BGHZ 55, 176 ff
Zum Anspruch gegen den Veräußerer nach Genehmigung der Verfügung (§ 816 I 1 BGB) vgl. BGHZ 56, 131
Wer eine gestohlene Sache gutgläubig kauft
und sie so verarbeitet, daß er gemäß § 950 BGB Eigentümer
der neuen Sache wird, schuldet dem Eigentümer der gestohlenen Sache
eine Vergütung in Geld gemäß § 951 Abs. 1 Satz 1,
ohne den an den Dieb gezahlten Kaufpreis anrechnen zu dürfen.
Ein Dieb stahl dem klagenden Landwirt 2 Jungbullen und verkaufte sie für 1701 DM an den gutgläubigen Beklagten. Dieser verwertete die Tiere in seiner Fleischwarenfabrik. Die Vorinstanzen haben den Beklagten antragsgemäß verurteilt, an den Kläger 1701 DM Wertersatz zu zahlen. Mit der zugelassenen Revision erstrebt der Beklagte Klageabweisung. Der Kläger beantragt, die Revision zurückzuweisen.
Aus den Gründen:
1. Der Beklagte konnte nach § 935 Abs. 1 BGB
vom Dieb kein Eigentum erwerben. Der Kläger blieb deshalb Eigentümer
der Tiere, als sie in den Besitz des Beklagten überwechselten. Dieser
wurde gemäß § 950 BGB erst Eigentümer, als er nach
Schlachtung der Tiere das Fleisch in seinem Betrieb verarbeiten ließ.
Hierüber besteht zwischen den Parteien kein Streit.
Der Kläger hat mithin das Eigentum an den
Tieren »infolge der Vorschrift« des § 950 BGB eingebüßt.
Nach § 951 Abs. 1 Satz 1 BGB kann er deshalb »Vergütung
in Geld nach den Vorschriften über die Herausgabe einer ungerechtfertigten
Bereicherung verlangen«. Die Verweisung auf die Bereicherungsvorschriften
in dieser Bestimmung gilt nach feststehender Rechtsprechung (BGHZ 17,236;
35,356,359 f; 40,272,276) nicht nur für den Umfang, sondern auch für
den Grund des Anspruchs (Rechtsgrundverweisung). Der Kläger hat deshalb
einen Anspruch aus dieser Bestimmung gegen den Beklagten nur, wenn auch
die allgemeinen Voraussetzungen eines Bereicherungsanspruchs vorliegen,
insbesondere also der Beklagte das Eigentum an dem Fleisch im Verhältnis
zum Kläger ohne rechtfertigenden Grund erlangt hat. Das ist zu bejahen.
2. Ein Grund, der es rechtfertigen könnte,
daß der Beklagte das auf Grund des § 950 BGB erworbene Eigentum
behalten dürfte, ohne einen Ausgleich an den Kläger zu zahlen
(rechtfertigender Grund), kann insbesondere nicht in dem Vertrag mit dem
Dieb gefunden werden. Die §§ 932 ff BGB regeln abschließend
den Interessenkonflikt, der entsteht, wenn ein Nichtberechtigter im eigenen
Namen eine fremde Sache an einen Dritten veräußert, und zwar
zugunsten des Dritten für den Fall, daß die Sache dem Eigentümer
nicht abhanden gekommen und der Dritte nicht bösgläubig ist.
In diesem Fall wird der Dritte gemäß §§ 932 ff BGB
Eigentümer und er darf das Eigentum behalten, ohne dem früheren
Eigentümer ausgleichungspflichtig zu sein. Der Vertrag des Nichtberechtigten
mit dem Dritten ist in diesem Fall der die Vermögensverschiebung rechtfertigende
Grund. In allen anderen Fällen aber, so auch in dem hier gegebenen,
daß die Sache dem Eigentümer abhanden gekommen ist, löst
das Gesetz den Interessenkonflikt zugunsten des Eigentümers. Er behält
das Eigentum und damit den Anspruch auf Herausgabe aus § 985 BGB gegen
den Dritten als Besitzer. Wird dieser später infolge der Vorschriften
der §§ 946 bis 948,950 BGB Eigentümer, so wird dieser Eigentumserwerb
nicht durch das Veräußerungsgeschäft, das der Nichtberechtigte
mit dem Dritten geschlossen hat, gerechtfertigt. Der Eigentumserwerb des
Dritten beruht nicht auf diesem Veräußerungsgeschäft, dem
im Gegenteil § 935 BGB jede Rechtswirksamkeit abspricht, sondern allein
auf den §§ 946 ff BGB. Diese Bestimmungen geben aber für
sich allein keinen rechtfertigenden Grund für die Vermögensverschiebung
ab, wie aus § 951 Abs. 1 Satz 1 BGB zu entnehmen ist.
3. Ein Anspruch aus § 951 Abs. 1 Satz 1 BGB
wird nicht durch die Sonderregelung der §§ 987-993 BGB (vgl.
§ 993 Abs. 1 Halbsatz 2 BGB) ausgeschlossen. Zwar war bis zur Verarbeitung
durch den Beklagten der Kläger Eigentümer und der Beklagte (nichtberechtigter)
Besitzer der Tiere. Die Verarbeitung durch den Beklagten hatte zur Folge,
daß dieser die Tiere nicht mehr herausgeben konnte. Hierfür
würde der Beklagte dem Kläger auf Schadensersatz nur unter den
Voraussetzungen der §§ 989,990 BGB (Rechtshängigkeit, Bösgläubigkeit)
haften (§ 993 Abs. 1 Halbsatz 2 BGB), die hier unstreitig nicht gegeben
sind. Das steht jedoch einem Anspruch aus § 951 Abs. 1 Satz 1 BGB
nicht entgegen, der kein Schadensersatzanspruch, sondern ein Bereicherungsanspruch
ist.
Der Bundesgerichtshof hat für andere Bereicherungsansprüche
wiederholt ausgesprochen, daß sie durch die Sonderregelung der §§
987-993 BGB nicht ausgeschlossen werden. In BGHZ 14,7 ff ist dem früheren
Eigentümer ein Bereicherungsanspruch in einem Fall zuerkannt worden,
in dem der gutgläubige Besitzer die fremde Sache (Treibstoff) für
sich verbraucht und dadurch Aufwendungen erspart hatte. Ein Bereicherungsanspruch
wird ferner nach ständiger Rechtsprechung dem früheren Eigentümer
auch in dem Fall zugebilligt, daß der Besitzer eine fremde Sache
veräußert und sich auf diese Weise ihren Wert zuführt.
Nach § 816 Abs. 1 Satz 1 BGB hat er dann das durch die Veräußerung
Erlangte herauszugeben (BGH IV ZR 44/52 vom 20. Oktober 1952 = NJW 1953,58
= BB 1952,902). Das gilt auch bei der Veräußerung einer dem
Eigentümer abhanden gekommenen Sache, wenn dieser die Veräußerung,
insbesondere durch Erhebung des Anspruchs aus § 816 Abs. 1 Satz 1
BGB, gegenüber dem Veräußerer genehmigt. In all diesen
Fällen wird der Bereicherungsanspruch des früheren Eigentümers
gegenüber dem früheren Besitzer durch die §§ 987-993
BGB nicht ausgeschlossen. Der gemeinsame Grund dafür ist, daß
der gutgläubige Besitzer durch die Regelung der §§ 987-993
BGB zwar - in gewissen Grenzen - von als unbillig angesehenen Schadensersatzansprüchen
des Eigentümers freigestellt werden soll, nicht aber soll er den Wert
der Sache behalten dürfen, soweit er sich ihn durch einen objektiv
unberechtigten Eingriff in das Eigentum verschafft hat. Insoweit sind aber
alle Fälle der Eingriffskondition gleich zu behandeln. Das gilt insbesondere
auch für den hier zu entscheidenden Fall, daß der Besitzer eine
dem Eigentümer abhanden gekommene Sache gemäß § 950
BGB verarbeitet und auf diese Weise dem Eigentümer das Eigentum entzogen
hat. Auch der dann gegebene Bereicherungsanspruch aus § 951 Abs. 1
Satz 1 BGB wird durch die Sonderregelung der §§ 987-993 BGB nicht
berührt 1).
4. Auch für den Umfang dieses Bereicherungsanspruchs
gilt das gleiche wie für Bereicherungsansprüche bei unberechtigtem
Verbrauch oder unberechtigter Veräußerung durch den Besitzer.
In diesen Fällen kann nach gefestigter Rechtsprechung (BGHZ 9,333;
14,7; NJW 1970,2059) der aus § 812 oder § 816 BGB in Anspruch
genommene frühere Besitzer die für den Erwerb der Sache einem
Dritten erbrachte Leistung nicht gemäß § 818 BGB in Ansatz
bringen. Denn der Bereicherungsanspruch ist an die Stelle des Herausgabeanspruchs
nach § 985 BGB getreten. Diesem gegenüber könnte der Besitzer
sich nicht auf die einem Dritten erbrachte Leistung berufen. Deshalb kann
er es auch nicht gegenüber dem Bereicherungsanspruch
1) Ebenso das Schrifttum: Baur, Sachenrecht 6.
Aufl. § 11 B II 2; v. Caemmerer, Festschrift für Rabel I S. 385
und JR 1959,463; Erman/Hefermehl 4. Aufl. vor §§ 987-993 Anm.
17; Soergel/Mühl 10. Aufl. § 818 Nr. 44; Westermann, Sachenrecht
5. Aufl. § 31 lV 3 a. (BGHZ 47,128,130 f). Er ist vielmehr darauf
angewiesen, seine Leistung von dem, dem er sie erbracht hat, zurückzufordern.
Dasselbe gilt für den Fall des § 951 Abs. 1 Satz 1 BGB (so schon:
RG 106,4,6). Der Beklagte kann deshalb die von ihm an den Dieb gezahlten
1 701 DM nur von diesem zurückfordern. Gegenüber dem Bereicherungsanspruch
des Klägers begründet diese Zahlung keinen Einwand aus §
818 BGB.