BGHZ 47, 110 ff: Genehmigungsfähigkeit des gefälschten Wechsels; Berufung auf Fälschung, Bedeutung des Schweigens bei Nachfrage



1. Teilt der Inhaber eines Wechsels einem Dritten mit, er habe einen Wechsel mit dem Akzept des Dritten erworben, und bittet er um Außerung, ob der Wechsel in Ordnung gehe, so stellt das Schweigen des Dritten regelmäßig auch dann keine Genehmigung der Fälschung dar, wenn er die Fälschung und den Zweck der Mitteilung erkannt hat.
 2. Die Berufung auf den Einwand der Fälschung ist dem Dritten nicht schon deshalb gemäß § 242 BGB zu versagen, weil er erkannt hat, daß die Fälschungen trotz Verwarnung des Täters fortgesetzt worden sind.
 3. Der Namensträger, der auf die Mitteilung des Wechselinhabers schweigt, kann diesem wegen bedingt vorsätzlicher sittenwidriger Schadenszufügung (§ 826 BGB) für den Schaden haften, der durch das Vertrauen auf die Echtheit der Unterschriff verursacht worden ist.
 4. Die Haftung gemäß § 826 BGB kann wegen fahrlässigen Verhaltens des Wechselinhabers gemäß § 254 BGB gemindert sein.

Die Klägerin ist legitimierte Inhaberin von vier im August 1962 fällig gewesenen und mangels Zahlung protestierten Wechseln.

Die Wechsel sind im April und Mai 1962 ausgestellt von der Sch. OHG, persönlich haftender Gesellschafter Josef Sch. Bezogener ist der Beklagte. Sch. hat die Unterschrift des Beklagten unter den Annahmevermerken gefälscht. Der Beklagte ist ländlicher Gastwirt und betätigt sich auch als Automatenaufsteller. Er hat Automaten (etwa 25) von Sch. gekauft und dafür zum Teil Wechsel gegeben, von denen nach seiner Angabe noch einige bis zum Sommer 1962 im Umlauf waren. Sch. ist ein persönlicher Bekannter des Beklagten. Dessen Familie ist in derselben Gegend ansässig, und bereits der Vater des Sch. hat in Geschäftsbeziehungen zum Beklagten gestanden. Sch. ist wegen umfangreicher Wechselfälschungen und wegen Betruges zu Strafe verurteilt worden. Im Urteil wird festgestellt, daß er auf den Namen des Beklagten Wechsel über insgesamt etwa 155 000 DM gefälscht hat. Im Mai 1962 seien bereits gefälschte Wechsel mit dem Namen des Beklagten über insgesamt 60 000 bis 80 000 DM im Umlauf gewesen.
Die eingeklagten Wechsel sind von der Sch. OHG blanko indossiert an den Rendanten der Klägerin H. weitergegeben worden. H. hat die Wechsel in blanko indossiert an seine Spar- und Darlehnskasse weitergegeben, die die Wechsel klageweise geltend gemacht und nach Abstandnahme vom Wechselprozeß die Verurteilung des Beklagten zur Zahlung von noch 14 730 DM beantragt hat.
Sie hat behauptet, sie habe den Beklagten jeweils nach dem Ankauf der Wechsel in banküblicher Weise nach Formular benachrichtigt. In den Schreiben habe es geheißen:
Sofern ein Wechsel nicht in Ordnung geht, bitten wir um sofortige Nachricht.«
Ferner habe sie jeweils 8 Tage vor Fälligkeit schriftlich auf diese hingewiesen und schließlich den Einschreibebrief vom 13. Juli 1962 mit der Klagandrohung übersandt. Auf alle diese Nachrichten und auf die Proteste habe der Beklagte geschwiegen. Er habe bereits im April 1962 von den Fälschungen des Sch. erfahren und auch noch geschwiegen, als er von weiteren Fälschungen seines Namens durch Sch. erfahren und erkannt habe, Sch. habe sein Versprechen, nicht mehr zu fälschen und die Wechsel einzulösen, nicht gehalten. Er habe Sch. decken und ihm die Vorteile seiner Fälschungen sichern wollen. Ende 1962 habe sich der Beklagte auch Außenstände und andere Vermögenswerte des Sch. übertragen lassen und auch Leistungen auf die Wechsel zugesagt. Hätte sie der Beklagte alsbald unterrichtet, daß seine Unterschrift gefälscht sei, so hätte sie noch Maßnahmen gegen Sch. ergreifen können, der erst im April 1963 in Konkurs gefallen und im Sommer 1962 noch zahlungsfähig gewesen sei.
Der Beklagte hat Klagabweisung beantragt. Er hat den Empfang von Ankaufsnachrichten - bis auf vielleicht eine - bestritten. Erst Anfang bis Mitte Mai 1962 habe er von den Fälschungen seines Namens durch Sch. erfahren. Dieser habe gebeten, nichts gegen ihn zu unternehmen, er werde die Wechsel selbst einlösen. Er habe mit Rücksicht auf die alte Bekanntschaft mit Sch. und dessen Familie abwarten wollen, ob Sch. sein Wort halte und die Wechsel einlöse. Eine Zeit lang habe er auch nichts mehr gehört. Als dann Wechsel von allen Seiten gekommen seien, sei er nur noch ein Wrack gewesen und habe sich zu nichts auf raffen können.
Das Landgericht hat der Klage stattgegeben, das Oberlandesgericht hat sie abgewiesen. Die Revision der Klägerin führte zur Aufhebung und Zurückverweisung.
Aus den Gründen:
I....
II. Zutreffend hat das Berufungsgericht aus dem Vortrag der Klägerin nicht entnommen, der Beklagte habe die Fälschung der Akzepte stillschweigend genehmigt oder es müsse ihm jedenfalls die Berufung auf die Fälschung seiner Unterschrift unter dem Gesichtspunkt des Verstoßes gegen Treu und Glauben versagt bleiben.
Die Klägerin hatte im einzelnen vorgetragen: Sie habe an den Beklagten über den jeweiligen Wechselerwerb ihre formularmäßigen Diskontierungsnachrichten mit der Bitte um Nachricht, »falls der Wechsel nicht in Ordnung gehe«, abgesandt. Diese Nachrichten seien auch dem Beklagten zugegangen. Der Beklagte habe erkannt, daß seine Unterschrift gefälscht sei. Ihm sei klar gewesen, daß die Klägerin ihm Gelegenheit geben wollte, etwaige Einwendungen gegen seine wechselmäßige Verpflichtung aus den Akzepten geltend zu machen. Der Beklagte habe etwa zwei Monate lang auf diese Nachrichten geschwiegen. Ihm seien auch noch am 25. April und 14. Juni 1962 Nachrichten über die Diskontierung von Wechseln mit seiner Unterschrift zugegangen, nachdem ihm Sch. bereits im April 1962 gestanden hatte, er habe Wechsel mit der Unterschrift des Beklagten gefälscht. Damals habe Sch. zugesagt, er werde die Sache in Ordnung bringen und den Namen des Beklagten nicht mehr mißbrauchen.
Bei der rechtlichen Beurteilung dieses Vorbringens ist das Berufungsgericht in Übereinstimmung mit der Rechtsprechung des erkennenden Senats (LM WG Art. 7 Nr. 1, 2 und 3) davon ausgegangen, der Namensträger, dessen Unterschrift gefälscht werde, genehmige in der Regel nicht die gefälschte Unterschrift, wenn er auf die Anzeige des Wechselinhabers vom Erwerb des Wechsels schweige. Von dieser Regel könnten Ausnahmen nur gemacht werden, wenn im Einzelfall besondere Umstände gegeben seien, aus denen im redlichen Handelsverkehr zu folgern sei, daß das Schweigen keine andere Deutung als die der Genehmigung zulasse. Ebenso müßten besondere Umstände vorliegen, wenn dem Namensträger die Berufung auf die Fälschung nach § 242 BGB versagt werden solle. Der Revision ist nicht zu folgen, wenn sie meint, solche besonderen Umstände müßten bereits daraus entnommen werden, daß der Beklagte auf weitere Diskontierungsnachrichten geschwiegen hat, nachdem er erfahren hatte, es seien Wechsel mit seinem gefälschten Namen im Umlauf und er dem Fälscher Gelegenheit gegeben hatte, die Wechsel selbst einzulösen. Der Verstoß gegen Treu und Glauben durch Berufung auf die Fälschung ist regelmäßig darin zu finden, daß sich der Namensträger mit seinem früheren Verhalten in Widerspruch setzt. Das ist z. B. oft der Fall, wenn er in gleicher Weise vom Inhaber erworbene Wechsel mit seiner gefälschten Unterschrift eingelöst hat (RGZ 145, 87). Schweigt der Namensträger auf die Nachricht von neuen Fälschungen, nachdem er den Fälscher verwarnt hatte, so reicht dies nicht aus, die Berufung auf die Fälschung als Verstoß gegen Treu und Glauben erscheinen zu lassen, mit der Folge, daß der Namensträger die gefälschte Unterschrift dem Wechselinhaber gegenüber wie eine genehmigte Unterschrift gelten lassen muß. Der Grundsatz der Wahrung von Treu und Glauben gebietet es nicht, den Namensträger in den Kreis der Wechselzeichner mit voller wechselmäßiger Haftung nur deshalb einzubeziehen, weil er den Wechselinhaber auch dann noch nicht von den Fälschungen benachrichtigt hat, als er aus den Mitteilungen entnehmen mußte, der Fälscher setze sein Treiben fort. Dem berechtigten Interesse des Wechselerwerbers, vor einem Schaden durch den Ankauf von Falschwechseln bewahrt zu bleiben, kann durch die Schadensersatzpflicht des Namensträgers bei sittenwidrigem Verhalten genügend Rechnung getragen werden.
III. Das Berufungsgericht hält auch den von der Klägerin geltend gemachten Schadensersatzanspruch aus § 826 BGB für nicht berechtigt, weil kein Anhaltspunkt bestehe, der Beklagte habe in sittenwidriger Weise durch sein Schweigen der Klägerin Schaden zufügen wollen. Insbesondere sei der Vorwurf nicht gerechtfertigt, der Beklagte habe seinen Freund Sch. decken wollen, um ihm die Vorteile der Fälschungen und Betrügereien zu sichern. Der Revision ist zuzugeben, daß damit das Vorbringen der Klägerin nicht erschöpfend und rechtlich zutreffend gewürdigt worden ist.
Ob sich der Empfänger einer Ankaufsnachricht, der die Fälschung seiner Unterschrift auf dem angegebenen Wechsel erkannt hat, sittenwidrig verhält, wenn er gegenüber dem Mitteilenden schweigt, ist auf Grund der gesamten Umstände zu entscheiden. Wer trotz Kenntnis der Fälschung weder den Wechselinhaber aufklärt, noch sich darum kümmert, daß der Fälscher die Angelegenheit regelt, verstößt regelmäßig gröblich gegen das allgemeine Anstandsgefühl. Der Sittenverstoß kann wegen naher persönlicher Beziehungen zum Fälscher entfallen (vgl. BGH LM WG Art. 7 Nr. 1). Andererseits kann ein unsittliches Verhalten besonders dadurch deutlich werden, daß mehrfach Anzeigen von Wechselankäufen desselben Erwerbers eingehen, aus denen der Namensträger auf fortlaufende Fälschungen und ihre betrügerische Ausnutzung durch denselben Fälscher schließen muß. Hier sind nach der Behauptung der Klägerin die Fälschungen sogar noch fortgesetzt worden, nachdem der Beklagte Sch. verwarnt und dieser ihm »hoch und heilig« versprochen hatte, er werde so etwas nicht wieder tun.
Die Klägerin hatte behauptet, Sch. habe noch nach der Besprechung mit ihm bei der Spar- und Darlehenskasse E. im April 1962 die Unterschrift des Beklagten gefälscht. So habe er insbesondere am 12. und 22. Mai Wechsel mit dem gefälschten Akzept des Beklagten versehen. Sie habe alsbald über jeden Wechselerwerb dem Beklagten Diskontierungsnachrichten gegeben, die ihm auch zugegangen seien. So sei insbesondere am 14. Juni 1962 Nachricht von den am 12. und 22. August 1962 fälligen Wechseln erteilt worden. Ferner sei dem Beklagten der Einschreibbrief vom 13. Juli 1962 zugegangen, aus dem zu entnehmen gewesen sei, daß die Klägerin Akzepte erworben hatte, die im August fällig waren. Das Schweigen auf die Diskontierungsnachrichten noch nach der Erkenntnis, der Fälscher setze sein Treiben fort, nachdem er zur Rede gestellt war und einwandfreies Verhalten gelobt hatte, würde in besonderem Maße anstößig sein.
Auf Grund des Vorbringens der Klägerin wäre auch zu erörtern, ob der Beklagte das Bewußtsein gehabt hat, sein Schweigen könne einen Schaden der Klägerin durch ihr Vertrauen auf die Echtheit seiner Unterschriften verursachen, und ob er eine solche Schädigung in Kauf genommen hat. Die Klägerin hatte behauptet, der Beklagte sei schon vor Ostern 1962 bei dem Rendanten der Spar- und Darlehenskasse E. mit 15 bis 20 Benachrichtungsschreiben erschienen, die Wechsel mit seiner gefälschten Unterschrift betrafen. Er habe solche Nachrichten, teils geöffnet, teils ungeöffnet, an Sch. weitergegeben oder ihm vor die Füße geworfen. Der Klägerin gegenüber habe er aber nichts unternommen, sondern Sch. gewähren lassen. Für eine Haftung aus § 826 BGB wäre nicht erforderlich, daß der Beklagte die Sittenwidrigkeit seines Schweigens erkannt und sich bewußt oder gewollt anstößig verhalten hat, was das Berufungsgericht verneint.
IV. Die Haftung aus § 826 BGB führt nicht ohne weiteres dazu, daß der Inhaber des Wechsels so zu stellen ist, als sei die Unterschrift echt. Der Namensträger hat vielmehr nach § 249 BGB den Zustand herzustellen, der bestehen würde, wenn er die Fälschung mitgeteilt hätte. Der Inhaber des Wechsels kann also nur Ersatz für den Schaden fordern, der ihm entstanden ist, weil er auf die Echtheit der Unterschrift vertraut hat. Die Klägerin hatte unter Beweisantritt behauptet, noch im Juli 1962 Zugriffsmöglichkeiten auf Vermögensgegenstände des Sch. gehabt zu haben, die ihr Deckung wegen aller erworbenen Wechsel verschafft hätten. Dieses Vorbringen ist vom Berufungsgericht, wie die Revision rügt, noch nicht geprüft worden. Auch wäre gegebenenfalls zu erörtern, ob der Klägerin daraus ein Schaden entstanden ist, daß sie infolge des Schweigens des Beklagten noch weitere Wechsel mit der angeblichen Unterschrift des Beklagten erworben und dadurch Nachteile erlitten hat.
Hiernach bedarf es für die Beurteilung der Ersatzpflicht des Beklagten nach § 826 BGB tatsächlicher Feststellungen hinsichtlich des Klagvorbringens unter Berücksichtigung der angetretenen Beweise.
V. Im Falle der Feststellung einer Ersatzpflicht des Beklagten wäre auf Grund seines Vorbringens zu erörtern, ob die Klägerin das Gebot zur Wahrung ihres eigenen Interesses verletzt und hierbei die im Verkehr erforderliche Sorgfalt vernachlässigt hat (§ 254 BGB). Bei dieser Prüfung wären die vom Berufungsgericht in anderem Zusammenhang erörterten Umstände in Betracht zu ziehen. Das Berufungsgericht führt zutreffend aus, die Klägerin habe trotz des Schweigens des Beklagten schon bald nicht mehr ohne weiteres darauf vertrauen können, die Wechsel gingen in Ordnung. Es sei auffällig gewesen, daß der als solvent bekannte Beklagte einen Wechselprotest hingenommen und auf weitere Diskontierungsnachrichten geschwiegen habe. Ein Versuch der Aufklärung, etwa durch Rückfrage, sei der Klägerin nach den örtlichen und persönlichen Verhältnissen zuzumuten gewesen. Auch die vom Berufungsgericht erörterte Art und Weise des Erwerbes der Wechsel durch die Klägerin wird unter dem Gesichtspunkt des § 254 BGB zu würdigen sein. Die Klägerin hat die Wechsel nicht als Warenwechsel im normalen Kundenverkehr, sondern von ihrem eigenen Rendanten erworben, der die Wechsel aus spekulativen Gründen »preisgünstig« (angeblich mit einem Nachlaß von 10%) angekauft hatte. Bei einem solchen fortlaufenden auffälligen Zwischenerwerb des eigenen Rendanten, dessen Kenntnis der Klägerin zuzurechnen ist, war eine besonders sorgfältige Beobachtung der Geschäftsabwicklung und gegebenenfalls weitere Nachforschung vor dem Erwerb solcher Wechsel nötig. Die erörterten Umstände können entsprechend tatrichterlicher Würdigung zu einer Minderung der etwa festgestellten Ersatzpflicht des Beklagten führen. Dem steht nicht entgegen, daß mit einer (bedingt) vorsätzlichen Schädigung durch den Beklagten nur ein fahrlässiges Verhalten der Klägerin zusammentreffen würde (vgl. RGZ 130, 1, 6).