Rechtsbindungswille und Sittenwidrigkeit bei der Vereinbarung der Einnahme empfängnisverhütender Mittel, (keine) Haftung bei Täuschung über die Einnahme ("Pillen-Fall") 

BGH, Urt. vom 17. April 1986 - IX ZR 200/85

Fundstellen:

BGHZ 97, 372
NJW 1986, 2034



Amtl. Leitsätze:

a) Eine unter Partnern einer nichtehelichen Gemeinschaft getroffene Abrede über den Gebrauch empfängnisverhütender Mittel berührt den engsten persönlichen Freiheitsbereich und ist einer rechtsgeschäftlichen Regelung nicht zugänglich.
Hält sich einer der Partner nicht an eine solche Abrede, so kann daraus auch kein vertraglicher Schadensersatzanspruch hergeleitet werden, wenn er dies dem anderen nicht mitteilt.
b) Der Intimbereich zweier volljähriger Partner, die beim freiwilligen Geschlechtsverkehr nicht nur ihr sexuelles Bedürfnis befriedigen, sondern das Entstehen von Leben verantworten, unterliegt im Falle der Geburt eines Kindes grundsätzlich auch dann nicht dem Deliktsrecht, wenn der eine Partner dabei den anderen über die Anwendung von empfängnisverhütenden Maßnahmen getäuscht hat.



Sachverhalt:

Die Kläger waren Prozeßbevollmächtigte des Beklagten in einem von diesem gegen Frau S. vor dem Amts- und Landgericht K. geführten Rechtsstreit (Vorprozeß). Mit der Klage verfolgen sie ihren Gebührenanspruch. Der Beklagte macht geltend, zur Zahlung nicht verpflichtet zu sein, weil die Kläger ihm wegen Verletzung ihrer anwaltlichen Pflichten schadensersatzpflichtig seien.
Der unverheiratete Beklagte lebte seit Ende 1977 mit der damals 18 Jahre alten, ledigen Frau S. zusammen. Er bezeichnet das damalige Verhältnis als eheähnliche Lebensgemeinschaft. Die Partner waren sich zumindest bis Ende 1980 darüber einig, daß aus ihren Beziehungen kein Kind hervorgehen und Frau S. empfängnisverhütende Medikamente einnehmen solle. Im Dezember 1980 setzte Frau S. diese ab. Dies teilte sie dem Beklagten nicht mit. Als er im März 1981 von ihrer Schwangerschaft erfuhr, zerbrach das Verhältnis. Am 3. November 1981 wurde das Kind Sv. S. geboren. Es ist rechtskräftig festgestellt worden, daß der Beklagte dessen nichtehelicher Vater ist. Er wurde zur Zahlung des Regelunterhalts verurteilt. In dem Vaterschaftsprozeß hatten die Kläger den Beklagten vertreten. Frau S. hatte als Zeugin ausgesagt, sie habe unbedingt ein Kind von dem Beklagten haben wollen und daher »die Pille« nicht mehr genommen.
Der Beklagte war der Auffassung, er könne von Frau S. Schadensersatz verlangen, und beauftragte die Kläger mit der Wahrnehmung seiner Interessen. Er informierte sie dahin, daß seine mit Frau S. getroffene Vereinbarung, keine Kinder haben zu wollen, auch zur Zeit der Empfängnis von Sv. gegolten habe. Frau S. habe »die Pille« vorsätzlich abgesetzt, um von ihm ein Kind zu bekommen und ihn zur Heirat zu bewegen. Sie habe einer Zeugin gegenüber eingestanden, ohne sein Wissen und gegen seinen Willen »die Pille« abgesetzt und ihn dabei »ganz schön reingelegt zu haben«.
Die Kläger sahen unter dem Gesichtspunkt einer Vertragsverletzung Erfolgsaussichten für ein Klagebegehren auf Erstattung des dem Kind zu zahlenden Regelunterhalts. Sie gingen dabei davon aus, Sv. S. sei im Sinne der Entscheidungen des VI. Zivilsenats des Bundesgerichtshofs vom 18. März 1980 (BGHZ 76,249,259) ein aus Gründen der Familienplanung unerwünschtes Kind. Sie rieten dem Beklagten deshalb zu einer Klage gegen seine frühere Gefährtin.
In der im Dezember 1982 anhängig gemachten Klage stellten die Kläger unter Beweisantritt den ihnen von dem Beklagten geschilderten Sachverhalt dar. Sie führten aus, daß nach der Rechtsprechung des Bundesgerichtshofs von einem Schaden auszugehen und der Vertrag über die empfängnisverhütenden Maßnahmen wirksam sei. Zusammenfassend legten die Kläger dar:
»Wenn dann die Beklagte, wie eingeräumt, ohne Wissen des Klägers und gegen die getroffene Vereinbarung sich entschließt, die Pille abzusetzen, um ein Kind zu bekommen, dessen Vater der Kläger ist, so stellt dies ein schadensersatzverpflichtendes vertragswidriges Verhalten dar«.
Das Amtsgericht hielt die Klage nicht für schlüssig und wies sie ab. Es bezweifelte einen rechtlichen Bindungswillen von Frau S., die Vereinbarkeit eines eventuellen Rechtsgeschäfts mit § 138 BGB und hielt einen Vertrag jedenfalls gemäß § 306 BGB für nichtig, weil die Einnahme eines empfängnisverhütenden Medikaments keinen sicheren Schutz vor einer Empfängnis bieten könne. Ansprüche aus §§ 823 ff. BGB verneinte das Gericht.
In ihrem Schreiben, mit dem die Kläger den Beklagten über den Verlust des Rechtsstreits in der ersten Instanz informierten, erklärten sie dies damit, daß das Gericht »sich offensichtlich nicht an die auch heikle Frage in der Bewertung des Vertrages herangewagt« habe. Sie fuhren fort, es sei »sinnvoll und unbedingt erforderlich, gegen dieses Urteil Berufung einzulegen«. Der Beklagte erteilte dazu Auftrag. Die Kläger begründeten die Berufung unter Wiederholung ihrer bisher vorgetragenen Rechtsauffassung. Nachdem das Berufungsgericht den Streitwert heraufgesetzt hatte, kamen dem Beklagten Bedenken, ob es im Hinblick auf die schlechten wirtschaftlichen Verhältnisse der von Sozialhilfe lebenden Frau S. sinnvoll sei, das Berufungsverfahren weiter durchzuführen. Er bat die Kläger dazu um Rat und fragte, ob es nicht eventuell so sei, daß ihm »laut Rechtsprechung« ein Schadensersatz zustehe, er diesen jedoch »mangels Masse« nie erhalte. Die Kläger antworteten, daß selbst bei einem obsiegenden Urteil die Möglichkeiten einer Vollstreckung sehr gering seien. Der Beklagte erwiderte: »Nur aus Kostengründen würde ich die Berufung zurückziehen. Andererseits würde ich gerne zu meinem Recht kommen, um dadurch gewissermaßen ein Exempel zu statuieren«. Die Kläger nahmen die Berufung im Auftrag und Namen des Beklagten zurück. Sie berechneten ihre Gebühren auf der Grundlage eines Streitwerts von 15 000 DM. Der Beklagte wandte ein, die Kläger seien ihm durch die Führung des aussichtslosen Vorprozesses schadensersatzpflichtig geworden; dies schließe die Geltendmachung ihrer Gebührenforderung aus. In dem vorliegenden Rechtsstreit machen die Kläger ihren Gebührenanspruch geltend. Mit seiner Widerklage begehrt der Beklagte die Zahlung von ihm gezahlter Verfahrenskosten.
Das Landgericht wies die Klage ab und gab der Widerklage statt. Das Oberlandesgericht wies die Berufung der Kläger zurück. Ihre zugelassene Revision hatte keinen Erfolg.

Aus den Gründen:

I. Das Berufungsgericht bestätigt die Klageabweisung, weil der Beklagte gemäß § 242 BGB nicht dazu verpflichtet sei, den mit der Klage geltend gemachten Honoraranspruch zu erfüllen. Die Kläger seien ihm wegen schuldhafter Verletzung anwaltlicher Pflichten schadensersatzpflichtig.
Das Berufungsgericht geht davon aus, daß ein Rechtsanwalt den ihm mitgeteilten Sachverhalt auf die rechtlichen Aussichten des Begehrens des Mandanten überprüfen müsse, diesen über eine Aussichtslosigkeit aufzuklären habe und ihm von der klageweisen Geltendmachung unbegründeter Ansprüche entschieden abraten müsse.
Der Vorprozeß sei aussichtslos gewesen. Ein Schadensersatzanspruch des Klägers folge nicht schon aus den Gründen der von dem Bundesgerichtshof am 18. März 1980 (BGHZ 76,249,259) entschiedenen sogenannten Sterilisationsfälle. Diese Entscheidungen enthielten keine Anhaltspunkte, die es erlaubten, die dort dargestellten Grundsätze auch in den Fällen anzuwenden, in denen eine von den Partnern geplante Empfängnisverhütung mißglückt sei. In diesen Fällen würde mit der Gewährung eines Schadensersatzanspruchs unzulässigerweise in die im Rahmen des allgemeinen Persönlichkeitsrechts geschützte Intimsphäre des Partners eingegriffen. Im Rahmen der vorzunehmenden umfassenden Würdigung müsse das Interesse des Beklagten gegenüber dem Anspruch auf Respektierung dieses Persönlichkeitsbereichs zurücktreten. Es könne daher offen bleiben, ob eine Vereinbarung über die Empfängnisverhütung zwischen Partnern einer eheähnlichen Gemeinschaft überhaupt rechtlich wirksam oder gemäß § 306 BGB oder nach § 138 BGB nichtig sei. Diese naheliegenden rechtlichen Gesichtspunkte hätten die Kläger bei ihrer Beratung nicht in Betracht gezogen. Das sei ihnen als Verletzung der Pflicht zur gebotenen Sorgfalt gemäß § 276 BGB vorzuwerfen. Sie hätten dem Beklagten von der aussichtslosen Klage abraten müssen. Sie hätten ihn aber statt dessen nicht einmal auf ein besonderes Risiko des Prozesses hingewiesen.

II. Dies greift die Revision ohne Erfolg an.
1. Wird einem Rechtsanwalt der Auftrag übertragen, angebliche Rechte seines Mandanten gegen einen Dritten zu verfolgen, so obliegt es ihm zu prüfen, ob dessen Begehren bei dem vorgetragenen Sachverhalt Erfolg haben kann (BGH Urteile v. 17. Januar 1963 - III ZR 145/61, VersR 1963,387,388; v. 4. Dezember 1973 - VI ZR 10/72, VersR 1974,488,489; v. 8. Dezember 1983 - I ZR 183/81, NJW 1984,791,792; v. 16. Oktober 1984 - VI ZR 304/82, NJW 1985,264,265; Müller JR 1969,161,163,164). Ist eine Klage praktisch aussichtslos, so muß der Anwalt von der Klageerhebung abraten. Wünscht der Mandant dennoch die Klage, so muß der Anwalt das Prozeßrisiko klar herausstellen. Bleibt der Mandant nach einer solchen eindringlichen Belehrung bei seinem Entschluß, die Klage durchzuführen, so kann der Anwalt dem ohne Verstoß gegen seine Mandatspflicht entsprechen (BGH Urt. v. 4. Dezember 1973 aaO). Auch dann, wenn das Begehren des Mandanten aufgrund einer gut vertretbaren Rechtsauffassung zwar Erfolg haben kann, die Rechtslage aber dennoch zweifelhaft ist, weil sich etwa eine gefestigte Rechtsprechung noch nicht gebildet hat, muß der Anwalt gegenüber seinem Mandanten Zweifel und Bedenken, zu denen die Rechtslage Anlaß gibt, darlegen und erörtern und die weiteren Schritte von der nach dieser Belehrung zu treffenden Entscheidung des Mandanten abhängig machen (BGH Urteile v. 21. November 1960 -III ZR 160/59, NJW 1961,601,602; v. 17. Januar 1963 aaO; v. 25. Juni 1974-VI ZR 18/73, NJW 1974,1865,1866; BGHZ 89,178,182; BGH Urt. v. 16. Oktober 1984 aaO; Müller aaO; Borgmann/Haug,Anwaltspflichten, Anwaltshaftung, 1979, § 20 3 S. 79).
2. Diese Pflichten haben die Kläger verletzt.
a) Es ist unstreitig, daß sie dem Beklagten zu dem Rechtsstreit und zur Einlegung der Berufung geraten haben, weil sie sein Begehren für aussichtsreich hielten. Noch in ihrer Berufungsbegründung haben sie ausgeführt, sie hätten ihn dahin belehrt, daß aus der verbindlichen Vereinbarung zwischen ihm und Frau S. Ansprüche und Gegenansprüche entstehen können. Dies ließ den Beklagten noch in der Berufungsinstanz des Vorprozesses überzeugt sein, daß ihm »laut Rechtsprechung ein Schadensersatzanspruch zusteht« und daß er nur aus wirtschaftlichen Erwägungen davon absehe, »zu seinem Recht zu kommen«.
b) Der ohne Aufklärung über ein besonderes Risiko gegebene Rat der Kläger zur Durchführung des Vorprozesses wäre allenfalls dann pflichtgemäß gewesen, wenn die Rechtslage zu Zweifeln und Bedenken keinen Anlaß gegeben hätte. So lag der Fall aber nicht.
aa) Es bestand keine Aussicht für die Zuerkennung eines vertraglichen Schadensersatzanspruchs aus der Verletzung einer Vereinbarung der Partner, daß aus ihrer Lebensgemeinschaft ein Kind nicht hervorgehen und Frau S. deshalb empfängnisverhütende Medikamente einnehmen solle.
Schon das Vorliegen einer entsprechenden rechtsgeschäftlichen Vereinbarung erscheint äußerst zweifelhaft.
Ein Rechtsgeschäft kommt durch Abgabe entsprechender Willenserklärungen zustande. Eine Willenserklärung liegt vor, wenn der Erklärende das Bewußtsein hat, eine verbindliche rechtsgeschäftliche Erklärung abzugeben, oder wenn die Erklärung nach Treu und Glauben und der Verkehrssitte als eine mit rechtlichem Bindungswillen ab gegebene Außerung aufgefaßt werden durfte (BGHZ 91,324,327,329,330).
Die Zusage der Frau S., zur Verhütung einer Schwangerschaft Medikamente nehmen zu wollen, mußte nach der Verkehrssitte nicht ohne weiteres als eine Erklärung verstanden werden, mit der sie sich rechtlich binden wollte.
Bestehen für die Partner einer nichtehelichen Lebensgemeinschaft keine rechtlichen oder wirtschaftlichen Hindernisse zur Eingehung einer Ehe - von diesem Fall ist auch hier auszugehen -, so verzichten sie im allgemeinen bewußt auf die mit der Institution der Ehe zur Verfügung stehende rechtliche Ordnung ihrer Beziehungen. Sie wollen ihre freie Partnerschaft nicht Rechtsvorschriften unterordnen (zur üblichen Einstellung betroffener Partner vgl. von Münch, Zusammenleben ohne Trauschein, 1982, S. 146,147; BGB-AK/Münder Anh. § 1302 Rdnr. 9). Im allgemeinen gründen Partner solcher Gemeinschaften ihre Beziehungen daher auf ihre individuellen Vorstellungen von Moral und Anstand sowie auf Gefühl und Vertrauen. Sie wollen für ihre persönlichen und wirtschaftlichen Beziehungen gerade keine rechtliche Regelung (BGHZ 77,55,58; BGH Urteile v. 23. Februar 1981 - II ZR 124/80, FamRZ 1981,530; v. 16. September 1985 - II ZR 283/84, JZ 1986,239; MünchKomm/Ulmer 2. Aufl. vor § 705 Rdnr. 53; Palandt/Diederichsen, BGB 45. Aufl. Einführung § 1353 Bem. 8a; Schwab, Die nichteheliche Lebensgemeinschaft, 1978, S. 76; De Witt/ Huffmann, Nichteheliche Lebensgemeinschaft 2. Aufl. Rdnr. 70,71; a. A. BGB-RGRK/Roth-Stielow 12. Aufl. vor § 1353 Rdnr. 31). Rechtliche Bindungen zur Ordnung vermögensrechtlicher Beziehungen unter den Partnern sind daher die Ausnahme (BGH Urt. v. 3. Oktober 1983 - II ZR 133/82, FamRZ 1983,1213,1214). Noch ferner liegt es nach allgemeiner Vorstellung, daß Partner ihre persönlichen, intimen Beziehungen zum Gegenstand vertraglicher Bindung machen wollen.
Die Kläger hatten nicht ermittelt, ob der Beklagte mit Frau S. auch seine übrigen persönlichen und vor allem die beiderseitigen wirtschaftlichen Verhältnisse vertraglich geregelt hatte. Fehlte eine solche Regelung des Partnerschaftsverhältnisses, so mußte sich aus der Sicht eines objektiven Beurteilers (vgl. dazu BGHZ 21,102,107) eine Abrede ausgerechnet über engste persönliche Beziehungen nicht ohne weiteres als gesondert vereinbarte, rechtsverbindlich gewollte Absprache darstellen.
In dem Vorprozeß hat das Amtsgericht daher mit Recht bezweifelt, ob bei dem von den Klägern vorgetragenen Sachverhalt ein rechtlicher Bindungswille der Frau S. vorgelegen habe.
Selbst wenn aber angenommen werden könnte, Frau S. habe an der Vereinbarung in dem Bewußtsein mitgewirkt, eine verbindliche rechtsgeschäftliche Erklärung abzugeben, so wäre dieses Rechtsgeschäft nicht wirksam, weil der von ihm erfaßte engste persönliche Freiheitsbereich einer vertraglichen Regelung entzogen ist.
Zur personalen Würde und zum Persönlichkeitsrecht von Partnern, die miteinander Geschlechtsverkehr haben, gehört es, sich immer wieder neu und frei für ein Kind entscheiden zu können. Sie müssen daher in ihrer Entscheidung, ob sie zur Vermeidung einer Schwangerschaft empfängnisverhütende Mittel gebrauchen, frei bleiben. Diese Entscheidungsfreiheit betrifft den engsten Kern ihrer Persönlichkeit und ihrer Entfaltung in Selbstbestimmung (vgl. auch LAG Hamm DB 1969,2353,2354). Daraus folgt, daß ein Partner sich nicht wirksam im voraus zur regelmäßigen Anwendung eines Empfängnisverhütungsmittel rechtsverbindlich verpflichten kann.
Wenn der Partner zur Mitwirkung bei der Empfängnisverhütung nicht mehr bereit ist, kann daraus daher auch dann kein vertraglicher Schadensersatzanspruch hergeleitet werden, wenn er dies dem anderen nicht mitteilt, weil auch dadurch seine Intimsphäre unzumutbar berührt würde.
bb) Entgegen der Auffassung der Revision begründete das von dem Beklagten behauptete Verhalten der Frau S. auch keine Ansprüche aus unerlaubter Handlung.
Die §§ 823 ff. BGB knüpfen Haftungsfolgen an ein Verhalten, das sittlichen Grundvorstellungen und Ordnungsprinzipien des Gemeinschaftslebens widerspricht (BGB-RGRK/ Steffen, 12. Aufl. § 826 Rdnr. 15). Der Intimbereich zweier volljähriger Partner, die beim freiwilligen Geschlechtsverkehr nicht nur ihr sexuelles Bedürfnis befriedigen, sondern das Entstehen von Leben verantworten, unterliegt im Falle der Geburt eines Kindes grundsätzlich auch dann nicht dem Deliktsrecht, wenn der eine Partner dabei den anderen über die Anwendung empfängnisverhütender Maßnahmen getäuscht hat.
Dieses ist im vorliegenden Fall darüberhinaus auch durch die Interessen des Kindes geboten. Der Sohn des Beklagten lebt bei seiner Mutter, Frau S., die ihn betreut und erzieht und ihm dadurch gemäß § 1606 Abs. 3 BGB Unterhalt leistet. Er nimmt dabei naturgemäß in allen seinen Lebensbedingungen an den Lebensverhältnissen der Mutter und ihrem Lebensstandard teil. Wegen des Schadensersatzverlangens seines eigenen Vaters müßte er daher bis zum Ende seiner Unterhaltsbedürftigkeit erhebliche persönliche, psychische und wirtschaftliche Beeinträchtigungen erleiden. Das Kind müßte die finanzielle und seelische Belastung der Mutter miterleben und mitempfinden. Besonders schwerwiegend wären diese Auswirkungen im Falle einer zwangsweisen Beitreibung des Anspruchs gegen die Mutter. Möglicherweise würde diese durch ihre im Ergebnis doppelte Unterhaltslast auch zu einem beruflichen Einsatz veranlaßt, der die Belange des Kindes nicht mehr wahrt. Einem Kind, dessen Mutter derartigen seelischen und finanziellen Belastungen ausgesetzt ist, werden die Ursachen dafür nicht verborgen bleiben. Die damit notwendigerweise verbundene Erkenntnis des Kindes, daß es durch seine eigene Existenz eine Haftung der Mutter gegenüber dem Vater ausgelöst hat, betrifft das Kind in der ihm zukommenden Menschenwürde.
3. Die Kläger haben ihre vorprozessuale Beratungspflicht schuldhaft verletzt, weil sie die ihnen als Rechtsanwälten im Rahmen des Mandatsvertrages obliegenden Sorgfaltspflichten außer acht gelassen haben (§ 276 BGB). Sie haben allgemeine rechtswissenschaftliche Methoden bei der Prüfung der Erfolgsaussicht nicht beachtet und daher die rechtliche Zweifelhaftigkeit des eingeklagten Anspruchs nicht erkannt. Sie haben deshalb auch den Beklagten nicht einmal auf das erhebliche Risiko des Rechtsstreits hingewiesen und in ihm sogar die Vorstellung geweckt, der Anspruch stehe ihm »laut Rechtsprechung« zu.
Die Kläger haben den Beklagten nach ihrem eigenen Vorbringen auf der Grundlage der Entscheidung des VI. Zivilsenats des Bundesgerichtshofs vom 18. März 1980 (BGHZ 76,249,259) beraten. Sie haben damit entscheidende, ohne weiteres erkennbare Unterschiede in der Fallgestaltung verkannt und methodisch ungenau beim Ansatzpunkt ihrer Beratung und ihres Prozeßvortrags auf die Frage abgestellt, ob ein Kind »ein Schaden« sein kann. Die Kläger mögen zwar richtig erkannt haben, daß deliktische Ansprüche als Rechtsgrundlage für den geltend gemachten Anspruch nicht in Betracht kommen. Einen vertraglichen Schadensersatzanspruch haben sie aber unzureichend fundiert und daher entscheidende Probleme, die das Prozeßrisiko begründeten, nicht erkannt. Konkrete Anhaltspunkte für einen Rechtsbindungswillen haben sie nicht vorgetragen. Es mußte ihnen aber bekannt sein, daß der Bundesgerichtshof (Urt. v. 24. März 1980 - II ZR 191/79, NJW 1980,1520,1521) und ein überwiegender Teil der Literatur (zum Stand der damaligen Diskussion vgl. z. B. Derleder NJW 1980,545 f.) im Verzicht der Partner außerehelicher Gemeinschaften auf die Ehe die Dokumentation ihres Entschlusses zur rechtlichen Ungebundenheit sehen und daher für das Vorliegen eines Rechtsbindungswillens zur rechtsgeschäftlichen Ordnung der vermögensrechtlichen Beziehungen besondere Anhaltspunkte verlangen. Die Kläger mußten daher damit rechnen, daß der Vortrag, die Partner hätten die Kinderlosigkeit ihres Verhältnisses »verbindlichst« vereinbart, nicht ohne weiteres als Darlegung eines dem objektiven Beurteiler nachvollziehbaren Rechtsbindungswillens ausreichen würde. Auch zur rechtsgeschäftlichen Verfügbarkeit des Gegenstandes der Bindung haben die Kläger Bedenken offenbar nicht gesehen; sie haben jedenfalls insoweit keine Prozeßrisiken offengelegt.
Die Fallgestaltung der von den Klägern als einschlägig angesehenen Entscheidungen des VI. Zivilsenats zum Schadensersatzanspruch bei fehlgeschlagener Sterilisation wich schon darum entscheidend von der vorliegenden ab, weil Sv. S. keineswegs ein ungewünschtes Kind war, sondern nur von einem seiner Elternteile nicht gewollt war. Die von den Klägern im Vorprozeß dargestellten Rechtsausführungen, es handele sich bei Sv. ebenso um ein ungewolltes Kind, wie es die Kinder waren, wegen deren Geburt der VI. Zivilsenat jeweils beiden Elternteilen Schadensersatz zuerkannt hatte, waren falsch. Es entsprach nicht der von einem Rechtsanwalt zu verlangenden Gewissenhaftigkeit, einen Klageanspruch auf eine eindeutig nicht vorhandene Parallelität der Sachverhaltsgestaltung zu gründen.

III. 1. Das Berufungsgericht sieht den Schaden des Beklagten in der Belastung mit der Kostenforderung der Kläger und den übrigen mit der Widerklage geltend gemachten, aus dem Vorprozeß gegen ihn entstandenen Gebührenansprüchen bzw. in den von dem Beklagten auf diese getätigten Zahlungen. Das ist richtig ... (wird ausgeführt)



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