Gutgläubiger Ersterwerb einer Vormerkung vom Scheinerben 

BGH, Urteil v. 10. Dezember 1971 - V ZR 90/69 


Amtlicher Leitsatz

Hat jemand, der in einem Erbschein zu Unrecht als Erbe bezeichnet ist, eine Auflassungsvormerkung bewilligt, so kann diese gutgläubig mit der Folge erworben werden, daß der gute Glaube auch für den späteren Erwerb des dinglichen Rechts maßgebend ist. 


Fundstellen:

BGHZ 57 , 341
NJW 1972, 434
M § 2366 BGB Nr. 2
MDR 1972, 311
DB 1972, 280
WM 1972, 190
FamRZ 1972, 130


Zum Sachverhalt:

Im Grundbuch von Z. war die Kaufmannswitwe M. H. als Eigentümerin eines Grundstücks eingetragen. Die Eigentümerin ist am 22. März 1945 verstorben und nach dem Erbschein vom 26. April 1948 kraft Gesetzes von 28 Erben beerbt worden, zu denen auch die Beklagten gehörten. In notarieller Urkunde vom 27. Januar 1958 verkauften die Erben von dem Grundstück eine Teilfläche an den Kläger. In der notariellen Urkunde heißt es u. a., daß die Verkäufer nicht für Sachmängel, wohl aber für Rechtsmängel hafteten. Weiter wurde in der Urkunde für den Kläger die Eintragung einer Auflassungsvormerkung bewilligt und beantragt. Diese wurde am 7. März 1958 im Grundbuch eingetragen. Anläßlich einer allgemeinen Überprüfung der in amtlicher Verwahrung befindlichen Testamente wurde im Juli 1960 ein Testament der Erblasserin M. H. vom 29. November 1927 entdeckt, in dem sie die Stadt N. als Erbin eingesetzt hatte. Daraufhin hat das Amtsgericht mit Beschluß vom 12. August 1960 den Erbschein vom 26. April 1948 als unrichtig eingezogen. Dies hat die Stadt N. dem Kläger mit Schreiben vom 16. September 1960 mitgeteilt. Am 11. Oktober 1960 ist der Kläger als Eigentümer im Grundbuch eingetragen worden. Hiergegen wurde auf Grund einer von der Stadt N. erwirkten einstweiligen Verfügung am 24. März 1961 ein Widerspruch im Grundbuch eingetragen. Der Kläger nimmt die Beklagten als Gesamtschuldner auf Schadensersatz wegen Nichterfüllung in Anspruch, weil sie ihm das Grundstück nicht frei von Rechten Dritter verschafft hätten. Die Klage blieb in allen Instanzen ohne Erfolg.

Aus den Gründen:

Die Entscheidung des Rechtsstreits hängt zunächst davon ab, ob der Kläger die am 7. März 1958, und damit vor dem Schreiben der Stadt N. an den Kläger vom 16. September 1960, im Grundbuch eingetragene Auflassungsvormerkung gutgläubig erworben hat. Dieser gutgläubige Erwerb konnte, wie das Berufungsgericht zutreffend ausführt, zwar nicht nach §§ 892,893 BGB, weil die Beklagten nicht als Buchberechtigte im Grundbuch eingetragen waren, wohl aber nach §§ 2366,2367 BGB eintreten. Auszugehen ist dabei von der Vorschrift des § 2367 BGB, wonach die Vorschriften des § 2366 BGB entsprechend anwendbar sind, wenn zwischen dem in einem Erbschein bezeichneten Erben und einem anderen hinsichtlich eines zur Erbschaft gehörenden Rechts ein nicht unter § 2366 BGB fallendes Rechtsgeschäft vorgenommen wird, das eine Verfügung über das Recht enthält. Bei der Prüfung der Frage, ob die Bewilligung einer Vormerkung als eine Verfügung über ein zu einer Erbschaft gehörendes Recht in diesem Sinne anzusehen ist, kann unbedenklich von den Grundsätzen ausgegangen werden, die zu dem Wesen der Vormerkung und zu der insoweit gleichlautenden Vorschrift des § 893 BGB, der die des § 2367 BGB nachgebildet ist, entwickelt worden sind. Hiernach ist die Vormerkung zwar kein dingliches Recht am Grundstück, aber als besonders geartetes Sicherungsmittel geeignet, dem geschützten Anspruch in gewissem Rahmen dingliche Wirkung zu verleihen. Daraus wird entnommen, daß die Vormerkung eine dingliche Gebundenheit des von ihr betroffenen Grundstücks oder Grundstücksteils bewirkt und deshalb die Bewilligung einer Vormerkung, wenn die Eintragung erfolgt, als eine Verfügung im Sinne des § 893 BGB anzusehen ist mit der Folge, daß wegen der in dieser Vorschrift vorgesehenen entsprechenden Anwendung des § 892 BGB dem Vormerkungsberechtigten der Schutz des guten Glaubens zwar nicht für den Bestand eines schuldrechtlichen Anspruchs, wohl aber für die dingliche Gebundenheit des von der Vormerkung betroffenen Grundstücks oder Grundstücksteils zukommt (Beschluß des Senats vom 21. Juni 1957 V ZB 6/57 BGHZ 25,16,23 und Urteil des Senats vom 1. Oktober 1958 V ZR 26/57 BGHZ 28,182,185/186 unter Bezugnahme auf RGZ 118,230,234 und 121,44,46; ebenso im Ergebnis Staudinger BGB 11. Aufl. § 883 Anm. 56; vgl. auch Palandt BGB 30. Aufl. § 883 Anm. 2 mit weiteren Nachweisen). Die Übertragung dieser Grundsätze auf den Fall eines falschen Erbscheins, wie er hier vorliegt, ergibt daher, daß die Verfügungen der nicht im Grundbuch eingetragenen Scheinerben von dem Schutz der §§ 2366,2367 erfaßt werden (Staudinger aaO § 2366 Anm. 21). Da dem Kläger nach den Feststellungen des Berufungsgerichts im Zeitpunkt der Eintragung der Auflassungsvormerkung (7. März 1958) und damit erst recht in dem für den guten Glauben des Vormerkungsberechtigten maßgebenden Zeitpunkt der Stellung des Antrags auf Eintragung der Vormerkung (Urteil des Senats vom 1. Oktober 1958 V ZR 26/57 BGHZ 28,182) die Unrichtigkeit des Erbscheins vom 26. April 1958 nicht bekannt war, hat er somit die Auflassungsvormerkung gutgläubig und damit wirksam erworben. Dies hat zur Folge, daß der gute Glaube des Klägers auch maßgebend geblieben ist für den späteren Erwerb des dinglichen Rechts, auf dessen Herbeiführung der schuldrechtliche Anspruch gerichtet war. Es ist deshalb, wie dem Berufungsgericht weiter zu folgen ist, ohne Bedeutung, daß der Kläger im Zeitpunkt seiner Eintragung als Eigentümer (11. Oktober 1960) die Unrichtigkeit des Erbscheins kannte und daß am 24. März 1961 gegen seine Eintragung als Eigentümer ein Widerspruch eingetragen wurde (vgl. Palandt aaO § 883 Anm. 2; dort und in RGZ 121,44,47 sowie bei Staudinger aaO § 883 Anm. 56 Abs. 2 ist sogar die Eintragung eines Widerspruchs als unerheblich bezeichnet, wenn sie vor der Durchführung des gesicherten Anspruchs erfolgt ist). Da die Wirkung des Gutglaubensschutzes des Erbscheins sich nur auf Verfügungen, nicht aber auch auf schuldrechtliche Ansprüche bezieht, können die §§ 2366,2367 BGB den gutgläubigen Erwerb des durch die Vormerkung gesicherten schuldrechtlichen Anspruchs nicht ermöglichen. Die zugunsten des Klägers eingetragene Auflassungsvormerkung wäre daher unwirksam, wenn der durch sie gesicherte Anspruch nicht bestünde (Palandt aaO § 886 Anm. 1 a). Hier ist aber ein wirksamer Anspruch auf Übertragung des Eigentums an der von den Scheinerben verkauften Teilfläche deshalb entstanden, weil nach § 4 GrundstückspreiseVO der beurkundete Kaufpreis von 16 000 DM als vereinbart gilt, so daß ein wirksamer Kaufvertrag mit diesem Kaufpreis zustande gekommen ist. ... 


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