Der Verletzte kann Zahlung der für eine
Operation (hier: Narbenkorrektur) erforderlichen Kosten nur verlangen,
wenn er die Absicht hat, die Operation durchführen zu lassen.
Zum Sachverhalt:
Die Kl. nimmt die Bekl. wegen der bei einem Verkehrsunfall
erlittenen Verletzungen auf Schadensersatz in Anspruch. Zwischen den Parteien
ist außer Streit, daß der Erstbekl. als Halter und Fahrer seines
Pkw und die Zweitbekl. als Haftpflichtversicherer des Fahrzeugs für
den Schaden einzustehen haben. Der Rechtsstreit geht nur noch darum, ob
die Kl. die voraussichtlichen Kosten für eine Korrektur von Narben
am Unterbauch, die infolge einer unfallbedingten Dünndarmoperation
zurückgeblieben sind, verlangen kann, obwohl sie sich bislang wegen
des ungewissen Erfolges noch nicht zu dieser Operation hat entschließen
können. Die Kosten einer solchen Narbenkorrektur hat sie auf der Grundlage
eines von ihr eingeholten Privatgutachtens mit 10668 DM angegeben. Die
Bekl. haben sich zur Übernahme der Kosten einer von der Kl. vorgenommenen
operativen Narbenkorrektur bereiterklärt. Sie weigern sich jedoch,
den verlangten Geldbetrag an die Kl. zu zahlen, weil diese ihrer Ansicht
nach keinen Anspruch auf Zahlung lediglich fiktiver Kosten hat.
LG und OLG haben den Anspruch auf Zahlung der
10668 DM abgewiesen. Die - nur insoweit zugelassene - Revision der Kl.
hatte keinen Erfolg.
Aus den Gründen:
I. Das BerGer. hat die Zulassung der Revision in
zulässiger Weise auf den materiellen Ersatzanspruch auf Zahlung der
Kosten für eine Narbenkorrektur beschränkt. Insoweit handelt
es sich um einen tatsächlich und rechtlich selbständigen und
abtrennbaren Teil des Gesamtstreitstoffs (vgl. BGH, NJW 1984, 615 (insoweit
in BGHZ 88, 85 nicht abgedruckt) m. w. Nachw.).
II. In der Sache geht das BerGer zutreffend davon
aus, daß der Ersatzanspruch wegen der erlittenen Unfallverletzungen
nach § 249 S. 2 BGB grundsätzlich auch Aufwendungen für
die kosmetische Beseitigung einer unfallbedingten Narbe umfaßt, selbst
wenn von ihr keine weiteren Funktionsstörungen ausgehen oder auch
nur zu befürchten sind. Wie der Senat bereits in seinem Urteil vom
3. 12. 1974 (BGHZ 63, 295 (296) = NJW 1975, 640) ausgeführt hat, sind
dem Verletzten die Mittel zur Verfügung zu stellen, die erforderlich
sind, um seine körperliche Integrität auch insoweit nach Möglichkeit
wiederherzustellen. Das BerGer. ist jedoch aus folgenden Erwägungen
der Auffassung, daß der Zahlungsanspruch der Kl. derzeit nicht begründet
ist:
Nach § 249 S. 2 BGB könne der Geschädigte
zwar statt der Herstellung den dazu erforderlichen Geldbetrag verlangen.
Im Falle einer Körperverletzung setze dieser Anspruch aber die feste
und erkennbare Absicht des Verletzten voraus, die ihm zugefügte Verletzung
und/oder deren Folgen tatsächlich beheben zu lassen. Daran fehle es
hier. Bei der Verletzung immaterieller Werte - wie bei Personenschäden
- müsse man eine Zweckbindung der Herstellungskosten annehmen, wenn
die Vorschrift des § 253 BGB nicht unterlaufen werden solle. Demgegenüber
vertritt die Revision die Auffassung, der Verletzte sei in der Verwendung
der ihm zur Verfügung gestellten Mittel völlig frei. Er müsse
den für eine erforderliche Operation gezahlten Geldbetrag nicht zu
diesem Zweck verwenden und könne deshalb auch Ersatz fiktiver Operationskosten
verlangen.
Dem vermag der erkennende Senat - in Übereinstimmung
mit den Vorinstanzen - nicht zu folgen.
1. Bei der Beschädigung eines Kraftfahrzeuges
hat der Senat allerdings den Anspruch auf Ersatz sogenannter fiktiver Reparaturkosten
im Grundsatz gebilligt (BGHZ 66, 239 = NJW 1976, 1396; BGH, VersR 1978,
182 (235); NJW 1985, 2469 = VersR 1985, 593; VersR 1985, 963). Entgegen
der Auffassung der Revision hat er jedoch bei Personenschäden einen
Anspruch des Geschädigten auf Ersatz fiktiver Kosten bisher noch nicht
dem Grunde nach anerkannt. Die Entscheidung vom 3. 12. 1974 (BGHZ 63, 295
= NJW 1975, 640) besagt dazu nichts. Auch die Senatsentscheidung vom 29.
10. 1957 (NJW 1958, 627 = VersR 1958, 176) läßt sich in diesem
Zusammenhang nur bedingt anführen. In ihr hat der Senat zwar die Kosten
für ärztlich verordnete Stärkungsmittel als erstattungsfähig
angesehen, obwohl der Verletzte sie wegen Geldmangels nicht hatte nehmen
können. Der tragende Grund dieser Entscheidung war aber der Gesichtspunkt,
daß der Schädiger nicht dadurch von der Verpflichtung zum Ersatz
notwendiger Heilungskosten befreit werden soll, daß er durch Hinausschieben
der Erfüllung eines begründeten Ersatzanspruchs den Verletzten
außerstande gesetzt hat, sich notwendige Heil- oder Stärkungsmittel
zu kaufen.
In der - veröffentlichten - Rechtsprechung
der Instanzgerichte wird die Erstattungsfähigkeit von fiktiven Heilungskosten
unterschiedlich behandelt. Während die OLGe Celle (VersR 1972, 468)
und Stuttgart (VersR 1978, 188) dem Verletzten die üblichen Kosten
einer Narbenkorrektur selbst dann zusprechen, wenn der Eingriff nicht durchgeführt
wird, sieht das LG Stuttgart (NJW 1976, 1797) die Kosten einer notwendigen,
aber nicht in Anspruch genommenen Krankenhausbehandlung als nicht erstattungsfähig
an.
Auch im Schrifttum sind die Meinungen geteilt.
Zum Teil wird sowohl bei Sachschäden als auch bei Personenschäden
ein Anspruch auf Zahlung der Herstellungskosten nach § 249 S. 2 BGB
auch dann bejaht, wenn der Geschädigte das Geld nicht zur Naturalrestitution
verwenden will (so Palandt-Heinrichs, BGB, 44. Aufl., § 249 Anm. 2a;
Deutsch, HaftungsR I, § 26 V 3; Larenz, SchuldR AT, 13. Aufl., §
28 I; Zeuner, in: Gedächtnisschr. f. Dietz, 1973, S. 120; Fleischmann,
in: 20. Deutscher Verkehrsgerichtstag, 1982, S. 275 f.). Andere Autoren
fordern dagegen sowohl bei Sachschäden als auch bei Personenschäden
eine enge Bindung dieses Geldanspruchs an die tatsächlich erfolgte
Herstellung, indem sie entweder nur einen Erstattungsanspruch nach bewirkter
Restitution anerkennen oder vor der Restitution dem Geschädigten lediglich
einen zweckgebundenen Vorschuß gewähren, über den später
abzurechnen und der gegebenenfalls zurückzuzahlen ist (Esser-Schmidt,
SchuldR AT, 6. Aufl., § 32 I 2; Keuk, Vermögensschaden und Interesse,
1972, S. 220 ff.; Schiemann, Argumente und Prinzipien bei der Fortbildung
des SchadensR, 1981, S. 212 ff.; ders., DAR 1982, 309 ff.; Köhler,
in: Festschr. f. Larenz, 1983, S. 363 ff.; Honsell-Harrer, JuS 1985, 161
ff.). Eine dritte Meinung schließlich differenziert zwischen Sachschäden
und Personenschäden. Während sie bei Sachschäden auch einen
Ersatz "fiktiver" Herstellungskosten zuläßt, verneint sie diese
Möglichkeit bei Personenschäden (Grunsky, in: MünchKomm.
2. Aufl., § 249 Rdnr. 18; Grunsky, NJW 1983, 2468 f.; Staudinger-Medicus,
BGB, 12. Aufl., § 249 Rdnrn. 226, 227; Medicus, DAR 1982, 356).
2. Grundlage des von der Kl. geltend gemachten
Schadensersatzanspruchs ist die Vorschrift des § 249 S. 2 BGB. Danach
kann bei Verletzung einer Person und bei Beschädigung einer Sache
der Geschädigte statt der nach § 249 S. 1 BGB geschuldeten Herstellung
des früheren Zustandes "den dazu erforderlichen Geldbetrag" verlangen.
a) Diesen Anspruch auf Zahlung der erforderlichen
Herstellungskosten hat der erkennende Senat seit der grundlegenden Entscheidung
vom 23. 3. 1976 (BGHZ 66, 239 = NJW 1976, 1396) dem Geschädigten bei
Beschädigung seines Kraftfahrzeugs auch dann zuerkannt, wenn er von
vornherein gar nicht die Absicht hat, die Wiederherstellung des Fahrzeugs
zu veranlassen, sondern sich anderweit behelfen, es etwa unrepariert fortbenutzen
oder, wie in jenem Fall, beim Erwerb eines Neufahrzeugs unrepariert in
Zahlung geben will. Die Rechtfertigung für diese Zubilligung "fiktiver"
Reparaturkosten hat der Senat in der schon früher unter Berufung auf
die Entstehungsgeschichte (Prot. I 296, 297) von ihm bejahten Dispositionsfreiheit
des Geschädigten gesehen (vgl. BGHZ 54, 82 (84 f.) = NJW 1970, 1454;
BGHZ 61, 56 (58) = NJW 1973, 1647; BGHZ 61, 346 (347) = NJW 1974, 34; BGHZ
63, 182 (184) = NJW 1975, 160). Danach steht es dem Geschädigten grundsätzlich
frei, ob er den gem. § 249 S. 2 BGB zur Herstellung erforderlichen
Betrag wirklich diesem Zweck zuführen oder anderweitig verwenden will.
Ob der Geschädigte den Entschluß zur anderweiten Verwendung
des Ersatzbetrages erst nach Erhalt des Geldes faßt oder ob er bereits
vor der Zahlung entsprechend disponiert hat, macht dabei keinen Unterschied.
In allen Fällen, in denen der BGH diese Dispositionsfreiheit
des Geschädigten bejaht hat, ging es um Schadensersatzansprüche
wegen Sachbeschädigungen (BGHZ 61, 56 (58) = NJW 1973, 1647; BGHZ
61, 346 (347) = NJW 1974, 34; BGHZ 66, 239 (241) = NJW 1976, 1396; BGHZ
76, 216 (221) = NJW 1980, 1518; BGHZ 81, 385 (391) = NJW 1982, 98; BGH,
NJW 1977, 1819; 1982, 1864 (1865) § . In derartigen Fällen
geht die Entscheidung des Geschädigten darüber, wie er den Geldbetrag
verwendet, und sein damit verbundener völliger oder teilweiser Verzicht
auf die Herstellung, an der sich der Geldbetrag orientiert, wesensmäßig
nicht über eine auf Umschichtung des Schadens in seinem Vermögen
gerichtete Vermögensdisposition hinaus: Die Reparaturbedürftigkeit
der beschädigten Sache schlägt sich allein im Vermögen des
Geschädigten nieder, und sie bleibt allein hierin ausgedrückt,
gleichgültig wie er sich wegen der Verwendung des Geldbetrages
entscheidet (vgl. BGHZ 66, 239 (244) = NJW 1976, 1396). Läßt
er die Sache reparieren, wird er mit den hierfür erforderlichen Kosten
belastet. Veräußert er die Sache unrepariert, so wird er einen
entsprechend niedrigeren Verkaufserlös erzielen. Auch wenn er die
Sache unrepariert weiterbenutzt, bleibt sein Vermögen insofern belastet,
als der Wert der beschädigten Sache geringer ist als der der unbeschädigten.
Mit der Zahlung der erforderlichen Reparaturkosten ist der Vermögensstand
des Geschädigten wiederhergestellt (BGHZ 66, 239 (245) = NJW 1976,
1396). Wie der Geschädigte dann sein Vermögen konkret gestaltet,
ob er die Sache repariert, sich eine neue kauft oder gänzlich andere
Dispositionen trifft, ist seine Angelegenheit, die den Schädiger grundsätzlich
nichts angeht.
b) Diese Dispositionsfreiheit des Geschädigten
bezüglich des vom Schädiger zur Herstellung geschuldeten Geldbetrages
läßt sich auf Personenschäden nicht übertragen. Insoweit
wirkt sich aus, daß die Naturalrestitution, für die der Verletzte
den Geldbetrag nach § 249 S. 2 BGB verlangen kann, hier auf Herstellung
der körperlichen Integrität, mithin auf die Beseitigung eines
Nichtvermögensschadens gerichtet ist, für den sich ein Verständnis,
das im Verzicht des Verletzten auf Restitution lediglich eine mit dem Geldbetrag
des § 249 S. 2 BGB zutreffend bewertete Vermögensdispositon sehen
wollte, wesensmäßig verbietet. Der Entschließung des Verletzten,
sich einer ärztlichen Behandlung - etwa wegen der damit verbundenen
Risiken oder des zweifelhaften Erfolgs - nicht zu unterziehen, sondern
mit der unbehandelten Verletzung weiterzuleben, betrifft eine andere Ebene
als die Vermögensdisposition mit dem Geldbetrag des § 249 S.
2 BGB und ist prinzipiell ebensowenig kommensurabel wie die Verletzung
selbst, mit der der Geschädigte belastet bleibt; hierfür gewährt
ihm das Gesetz eine Geldentschädigung in Form des Schmerzensgeldes.
Ebensowenig, wie der Verletzte vom Schädiger nach § 249 S. 2
BGB die Kosten einer (teureren) Operation verlangen kann, wenn er sich
für die (billigere) konservative Behandlung entscheidet, kann er deshalb
bei einem Verzicht auf jede Behandlung vom Schädiger Behandlungskosten
für eine Restitution beanspruchen, die er gerade nicht will.
Wenn der Verletzte die Behandlungskosten verlangt, obwohl er die Behandlung
nicht durchführen lassen will, so verlangt er in Wahrheit eine Entschädigung
(Kompensation) für die fortdauernde Beeinträchtigung seiner Gesundheit.
Eine derartige Kompensation billigt die Rechtsordnung dem Verletzten gem.
§ 253 BGB nur unter den Voraussetzungen des § 847 BGB zu. Wenn
man dem Verletzten die fiktiven Kosten einer nicht durchgeführten
Heilbehandlung zuerkennen wollte, so würde dies zu einer Umgehung
des § 253 BGB führen. In den Fällen, in denen die Voraussetzungen
des § 847 BGB für die Gewährung eines Schmerzensgeldes nicht
vorliegen, würde der Verletzte ein ihm nach dem Gesetz nicht zustehendes
Schmerzensgeld erhalten, in anderen Fällen würde er ein ihm nach
§ 847 BGB zustehendes Schmerzensgeld in einer im Gesetz nicht vorgesehenen
Weise aufbessern können. Aus den dargelegten Gründen kann es
bei Personenschäden grundsätzlich keine Dispositionsfreiheit
des Geschädigten bezüglich der Verwendung der Herstellungskosten
geben. Die Herstellungskosten sind vielmehr im Bereich der Personenschäden
zweckgebunden. Deshalb kann der Verletzte Behandlungskosten gem. §
249 S. 2 BGB nur verlangen, wenn er die Absicht hat, die Behandlung auch
tatsächlich durchführen zu lassen.
3. In aller Regel wird sich diese Absicht ohne
weiteres aus der Behandlungsbedürftigkeit der Verletzung und den zu
ihrer Behandlung getroffenen Maßnahmen ergeben.
Im vorliegenden Fall hat das BerGer. indes nicht
festzustellen vermocht, daß die Kl. die Narbenkorrektur vornehmen
lassen will. Vor dem BerGer. hat die Kl. erklärt, sie habe sich noch
nicht zu einer Narbenkorrektur entschlossen. Bei dieser Sachlage hat das
BerGer. den Zahlungsanspruch der Kl. zu Recht als derzeit unbegründet
angesehen. Solange die Kl. nicht die feste Absicht zur Durchführung
der Operation hat und dies erforderlichenfalls nachweist, steht ihr ein
Anspruch auf Zahlung der erforderlichen Operationskosten nicht zu.