Fahrlässige Angaben oder Nichtangaben des Verkäufers über Eigenschaften der Kaufsache begründen keinen Anspruch auf Ersatz des Vertrauensschadens unter dem Gesichtspunkt der culpa in contrahendo. Die Haftung des Verkäufers für Eigenschaften der Kaufsache bestimmt sich - abgesehen vom Falle des Mangelfolgeschadens - allein nach den Gewährleistungsvorschriften der §§ 459 ff BGB.
Sachverhalt:
Der Kläger hat vom Beklagten ein Grundstück gekauft, das mit einem gemieteten Uferstreifen von ein und derselben Hecke eingefriedet war. Er wirft dem Beklagten vor, diesen Umstand verschwiegen zu haben. Der Tatrichter hat Arglist verneint. Die Übereignung ist unmöglich geworden, weil die Bodenverkehrsgenehmigung versagt worden ist. Der Beklagte ist zur Herausgabe des Kaufpreises Zug um Zug gegen Herausgabe des Grundstücks verurteilt. Der Kläger begehrt außerdem Ersatz der Zinsen, die er für die Beschaffung des Kaufpreises aufgewendet hat
Aus den Gründen:
Es mag auf sich beruhen, ob der Beklagte unter
den festgestellten näheren Umständen verpflichtet gewesen wäre,
möglichen Irrtümern des Klägers über Lage und Begrenzung
des Kaufgrundstücks vorzubeugen, weil die Hecke fremden Grund und
Boden einschloß, oder ob es Sache des Klägers gewesen wäre,
sich vor dem Kauf über die Grenzen des Grundstücks zu unterrichten.
Die vom Berufungsrichter vermißte Aufklärung betraf die Frage,
ob das Grundstück an den See stoße, mithin eine Eigenschaft
der Kaufsache. Auf fahrlässige Angaben oder Nichtangaben des Verkäufers
über Eigenschaften der verkauften Sache kann aber ein Anspruch auf
Ersatz des Vertrauensschadens (des Interesses am Nichtzustandekommen der
vertraglichen Bindung), wie ihn der Kläger erhebt, nicht gegründet
werden. Vielmehr bestimmt sich die Haftung des Verkäufers für
Eigenschaften der Sache - sieht man von dem Falle eines Mangelfolgeschadens
an anderen Rechtsgütern des Käufers (positive Vertragsverletzung)
ab - allein nach den Gewährleistungsvorschriften der §§
459 ff BGB: der Käufer kann seine Vertragserklärung nach Gefahrübergang
nicht mehr wegen Irrtums über eine Eigenschaft der Kaufsache anfechten
(§ 119 Abs. 2 BGB) und sich nicht darauf berufen, daß eine bestimmte
Eigenschaft für beide Teile Geschäftsgrundlage des Vertrages
gewesen sei (RGZ 135,339,346; BGHZ 34,32; vgl. auch BGH WM 1971,1016);
Schadensersatz sieht § 463 BGB nur bei unrichtiger Zusicherung und
bei arglistigem Verschweigen oder arglistiger Vorspiegelung von Sacheigenschaften
vor.
Die Auffassung, daß das Gewährschaftsrecht
der §§ 459 ff BGB eine Haftung für fahrlässige Angaben
oder Nichtangaben des Verkäufers über Eigenschaften der Kaufsache
ausschließe, hat das Reichsgericht in ständiger Rechtsprechung
vertreten (statt vieler: RGZ 135,339,346; 161,330,337). Sie wird durchweg
auch von den Kommentaren zum Bürgerlichen Gesetzbuch geteilt (statt
vieler: Staudinger, 11. Aufl. Rdz. 19 vor § 459; aA Erman, 5. Aufl.
§ 276 Rdz. 114, wonach die Haftung für culpa in contrahendo wiedereintreten
soll, wenn der Vertrauensschaden den Nichterfüllungsschaden übersteigt).
Der Bundesgerichtshof hat die Frage wiederholt
offen gelassen oder nur beiläufig behandelt (Zusammenstellung in BGH
NJW 1970,653,655). Der erkennende Senat teilt die Auffassung des Reichsgerichts.
Die im Schrifttum dagegen erhobenen Einwendungen (vgl. Enneccerus/Lehmann,
Schuldrecht 15. Aufl. S. 453; Larenz, Schuldrecht 10. Aufl. Bd. 2 S. 62;
Diederichsen BB 1965,401) überzeugen ihn nicht.
Die §§ 459 ff BGB enthalten eine ins
einzelne gehende Regelung für den Fall, daß die Kaufsache bestimmte
für den Käufer wichtige Eigenschaften nicht besitzt. § 463
Satz 2 BGB regelt einen Tatbestand des Verschuldens vor oder bei Vertragsschluß
durch Nichtangabe oder Angabe von Sacheigenschaften; die Vorschrift knüpft
Rechtsfolgen aber nur an eine Arglist des Verkäufers. Die §§
462,467 BGB sehen eine Rückabwicklung des Kaufvertrages mit Rücksicht
auf bestimmte Eigenschaften der Kaufsache vor und schließen eine
Haftung des Verkäufers für die Vertragskosten des Käufers
und eine Verzinsung des entrichteten Kaufpreises ein. Ähnliche Forderungen
erhebt der Kläger. Die Wandlungsvorschriften bestimmen aber die Voraussetzungen
der Rückabwicklung anders und deren Umfang enger, als dies für
eine Verschuldenshaftung auf den Vertrauensschaden in Betracht käme.
Fahrlässigkeit des Verkäufers bei der Unterrichtung des Käufers
über die Eigenschaften der Kaufsache führt als solche nach diesen
Bestimmungen, auch wenn sie den Kaufentschluß mitverursacht hat,
weder zur Rückabwicklung des Vertrages noch zu einer Schadensersatzhaftung
auf das Erfüllungs- oder auf das Vertrauensinteresse. Es kann nicht
angenommen werden, der Gesetzgeber habe außer Betracht gelassen,
daß auch Fahrlässigkeit des Verkäufers in diesem Punkte
zu einem für den Käufer unerwünschten Vertrage führen
kann, oder er habe es der Rechtsprechung überlassen wollen, neben
der gesetzlichen Verkäuferhaftung für Gebrauchstauglichkeit und
zugesicherte Eigenschaften aus allgemeinen Grundsätzen eine Haftung
für Jahrlässige Angabe oder Nichtangabe von Mängeln oder
sonstigen Eigenschaften der Kaufsache zu entwickeln. Dies kann um so weniger
angenommen werden, als die Rechtsprechung bald nach dem Inkrafttreten des
Gewährleistungsrechts die Frage, ob die Verkäuferhaftung einer
Ergänzung fähig sei (vgl. RGZ 52,18), und die allgemeinere Frage,
wieweit Vertragspartner für ein Verschulden bei den Vertragsverhandlungen
einzustehen haben (vgl. RG JW 1912,743), wiederaufgreifen mußte.
Die besondere Regelung der §§ 459 ff
BGB bringt die Interessen des Verkäufers an einer sicheren und schnellen
Abwicklung des Kaufs und die des Käufers am Erwerb einer seinen Vorstellungen
entsprechenden Kaufsache zum Ausgleich. Dabei räumt sie dem Käufer
eine günstige Stellung ein, wenn sie den Verkäufer für Brauchbarkeit
der Sache und zugesicherte Eigenschaften auch ohne Verschulden haften läßt
(§§ 462,463 S. 1 BGB). Andererseits schließt sie Schadensersatz
wegen fahrlässiger Angabe von Eigenschaften, die nicht zum Gegenstande
einer Zusicherung gemacht werden, und wegen fahrlässiger Nichtangabe
von Sacheigenschaften, die nicht den gewöhnlichen oder vertraglich
vorausgesetzten Gebrauch beeinträchtigen, den Käufer aber aus
anderen Gründen vom Kaufe abhalten könnten, aus. Diese Folgerung
beruht nicht auf einem Umkehrschluß aus § 463 BGB; vielmehr
bestimmen und begrenzen die Vorschriften des Gewährschaftsrechts in
ihrer Gesamtheit die Haftung des Verkäufers für Eigenschaften
der Sache. Es handelt sich deshalb auch nicht darum, daß eine einzelne
Vorschrift des Gewährschaftsrechts wie § 463 BGB lediglich dazu
bestimmt sei, eine anderweit begründete Haftung auf den Vertrauensschaden
zur Haftung auf das Erfüllungsinteresse zu »verschärfen«.
Ebensowenig kann der weitere Ausbau der Haftung für Verschulden bei
Vertragsverhandlungen in anderer Richtung eine Aufgabe der von Rechtsprechung
und Kommentaren durchweg anerkannten Grenzen der Sachmängelhaftung
rechtfertigen.
Für die Klage ist demnach nichts daraus herzuleiten,
daß der Beklagte einem möglichen Irrtum des Klägers über
Lage und Grenzen des Kaufgrundstücks nicht vorgebeugt hat.
Ob ein Zurückbehaltungsrecht (§ 273
Abs. 1 BGB), wie es dem Beklagten zusteht, ebenso wie andere verzögerliche
Einreden den Eintritt des Verzuges hindert (RGZ 126,280, 285) oder ob es
dazu vom Schuldner geltend gemacht werden muß (RGZ 77,436,438), braucht
hier nicht grundsätzlich entschieden zu werden. Denn jedenfalls erübrigt
sich die Einrede, wenn ihre Abwendung durch den Gläubiger im Wege
der Sicherheitsleistung (§ 273 Abs. 3 BGB) nicht in Frage steht. Der
Kläger hatte dem Zurückbehaltungsrecht des Beklagten in seinem
Prozeßantrage voll Rechnung getragen. Er hatte weder Sicherheit für
die Erfüllung der ihm obliegenden Leistungen erbracht und auf Zahlung
geklagt, noch hatte er auf Zahlung geklagt und abgewartet, ob der Beklagte
die Einrede erhebe, um dann Sicherheit zu leisten. Sein Antrag besagte,
daß ?r für die eigenen Verpflichtungen nicht Sicherheit leisten,
sondern sie Zug um Zug gegen die Erfüllung der Klageforderung erbringen
wollte. Mit diesem Antrage übernahm er das Risiko, daß eine
Zuvielforderung den Beklagten berechtigte, den Kaufpreis weiter einzubehalten.
Aus diesem Grunde stehen dem Kläger auch
keine Verzugs- und Prozeßzinsen zu (BGHZ 55, 198).