Gebot zur richtlinienkonformen Auslegung - Richtlinie 76/207/EWG des Rates vom 9. Februar 1976 zur Verwirklichung des Grundsatzes der Gleichbehandlung von Männern und Frauen hinsichtlich des Zugangs zur Beschäftigung, zur Berufsbildung und zum beruflichen Aufstieg sowie in bezug auf die Arbeitsbedingungen
EuGH
Urteil vom 10. APRIL
1984; Rechtssache 79/83 - Harz
Fundstelle:
EuGH Slg. 1984, 1921
Leitsätze
1. Artikel 189 Absatz 3 EWG-Vertrag belässt zwar den Mitgliedstaaten die
Freiheit bei der Wahl der Mittel und Wege zur Durchführung der Richtlinie,
doch lässt diese Freiheit die Verpflichtung der einzelnen Mitgliedstaaten
unberührt, im Rahmen ihrer nationalen Rechtsordnung alle erforderlichen
Maßnahmen zu ergreifen, um die vollständige Wirksamkeit der Richtlinie
entsprechend ihrer Zielsetzung zu gewährleisten.
Die sich aus einer Richtlinie ergebende Verpflichtung der Mitgliedstaaten,
das in dieser vorgesehene Ziel zu erreichen, sowie die Pflicht der
Mitgliedstaaten gemäss Artikel 5 EWG-Vertrag, alle zur Erfüllung dieser
Verpflichtung geeigneten Maßnahmen allgemeiner oder besonderer Art zu
treffen, obliegen allen Trägern öffentlicher Gewalt in den Mitgliedstaaten,
und zwar im Rahmen ihrer Zuständigkeiten auch den Gerichten. Daraus folgt,
dass das nationale Gericht bei der Anwendung der nationalen Rechts,
insbesondere auch der Vorschriften eines speziell zur Durchführung einer
Richtlinie erlassenen Gesetzes, dieses nationale Recht im Lichte des
Wortlauts und des zwecks der Richtlinie auszulegen hat , um das in Artikel
189 Absatz 3 genannte Ziel zu erreichen.
2. Die Richtlinie 76/207 schreibt nicht vor, als Sanktion für eine wegen des
Geschlechts erfolgte Diskriminierung beim Zugang zur Beschäftigung den
Arbeitgeber, der Urheber der Diskriminierung ist, zum Abschluss eines
Arbeitsvertrags mit dem diskriminierten Bewerber zu verpflichten.
Die Richtlinie begründet hinsichtlich der Sanktionen für eine etwaige
Diskriminierung keine unbedingte und hinreichend bestimmte Verpflichtung,
auf die sich ein einzelner mangels rechtzeitig erlassener
Durchführungsmaßnahmen berufen könnte, um aufgrund der Richtlinie eine
bestimmte Wiedergutmachung zu erlangen, wenn eine solche Rechtsfolge nach
den nationalen Rechtsvorschriften nicht vorgesehen oder zugelassen
ist.
Die Richtlinie 76/207 überlässt es zwar den Mitgliedstaaten, die Sanktion
für einen Verstoß gegen das Diskriminierungsverbot unter den verschiedenen
Möglichkeiten auszuwählen, die zur Verwirklichung des Ziels der Richtlinie
geeignet sind; entscheidet sich ein Mietgliedstaat jedoch dafür, als
Sanktion für einen Verstoß gegen dieses Verbot eine Entschädigung zu
gewähren, so muss diese jedenfalls, damit ihre Wirksamkeit und ihre
abschreckende Wirkung gewährleistet sind, in einem angemessenen Verhältnis
zu dem erlittenen Schaden stehen und somit über einen rein symbolischen
Schadensersatz wie etwa die bloße Erstattung der Bewerbungskosten
hinausgehen. Es ist Sache des nationalen Gerichts, das zur Durchführung der
Richtlinie erlassene Gesetz unter voller Ausschöpfung des
Beurteilungsspielraums, den ihm das nationale Recht einräumt , in
Übereinstimmung mit den Anforderungen des Gemeinschaftsrechts auszulegen und
anzuwenden.
Gründe
1 Das Arbeitsgericht Hamburg hat mit Beschluss vom 5. Juli 1982, beim
Gerichtshof eingegangen am 3. Mai 1983, gemäß Artikel 177 EWG-Vertrag
mehrere Fragen nach der Auslegung der Richtlinie 76/207/EWG des Rates vom 9.
Februar 1976 zur Verwirklichung des Grundsatzes der Gleichbehandlung von
Männern und Frauen hinsichtlich des Zugangs zur Beschäftigung, zur
Berufsbildung und zum beruflichen Aufstieg sowie in bezug auf die
Arbeitsbedingungen ( Abl. L 39, S 40) zur Vorabentscheidung vorgelegt.
2 Diese fragen stellen sich im Rahmen eines Rechtsstreits zwischen der
Diplom-Kauffrau Dorit Harz und der Firma Deutsche Tradax GmbH. Wie sich aus
den Gründen des Vorlagebeschlusses ergibt, ist das Arbeitsgericht der
Auffassung, dass das Unternehmen in dem von ihm durchgeführten
Einstellungsverfahren, in dem sich Frau Harz beworben hatte, eine
Diskriminierung wegen des Geschlechts vorgenommen habe.
3 Nach Ansicht des Arbeitsgerichts kommt als Sanktion für eine bei der
Einstellung begangene Diskriminierung nach deutschem Recht nur der Ersatz
des Vertrauensschadens in Betracht, d. h. des Schadens, der den
diskriminierten Bewerbern dadurch entstanden ist, dass sie darauf vertraut
haben, das Arbeitsverhältnis werde ohne Diskriminierung begründet. Ein
derartiger Schadensersatz ist in § 611a Absatz 2 BGB vorgesehen.
4 Nach dieser Vorschrift ist der Arbeitgeber im Fall eines Verstoßes gegen
den Grundsatz der Gleichbehandlung beim Zugang zur Beschäftigung "zum Ersatz
des Schadens verpflichtet, den der Arbeitnehmer dadurch erleidet, dass er
darauf vertraut, die Begründung des Arbeitsverhältnisses werde nicht wegen
eines solchen Verstoßes unterbleiben". Diese Vorschrift dient der Umsetzung
der genannten Richtlinie 76/207 des Rates.
5 Das Arbeitsgericht ist deshalb der Auffassung, dass es nach deutschem
Recht nur auf Zahlung eines minimalen Schadensersatzes - vor vorliegenden
Fall 2,31 DM - entsprechend den der Klägerin durch ihre Bewerbung
entstandenen Unkosten erkennen kann, was zur Erfüllung der EG-Richtlinie
nicht ausreiche, da durch einen solchen Schadensersatz kein
gesetzeskonformes Verhalten der Arbeitgeber erreicht werden könne.
6 Zur Feststellung der auf gemeinschaftsebene geltenden Rechtsvorschriften
für den Fall der Diskriminierung beim Zugang zur Beschäftigung hat das
nationale Gericht dem Gerichtshof folgende Fragen vorgelegt:
"1. folgt - bei einer festgestellten Diskriminierung - aus dem Grundsatz der
Gleichbehandlung von Männern und Frauen hinsichtlich des Zugangs zur
Beschäftigung, wie er in Artikel 1 Absatz 2 und Artikel 2 Absätze 1 und 3
der, Richtlinie des Rates zur Verwirklichung des Grundsatzes der
Gleichbehandlung von Männern und Frauen hinsichtlich des Zugangs zur
Beschäftigung, Berufsbildung und zum beruflichen Aufstieg sowie in bezug auf
die Arbeitsbedingungen ( 76/207/EWG; Abl. L 39, s. 40) enthalten ist, ein
Anspruch der Bewerberin auf Abschluss eines Arbeitsvertrags gegen denjenigen
Arbeitgeber, der ihre Einstellung wegen ihres Geschlechtes abgelehnt hat?
2. falls die Frage 1 bejaht wird, gilt dies nur, wenn
a) die diskriminierte Bewerberin die bestqualifizierte aller Bewerber und
Bewerberinnen ist, oder
b) auch dann, wenn zwar im Bewerbungsverfahren diskriminiert worden ist,
jedoch im Ergebnis ein von der Qualifikation her besserer männlicher
Bewerber eingestellt worden ist?
3. falls Frage 1 und Frage 2a und b verneint werden, folgt aus dem Grundsatz
der Gleichbehandlung von Männern und Frauen nach den Vorschriften der
Richtlinie 76/207/EWG, dass als Rechtsfolge eine ökonomisch spürbare
Sanktion erforderlich ist, z. B. ein je nach Lage des Einzelfalls
festzusetzender Schadensersatzanspruch zugunsten der benachteiligten
Arbeitnehmerin in Höhe bis zu dem zu erwartenden Verdienst für die Zeit von
sechs Monaten, der Zeit, in der nach bundesdeutschem recht Arbeitspersonen
sich nicht auf die soziale Ungerechtfertigtheit einer Kündigung berufen
können, und/oder staatlicherseits Bußgelder bzw. Strafen verhängt werden
müssen.
4.falls die Frage 3 bejaht wird, gilt dies nur, wenn
a) die diskriminierte Bewerberin die bestqualifizierte aller Bewerber und
Bewerberinnen ist, oder
b) auch dann, wenn zwar im Bewerbungsverfahren diskriminiert worden ist,
jedoch im Ergebnis ein von der Qualifikation her besserer männlicher
Bewerber eingestellt worden ist.
5. falls Frage 1, 2, 3 oder 4 bejaht werden, sind die Artikel 1, 2 und 3 der
Richtlinie 76/207/EWG in den Mitgliedstaaten unmittelbar anwendbar?"
7 Mit diesen fragen soll vor allem geklärt werden, ob die Richtlinie 76/207
die Mitgliedstaaten verpflichtet, für Fälle der Diskriminierung beim Zugang
zur Beschäftigung besondere Rechtsfolgen oder Sanktionen vorzusehen, (Fragen
1 bis 4) und ob sich die einzelnen gegebenenfalls mangels rechtzeitiger
Umsetzung der Richtlinie in die nationale Rechtsordnung vor den nationalen
Gerichten auf die Richtlinie berufen können ( Frage 5.)
a) Zur ersten Frage
8 Die erste Frage des nationalen Gerichts geht im Wesentlichen dahin, ob die
Richtlinie 76/207 vorschreibt, als Sanktion für eine wegen des Geschlechts
erfolgten Diskriminierung beim Zugang zur Beschäftigung den Arbeitgeber, der
Urheber der Diskriminierung ist, zum Abschluss eines Arbeitsvertrags mit dem
diskriminierten Bewerber zu verpflichten.
9 Nach Ansicht des nationalen Gerichts kommt zur Durchsetzung der
Gleichbehandlung von Männern und Frauen beim Zugang zur Beschäftigung als
Sanktion entweder ein Einstellungsanspruch oder ein Schadensersatzanspruch,
der nach deutschem Recht auf den Ersatz des positiven Interesses gerichtet
sein müsse, in Betracht. Die Umsetzung der Richtlinie 76/207 in deutsches
Recht sei noch nicht erfolgt, da die in § 611a Absatz 2 BGB vorgesehene
Sanktion hierfür nicht ausreiche.
10 Die Klägerin des Ausgangsverfahrens ist der Ansicht, § 611a Absatz 2 BGB
schließe dadurch, dass er den Entschädigungsanspruch auf den
Vertrauensschaden beschränke, die nach den allgemeinen Rechtsvorschriften
bestehenden Schadensersatzmöglichkeiten aus. Die Richtlinie 76/207
verpflichte die Mitgliedstaaten, geeignete Maßnahmen zu ergreifen, um
Diskriminierungen für die Zukunft zu verhindern. Es müsse daher zumindest
angenommen werden, dass § 611a Absatz 2 außer Betracht zu bleiben habe. Das
hätte für den Arbeitgeber die Verpflichtung zur Folge, einen Arbeitsvertrag
mit dem diskriminierten Bewerber abzuschließen oder, wenn sich dies im
vorliegenden Fall als unmöglich erweise oder nicht in Frage komme, zumindest
einen spürbaren Schadensersatz an ihn zu zahlen.
11 Die Regierung der Bundesrepublik Deutschland ist sich zwar der
Notwendigkeit einer wirksamen Umsetzung der Richtlinie bewusst, legt aber
Nachdruck darauf, dass jedem Mitgliedstaat nach Artikel 189 Absatz 3
EWG-Vertrag ein Gestaltungsspielraum hinsichtlich der Rechtsfolgen einer
Verletzung des Gleichbehandlungsgrundsatzes zustehe. Im Übrigen hätten die
deutschen Gerichte die Möglichkeit, ausgehend vom nationalen Privatrecht und
unter Beachtung des Inhalts der Richtlinie angemessene Lösungen zu
erarbeiten, die dem Grundsatz der Gleichbehandlung, aber auch den Interessen
aller Beteiligten gerecht würden. Schließlich genüge eine spürbare
Rechtsfolge, um den Grundsatz der Gleichbehandlung durchzusetzen, und diese
Rechtsfolge dürfe nur für diejenigen Fälle vorgesehen werden, in denen der
diskriminierte Bewerber für den betreffenden Arbeitsplatz besser
qualifiziert sei als andere Bewerber, nicht aber für die Fälle, in denen die
Bewerber über eine gleiche Qualifikation verfügte.
12 Die niederländische Regierung meint, die Richtlinie verlange keine
bestimmte Sanktion wie etwa die Verpflichtung zur Einstellung von Personen,
die diskriminiert worden seien. Dagegen genüge die Verurteilung des
Arbeitgebers zur Zahlung eines rein symbolischen Betrags nicht dem
Erfordernis, dass die diskriminierte Person ihre rechte nach der Richtlinie
wahrnehmen können müsse.
13 Die Regierung des vereinigten Königreichs ist ebenfalls der Auffassung,
dass es Sache der Mitgliedstaaten sei, die Maßnahmen auszuwählen, die sie
zur Erfüllung ihrer Verpflichtungen aus der Richtlinie für geeignet hielten.
Die Richtlinie mache keine Angaben über die von den Mitgliedstaaten zu
treffenden Maßnahmen, und die dem Gerichtshof vorgelegten Fragen zeigten
selbst deutlich die Schwierigkeiten, die bei der Bestimmung der geeigneten
Maßnahmen aufträten.
14 Nach Ansicht der Kommission will die Richtlinie zwar den Mitgliedstaaten
die Auswahl und Festlegung der Sanktionen überlassen, gleichwohl müsse ihre
Umsetzung jedoch im Ergebnis wirksam sein. Der Grundsatz der wirksamen
Umsetzung der Richtlinie gebiete es, die Sanktionen so auszugestalten, dass
sie für den diskriminierten Bewerber eine angemessene Wiedergutmachung und
für den Arbeitgeber ein ernstzunehmendes Druckmittel darstellte, durch das
er zur Beachtung des Gleichbehandlungsgrundsatzes angehalten werde. Eine
nationale Regelung, die lediglich einen Anspruch auf Ersatz des
Vertrauensschadens gebe, reiche nicht aus, um die Beachtung dieses
Grundsatzes zu gewährleisten.
15 Nach Artikel 189 Absatz 3 EWG-Vertrag ist "die Richtlinie . . . für jeden
Mitgliedstaat, an den sie gerichtet wird, hinsichtlich des zu erreichenden
Ziels verbindlich, überlässt jedoch den innerstaatlichen Stellen die Wahl
der Form und der Mittel". Zwar belässt diese Bestimmung den Mitgliedstaaten
die Freiheit bei der Wahl der Mittel und Wege zur Durchführung der
Richtlinie, doch lässt diese Freiheit die Verpflichtung der einzelnen
Mitgliedstaaten unberührt, im Rahmen ihrer nationalen Rechtsordnung alle
erforderlichen Maßnahmen zu ergreifen, um die vollständige Wirksamkeit der
Richtlinie entsprechend ihrer Zielsetzung zu gewährleisten.
16 Folglich ist zu prüfen, ob die Richtlinie 76/207 die Mitgliedstaaten
verpflichtet, für Verstöße gegen den Grundsatz der Gleichbehandlung beim
Zugang zur Beschäftigung bestimmte Rechtsfolgen oder Sanktionen vorzusehen.
17 Die Richtlinie hat zum Ziel, in den Mitgliedstaaten den Grundsatz der
Gleichbehandlung von Männern und Frauen insbesondere dadurch zu
verwirklichen, dass den Arbeitnehmern beiderlei Geschlechts tatsächliche
Chancengleichheit beim Zugang zur Beschäftigung gewährleistet wird. Zu
diesem Zweck definiert Artikel 2 den Grundsatz der Gleichbehandlung und
seine Grenzen, während Artikel 3 Absatz 1 dessen Tragweite speziell
hinsichtlich des Zugangs zur Beschäftigung präzisiert. Nach Artikel 3 Absatz
2 Buchstabe a treffen die Mitgliedstaaten die notwendigen Maßnahmen, um
sicherzustellen, dass die Rechts- und Verwaltungsvorschriften beseitigt
werden, die mit dem Grundsatz der Gleichbehandlung unvereinbar sind.
18 Artikel 6 verpflichtet die Mitgliedstaaten zum Erlass der
innerstaatlichen Rechtsvorschriften, die notwendig sind, damit jeder, der
sich durch eine Diskriminierung für beschwert hält, "seine Rechte
gerichtlich geltend machen kann". Aus dieser Bestimmung folgt, dass die
Mitgliedstaaten verpflichtet sind, Maßnahmen zu ergreifen, die hinreichend
wirksam sind, um das Ziel der Richtlinie zu erreichen, und dafür sorge zu
tragen, dass die Betroffenen sich vor den nationalen Gerichten tatsächlich
auf diese Maßnahmen berufen können. Zu solchen Maßnahmen könnten zum
Beispiel Vorschriften gehören, die den Arbeitgeber zur Einstellung des
diskriminierten Bewerbers verpflichten oder eine angemessene finanzielle
Entschädigung gewähren und die gegebenenfalls durch eine Bußgeldregelung
verstärkt werden. Allerdings schreibt die Richtlinie keine bestimmte
Sanktion vor, sondern belässt den Mitgliedstaaten die Freiheit der Wahl
unter den verschiedenen, zur Verwirklichung ihrer Zielsetzung geeigneten
Lösungen.
19 Auf die erste Frage ist daher zu antworten, dass die Richtlinie 76/207
nicht vorschreibt, als Sanktion für eine wegen des Geschlechts erfolgte
Diskriminierung beim Zugang zur Beschäftigung den Arbeitgeber, der Urheber
der Diskriminierung ist, zum Abschluss eines Arbeitsvertrags mit dem
diskriminierten Bewerber zu verpflichten.
b ) Zur zweiten Frage
20 Da die zweite Frage nur für den Fall einer Verpflichtung des Arbeitgebers
zur Einstellung des diskriminierten Bewerbers gestellt ist, erübrigt sich
die Beantwortung.
C) Zu den Fragen 3 bis 5
21 Mit seiner dritten und vierten Frage fragt das nationale Gericht den
Gerichtshof im Wesentlichen danach, ob der Richtlinie das Erfordernis einer
ökonomisch spürbaren Sanktion entnommen werden kann. Die fünfte Frage geht
dahin, ob sich verletzte Personen vor nationalen Gerichten auf die
Richtlinie entsprechend der Auslegung, die ihr gegeben werden muss, berufen
können.
22 In diesem Zusammenhang ist darauf hinzuweisen, dass wirkliche
Chancengleichheit nicht ohne eine geeignete Sanktionsregelung erreicht
werden kann. Diese Folgerung ergibt sich nicht nur aus der Zielsetzung der
Richtlinie selbst, sondern insbesondere aus ihrem Artikel 6, der dadurch,
dass er den Bewerbern um einen Arbeitsplatz, die diskriminiert worden sind,
ein klagerecht einräumt, anerkennt, dass ihnen Rechte zustehen, die sie vor
Gericht geltend machen können.
23 Auch wenn eine vollständige Durchführung der Richtlinie nicht - wie in
der Antwort auf die erste Frage festgestellt - eine bestimmte Sanktion für
Verstöße gegen das Diskriminierungsverbot erfordert, so setzt sie doch
voraus, dass diese Sanktion geeignet ist, einen tatsächlichen und wirksamen
Rechtsschutz zu gewährleisten. Sie muss ferner eine wirklich abschreckende
Wirkung gegenüber dem Arbeitgeber haben. Entscheidet sich der Mitgliedstaat
dafür, als Sanktion für den Verstoß gegen das Diskriminierungsverbot eine
Entschädigung zu gewähren, so muss diese deshalb jedenfalls in einem
angemessenen Verhältnis zum erlittenen Schaden stehen.
24 Dolglich würde eine nationale Rechtsvorschrift, die die
Schadensersatzansprüche von Personen, die Opfer einer Diskriminierung beim
Zugang zur Beschäftigung wurden, auf eine rein symbolische Entschädigung wie
etwa die Erstattung ihrer Bewerbungskosten beschränkt, den Erfordernissen
einer wirksamen Umsetzung der Richtlinie nicht gerecht .
25 Die Art der in der Bundesrepublik Deutschland für Fälle der
Diskriminierung beim Zugang zur Beschäftigung vorgesehenen Sanktionen und
insbesondere die Frage , ob § 611a Absatz 2 BGB die sich aus den allgemeinen
Rechtsvorschriften ergebenden Schadensersatzmöglichkeiten ausschließt , ist
vor dem Gerichtshof ausführlich erörtert worden. Die Regierung der
Bundesrepublik Deutschland hat hierzu in der mündlichen Verhandlung
vorgetragen, diese Bestimmung schließe die Anwendung der allgemeinen
Schadensersatzvorschriften nicht notwendig aus. Es ist allein Sache des
nationalen Gerichts, über diese Frage der Auslegung seines nationalen Rechts
zu entscheiden.
26 Allerdings ist klarzustellen , dass die sich aus einer Richtlinie
ergebende Verpflichtung der Mitgliedstaaten, das in dieser vorgesehene Ziel
zu erreichen, sowie die Pflicht der Mitgliedstaaten gemäss Artikel 5
EWG-Vertrag, alle zur Erfüllung dieser Verpflichtung geeigneten Maßnahmen
allgemeiner oder besonderer Art zu treffen , allen Trägern öffentlicher
Gewalt in den Mitgliedstaaten obliegen, und zwar im Rahmen ihrer
Zuständigkeiten auch den Gerichten. Daraus folgt, dass das nationale Gericht
bei der Anwendung des nationalen Rechts, insbesondere auch der Vorschriften
eines speziell zur Durchführung der Richtlinie 76/207 erlassenen Gesetzes,
dieses nationale Recht im Lichte des Wortlauts und des Zwecks der Richtlinie
auszulegen hat , um das in Artikel 189 Absatz 3 genannte Ziel zu erreichen.
27 Dagegen begründet die Richtlinie, wie sich aus den vorangehenden
Erwägungen ergibt , hinsichtlich der Sanktionen für eine etwaige
Diskriminierung keine unbedingte und hinreichend bestimmte Verpflichtung,
auf die sich ein Einzelner mangels rechtzeitig erlassener
Durchführungsmaßnahmen berufen könnte, um aufgrund der Richtlinie eine
bestimmte Widergutmachung zu erlangen, wenn eine solche Rechtsfolge nach den
nationalen Rechtsvorschriften nicht vorgesehen oder zugelassen ist.
28 Es muss aber dem nationalen Gericht gegenüber betont werden , dass die
Richtlinie 76/207 es zwar den Mitgliedstaaten überlässt, die Sanktion für
einen Verstoß gegen das Diskriminierungsverbot unter den verschiedenen
Möglichkeiten auszuwählen, die zur Verwirklichung des Ziels der Richtlinie
geeignet sind; Entscheidet sich ein Mitgliedstaat jedoch dafür, als Sanktion
für einen Verstoß gegen dieses Verbot eine Entschädigung zu gewähre , so
muss diese jedenfalls, damit ihre Wirksamkeit und ihre abschreckende Wirkung
gewährleistet sind, in einem angemessenen Verhältnis zu dem erlittenen
Schaden stehen und somit über einen rein symbolischen Schadensersatz wie
etwa die bloße Erstattung der Bewerbungskosten hinausgehen. Es ist Sache des
nationalen Gerichts, das zur Durchführung der Richtlinie erlassene Gesetz
unter voller Ausschöpfung des Beurteilungsspielraumes, den ihm das nationale
Recht einräumt, in Übereinstimmung mit den Anforderungen des
Gemeinschaftsrechts auszulegen und anzuwenden.
Kosten
29 Die Auslagen der Regierungen der Bundesrepublik Deutschland , des
Vereinigten Königreichs und der Niederlande sowie die Auslagen der
Kommission der europäischen Gemeinschaften , die Erklärungen vor dem
Gerichtshof abgegeben haben , sind nicht erstattungsfähig . Für die Parteien
des Ausgangsverfahrens ist das Verfahren vor dem Gerichtshof ein
Zwischenstreit in dem vor dem nationalen Gericht anhängigen Verfahren ; die
Kostenentscheidung ist daher Sache dieses Gerichts .
Aus diesen Gründen
Hat
der Gerichtshof
auf die ihm vom Arbeitsgericht Hamburg mit
Beschluss vom 5 . Juli 1982 vorgelegten Fragen für Recht erkannt :
1 . Die Richtlinie 76/207 schreibt nicht vor , als Sanktion für eine wegen
des Geschlechts erfolgte Diskriminierung beim Zugang zur Beschäftigung den
Arbeitgeber , der Urheber der Diskriminierung ist , zum Abschluss eines
Arbeitsvertrags mit dem diskriminierten Bewerber zu verpflichten.
2. Die Richtlinie begründet hinsichtlich der Sanktionen für eine etwaige
Diskriminierung keine unbedingte und hinreichend bestimmte Verpflichtung ,
auf die sich ein einzelner mangels rechtzeitig erlassener
Durchführungsmaßnahmen berufen könnte , um aufgrund der Richtlinie eine
bestimmte Widergutmachung zu erlangen , wenn eine solche Rechtsfolge nach
den nationalen Rechtsvorschriften nicht vorgesehen oder zugelassen ist
.
3. Die Richtlinie 76/207 überlässt es zwar den Mitgliedstaaten , die
Sanktion für einen Verstoß gegen das Diskriminierungsverbot unter den
verschiedenen Möglichkeiten auszuwählen , die zur Verwirklichung des Ziels
der Richtlinie geeignet sind ; Entscheidet sich ein Mitgliedstaat jedoch
dafür , als Sanktion für einen Verstoß gegen dieses Verbot eine
Entschädigung zu gewähren , so muss diese jedenfalls , damit ihre
Wirksamkeit und ihre abschreckende Wirkung gewährleistet sind , in einem
angemessenen Verhältnis zu dem erlittenen Schaden stehen und somit über
einen rein symbolischen Schadensersatz wie etwa die bloße Erstattung der
Bewerbungskosten hinausgehen . Es ist Sache des nationalen Gerichts , das
zur Durchführung der Richtlinie erlassene Gesetz unter voller Ausschöpfung
des Beurteilungsspielraues , den ihm das nationale Recht einräumt , in
Übereinstimmung mit den Anforderungen des Gemeinschaftsrechts auszulegen und
anzuwenden .
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