Das klagende Bauunternehmen ist Inhaber von zwei Wechseln über
8820 DM und über 12386,88 DM. Sie sind von H.-A. ausgestellt, von
der Beklagten angenommen und lauten an die Order des Klägers. Sie
sind nach Fälligkeit der Beklagten vorgelegt, von ihr nicht eingelöst
und mangels Zahlung protestiert worden.
Die Beklagte hatte die Wechsel in blanko angenommen. Bei ihrer Annahmeerklärung
fehlten alle nicht vorgedruckten Angaben, insbesondere die Unterschrift
des Ausstellers nebst Ausstellungsdatum, die Summe, die Fälligkeit
und der Remittent. Lediglich der Stempel des Ausstellers war auf den Wechselvordrucken
angebracht. Der Aussteller hat seine Unterschrift nebst Datum sowie die
Summe und die Verfallzeit in die Wechselvordrucke eingesetzt. Er hat die
Papiere an den Kläger zum Diskont gegeben. Dieser hat sich als Remittenten
in den Wechsel über 8820 DM in einem unbekannten Zeitpunkt, in den
Wechsel über 12386,88 DM nach Zustellung des Wechselzahlungsbefehls
eingesetzt.
Der Kläger hat im Wechselprozeß klagend die Verurteilung
der Beklagten zur Zahlung von 20657,88 DM nebst Zinsen begehrt. Das Landgericht
hat der Klage durch Vorbehaltsurteil stattgegeben, das Oberlandesgericht
hat die Berufung der Beklagten zurückgewiesen. Die Revision der Beklagten
führte zur Aufhebung und Zurückverweisung.
Aus den Gründen:
I., II. ...
III. Die Beklagte hatte gegenüber ihrer Haftung aus den Akzepten
geltend gemacht, die Wechsel seien den getroffenen Vereinbarungen zuwider
ausgefüllt worden und der Kläger habe dies gewußt (Art.
10 WG). Die Ermächtigung zur Ausfüllung der Blankette sei erloschen,
als der Aussteller vor der Weitergabe an den Kläger zahlungsunfähig
wurde. Denn es habe sich um eine Gefälligkeitszeichnung gehandelt.
Der Aussteller habe für die rechtzeitige Einlösung der Wechsel
Sorge tragen müssen, sei aber dazu nicht mehr imstande gewesen und
flüchtig geworden. Das Berufungsgericht läßt dahingestellt,
ob die Ausfüllungsermächtigung hierdurch erloschen gewesen sei.
Jedenfalls habe die Beklagte im ersten Rechtszug ohne Beweisantritt lediglich
behauptet, der Kläger sei bei der vollständigen Ausfüllung
der Wechsel durch Einfügung des Remittenten bösgläubig im
Sinne des Art. 10 WG gewesen. Die erst in der Berufungsinstanz aufgestellte
Behauptung, der Kläger sei schon bei dem nach richtiger rechtlicher
Beurteilung allein maßgeblichen Erwerb des Papiers bösgläubig
gewesen, hat das Berufungsgericht gemäß § 279 Abs. 2 ZPO
als verspätet nicht zugelassen.
Dem Berufungsgericht ist darin beizutreten, daß es für den
guten Glauben des Erwerbers eines Blanketts auf den Zeitpunkt des Erwerbes
des Wechsels ankommt. Die vom Bundesgerichtshof in WM 1960,1298 offengelassene
Frage über den Zeitpunkt, in dem der gute Glaube vorliegen muß,
ist abweichend vom Reichsgericht (RGZ 129,336,338) zu entscheiden. Zwar
entsteht ein Wechselrecht erst mit der Einsetzung des letzten wesentlichen
Erfordernisses. Aber daraus folgt nicht, daß der Inhaber des Blanketts,
der es im guten Glauben an die Befugnis zur Herstellung eines Wechsels
mit bestimmtem Inhalt erhalten hat, keine entsprechende Wechselverpflichtung
mehr durch Ausfüllung begründen kann, weil er inzwischen erfahren
hat (oder grob fahrlässig nicht weiß), daß die Ermächtigung
nicht besteht oder anders lautet. Der Zeichner eines Blanketts haftet bereits
gemäß seiner im Vorwege gegebenen Wechselunterschrift nach Art.
10 WG so, als habe der Wechsel schon in diesem Zeitpunkt den späteren
Inhalt gehabt (Baumbach/Hefermehl, Wechsel- und Scheckgesetz 9. Aufl. Art.
10 WG Anm. 8). Der Erwerber ist also so zu stellen, als habe er einen Wechsel
übergeben erhalten, der bereits entsprechend den ihm gegenüber
behaupteten Abreden mit dem Zeichner ausgefüllt war. Kannte der Erwerber
in diesem Zeitpunkt nicht die Unrichtigkeit der Angaben über den Inhalt
der Abreden und glaubte er ohne grobe Fahrlässigkeit an ihre Richtigkeit,
so wird er geschützt (so bereits Staub/Stranz, Wechselgesetz 13. Aufl.
- 1934 - Art. 10 Anm. 16). Diese Auffassung entspricht auch allein dem
Bedürfnis, ein Blankett wie einen bereits vollständig ausgefüllten
Wechsel weitergeben zu können. Das Blankett wird im Verkehr unter
Vereinbarung und regelmäßig auch Leistung des Entgelts (Diskontierung)
erworben. In diesem Zeitpunkt muß der gutgläubige Erwerber im
Verkehrsinteresse geschützt werden (Jacobi, Wechsel- und Scheckrecht
S. 497; Staub/Stranz aaO). Mit Recht weist auch das Berufungsgericht darauf
hin, daß kein Grund besteht, den bei der Übergabe des Wechsels
gutgläubigen Erwerber nicht mehr zu schützen, wenn er sich mit
der Ausfüllung Zeit gelassen hat und nunmehr den wahren Inhalt der
über die Ausfüllung getroffenen Abreden erfährt. Der Zeitpunkt
der Ausfüllung ist zudem praktisch nur dem Erwerber bekannt, so daß
eine zuverlässige Feststellung hierüber regelmäßig
unmöglich ist. Das Erwerbsgeschäft ist mit der Übergabe
des Wechsels bereits vollendet. Dieser Zeitpunkt ist aus der Korrespondenz,
Einreichungsformularen, Buchungen usw. eindeutig zu entnehmen. Die spätere
Eintragung der fehlenden Bestandteile erscheint lediglich als aufgeschobener
interner Akt beim Erwerber, der für seine Schutzwürdigkeit nicht
mehr bedeutsam ist. Gegenüber allen diesen auf der Interessenabwägung
und der Rechtsanwendung beruhenden Gesichtspunkten kann die begriffliche
Folgerung aus der Entstehung des Wechsel- rechts erst bei vollständiger
Ausfüllung keine entscheidende Bedeutung beanspruchen.
IV. Das Berufungsgericht ist aber auf die Behauptung der Beklagten,
dem Kläger sei bereits bei der Wechselbegebung durch den Aussteller
bekannt gewesen, daß dieser nicht mehr berechtigt gewesen sei, die
noch in seinen Händen befindlichen Blankette mit der Unterschrift
der Beklagten zu verwerten, nicht eingegangen. Es hält das Vorbringen
nebst Beweisantritt durch Antrag auf Parteivernehmung für verspätet
(§ 529 Abs. 2 ZPO). Diese Auffassung beruht auf einem von der Revision
gerügten Verfahrensverstoß.
Das Berufungsgericht verkennt den Begriff der groben Nachlässigkeit
im Sinne des § 529 Abs. 2 ZPO. Mit Recht verweist die Revision darauf,
daß die Beklagte sich im ersten Rechtszug auf die Rechtsprechung
des Reichsgerichts zur Frage des Zeitpunktes der Bösgläubigkeit
bezogen hatte. Dieser Ansicht folgte damals vielfach die Praxis (z. B.
OLG Hamburg MDR 1965,834) und der damals neueste Kommentar zum Wechselgesetz
(Baumbach/ Hefermehl, Wechsel- und Scheckgesetz 8. Aufl. - 1965 - Art.
10 Anm. 10; erst in der 9. Auflage schloß er sich der gegenteiligen
Ansicht an). Das Urteil des Landgerichts stellte sich auf einen anderen
Standpunkt als das Reichsgericht. Daß mit der Beklagten gemäß
§ 139 ZPO erörtert worden sei, es könne auf den Zeitpunkt
des Erwerbes ankommen und hierfür sei gegebenenfalls Beweis anzutreten,
ist aus den Akten nicht ersichtlich. Die Beklagte hatte also erst nach
dem Urteil des Landgerichts Veranlassung, auch für den Zeitpunkt des
Erwerbes der Wessel die Bößgläubigkeit des Klägers
zu behaupten und unter Beweis zu stellen. Bei einer solchen Sachlage kann
keinesfalls eine grobe Nachlässigkeit der Partei angenommen werden.
V. Das Vorbringen der Beklagten enthält auch einen schlüssigen
Einwand, dem Kläger sei beim Erwerb bekannt oder infolge grober Fahrlässigkeit
unbekannt gewesen, daß die Wechsel den getroffenen Abreden zuwider
ausgefüllt worden seien (Art. 10 WG). Nach ihrer Behauptung hat sie
die Wechselunterschriften aus Gefälligkeit geleistet und ist der Aussteller
beim Erwerb der Wechsel durch den Kläger zahlungsunfähig gewesen.
Damit war die abredewidrige Ausfüllung genügend dargelegt. Das
Ausfüllungsrecht ist grundsätzlich unwiderruflich (BGH WM 1969,1232).
Die Zahlungsfähigkeit des Blankettnehmers ist im alt- gemeinen für
den Fortbestand der Ermächtigung zur Ausfüllung belanglos. Sogar
wenn er in Konkurs fällt, kann das Ausfüllungsrecht noch vom
Konkursverwalter ausgeübt werden (Baumbach/Hefermehl aaO Art. 10 Anm.
4). Hat aber der Blankettzeichner seine Unterschrift nur auf Grund einer
Gefälligkeitsabrede erteilt, so daß der Blankettnehmer zur Einlösung
im Verhältnis zum Geber verpflichtet ist, so erlischt im Zweifel die
Ermächtigung zur Ausfüllung, sobald der Blankettnehmer zahlungsunfähig
wird (§§ 133,157 BGB). Grundsätzlich ist davon auszugehen,
daß die Gefälligkeitsunterschrift in der Erwartung abgegeben
wird, der Nehmer werde seiner Einlösungspflicht gegenüber dem
Zeichner nachkommen, und vom Nehmer so verstanden wird. Die Ermächtigung
wird vom Gefälligkeitszeichner regelmäßig nur unter der
auflösenden Bedingung der Zahlungsunfähigkeit des Nehmers erteilt.
VI. Die Beklagte hatte vorgetragen, dem Kläger seien, als er die
Wechsel diskontierte, die Tatsachen bekannt gewesen, die die Abredewidrigkeit
der Ausfüllung begründeten. Einer näheren Angabe, worauf
die Kenntnis beruhe, bedurfte es nicht (BGH WM 1968,618). Die Beklagte
hatte sich auf die Parteivernehmung des gesetzlichen Vertreters des Klägers
bezogen. Damit war zugleich auch der Vermögensverfall des Ausstellers
selbst unter Beweis gestellt. Die Verpflichtung des Ausstellers, der Beklagten
jeweils bei Fälligkeit die Wechselsummen zur Einlösung zur Verfügung
zu stellen, hatte der Kläger nicht in Abrede genommen. Die Ausfüllung
konnte auch noch nach dem Verfalltag vorgenommen werden. Da die Annehmerin
in Anspruch genommen wird, also ein bei unvolltändigen Wechseln nicht
möglicher Protest nicht nötig war, konnte die Ausfüllung
auch noch während des Rechtsstreits wirksam erfolgen (RGZ 108,389,390).
Es bedarf hiernach der Beweisaufnahme über den Einwand der Beklagten
gemäß Art. 10 WG.