BGHZ 54, 1 ff: Blankowechsel, Inhalt der Ausfüllungsbefugnis, Einwendungsausschluß bei abredewidriger Ausfüllung



a) Die Vereinbarungen über die Ausfüllung eines bei der Begebung unvollständigen Wechsels, der aus Gefälligkeit gezeichnet worden ist, sind im Zweifel dahin auszulegen, daß der Wechsel nicht mehr ausgefüllt werden darf, wenn der Nehmer zahlungsunfähig wird.
 b) Der Einwand der abredewidrigen Ausfüllung des Wechselblanketts ist ausgeschlossen, wenn der Erwerber bei der Übertragung des nicht vollständig ausgefüllten Wechsels weder wußte noch infolge grober Fahrlässigkeit nicht wußte, daß die später von ihm vorgenommene Ausfüllung den mit dem Zeichner getroffenen Vereinbarungen nicht entsprach; die Kenntnis oder grob fahrlässige Unkenntnis bei der Ausfüllung schadet nicht. (Abweichung von RGZ 129,336,338) 

 Das klagende Bauunternehmen ist Inhaber von zwei Wechseln über 8820 DM und über 12386,88 DM. Sie sind von H.-A. ausgestellt, von der Beklagten angenommen und lauten an die Order des Klägers. Sie sind nach Fälligkeit der Beklagten vorgelegt, von ihr nicht eingelöst und mangels Zahlung protestiert worden.
Die Beklagte hatte die Wechsel in blanko angenommen. Bei ihrer Annahmeerklärung fehlten alle nicht vorgedruckten Angaben, insbesondere die Unterschrift des Ausstellers nebst Ausstellungsdatum, die Summe, die Fälligkeit und der Remittent. Lediglich der Stempel des Ausstellers war auf den Wechselvordrucken angebracht. Der Aussteller hat seine Unterschrift nebst Datum sowie die Summe und die Verfallzeit in die Wechselvordrucke eingesetzt. Er hat die Papiere an den Kläger zum Diskont gegeben. Dieser hat sich als Remittenten in den Wechsel über 8820 DM in einem unbekannten Zeitpunkt, in den Wechsel über 12386,88 DM nach Zustellung des Wechselzahlungsbefehls eingesetzt.
Der Kläger hat im Wechselprozeß klagend die Verurteilung der Beklagten zur Zahlung von 20657,88 DM nebst Zinsen begehrt. Das Landgericht hat der Klage durch Vorbehaltsurteil stattgegeben, das Oberlandesgericht hat die Berufung der Beklagten zurückgewiesen. Die Revision der Beklagten führte zur Aufhebung und Zurückverweisung.

Aus den Gründen:
I., II. ...
III. Die Beklagte hatte gegenüber ihrer Haftung aus den Akzepten geltend gemacht, die Wechsel seien den getroffenen Vereinbarungen zuwider ausgefüllt worden und der Kläger habe dies gewußt (Art. 10 WG). Die Ermächtigung zur Ausfüllung der Blankette sei erloschen, als der Aussteller vor der Weitergabe an den Kläger zahlungsunfähig wurde. Denn es habe sich um eine Gefälligkeitszeichnung gehandelt. Der Aussteller habe für die rechtzeitige Einlösung der Wechsel Sorge tragen müssen, sei aber dazu nicht mehr imstande gewesen und flüchtig geworden. Das Berufungsgericht läßt dahingestellt, ob die Ausfüllungsermächtigung hierdurch erloschen gewesen sei. Jedenfalls habe die Beklagte im ersten Rechtszug ohne Beweisantritt lediglich behauptet, der Kläger sei bei der vollständigen Ausfüllung der Wechsel durch Einfügung des Remittenten bösgläubig im Sinne des Art. 10 WG gewesen. Die erst in der Berufungsinstanz aufgestellte Behauptung, der Kläger sei schon bei dem nach richtiger rechtlicher Beurteilung allein maßgeblichen Erwerb des Papiers bösgläubig gewesen, hat das Berufungsgericht gemäß § 279 Abs. 2 ZPO als verspätet nicht zugelassen.
Dem Berufungsgericht ist darin beizutreten, daß es für den guten Glauben des Erwerbers eines Blanketts auf den Zeitpunkt des Erwerbes des Wechsels ankommt. Die vom Bundesgerichtshof in WM 1960,1298 offengelassene Frage über den Zeitpunkt, in dem der gute Glaube vorliegen muß, ist abweichend vom Reichsgericht (RGZ 129,336,338) zu entscheiden. Zwar entsteht ein Wechselrecht erst mit der Einsetzung des letzten wesentlichen Erfordernisses. Aber daraus folgt nicht, daß der Inhaber des Blanketts, der es im guten Glauben an die Befugnis zur Herstellung eines Wechsels mit bestimmtem Inhalt erhalten hat, keine entsprechende Wechselverpflichtung mehr durch Ausfüllung begründen kann, weil er inzwischen erfahren hat (oder grob fahrlässig nicht weiß), daß die Ermächtigung nicht besteht oder anders lautet. Der Zeichner eines Blanketts haftet bereits gemäß seiner im Vorwege gegebenen Wechselunterschrift nach Art. 10 WG so, als habe der Wechsel schon in diesem Zeitpunkt den späteren Inhalt gehabt (Baumbach/Hefermehl, Wechsel- und Scheckgesetz 9. Aufl. Art. 10 WG Anm. 8). Der Erwerber ist also so zu stellen, als habe er einen Wechsel übergeben erhalten, der bereits entsprechend den ihm gegenüber behaupteten Abreden mit dem Zeichner ausgefüllt war. Kannte der Erwerber in diesem Zeitpunkt nicht die Unrichtigkeit der Angaben über den Inhalt der Abreden und glaubte er ohne grobe Fahrlässigkeit an ihre Richtigkeit, so wird er geschützt (so bereits Staub/Stranz, Wechselgesetz 13. Aufl. - 1934 - Art. 10 Anm. 16). Diese Auffassung entspricht auch allein dem Bedürfnis, ein Blankett wie einen bereits vollständig ausgefüllten Wechsel weitergeben zu können. Das Blankett wird im Verkehr unter Vereinbarung und regelmäßig auch Leistung des Entgelts (Diskontierung) erworben. In diesem Zeitpunkt muß der gutgläubige Erwerber im Verkehrsinteresse geschützt werden (Jacobi, Wechsel- und Scheckrecht S. 497; Staub/Stranz aaO). Mit Recht weist auch das Berufungsgericht darauf hin, daß kein Grund besteht, den bei der Übergabe des Wechsels gutgläubigen Erwerber nicht mehr zu schützen, wenn er sich mit der Ausfüllung Zeit gelassen hat und nunmehr den wahren Inhalt der über die Ausfüllung getroffenen Abreden erfährt. Der Zeitpunkt der Ausfüllung ist zudem praktisch nur dem Erwerber bekannt, so daß eine zuverlässige Feststellung hierüber regelmäßig unmöglich ist. Das Erwerbsgeschäft ist mit der Übergabe des Wechsels bereits vollendet. Dieser Zeitpunkt ist aus der Korrespondenz, Einreichungsformularen, Buchungen usw. eindeutig zu entnehmen. Die spätere Eintragung der fehlenden Bestandteile erscheint lediglich als aufgeschobener interner Akt beim Erwerber, der für seine Schutzwürdigkeit nicht mehr bedeutsam ist. Gegenüber allen diesen auf der Interessenabwägung und der Rechtsanwendung beruhenden Gesichtspunkten kann die begriffliche Folgerung aus der Entstehung des Wechsel- rechts erst bei vollständiger Ausfüllung keine entscheidende Bedeutung beanspruchen.
IV. Das Berufungsgericht ist aber auf die Behauptung der Beklagten, dem Kläger sei bereits bei der Wechselbegebung durch den Aussteller bekannt gewesen, daß dieser nicht mehr berechtigt gewesen sei, die noch in seinen Händen befindlichen Blankette mit der Unterschrift der Beklagten zu verwerten, nicht eingegangen. Es hält das Vorbringen nebst Beweisantritt durch Antrag auf Parteivernehmung für verspätet (§ 529 Abs. 2 ZPO). Diese Auffassung beruht auf einem von der Revision gerügten Verfahrensverstoß.
Das Berufungsgericht verkennt den Begriff der groben Nachlässigkeit im Sinne des § 529 Abs. 2 ZPO. Mit Recht verweist die Revision darauf, daß die Beklagte sich im ersten Rechtszug auf die Rechtsprechung des Reichsgerichts zur Frage des Zeitpunktes der Bösgläubigkeit bezogen hatte. Dieser Ansicht folgte damals vielfach die Praxis (z. B. OLG Hamburg MDR 1965,834) und der damals neueste Kommentar zum Wechselgesetz (Baumbach/ Hefermehl, Wechsel- und Scheckgesetz 8. Aufl. - 1965 - Art. 10 Anm. 10; erst in der 9. Auflage schloß er sich der gegenteiligen Ansicht an). Das Urteil des Landgerichts stellte sich auf einen anderen Standpunkt als das Reichsgericht. Daß mit der Beklagten gemäß § 139 ZPO erörtert worden sei, es könne auf den Zeitpunkt des Erwerbes ankommen und hierfür sei gegebenenfalls Beweis anzutreten, ist aus den Akten nicht ersichtlich. Die Beklagte hatte also erst nach dem Urteil des Landgerichts Veranlassung, auch für den Zeitpunkt des Erwerbes der Wessel die Bößgläubigkeit des Klägers zu behaupten und unter Beweis zu stellen. Bei einer solchen Sachlage kann keinesfalls eine grobe Nachlässigkeit der Partei angenommen werden.
V. Das Vorbringen der Beklagten enthält auch einen schlüssigen Einwand, dem Kläger sei beim Erwerb bekannt oder infolge grober Fahrlässigkeit unbekannt gewesen, daß die Wechsel den getroffenen Abreden zuwider ausgefüllt worden seien (Art. 10 WG). Nach ihrer Behauptung hat sie die Wechselunterschriften aus Gefälligkeit geleistet und ist der Aussteller beim Erwerb der Wechsel durch den Kläger zahlungsunfähig gewesen. Damit war die abredewidrige Ausfüllung genügend dargelegt. Das Ausfüllungsrecht ist grundsätzlich unwiderruflich (BGH WM 1969,1232). Die Zahlungsfähigkeit des Blankettnehmers ist im alt- gemeinen für den Fortbestand der Ermächtigung zur Ausfüllung belanglos. Sogar wenn er in Konkurs fällt, kann das Ausfüllungsrecht noch vom Konkursverwalter ausgeübt werden (Baumbach/Hefermehl aaO Art. 10 Anm. 4). Hat aber der Blankettzeichner seine Unterschrift nur auf Grund einer Gefälligkeitsabrede erteilt, so daß der Blankettnehmer zur Einlösung im Verhältnis zum Geber verpflichtet ist, so erlischt im Zweifel die Ermächtigung zur Ausfüllung, sobald der Blankettnehmer zahlungsunfähig wird (§§ 133,157 BGB). Grundsätzlich ist davon auszugehen, daß die Gefälligkeitsunterschrift in der Erwartung abgegeben wird, der Nehmer werde seiner Einlösungspflicht gegenüber dem Zeichner nachkommen, und vom Nehmer so verstanden wird. Die Ermächtigung wird vom Gefälligkeitszeichner regelmäßig nur unter der auflösenden Bedingung der Zahlungsunfähigkeit des Nehmers erteilt.
VI. Die Beklagte hatte vorgetragen, dem Kläger seien, als er die Wechsel diskontierte, die Tatsachen bekannt gewesen, die die Abredewidrigkeit der Ausfüllung begründeten. Einer näheren Angabe, worauf die Kenntnis beruhe, bedurfte es nicht (BGH WM 1968,618). Die Beklagte hatte sich auf die Parteivernehmung des gesetzlichen Vertreters des Klägers bezogen. Damit war zugleich auch der Vermögensverfall des Ausstellers selbst unter Beweis gestellt. Die Verpflichtung des Ausstellers, der Beklagten jeweils bei Fälligkeit die Wechselsummen zur Einlösung zur Verfügung zu stellen, hatte der Kläger nicht in Abrede genommen. Die Ausfüllung konnte auch noch nach dem Verfalltag vorgenommen werden. Da die Annehmerin in Anspruch genommen wird, also ein bei unvolltändigen Wechseln nicht möglicher Protest nicht nötig war, konnte die Ausfüllung auch noch während des Rechtsstreits wirksam erfolgen (RGZ 108,389,390).
Es bedarf hiernach der Beweisaufnahme über den Einwand der Beklagten gemäß Art. 10 WG.