BGHZ 56, 264: Aufklärungspflicht beim Diskont von Finanzwechseln
Die Klägerin ist Inhaberin eines von der Beklagten ausgestellten
und indossierten, von der Firma Sch. in L. angenommenen Wechsels über
33 400 DM, fällig am 20. April 1966. Sie nimmt die Beklagte im Rückgriff
in Anspruch, nachdem der Wechsel von der inzwischen in Konkurs geratenen
Akzeptantin bei Fälligkeit nicht eingelöst worden ist. Im Wechselprozeß
klagend hat sie ein Vorbehaltsurteil gegen die Beklagte erwirkt.
Der Klagewechsel ist ein Prolongationswechsel. Er ist an die Stelle
eines nach Behauptung der Beklagten von der Sch. mißbrauchten Wechselblanketts
der Beklagten getreten. Dieser Wechsel ist von der Sch. mit ihrem Akzept
und Indossement versehen bei der Klägerin zur Diskontierung eingereicht
worden. Die Beklagte war Lieferantin der Sch. Sie lieferte ihre Erzeugnisse
entweder gegen Barzahlung mit 3% Skonto oder mit einem Zahlungsziel von
120 Tagen gegen Wechsel.
Im Nachverfahren hat die Klägerin beantragt, das Wechselurteil
für vorbehaltlos zu erklären. Die Beklagte hat seine Aufhebung
und die Abweisung der Klage beantragt.
Beide Vorinstanzen haben das Wechselvorbehaltsurteil für vorbehaltlos
erklärt. Die Revision der Beklagten blieb erfolglos.
Aus den Gründen:
Der Erstwechsel, der dem hier eingeklagten Prolongationswechsel zugrunde
lag, ist der Klägerin zur Diskontierung von der Akzeptantin eingereicht
worden, und zwar im Rahmen der Diskontierung von Wechseln, die jedenfalls
nach der Vorstellung der Klägerin im Hinblick auf Warenlieferungen
der Beklagten (Ausstellerin) an die Akzeptantin ausgestellt waren. Zu dieser
Diskontierung, nicht wie üblich durch die Lieferantin, sondern durch
die Abnehmerin, ist es hier gekommen, weil diese den Skonto von 3% wenigstens
teilweise verdienen wollte und für die Beschaffung der Mittel den
ihr von der Klägerin eingeräumten Wechseldiskontkredit verwenden
konnte.
Die Revision ist der Auffassung, daß ein für die Diskontierung
vom Akzeptanten hergestellter, sog. umgedrehter Wechsel allgemein einer
Wechselreiterei (vgl. BGH WM 1969,334) oder einem Akzeptaustausch (BGHZ
27,172; ferner BGH LM BGB § 138 (Ca) Nr. 3) gleichzubehandeln und
nach § 138 Abs. 1 BGB nichtig sei. Die Klägerin hätte dann
in Kenntnis der die Sittenwidrigkeit begründenden Umstände an
diesem Geschäft teilgenommen. Auch der mit ihr geschlossene Begebungsvertrag
wäre nichtig. Ein Schutz der Klägerin unter dem Gesichtspunkt
des von der Ausstellerin veranlaßten Rechtsscheins käme nicht
in Betracht. Der Revision ist aber nicht zu folgen.
Die Diskontierung -von Wechseln, die vom Akzeptanten eingereicht werden,
kann weder im allgemeinen noch unter den hier vorliegenden Umständen
als gemeinschaftsschädigender Mißbrauch der Einrichtung des
Wechsels oder ein gegen die Ordnung des Bankverkehrs verstoßendes
Verhalten betrachtet werden, das dem allgemeinen Anstandsgefühl widerspricht
und mit der Wechselreiterei und dem Akzepttausch auf eine Stufe zu stellen
ist. Die für diese Praktiken für maßgeblich erachteten
Gesichtspunkte (vgl. BGHZ 27,272 f) treffen hier nicht zu.
Soweit währungspolitische Bedenken (ungesunde Geldschöpfung)
gegen den Diskont vom Akzeptanten vorgebracht worden
sind, können sie zur Begründung eines sittenwidrigen Verhaltens
schon deshalb nicht herangezogen werden, weil die Deutsche Bundesbank weder
in der von ihr eingeholten Auskunft noch sonst grundsätzliche Bedenken
gegen den Diskont vorn Akzeptanten im Zusammenhang mit Waren- und Dienstleistungsgeschäften
geäußert hat. Nach den zwischen der Ausstellerin und der Akzeptantin
getroffenen Vereinbarungen waren die Wechsel, zu denen der Klagwechsel
gehört, dazu bestimmt, jeweils nach bestimmten Warenlieferungen zum
Diskont durch die Akzeptantin verwendet zu werden. Es ist nicht etwa beabsichtigt
gewesen, der Diskontbank Warengeschäfte vorzutäuschen wie dies
bei der Wechselreiterei der Fall ist. Das Geschäft kann auch nicht
seiner ganzen Anlage nach deshalb als sittenwidrig betrachtet werden, weil
es auf eine unverhältnismäßig große Gefährdung
der Beteiligten hinausliefe, die wegen der zu erwartenden Schädigungen
zahlungsschwacher Zeichner einen Mißbrauch des Wechsels darstellen
würde, wie er sich beim organisierten Akzeptaustausch ergibt.
Die Diskontbank ist, wenn sie den Wechsel vom Akzeptanten hineinnimmt,
darüber unterrichtet, daß sie keine Rechte aus dem zugrundeliegenden
Geschäft gemäß Nr. 44 AGB der Banken erwerben kann. Allerdings
besteht die Gefahr, daß der Zusammenhang solcher Wechsel mit einem
Warengeschäft völlig gelöst wird, z. B. weil der Wechsel
in blanko mit offener Verfallzeit oder vordatiert oder nach Zahlung des
Kaufpreises ausgestellt wird. Er würde dann als sog. Finanzwechsel
zu betrachten sein, der nicht ohne weiteres zur Diskontierung verwendet
werden kann. Jedoch nötigt diese Möglichkeit des Mißbrauchs
der Diskontierung vom Akzeptanten nicht dazu, das Geschäft allgemein
als auf Täuschung angelegt und daher sittenwidrig zu betrachten. Sofern
der Wechsel nur bei Gelegenheit eines Warengeschäfts zur Kreditbeschaffung
für beliebige Zwecke des Kunden ausgestellt wird, wäre eine Aufklärungspflicht
des Einreichers gegenüber der Bank anzunehmen, wie es sich mit dem
Grundgeschäft verhält. Bei Verletzung dieser Pflicht kann die
Bank den Diskontbetrag zurückbelasten und den Kredit kündigen.
Den Kreditinstituten ist die Abwicklung von Geschäften mit Hilfe umgedrehter
Wechsel bekannt, die ersichtlich vom Akzeptanten eingereicht und von ihm
indossiert werden. Sie können sich über den Zusammenhang des
Wechsels mit einem Güteraustausch vergewissern, indem sie entsprechende
Nachweise vom Einreicher verlangen (vgl. auch für den Rediskont Abschn.
V Nr. 4 der Allgemeinen Geschäftsbedingungen der Deutschen Bundesbank;
für die Zulässigkeit des Rediskonts vom Akzeptanten hereingenommener
Wechsel vgl. Spindler/Becker/ Starke, Die Deutsche Bundesbank 3. Aufl.
1969, Anm. B I 2c zu § 19 BundesbankG). Ob es üblich ist, daß
sich die Banken beim Diskont vom Akzeptanten das Grundgeschäft nachweisen
lassen, was die Deutsche Bundesbank, der Bundesverband des privaten Bankgewerbes
und das Bundesaufsichtsamt für das Kreditwesen nicht festzustellen
vermocht haben, ist für die Frage der Sittenwidrigkeit ohne Belang.
Diese Maßnahmen würden dem Schutz der Bank vor Täuschungen
dienen. Ihre Unterlassung könnte nicht den Aussteller entlasten, der
den Wechsel dem Akzeptanten zur Diskontierung gegeben hat. Die Angriffe
gegen die erteilten Auskünfte können daher auf sich beruhen.
Auch der Aussteller wird durch das Diskontgeschäft mit umgedrehten
Wechseln nicht zwangsläufig derart ungewöhnlich gefährdet,
daß in Anwendung der Grundsätze über den Akzeptaustausch
das Geschäft seiner Natur nach als verwerflich und gegen die guten
Sitten verstoßend zu betrachten wäre.
Zwar drohen dem Aussteller bei Nichteinlösung des Wechsels durch
den Akzeptanten gegebenenfalls Nachteile durch das Er- löschen seiner
Sicherungsrechte z. B. auf Grund eines Eigentumsvorbehalts, weil die Kaufpreisforderung
befriedigt ist, aber das Wechselobligo fortbesteht (vgl. Matzel, NJW 1968,1867;
Kelz, Bankbetrieb 1964,261). Auch wird er häufig nur unter wirtschaftlichem
Druck dem Wunsch des Käufers entsprechen, diesem die Wechsel zum Diskont
bei seiner Bank zu überlassen. Es kann aber keine Rede davon sein,
daß das Geschäft auf eine Ausbeutung seiner schwächeren
Lage hinausläuft. Der Aussteller, der die Bonität des Akzeptanten
prüfen kann, geht die Wechselverpflichtung in Kenntnis seiner Rückgriffshaftung
ein, um den Vorteil schnellerer Bezahlung des Kaufpreises zu erlangen und
dem Käufer bei der Ausnutzung des diesem gewährten Wechseldiskontkredits
behilflich zu sein. Ihm bleibt es überlassen, zu entscheiden, ob er
dafür das Risiko seiner wechselmäßigen Haftung gegenüber
der Diskontbank übernehmen will. Der Aussteller kann auch nicht davon
ausgehen, daß die Diskontbank nur Wechsel von unzweifelhaft zahlungsfähigen
Akzeptanten entgegennimmt. Er wird nicht etwa durch eine Bankübung
zu der Annahme verleitet, daß er praktisch nicht damit zu rechnen
brauche, auf Grund seiner Unterschrift in Anspruch genommen zu werden,.
Die Diskontbank prüft im eigenen Interesse die Zahlungsfähigkeit
des einreichenden Akzeptanten und macht in keiner Weise erkennbar, daß
sie auf eine Mithaftung des Ausstellers keinen Wert lege. Der Revision
ist also nicht zu folgen, wenn sie ausführt, der Diskontbank werde
vom Aussteller eine Gefälligkeit erwiesen, um ihr die Möglichkeit
der Rediskontierung mit der nötigen Zahl der Unterschriften zu verschaffen,
so daß auch ihr gegenüber der Gefälligkeitseinwand durchgreifen
müsse.
Nach alledem kann nicht angenommen werden, daß die Geldbeschaffung
durch Ausstellung und Diskontierung sog. umgedrehter Wechsel von vornherein
die dringende Gefahr einer Täuschung und Schädigung der Beteiligten
in sich birgt und daher von der Allgemeinheit als eines anständigen
Kaufmanns unwürdig, mithin als Mißbrauch der Einrichtung des
Wechsels, anzusehen ist. Im Schrifttum sind zwar unter verschiedenen Gesichtspunkten,
insbesondere kreditpolitischer Art, Bedenken geäußert worden,
ob die Diskontierung vom Akzeptanten erwünscht sei oder ob sie bekämpft
werden müsse (vgl. z. B. Kelz, Bankbetrieb 1964,259; Haver, Rechts-
und Wirtschaftspraxis Abt. 5 D S. 19); eine Sittenwidrigkeit ist aber nur
vereinzelt angenommen worden (Hucko, Betrieb 1969,1135 für die WechseI-Scheck-Deckung;
vgl. dazu Heerdt und Vanghel, Betrieb 1969,1592 über Anschauungen
der Praxis).