Revision zur Aufrechterhaltung der Ehe 

BGH, Urteil v. 30.9.1964, IV ZR 319/63

Fundstellen:

BGHZ 43 , 210
LM § 546 ZPO Nr. 51
NJW 1965, 865
MDR 1965, 470
FamRZ 1965, 315



Amtlicher Leitsatz:

Liegen die Voraussetzungen der §§ 546, 547 ZPO nicht vor, so ist die Revision in Ehesachen nicht deshalb statthaft, weil sie zur Aufrechterhaltung der Ehe eingelegt worden ist.



Zum Sachverhalt:

Die Parteien haben am 16. August 1947 geheiratet. Mit seiner Klage vom 2. Oktober 1962 hat der Kläger die Scheidung der Ehe begehrt und vorgetragen, die Beklagte habe durch ihre schuldhaften Eheverfehlungen die Ehe der Parteien zerrüttet (§ 43 EheG).
Das Landgericht hat die Klage abgewiesen. Gegen dieses Urteil hat der Kläger Berufung eingelegt und weitere Einzelheiten zur Begründung seiner Klage vorgetragen. Die Beklagte hat gebeten, die Berufung zurückzuweisen. Sie hat Anschlußberufung eingelegt, Widerklage erhoben und beantragt, die Ehe aus dem Verschulden des Klägers zu scheiden, hilfsweise, die Ehe aufzuheben und ein Verschulden des Klägers festzustellen. Das Berufungsgericht hat in seinem Urteil vom 20. September 1963 die Entscheidung des Landgerichts über die Klage bestätigt, auf die Anschlußberufung der Beklagten hat es die Ehe der Parteien geschieden und den Kläger für schuldig erklärt. Dieses Urteil hat die Beklagte mit der Revision angefochten und zur Begründung ihres Rechtsmittels vorgetragen, daß die Beklagte die Ehe aufrecht erhalten wolle. Da der Kläger der von der Beklagten erklärten Rücknahme der Widerklage nicht zugestimmt hat, hat die Beklagte schließlich auf den mit der Widerklage erhobenen Scheidungsanspruch verzichtet und beantragt, den Rechtsstreit hinsichtlich der Widerklage in der Hauptsache für erledigt zu erklären. Die Revision der Beklagten wurde als unzulässig verworfen.

Aus den Gründen:

1. Gegen Urteile der Berufungsgerichte in Ehesachen findet nach § 546 ZPO die Revision nur statt, wenn das Oberlandesgericht sie zugelassen hat. Von diesem Grundsatz enthält § 547 ZPO Ausnahmen; keine von ihnen liegt hier vor.

2. Das Rechtsmittel ist auch nicht deshalb statthaft, weil die Beklagte jetzt die Ehe aufrechterhalten will. Zwar konnte die Beklagte bis zur Rechtskraft des Berufungsurteils, also noch innerhalb eines Monats nach der Verkündung dieses Urteils (BGHZ 4, 294), die von ihr erhobene Widerklage zurücknehmen (§ 271 Abs. 3 ZPO). Da aber der Kläger seine dazu notwendige Einwilligung nicht erteilt hat, trat die Wirkung des § 271 Abs. 3 Satz 1 ZPO nicht ein. Die Beklagte hat daher in ihrer Revisionsbegründung auf den mit der Widerklage geltend gemachten Scheidungsanspruch verzichtet und beantragt, den Rechtsstreit hinsichtlich der Widerklage in der Hauptsache für erledigt zu erklären. Es ist zwar anerkannt, daß auch noch im Verfahren vor dem Revisionsgericht nach Erlaß des vorinstanzlichen Urteils Ereignisse eintreten können, durch die die Hauptsache erledigt wird. Das Revisionsgericht kann aber einen entsprechenden Antrag der Partei, die sich auf ein solches Ereignis beruft, nur prüfen, wenn die Revision überhaupt zulässig ist (ebenso: Blomeyer, Zivilprozeßrecht, S. 315; Göppinger, Erledigung des Rechtsstreits in der Hauptsache, S. 287 ff, S. 307). Diese Voraussetzung liegt hier nicht vor. Die Revision kann sich für ihre Ansicht, daß die Revision im vorliegenden Falle zulässig sei, auch nicht auf die Entscheidungen des Reichsgerichts und des Bundesgerichtshofs berufen, in denen ausgesprochen worden ist, daß in Ehesachen wegen der besonderen Bedeutung der Aufrechterhaltung der Ehe ein Rechtsmittel auch dann zulässig sei, wenn es von der Partei, die mit ihrem Scheidungsverlangen obgesiegt hatte, eingelegt worden ist, um die Ehe aufrechtzuerhalten. Diese Rechtsansicht hat das Reichsgericht bereits in der RGZ 36, 351 abgedruckten Entscheidung und auch später ständig vertreten (JW 1913, 1047 Nr. 17; RGZ 100, 208;. 115, 375; 157, 141, 144). Das Schrifttum hat diese Ansicht gebilligt (Rosenberg, Lehrbuch des deutschen Zivilprozeßrechts, 9. Aufl. , S. 819). Der Bundesgerichtshof ist ihr gefolgt (BGHZ 24, 369). In diesen Fällen war aber nach der bei Erlaß dieser Entscheidungen maßgebenden Gesetzeslage das ein gelegte Rechtsmittel, Berufung oder Revision, statthaft, so daß die Zulässigkeit der eingelegten Rechtsmittel infolge des Obsiegens des Rechtsmittelführers allein von der Frage der Beschwer abhing. Soweit das Reichsgericht nach dem Inkrafttreten der Verordnung zur Entlastung des Reichsgerichts vom 15. Januar 1924 (RGBl I 29), nach der die Revision in Ehesachen von der Zulassung dieses Rechtsmittels durch das Oberlandesgericht abhängig gemacht wurde, in der bei Warneyer, Rechtsprechung 1923/24 unter Nr. 191 abgedruckten Entscheidung etwas anderes ausgesprochen hat, war ausschlaggebend, daß das Rechtsmittel vor dem Inkrafttreten der genannten Verordnung eingelegt worden war. Dies wird in der RGZ 110, 239 abgedruckten Entscheidung klargestellt.

Aus alledem ergibt sich, daß ein vom Gesetzgeber in Ehesachen nicht vorgesehenes Rechtsmittel nicht deshalb statthaft ist, weil es im Interesse der Aufrechterhaltung der Ehe eingelegt wird. Soweit in dem Beschluß des Senates vom 18. Dezember 1963 - IV ZR 263/63 - (BGHZ 41, 3) ein abweichender Standpunkt eingenommen worden ist, wird daran nicht festgehalten, wobei darauf hingewiesen wird, daß dieser Beschluß auf der nunmehr aufgegebenen Rechtsmeinung nicht beruht.

Die Revision übersieht ferner, daß durch den Verzicht auf das Scheidungsrecht nach Erlaß des Urteils der Berufungsinstanz, anders als im Falle der Klagerücknahme, das Verfahren nicht beendet wird. Das Revisionsgericht könnte die Erledigung der Hauptsache erst aussprechen, wenn es eine sachliche Prüfung des Verzichts auf den Scheidungsanspruch vorgenommen hätte. Eine solche Prüfung ist aber nach § 561 ZPO regelmäßig nicht zulässig.