilligen Ergebnissen führen. Nach ihr könnte nämlich der Besitzer für Eingriffe in die Sachsubstanz, die über den Umfang von Verwendungen hinausgehen und den Zustand der Sache verändern, auch dann Wertersatz verlangen (§§ 951 Abs. 1, 818 Abs. 2 BGB), wenn ihm der Mangel seiner Besitzberechtigung bekannt oder nur infolge grober Fahrlässigkeit unbekannt war; begnügt er sich dagegen mit bestandserhaltenden oder wiederherstellenden Maßnahmen, so steht ihm für diese Verwendungen (falls sie nicht »notwendig« im Sinne der §§ 994, 995 BGB sind), laut § 996 BGB kein Ersatzanspruch zu. Eine solche Besserstellung dessen, der in Ausnutzung einer ihm nicht gebührenden Sachherrschaft das angemessene Maß überschreitet und den Eigentümer vor die vollendete Tatsache einer völligen Umgestaltung seines Eigentums stellt, gegenüber dem, der sich noch innerhalb der durch den Verwendungsbegriff gezogenen Grenzen einer vernünftigen wirtschaftlichen Betrachtungsweise hält, erscheint unangebracht und kann nicht rechtens sein.
Schließen daher nach Auffassung des erkennenden Senats die §§ 994 ff BGB, auch wenn keine Verwendungen im Rechtssinne auf die betreffende Sache gemacht worden sind, den § 951 Abs. 1 BGB aus, so mag damit auf den ersten Blick der Anwendungsbereich der letztgenannten Vorschrift erheblich eingeschränkt erscheinen. Daß sie aber vom Boden dieser Auffassung aus, wie die Beklagte meint, in den weitaus meisten Fällen schlechthin unanwendbar wäre, trifft nicht zu. Die Ausschlußwirkung greift nur Platz, wenn ein Eigentümer- Besitzer-Verhältnis vorliegt, während in allen sonstigen Fällen, in denen jemand durch Verbindung, Vermischung oder Verarbeitung das Eigentum an beweglichen Sachen verliert, der § 951 BGB unbedenklich zum Zuge kommt. Im übrigen besteht ohnehin seine Bedeutung, da er keine selbständige Anspruchsgrundlage abgibt, sondern lediglich ein Unterfall des allgemeinen Bereicherungsrechts ist, vornehmlich darin, daß eine Wiederherstellung des früheren Zustandes nicht verlangt werden kann (Abs. 1 Satz 2 aaO; vgl. Urt. v. 29. Januar 1964, V ZR 185/61).
2. Die ausschließliche, den § 951 BGB verdrängende Anwendung der §§ 994 ff BGB führt indessen nicht zur Abweisung der Widerklage.
Zwar steht der Beklagten, wie im vorstehenden dargelegt, kein Verwendungsersatzanspruch nach § 996 BGB zu. Aber die gesetzlichen Bestimmungen über das Eigentümer-Besitzer-Verhältnis erschöpfen sich nicht in der Gewährung bzw. Nichtgewährung solcher Ansprüche. Sie geben vielmehr dem Besitzer, der mit der herauszugebenden Sache eine andere als wesentlichen Bestandteil verbunden hat, unter gewissen Voraussetzungen noch ein weiteres Recht: gemäß § 997 BGB kann er die andere Sache abtrennen und sich aneignen. Das würde im vorliegenden Fall bedeuten, daß die Beklagte den Teil des Hochhauses, den sie auf die Grundstücke der Klägerin hinübergebaut hat, abbrechen und die dabei freiwerdenden Baustoffe wegnehmen und anderweitig verwenden dürfte. Die Voraussetzungen für das Wegnahmeredit aus § 997 BGB sind im Verhältnis der Parteien erfüllt; insbesondere liegt keiner der Ausnahmefälle vor, in denen dieses Recht laut Abs. 2 aaO ausgeschlossen ist.
Gleichwohl kommt ein solches Wegnahmerecht hier nicht in Betracht, und zwar aus einem besonderen, außerhalb der Regelung des Bürgerlichen Gesetzbuchs liegenden Grunde. Bei dem Bauwerk, welches die Beklagte errichtet hat, handelt es sich nämlich um ein Wohngebäude; allein der streitige Hochhausteil auf den Grundstücken der Klägerin wird von etwa 20 Mietparteien bewohnt. Einem Abbruch des Überbaues, wie ihn der § 997 BGB an sich der Beklagten gestatten würde, steht infolgedessen ein im öffentlichen Interesse erlassenes »Verbot baulicher Veränderungen« entgegen, das im § 22 des Wohnraumbewirtschaftungsgesetzes vom 31. März 1953 (BGBl I 97; jetzt in der Fassung der Anlage zu Art. X § 6 des Gesetzes vom 23. Juni 1960, BGBl I 389, 418) seinen gesetzlichen Niederschlag gefunden hat; nach dem ersten Absatz dieser Vorschrift darf ein Gebäude ohne Genehmigung der zuständigen Behörde oder Stelle durch bauliche Maßnahmen nicht derartig verändert werden, daß eine Wohnung für Wohnzwecke nicht mehr geeignet ist. Die hiernach für den Abbruch erforderliche Genehmigung ist unstreitig nicht erteilt; daß mit ihrer Erteilung in absehbarer Zeit zu rechnen sei, ist weder von einer der Parteien behauptet worden noch angesichts der gerichtsbekannten Wohnungsknappheit wahrscheinlich.
Darf aber die Beklagte ihr gesetzliches Wegnahmerecht aus Gründen der Wohnraumbewirtschaftung nicht ausüben, dann erscheint es als ein Gebot der Gerechtigkeit, ihr für den Rechtsverlust, den sie auf diese Weise erleidet, entsprechende Schadloshaltung zu gewähren. Der Gedanke, daß jemand, der von einer ihm nach allgemeinen bürgerlichrechtlichen Vorschriften zustehenden Befugnis infolge einer entgegen stehenden Sonderrechtsnorm keinen Gebrauch machen kann, angemessen entschädigt werden muß, ist dem geltenden Recht nicht fremd. Er findet sich beispielsweise in der höchstrichterlichen Rechtsprechung zum Nachbarrecht, insbesondere im Anwendungsbereich des § 906 BGB aF und des § 26 GewO bei ortsüblichen, den Nachbarn übermäßig schädigenden Immissionen (BGHZ 28, 225, 232 m. Nachw.), und in der hieran anknüpfenden Neufassung des § 906 BGB auf Grund des Art. 4 des Änderungsgesetzes vom 22. Dezember 1959 (BGBl I 781). Wenn nunmehr nach § 906 Abs. 2 Satz 2 BGB der Nachbar für Einwirkungen, die eine ortsübliche Benutzung seines Grundstücks oder dessen Ertrag über das zumutbare Maß hinaus beeinträchtigen, die er aber trotzdem dulden muß, einen angemessenen Ausgleich in Geld verlangen kann, so liegt dieser Regelung ein allgemeiner Rechtsgrundsatz zugrunde (BGB-RGRK aaO § 906 Anm. 33). Seine Anwendung auf den hier zur Entscheidung stehenden Sachverhalt führt zu dem Ergebnis, daß die Klägerin zum Ausgleich für den unverhofften Vermögensvorteil, der ihr infolge Nichtausübbarkeit des Wegnahmerechts in den Schoß fällt, an die Beklagte eine Geldentschädigung zahlen muß.
Was die Höhe dieses auf § 242 BGB beruhenden Ausgleichsanspruchs anbetrifft, so versteht sich von selbst, daß er auch nicht annähernd den Betrag von 772 663,67 DM erreichen kann, den die Beklagte im angefochtenen Urteil als Vergütung nach §§ 951 Abs. 1, 818 Abs. 2 BGB zugesprochen erhalten hat. Denn abgesehen davon, daß das Berufungsgericht hierbei irrigerweise von der Summe der angeblich aufgewendeten Baukosten ausgegangen ist, anstatt auf die tatsächliche Steigerung des Verkehrswertes abzustellen (BGHZ 10, 171, 180 f; 17, 236, 240 ff; Urteile v. 19. September 1962, V ZR 138/61, WM 1962, 1295 = NJW 1962, 2293, v. 23. November 1962, V ZR 148/60, WM 1963, 290, und v. 10. Juli 1963, V ZR 181/61, WM 1963, 1066, 1068 f), kommt es auch für den angemessenen Ausgleich, den die Beklagte einzig zu beanspruchen hat, nicht in erster Linie auf die Wertsteigerung des herauszugebenden Grundbesitzes an. Maßgebend muß vielmehr sein, daß die Beklagte, weil ihr die Ausübung ihres gesetzlichen Wegnahmerechts verwehrt ist, diejenigen Bauteile, die sie im Falle eines Gebäudeabbruchs nutzbringend anderweitig verwerten könnte (etwa Türen, Fenster, Heizkörper, Badeeinrichtungen, elektrische Herde und dergleichen), im Hause zurücklassen muß. Eine Minderung erfährt ihr Ausgleichsanspruch andererseits durch die Einsparung der Abbruchskosten. Diese Rechnungsfaktoren geben indessen nicht den alleinigen Ausschlag. Da es nämlich darum geht, einen billigen, dem Grundsatz von Treu und Glauben entsprechenden Interessenausgleich zu finden, müssen sämtliche Umstände des Falles berücksichtigt werden (LM BGB § 242 Ba Nr. 27; § 779 Nr. 2). Zugunsten der Beklagten fällt insbesondere in die Waagschale, daß sie sich seinerzeit in einer schwierigen Lage befand (wird ausgeführt). Nicht unbeachtet bleiben darf auch der erhebliche Vorteil, den die Klägerin dadurch erlangt, daß ihr nicht nur die Grundstücke zurückgegeben werden müssen, sondern zugleich mit ihnen auch der übergebaute Hochhausteil.
Die Abwägung aller dieser Umstände und die zahlenmäßige Feststellung des der Beklagten gebührenden Ausgleichs obliegt dem Tatrichter. Die Sache ist daher an das Berufungsgericht zurückzuverweisen, das erforderlichenfalls den Sachverhalt weiter aufklären und im übrigen gemäß § 287 ZPO verfahren muß. 


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