Anforderungen an den gutgläubigen einredefreien Erwerb einer Sicherungsgrundschuld - Kenntnis des Sicherungscharakters alleine begründet keine Bösgläubigkeit
BGH, Urt. v. 21.4.1972, V ZR 52/70 (Karlsruhe)
Fundstelle:

BGHZ 59, 1 ff


Amtl. Leitsatz:

Der Grundstückseigentümer kann gegen die Inanspruchnahme durch den Zessionar einer Grundschuld den Rückübertragungsanspruch als Einrede nur dann geltend machen, wenn der Zessionar den Sicherungscharakter der Grundschuld und die Nichtvalutierung der Grundschuld kannte.


Sachverhalt:

Der Kläger erhielt von der Finanzierungs- und Kredit-GmbH in H. (FKG) einen Kredit über 60 000 DM, zu dessen Sicherung er zwei Grundschulden über 50000 DM und 10 000 DM bestellte. Gleichzeitig unterwarf er sich der sofortigen Zwangsvollstreckung.
Die FKG, die nur einen Teilbetrag des versprochenen Geldes geleistet hatte, trat beide Grundschulden an die beklagte Bank ab und übergab ihr die Grundschuldbriefe. Die Abtretung der Grundschulden diente der Sicherung eines von der Beklagten der FKG eingeräumten Kredits in Höhe von 100 000 DM, der in Höhe von 40000 DM durch Verpfändung von Kommunalobligationen gesichert wurde.
Der Kläger hat zunächst beantragt, die aus den Grundschulden betriebene Zwangsvollstreckung für unzulässig zu erklären. Zur Begründung hat er u. a. vorgetragen, der Beklagten sei bekannt gewesen, daß die beiden Grundschulden bei der Abtretung nicht voll valutiert gewesen seien.
Nachdem der Kläger von einem Dritten ein Darlehen erlangt, mit diesem die Beklagte befriedigt und diese sodann auf Weisung des Klägers die beiden Grundschulden an den Dritten abgetreten hatte, hat der Kläger Schadensersatz nach § 826 BGB begehrt.
Die Klage blieb in allen Instanzen ohne Erfolg.

Aus den Gründen:

Die auf Schadensersatz nach § 826 BGB gerichtete Klage hätte nur dann Erfolg haben können, wenn der Kläger bewiesen hätte, daß die Beklagte bei Abtretung der Grundschulden mit der Möglichkeit rechnete, es handle sich um zur Sicherung bestellte nicht voll valutierte Grundschulden, sich diese Grundschulden trotzdem abtreten ließ und dabei eine Schädigung des Klägers billigend in Kauf nahm. Diesen Beweis hat das Berufungsgericht nicht als geführt angesehen.
Nach der Rechtsprechung des Reichsgerichts (RGZ 91,218,224/225), auf die sich die Revision bezieht, reicht es zwar zum Ausschluß des guten Glaubens des Erwerbers einer Grundschuld im Sinne der §§ 1157,1192 BGB aus, wenn der Erwerber bei dem Erwerb der Grundschuld davon Kenntnis hat, daß die Grundschuld zugunsten seines Rechtsvorgängers nur zur Sicherung bestellt wurde, es sich also um eine fiduziarische Bestellung handelte. Dieser Rechtsprechung steht jedoch die herrschende Meinung entgegen, wonach der Grundstückseigentümer gegen die Inanspruchnahme durch den Zessionar einer Grundschuld den Rückübertragungsanspruch als Einrede nur dann geltend machen kann, wenn der Zessionar den Sicherungscharakter der Grundschuld u n d die Nichtvalutierung der Grundschuld kannte (BGB RGRK 11. Aufl. § 1191 Anm. 5; Erman BGB 4. Aufl. § 1192 Anm. 11; Palandt BGB 31. Aufl. § 1191 Anm. 3 f aa; Soergel/Siebert BGB 10. Aufl. § 1191 Anm. 5; Wolff/Raiser Sachenrecht 10. Bearb. § 154 VI 2 S. 642; Westermann Sachenrecht 5. Aufl. § 116 III 3b S. 582). Dieser Ansicht, die der Bundesgerichtshof bereits in seinem Urteil vom 21. Februar 1967 VI ZR 144/65 (WM 1967,566,567) beiläufig gebilligt hat, folgt auch der erkennende Senat. Entscheidend gegen die Rechtsprechung des Reichsgerichts, das die nicht akzessorische Sicherungsgrundschuld der streng akzessorischen Sicherungshypothek zu stark annähert, spricht der Vergleich mit § 1156 BGB (Erman aaO). Die Rechtsprechung des Reichsgerichts stellt nämlich den Erwerber einer Grundschuld schlechter als den Erwerber einer Hypothek. Diesen sichert der Zwang zur gleichzeitigen Abtretung von Forderung und Hypothek (§ 1153 Abs. 2 BGB) in Verbindung mit § 1156 BGB vor nachträglicher Zahlung an den Zedenten, während die Grundschuld durch die Rechtsprechung des Reichsgerichts mit Rücksicht darauf, daß der Erwerber den Sicherungscharakter oft erkennt, praktisch ihrer Eigenschaft als Verkehrsgegenstand entkleidet wird (Westermann a. a.O. S. 583) Es besteht auch kein Grund, die Gefahr treuwidriger Verfügungen des Zedenten einer Grundschuld über die ihm sicherungshalber bestellte oder übertragene Grundschuld im weiteren Umfang auf den Zessionar, also auf einen Dritten, abzuwälzen, da der Grundstückseigentümer die Möglichkeit hat, sich an seinen vertragsbrüchigen Gläubiger zu wenden (vgl. Wolff/Raiser a. a.O. Fußn. 15).
Damit entfällt auch der Hinweis der Revision, es sei zuvor ein anderer Rechtsgrund, nämlich der Bereicherungsanspruch nach §§ 812,813,1157,1192 BGB zu erörtern.


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