Die Klägerin ist legitimierte Inhaberin eines am 14. Dezember 1964
ausgestellten und am 14. März 1965 fälligen Wechsels, der auf
den Beklagten gezogen und von ihm angenommen worden ist. Ausstellerin und
Remittentin ist die Firma A. P. Der vorgelegte Wechsel lautet über
6 000 DM in Buchstaben und in Ziffern. Beide Angaben befinden sich im Wechseltext.
Das Wort »Sechstausend« steht links am Anfang einer Zeile:
»(Betrag in Buchstaben)«, die in ihrer Mitte einen Strich aufweist
und rechts freigeblieben ist.
Die Klägerin hat im Wechselprozeß klagend die Verurteilung
des Beklagten zur Zahlung von 6 000 DM nebst Zinsen und Wechselunkosten
beantragt. Der Beklagte hat den Klaganspruch in Höhe von 1 000 DM
anerkannt und im übrigen beantragt, die Klage abzuweisen. Er hat behauptet,
der Wechsel habe, als er ihn angenommen habe, über den Worten: »Betrag
in Ziffern« die Angabe: »1 000 - DM« enthalten. In der
Mitte der Zeile: »(Betrag in Buchstaben)« habe sich bereits
der jetzt dort vorhandene Strich befunden. Der Aussteller habe aus der
»1« eine »6« gemacht und in die Zeile »(Betrag
in Buchstaben)« das Wort »Sechstausend« eingefügt.
47,96 [ 14. Wechselfälschung ]
Das Landgericht hat den Beklagten über sein Anerkenntnis hinaus
nur zur Zahlung von Zinsen und Wechselunkosten wegen des Betrages von 1
000 DM verurteilt und die Klage im übrigen abgewiesen. Das Oberlandesgericht
hat die Berufung der Klägerin zurückgewiesen. Die zugelassene
Revision der Klägerin blieb erfolglos.
Aus den Gründen
I. Mit Recht hat das Berufungsgericht der von der Klägerin bestrittenen
Behauptung des Beklagten, bei Zeichnung des Akzepts durch ihn habe die
Ziffernangabe der Wechselsumme im Text des Wechsels auf »1000«
gelautet, den schlüssigen Einwand der Fälschung (Art. 69 WG)
entnommen. Der Revision ist nicht zu folgen, wenn sie meint, falls der
Wechsel ursprünglich die Wechselsumme in Ziffern mit »1000«
angegeben haben sollte, sei jedenfalls durch die Einfügung des Wortes
»Sechstausend« in die dafür vorgesehene und offengebliebene
Spalte ein bis dahin unvollständiger Wechsel mit Ermächtigung
des Beklagten, wenn auch abredewidrig, auf einen höheren Betrag ausgefüllt
worden (Art. 10 WG) und diese Angabe sei nach Art. 6 Abs. 1 WG maßgeblich.
Ein Wechsel, der die Wechselsumme lediglich in Ziffern angibt, ist
nach Art. 1 Nr. 2 WG ein vollständiger formrichtiger Wechsel über
die angegebene Summe und kein Blankowechsel. Die Wechselsumme kann in Buchstaben
oder in Ziffern angegeben werden. Es fehlt nicht wie beim Wechselblankett
abredegemäß ein wesentliches Merkmal des Wechsels. Durch die
Einfügung einer höheren Wechselsumme ist der Text des vollständigen
Wechsels geändert, nicht ein Blankett abredewidrig ausgefüllt
worden. Art. 10 WG ist also unmittelbar nicht anwendbar. Das Reichsgericht
ist in der Entscheidung RGZ 164, 10, 13 (vgl. bereits RGZ 2, 97) zu der
Auffassung gelangt, die entsprechende Anwendung des Art. 10 WG sei geboten,
wenn ein Wechsel begeben werde, bei dem ein neben der Ziffernangabe vorhandener
und zur Einfügung der Wechselsumme in Buchstaben bestimmter Raum freigelassen
und der Wechselnehmer ausdrücklich oder stillschweigend ermächtigt
worden ist, diesen Raum auszufüllen. Die dann in Buchstaben eingefügte
Summe gelte nach Art. 1 Nr. 2 und Art. 6 Abs. 1 WG als wesentlicher Bestandteil
des Wechsels. Sie sei maßgebend, wenn sie höher sei als der
Betrag in Ziffern. Der Wechselnehmer habe die Befugnis erhalten, die Wechselurkunde
durch Einfügung eines wesentlichen Bestandteils zu ergänzen.
Für die Beurteilung der Wechselverpflichtungen müsse der Wechsel,
so meint das Reichsgericht, wie ein unvollständiger Wechsel nach Art.
10 WG behandelt werden. Die rechtsgrundsätzlichen Erwägungen,
die zur Schaffung des Art. 10 WG geführt hätten, träfen
auch auf diesen Fall zu. Der Wechselgeber habe durch die Begebung des nicht
vollständig ausgefüllten Wechsels eine abredewidrige Aüsfüllung
ermöglicht und müsse für den Mißbrauch seines Vertrauens
durch den Wechselnehmer einstehen. Das Schrifttum hat sich dieser Auffassung
überwiegend angeschlossen (Baumbach/Hefermehl, WG, 8. Aufl. , Art.
10 A. 14; Stranz, WG, 14. Aufl. , Art. 10 A. 4; anders Jacobi, Wechsel-
und Scheckrecht, 1955, S. 485 A. 4).
Der erkennende Senat vermag in Übereinstimmung mit dem Berufungsgericht
dieser Auffassung nicht zu folgen. Es besteht kein ausreichender Grund,
einen Wechsel mit unausgefüllter Zeile: »Betrag in Buchstaben«
als Blankowechsel nach Art. 10 WG zu behandeln, wenn die Wechselsumme in
Ziffern angegeben war. Von einem Blankowechsel unterscheidet sich der Wechsel
mit einer Lücke für den Betrag in Buchstaben wesentlich dadurch,
daß dem Nehmer kein Gestaltungsrecht bezüglich der Wechselsumme
eingeräumt worden ist. Sie ist bereits im Wechsel durch Angabe in
Ziffern festgelegt worden (Art. I Nr. 2 WG), gleichviel, ob sie im eigentlichen
Text oder etwa am Rande oder in einer Ecke des Vordrucks steht (Baumbach/
Hefermehl aaO Art. 1 A. 5). Dem Nehmer ist bei der Begebung allenfalls
die Befugnis gewährt worden, die Summe im offen gelassenen Raum in
Buchstaben zu wiederholen. Wenn man überhaupt von einem »Ausfüllungsrecht«
bei dieser rein mechanischen Übertragung der Ziffernangabe in Buchstaben
sprechen will, dann ist es jedenfalls erkennbar im Wechsel nur begrenzt
erteilt worden (vgl. Jacobi, Wechsel- und Scheckrecht aaO). Der Nehmer
hat zwar die Möglichkeit erhalten, in die offene Zeile eine höhere
Summe in Buchstaben einzusetzen und den Wechsel für diese Summe gültig
zu machen (Art. 6 Abs. 1 WG). Aber diese durch die Art des Vordrucks geschaffene
Möglichkeit beruht nicht auf einem dem Nehmer vom Geber eingeräumten
Gestaltungsrecht, das in dem Vertrauen bewilligt wurde, er werde eine noch
fehlende Angabe abredegemäß in die Wechselurkunde einfügen.
Die Urkunde enthielt alle nötigen Angaben. Dem Nehmer wurde bereits
nach der Fassung der Urkunde kein rechtlicher Spielraum bezüglich
der Wechselsumme gewährt. Gewiß erleichtert der Zeichner die
Einfügung einer höheren Summe, wenn er nicht für die Angabe
der Wechselsumme auch in Buchstaben in dem dafür vorgesehenen Raum
sorgt. Praktisch kann aber der Nehmer den so geschaffenen Wechsel über
die Ziffernangabe hinaus nur verwerten, wenn er auch diese fälscht
und dadurch eine Übereinstimmung beider Angaben herbeiführt.
Das zeigen alle entschiedenen Fälle dieser Art (RGZ 164, 10, 11; OLG
Kassel JW 1932, 2633 Nr. 4; OLG Stuttgart JW 1937, 820 Nr. 14: »In
Voraussicht einer Beanstandung bei Abweichung zwischen beiden Zahlen«
wurde auch die Ziffernangabe geändert; vgl. auch LG Nürnberg-Fürth
NJW 1961, 1775; ferner OLG Wien vom 5. Februar 1936, von Caemmerer, Internat.
Rechtsprechung zum Genfer Einheitl. Wechsel- und Scheckrecht, Art. 6 WG
Nr. 4, wo Art. 69 WG angewendet wird). Ein Wechsel, bei dem die Ziffern
und die Buchstabenangabe voneinander abweichen, wird im Verkehr mit Mißtrauen
betrachtet und gibt regelmäßig zu Rückfragen vor dem Erwerb
und zu dem Verlangen nach Berichtigung durch alle Wechselverpflichteten
Anlaß. Auch wäre z. B. die Gutgläubigkeit des Erwerbers
besonders zu prüfen (Staub/Stranz, WG, 13. Aufl. , Art. 10 A. 5).
Ein solcher Wechsel ist nach dem Merkblatt der Deutschen Bundesbank über
die Form der zum Ankauf und zur Beleihung geeigneten Inlandswechsel nicht
ankaufs- und beleihungsfähig. In Nr. 10 des Merkblatts wird abweichend
von Art. 1 Nr. 2 WG die Angabe der Wechselsumme in Ziffern und Buchstaben
verlangt, und es versteht sich, daß beide auf denselben Betrag lauten
müssen; denn die Buchstabenangabe soll ausschließen, daß
die leichter zu verändernde Ziffernangabe zur Verfälschung benutzt
wird. Der Wechsel wird also für einen höheren als den Betrag
in Ziffern erst dadurch umlaufsfähig, daß die niedergeschriebenen
Angaben gegen den Willen des Zeichners geändert werden. Die Verfälschung
der Ziffernangabe ist zwar rechtlich nicht erforderlich, um den Wechsel
für einen höheren Betrag gültig zu machen (Art. 6 Abs. 1
WG), sie entspricht aber dem typischen Verlauf bei solchen Fälschungen.
Der Ziffernwechsel läßt anders als ein Blankett dem Nehmer nicht
völlig freie Hand, wenn er ihn zu einem höheren Betrag als vom
Geber gewollt in Umlauf bringen will. Wird beachtet, in welcher Weise sich
der Mißbrauch des lückenhaft ausgefüllten Wechsels zu einem
höheren Betrag tatsächlich vollzieht und wodurch regelmäßig
der gutgläubige Dritte letztlich getäuscht wird, so ergibt sich,
daß der Gesichtspunkt nicht durchgreift, der Wechselgeber habe den
Nehmer durch die offene Zeile wie bei einem Blankett zur weiteren Ausfüllung
ermächtigt und müsse die Gefahr des Mißbrauchs seines Vertrauens
durch Einfügung einer höheren Summe tragen. Durch die Einsetzung
der Ziffern ist bereits im Wechsel dem Nehmer eine wirksame Schranke gesetzt
worden, die er praktisch nur durch Abänderung des vom Geber unterschriebenen
Textes überwinden kann. Der Senat sieht daher keinen Anlaß,
einen solchen Wechsel als unvollständigen und der getroffenen Vereinbarung
zuwider ausgefüllten nach Art. 10 WG zu behandeln. Vielmehr ist die
Einfügung einer höheren Wechselsumme mangels besonderer Ermächtigung
eine Abänderung des durch die Ziffernangabe gemäß Art.
1 Nr. 2 WG festgelegten Textes, die nach Art. 69 WG zu beurteilen ist.
Der Annehmer haftet also nur nach dem ursprünglichen Text, d. h. für
den in Ziffern angegebenen Betrag von 1 000 DM.
Auch dem Gesichtspunkt der Haftung für veranlaßten Rechtsschein,
der für eine Haftung entsprechend Art. 10 WG herangezogen werden könnte,
ist hier nicht der Vorrang vor dem Grundsatz der Nichthaftung bei Verfälschung
(Art. 69 WG) einzuräumen. Das Papier rief in seiner ursprünglichen
Gestalt nicht den Anschein einer Ermächtigung bezüglich der Wechselsumme
hervor. Nur durch einen Eingriff in den Wechseltext durch Änderung
der Ziffernangabe konnte trotz Art. 6 Abs. 1 WG der Wechsel für eine
höhere Summe umlaufsfähig gemacht werden. Gibt der Zeichner eine
Urkunde aus der Hand, in der noch keine Angabe über den Wechselbetrag
enthalten ist, so ist es berechtigt, den gutgläubigen Erwerber zu
schützen, wenn eine nicht vorgesehene Summe eingesetzt wird (Art.
10 WG). Hat der Zeichner wenigstens eine Angabe in Ziffern gemacht, so
reicht es für seine Haftung auf Grund Rechtsscheins nicht aus, daß
er die Einsetzung einer höheren Wechselsumme in Buchstaben erleichtert
hat, indem er den hierfür vorgesehenen Raum freigelassen hat. Ein
Grundsatz, jeder Wechselzeichner habe durch geeignete Vorkehrungen (Striche,
Ausfüllung oder Vermeidung von Lücken) bei Vermeidung wechselmäßiger
Haftung dafür zu sorgen, daß der Wechsel nicht leicht verfälscht
werden könne, ist nicht anzuerkennen. Bei jedem Fälschungseinwand
wäre sonst, worauf schon RGZ 8, 42, 44 hingewiesen hat, die Haftung
danach zu beurteilen, ob sich die Fälschung bei genügender Sorgfalt
hätte vermeiden lassen, indem z. B. längere Striche gemacht und
keine Lücken gelassen wurden. Die Wechselhaftung würde von der
Fälschungstechnik und ihrer zweckmäßigen Bekämpfung
abhängig gemacht werden. Nach dem Gesetz trägt die Gefahr der
Fälschung grundsätzlich der Erwerber des Wechsels (Art. 7, 69
WG). Diese Rechtslage kann nicht dadurch beseitigt werden, daß eine
den Schutz des Art. 69 WG nicht verdienende verkehrswidrige Mitveranlassung
der Täuschung des Dritten angenommen wird, wenn der Geber den Wechsel
zeichnet, obwohl er mangels ausreichender Füllstriche oder infolge
offener Räume für eine Fälschung besonders geeignet ist
(so Rehfeldt, JuS 1963, 148 gegen LG Nürnberg-Fürth, NJW 1961,
1775). Das Gesetz sucht den Schutz des Wechselverkehrs dadurch zu erreichen,
daß es Urkundenfälschungen, zu denen strafrechtlich auch die
abredewidrige Ausfüllung gehört, unter Strafe stellt. Der Wechselzeichner,
der den Wechsel mit ziffernmäßiger Angabe der Wechselsumme versieht
und keinen leeren Raum für eine Buchstabenangabe läßt oder
ausreichende Füllstriche macht, handelt in seinem Interesse, um die
oft schwierig nachzuweisende Fälschung zu verhüten. Durch die
Unterlassung dieser Maßnahmen verursacht er aber im Falle der Fälschung
nicht unter Verstoß gegen die ihm obliegende, im Verkehr erforderliche
Sorgfalt die Täuschung gutgläubiger Dritter, so daß ihm
der Schutz des Art. 69 WG wegen veranlaßten Rechtsscheins versagt
bleiben müßte. Anders wäre die Sachlage, wenn der Unterzeichner
nach den Umständen mit einer Verfälschung durch Einsetzung einer
höheren Wechselsumme rechnen mußte und sie in Kauf genommen
hat. Dann wäre die Berufung auf die Verfälschung als Rechtsmißbrauch
unzulässig (RGZ 126, 223).