Gebot zur effektiven Umsetzung der Richtlinie, Gewährleistung praktischer Wirksamkeit (effet utile); Modalitäten und Voraussetzungen eines auf das Gemeinschaftsrecht gestützten Entschädigungsanspruchs dürfen nicht ungünstiger sein als die, die im Rahmen der vergleichbaren innerstaatlichen Regelung vorgesehen sind (Grundsatz der Nichtdiskriminierung des Gemeinschaftsrechts) -
Richtlinie 76/207/EWG des Rates vom 9. Februar 1976 zur Verwirklichung des Grundsatzes der Gleichbehandlung von Männern und Frauen hinsichtlich des Zugangs zur Beschäftigung, zur Berufsbildung und zum beruflichen Aufstieg sowie in bezug auf die Arbeitsbedingungen
EuGH, Urteil v. 22. April 1997, Rs. C-180/95 - Draehmpaehl
Fundstellen:
EuGH Slg. 1997, I-2195
NJW 1997, 1839
Leitsätze
3 Entscheidet sich ein Mitgliedstaat dafür, den Verstoß gegen das Verbot der
Ungleichbehandlung männlicher und weiblicher Arbeitnehmer im Rahmen einer
Regelung über die zivilrechtliche Haftung des Arbeitgebers mit einer
Sanktion zu belegen, so muß der Verstoß gegen das Verbot der
Ungleichbehandlung für sich genommen ausreichen, um die volle Haftung seines
Urhebers auszulösen, ohne daß die im nationalen Recht vorgesehenen
Rechtfertigungsgründe berücksichtigt werden können. Folglich stehen die
Richtlinie 76/207 und insbesondere ihre Artikel 2 Absatz 1 und 3 Absatz 1
einer innerstaatlichen gesetzlichen Regelung entgegen, die für einen
Anspruch auf Schadensersatz wegen Diskriminierung aufgrund des Geschlechts
bei der Einstellung die Voraussetzung des Verschuldens aufstellt.
4 Entscheidet sich ein Mitgliedstaat dafür, den Verstoß gegen das Verbot der
Ungleichbehandlung männlicher und weiblicher Arbeitnehmer mit der Sanktion
einer Entschädigung zu belegen, so muß diese Sanktion zur Gewährleistung
eines tatsächlichen und wirksamen Rechtsschutzes geeignet sein, eine
wirklich abschreckende Wirkung gegenüber dem Arbeitgeber haben und auf jeden
Fall in einem angemessenen Verhältnis zum erlittenen Schaden stehen.
Eine solche Schadensersatzregelung muß es erlauben, diesen Verstoß nach
ähnlichen sachlichen und verfahrensrechtlichen Regeln zu ahnden wie nach Art
und Schwere gleichartige Verstösse gegen das nationale Recht.
Daraus folgt, daß
- die Richtlinie 76/207 einer innerstaatlichen gesetzlichen Regelung
entgegensteht, die für den Schadensersatz, den ein Bewerber verlangen kann,
der bei der Einstellung aufgrund des Geschlechts diskriminiert worden ist,
im Gegensatz zu sonstigen innerstaatlichen zivil- und arbeitsrechtlichen
Regelungen eine Höchstgrenze von drei Monatsgehältern vorgibt, falls dieser
Bewerber bei diskriminierungsfreier Auswahl die zu besetzende Position
erhalten hätte, daß sie aber einer innerstaatlichen gesetzlichen Regelung
nicht entgegensteht, die für den Schadensersatz, den ein Bewerber verlangen
kann, eine Höchstgrenze von drei Monatsgehältern vorgibt, wenn der
Arbeitgeber beweisen kann, daß der Bewerber die zu besetzende Position wegen
der besseren Qualifikation des eingestellten Bewerbers auch bei
diskriminierungsfreier Auswahl nicht erhalten hätte, und daß
- die Richtlinie 76/207 einer innerstaatlichen gesetzlichen Regelung
entgegensteht, die für den von mehreren Bewerbern geltend gemachten
Schadensersatz, den Bewerber verlangen können, die bei der Einstellung
aufgrund des Geschlechts diskriminiert worden sind, im Gegensatz zu
sonstigen innerstaatlichen zivil- und arbeitsrechtlichen Regelungen eine
Höchstgrenze von kumulativ sechs Monatsgehältern vorgibt.
Sachverhalt und Gründe
1 Das Arbeitsgericht Hamburg hat mit Beschluß vom 22. Mai 1995, beim
Gerichtshof eingegangen am 9. Juni 1995, gemäß Artikel 177 EG-Vertrag vier
Fragen nach der Auslegung der Artikel 2 und 3 der Richtlinie 76/207/EWG des
Rates vom 9. Februar 1976 zur Verwirklichung des Grundsatzes der
Gleichbehandlung von Männern und Frauen hinsichtlich des Zugangs zur
Beschäftigung, zur Berufsbildung und zum beruflichen Aufstieg sowie in bezug
auf die Arbeitsbedingungen (ABl. L 39, S. 40; im folgenden: Richtlinie) zur
Vorabentscheidung vorgelegt.
2 Diese Fragen stellen sich in einem Rechtsstreit zwischen Herrn Drähmpähl
und der Urania Immobilienservice oHG (im folgenden: Firma Urania) wegen
Ersatzes des Schadens, den Herr Drähmpähl angeblich durch eine
Diskriminierung aufgrund des Geschlechts bei der Einstellung erlitten
hat.
Zur Richtlinie
3 Die Richtlinie hat nach ihrem Artikel 1 zum Ziel, daß in den
Mitgliedstaaten der Grundsatz der Gleichbehandlung von Männern und Frauen
hinsichtlich des Zugangs zur Beschäftigung, einschließlich des Aufstiegs,
und des Zugangs zur Berufsbildung sowie in bezug auf die Arbeitsbedingungen
verwirklicht wird.
4 Zu diesem Zweck bestimmt Artikel 2 Absatz 1 der Richtlinie, daß der
Grundsatz der Gleichbehandlung von Männern und Frauen beinhaltet, "daß keine
unmittelbare oder mittelbare Diskriminierung auf Grund des Geschlechts -
insbesondere unter Bezugnahme auf den Ehe- oder Familienstand - erfolgen
darf".
5 Nach Artikel 3 Absatz 1 der Richtlinie beinhaltet die Anwendung dieses
Grundsatzes, daß bei den Bedingungen des Zugangs - einschließlich der
Auswahlkriterien - zu den Beschäftigungen oder Arbeitsplätzen keine
Diskriminierung aufgrund des Geschlechts erfolgt. Nach Artikel 3 Absatz 2
Buchstabe a müssen die Mitgliedstaaten die notwendigen Maßnahmen treffen, um
sicherzustellen, daß die mit dem Grundsatz der Gleichbehandlung
unvereinbaren Rechts- und Verwaltungsvorschriften beseitigt werden.
6 Schließlich verpflichtet Artikel 6 der Richtlinie die Mitgliedstaaten zum
Erlaß der innerstaatlichen Vorschriften, die notwendig sind, damit jeder,
der sich wegen Nichtanwendung des Grundsatzes der Gleichbehandlung auf seine
Person für beschwert hält, nach etwaiger Befassung anderer zuständiger
Stellen seine Rechte gerichtlich geltend machen kann.
Zum nationalen Recht
7 Die im Ausgangsverfahren anzuwendenden nationalen Rechtsvorschriften über
die Gleichbehandlung von Männern und Frauen im Erwerbsleben sind im
Bürgerlichen Gesetzbuch (BGB) enthalten.
8 Nach § 611a Absatz 1 BGB darf der Arbeitgeber einen Arbeitnehmer bei einer
Vereinbarung oder Maßnahme, insbesondere bei der Begründung eines
Arbeitsverhältnisses, beim beruflichen Aufstieg, bei Weisungen oder bei
einer Kündigung, nicht wegen seines Geschlechts benachteiligen. Eine
unterschiedliche Behandlung wegen des Geschlechts ist jedoch zulässig,
soweit eine Vereinbarung oder Maßnahme eine Tätigkeit zum Gegenstand hat,
die aufgrund ihrer besonderen Art nur von Arbeitnehmern eines bestimmten
Geschlechts ausgeuebt werden kann. Die Beweislast dafür, daß die Tätigkeit
nur von Arbeitnehmern eines bestimmten Geschlechts ausgeuebt werden konnte,
trägt der Arbeitgeber.
9 Nach § 611a Absatz 2 BGB kann, wenn der Arbeitgeber bei der Begründung
eines Arbeitsverhältnisses einen Verstoß gegen das Benachteiligungsverbot
des Absatzes 1 zu vertreten hat, der benachteiligte Bewerber eine
angemessene Entschädigung in Geld in Höhe von höchstens drei
Monatsverdiensten verlangen. Als Monatsverdienst gilt, was dem Bewerber bei
regelmässiger Arbeitszeit in dem Monat, in dem das Arbeitsverhältnis hätte
begründet werden sollen, an Geld- und Sachbezuegen zugestanden
hätte.
10 Nach § 611b BGB darf der Arbeitgeber einen Arbeitsplatz nicht nur für
Arbeitnehmer eines bestimmten Geschlechts ausschreiben, es sei denn, daß ein
Fall des § 611a Absatz 1 Satz 2 vorliegt.
11 Nach § 61b Absatz 2 des Arbeitsgerichtsgesetzes (ArbGG) ist, wenn mehrere
Bewerber wegen Benachteiligung bei der Begründung eines Arbeitsverhältnisses
eine Entschädigung nach § 611a Absatz 2 BGB gerichtlich geltend machen, auf
Antrag des Arbeitgebers die Summe dieser Entschädigungen auf sechs
Monatsverdienste oder, wenn vom Arbeitgeber ein einheitliches
Auswahlverfahren mit dem Ziel der Begründung mehrerer Arbeitsverhältnisse
durchgeführt worden ist, auf zwölf Monatsverdienste zu begrenzen. Soweit der
Arbeitgeber Ansprüche auf Entschädigungen bereits erfüllt hat, ist der
Höchstbetrag, der sich aus Satz 1 ergibt, entsprechend zu verringern.
Übersteigen die Entschädigungen, die den Klägern zu leisten wären, insgesamt
diesen Höchstbetrag, so verringern sich die einzelnen Entschädigungen in dem
Verhältnis, in dem ihre Summe zu dem Höchstbetrag steht.
Zur Vorgeschichte des Rechtsstreits
12 Aus den Akten des Ausgangsverfahrens geht hervor, daß sich Herr Drähmpähl
mit Schreiben vom 17. November 1994 auf eine im "Hamburger Abendblatt"
erschienene Stellenanzeige der Firma Urania bewarb, die wie folgt lautete:
"Für unseren Vertrieb suchen wir eine versierte Assistentin der
Vertriebsleitung. Wenn Sie mit den Chaoten eines vertriebsorientierten
Unternehmens zurechtkommen können, diesen Kaffee kochen wollen, wenig Lob
erhalten und viel arbeiten können, sind Sie bei uns richtig. Bei uns muß
einer den Computer bedienen können und für die anderen mitdenken. Wenn Sie
sich dieser Herausforderung wirklich stellen wollen, erwarten wir Ihre
aussagefähigen Bewerbungsunterlagen. Aber sagen Sie nicht, wir hätten Sie
nicht gewarnt ..."
Die Firma Urania beantwortete das Schreiben von Herrn Drähmpähl nicht und
sandte ihm auch nicht seine Bewerbungsunterlagen zurück.
13 Unter Berufung darauf, daß er der für diese Stelle bestqualifizierte
Bewerber gewesen und bei der Einstellung aufgrund des Geschlechts
diskriminiert worden sei, erhob Herr Drähmpähl beim Arbeitsgericht Hamburg
Klage auf Schadensersatz in Höhe von dreieinhalb Monatsgehältern.
14 Aus den Akten des Ausgangsverfahrens geht ferner hervor, daß in einem
Parallelverfahren vor einer anderen Kammer des vorlegenden Gerichts ein
männlicher Mitbewerber wegen eines vergleichbaren Sachverhalts ebenfalls
Schadensersatz von der Firma Urania verlangt.
15 Das vorlegende Gericht vertritt die Ansicht, daß der Kläger des
Ausgangsverfahrens von der Firma Urania aufgrund seines Geschlechts
diskriminiert worden sei, da deren Stellenausschreibung nicht
geschlechtsneutral formuliert gewesen sei und augenscheinlich Frauen habe
ansprechen sollen. Das Gericht stellte ausserdem fest, daß keine Gründe
ersichtlich seien, die eine Ausnahme im Sinne von § 611a Absatz 1 BGB
rechtfertigten, und zog daraus den Schluß, daß die Firma Urania
grundsätzlich verpflichtet sei, den Kläger des Ausgangsverfahrens zu
entschädigen. Da es jedoch der Auffassung ist, daß der Ausgang des
Rechtsstreits von der Auslegung des Gemeinschaftsrechts abhänge, hat es das
Verfahren ausgesetzt und dem Gerichtshof folgende Fragen zur
Vorabentscheidung vorgelegt:
1. Verstösst eine gesetzliche Regelung, die für einen Schadensersatz wegen
Diskriminierung aufgrund des Geschlechts bei der Einstellung die
Voraussetzung des Verschuldens des Arbeitgebers aufstellt, gegen Artikel 2
Absatz 1 und Artikel 3 Absatz 1 der "Richtlinie des Rates vom 9. Februar
1976 zur Verwirklichung des Grundsatzes der Gleichbehandlung von Männern und
Frauen hinsichtlich des Zugangs zur Beschäftigung und zum beruflichen
Aufstieg sowie in bezug auf die Arbeitsbedingungen (76/207/EWG)"?
2. Verstösst eine gesetzliche Regelung, die für einen Schadensersatz wegen
Diskriminierung aufgrund des Geschlechts bei der Einstellung - im Gegensatz
zu sonstigen innerstaatlichen zivil- und arbeitsrechtlichen Regelungen - für
Bewerber/innen, die im Verfahren diskriminiert worden sind, die die zu
besetzende Position jedoch wegen der besseren Qualifikation des
eingestellten Bewerbers/der Bewerberin auch bei diskriminierungsfreier
Auswahl nicht erhalten hätten, eine Höchstgrenze von drei Monatsgehältern
vorgibt, gegen Artikel 2 Absatz 1 und Artikel 3 Absatz 1 der "Richtlinie des
Rates vom 9. Februar 1976 zur Verwirklichung des Grundsatzes der
Gleichbehandlung von Männern und Frauen hinsichtlich des Zugangs zur
Beschäftigung und zum beruflichen Aufstieg sowie in bezug auf die
Arbeitsbedingungen (76/207/EWG)"?
3. Verstösst eine gesetzliche Regelung, die für einen Schadensersatz wegen
Diskriminierung aufgrund des Geschlechts bei der Einstellung - im Gegensatz
zu sonstigen innerstaatlichen zivil- und arbeitsrechtlichen Regelungen - für
Bewerber/innen, die bei diskriminierungsfreier Auswahl die zu besetzende
Position erhalten hätten, eine Höchstgrenze von drei Monatsgehältern
vorgibt, gegen Artikel 2 Absatz 1 und Artikel 3 Absatz 1 der "Richtlinie des
Rates vom 9. Februar 1976 zur Verwirklichung des Grundsatzes der
Gleichbehandlung von Männern und Frauen hinsichtlich des Zugangs zur
Beschäftigung und zum beruflichen Aufstieg sowie in bezug auf die
Arbeitsbedingungen (76/207/EWG)"?
4. Verstösst eine gesetzliche Regelung, die für den von mehreren
Geschädigten geltend gemachten Schadensersatz wegen Diskriminierung aufgrund
des Geschlechts bei der Einstellung - im Gegensatz zu sonstigen
innerstaatlichen zivil- und arbeitsrechtlichen Regelungen - eine
Höchstgrenze von kumulativ sechs Monatsgehältern für alle diskriminierten
Personen vorgibt, gegen Artikel 2 Absatz 1 und Artikel 3 Absatz 1 der
"Richtlinie des Rates vom 9. Februar 1976 zur Verwirklichung des Grundsatzes
der Gleichbehandlung von Männern und Frauen hinsichtlich des Zugangs zur
Beschäftigung und zum beruflichen Aufstieg sowie in bezug auf die
Arbeitsbedingungen (76/207/EWG)"?
Zur ersten Frage
16 Mit seiner ersten Frage möchte das vorlegende Gericht im wesentlichen
wissen, ob die Richtlinie und insbesondere ihre Artikel 2 Absatz 1 und 3
Absatz 1 einer innerstaatlichen gesetzlichen Regelung entgegenstehen, die
für einen Anspruch auf Schadensersatz wegen Diskriminierung aufgrund des
Geschlechts bei der Einstellung die Voraussetzung des Verschuldens
aufstellt.
17 Insoweit hat der Gerichtshof bereits im Urteil vom 8. November 1990 in
der Rechtssache C-177/88 (Dekker, Slg. 1990, I-3941, Randnr. 22) dargelegt,
daß die Richtlinie die Haftung des Urhebers einer Diskriminierung keineswegs
vom Nachweis eines Verschuldens oder vom Fehlen eines Rechtfertigungsgrundes
abhängig macht.
18 Der Gerichtshof hat im vorerwähnten Urteil Dekker (Randnr. 25) ausserdem
folgendes ausgeführt: Entscheidet sich ein Mitgliedstaat für eine Sanktion,
die sich in den Rahmen einer Regelung über die zivilrechtliche Haftung des
Arbeitgebers einfügt, so muß der Verstoß gegen das Diskriminierungsverbot
für sich genommen ausreichen, um die volle Haftung seines Urhebers
auszulösen, ohne daß die im nationalen Recht vorgesehenen
Rechtfertigungsgründe berücksichtigt werden können.
19 Somit ist festzustellen, daß die Richtlinie einer innerstaatlichen
gesetzlichen Regelung entgegensteht, die wie § 611a Absätze 1 und 2 BGB für
einen Anspruch auf Schadensersatz wegen Diskriminierung aufgrund des
Geschlechts bei der Einstellung die Voraussetzung des Verschuldens
aufstellt.
20 Diese Schlußfolgerung kann durch das Argument der deutschen Regierung
nicht entkräftet werden, daß der Nachweis für ein solches Verschulden leicht
zu erbringen sei, da sich die Verschuldenshaftung nach deutschem Recht auf
vorsätzlich und fahrlässig begangene Handlungen erstrecke.
21 Insoweit ist auf die im vorerwähnten Urteil Dekker (Randnr. 25)
getroffene Feststellung hinzuweisen, daß die Richtlinie keinen
Rechtfertigungsgrund vorsieht, auf den sich der Urheber einer
Diskriminierung mit haftungsbefreiender Wirkung berufen könnte, und den
Ersatz eines solchen Schadens nicht vom Vorliegen eines Verschuldens
abhängig macht, gleichgültig, wie leicht der Nachweis dafür zu erbringen
ist.
22 Auf die erste Frage ist deshalb zu antworten, daß, wenn sich ein
Mitgliedstaat dafür entscheidet, den Verstoß gegen das
Diskriminierungsverbot im Rahmen einer zivilrechtlichen Haftungsregelung mit
einer Sanktion zu belegen, die Richtlinie und insbesondere ihre Artikel 2
Absatz 1 und 3 Absatz 1 einer innerstaatlichen gesetzlichen Regelung
entgegenstehen, die für einen Anspruch auf Schadensersatz wegen
Diskriminierung aufgrund des Geschlechts bei der Einstellung die
Voraussetzung des Verschuldens aufstellt.
Zur zweiten und zur dritten Frage
23 Mit diesen Fragen, die zusammen zu prüfen sind, möchte das vorlegende
Gericht im wesentlichen wissen, ob die Richtlinie einer innerstaatlichen
gesetzlichen Regelung entgegensteht, die für den Schadensersatz, den
Bewerber verlangen können, die aufgrund ihres Geschlechts bei der
Einstellung diskriminiert worden sind, eine Höchstgrenze von drei
Monatsgehältern vorgibt. Das Gericht möchte ferner wissen, ob diese Frage in
gleicher Weise zu beantworten ist, sowohl wenn es um Bewerber geht, die im
Einstellungsverfahren diskriminiert worden sind, aber die zu besetzende
Position wegen der besseren Qualifikation des eingestellten Bewerbers auch
bei diskriminierungsfreier Auswahl nicht erhalten hätten, als auch um
Bewerber, die bei der Einstellung diskriminiert worden sind und bei
diskriminierungsfreier Auswahl die zu besetzende Position erhalten hätten.
24 Die Richtlinie schreibt den Mitgliedstaaten zwar keine bestimmte Sanktion
vor; diese sind jedoch nach Artikel 6 verpflichtet, Maßnahmen zu ergreifen,
die hinreichend wirksam sind, um das Ziel der Richtlinie zu erreichen, und
dafür Sorge zu tragen, daß sich die Betroffenen vor den nationalen Gerichten
tatsächlich auf diese Maßnahmen berufen können (Urteil vom 10. April 1984 in
der Rechtssache 14/83, von Colson und Kamann, Slg. 1984, 1891, Randnr.
18).
25 Wenn sich ein Mitgliedstaat dafür entscheidet, den Verstoß gegen das
Diskriminierungsverbot mit der Sanktion einer Entschädigung zu belegen,
setzt die Richtlinie ausserdem voraus, daß diese Sanktion zur Gewährleistung
eines tatsächlichen und wirksamen Rechtsschutzes geeignet ist, eine wirklich
abschreckende Wirkung gegenüber dem Arbeitgeber hat und auf jeden Fall in
einem angemessenen Verhältnis zum erlittenen Schaden steht. Eine rein
symbolische Entschädigung würde den Erfordernissen einer wirksamen Umsetzung
der Richtlinie nicht gerecht (Urteil von Colson und Kamann, a. a. O.,
Randnrn. 23 und 24).
26 Das Vorbringen der deutschen Regierung, daß ein Schadensersatz von bis zu
drei Monatsgehältern über eine symbolische Entschädigung hinausgehe und dem
Arbeitgeber eine erhebliche, spürbare und abschreckende finanzielle
Belastung auferlege, so daß die diskriminierte Person einen beträchtlichen
Schadensersatz erhalte, kann ebenfalls nicht als stichhaltig angesehen
werden.
27 Wie der Gerichtshof im vorerwähnten Urteil von Colson und Kamann (Randnr.
23) ausgeführt hat, muß, wenn sich die Mitgliedstaaten dafür entscheiden,
die aufgrund einer durch die Richtlinie verbotenen Diskriminierung
erlittenen Schäden im Rahmen einer Regelung über die zivilrechtliche Haftung
des Arbeitgebers zu ersetzen, dieser Schadensersatz in einem angemessenen
Verhältnis zum erlittenen Schaden stehen.
28 Im übrigen ergibt sich aus dem Vorabentscheidungsersuchen, aus der
Antwort auf die Fragen des Gerichtshofes und aus den ergänzenden Angaben in
der mündlichen Verhandlung, daß die im Ausgangsverfahren anzuwendenden
Bestimmungen des deutschen Rechts für den zu zahlenden Schadensersatz eine
spezielle Höchstgrenze festlegen, die in sonstigen innerstaatlichen zivil-
und arbeitsrechtlichen Regelungen nicht vorgesehen ist.
29 Bei der Wahl der Lösung, die das Ziel der Richtlinie verwirklichen soll,
müssen die Mitgliedstaaten darauf achten, daß Verstösse gegen das
Gemeinschaftsrecht nach ähnlichen sachlichen und verfahrensrechtlichen
Regeln geahndet werden wie nach Art und Schwere gleichartige Verstösse gegen
das nationale Recht (Urteil vom 21. September 1989 in der Rechtssache 68/88,
Kommission/Griechenland, Slg. 1989, 2965, Randnr. 24).
30 Daraus folgt, daß innerstaatliche gesetzliche Regelungen, die für einen
Anspruch auf Schadensersatz wegen Diskriminierung aufgrund des Geschlechts
bei der Einstellung im Gegensatz zu sonstigen innerstaatlichen zivil- und
arbeitsrechtlichen Regelungen eine Höchstgrenze von drei Monatsgehältern
vorgeben, diese Voraussetzungen nicht erfüllen.
31 Fraglich ist, ob dies in gleicher Weise sowohl bei Bewerbern gilt, die
die zu besetzende Position wegen der besseren Qualifikation des
eingestellten Bewerbers auch bei diskriminierungsfreier Auswahl nicht
erhalten hätten, als auch bei Bewerbern, die bei diskriminierungsfreier
Auswahl die zu besetzende Position erhalten hätten.
32 Wie in den Randnummern 25 und 27 des vorliegenden Urteils ausgeführt, muß
der zu leistende Schadensersatz in einem angemessenen Verhältnis zum
erlittenen Schaden stehen.
33 Jedoch kann ein derartiger Schadensersatz der Tatsache Rechnung tragen,
daß bestimmte Bewerber auch bei diskriminierungsfreier Auswahl die zu
besetzende Position wegen der besseren Qualifikationen des eingestellten
Bewerbers nicht erhalten hätten. Es steht ausser Frage, daß solche Bewerber,
da sie nur einen Schaden erlitten haben, der sich aus ihrem Ausschluß von
dem Einstellungsverfahren ergibt, nicht geltend machen können, ihr Schaden
sei ebenso hoch wie der von Bewerbern, die bei diskriminierungsfreier
Auswahl die zu besetzende Position erhalten hätten.
34 Ein Bewerber, der zu der in Randnummer 31 des vorliegenden Urteils
genannten ersten Gruppe gehört, hat daher nur einen Schaden erlitten, der
aus der Nichtberücksichtigung seiner Bewerbung wegen einer Diskriminierung
aufgrund des Geschlechts folgt, während ein zur zweiten Gruppe gehörender
Bewerber einen Schaden erlitten hat, der sich daraus ergibt, daß seine
Einstellung gerade deshalb unterblieben ist, weil der Arbeitgeber wegen
einer Diskriminierung aufgrund des Geschlechts seine Bewerbungsunterlagen
objektiv fehlerhaft beurteilt hat.
35 In Anbetracht dieser Erwägungen erscheint es nicht unangemessen, daß ein
Mitgliedstaat eine gesetzliche Vermutung aufstellt, wonach der Schaden, den
ein Bewerber der ersten Gruppe erleidet, eine Höchstgrenze von drei
Monatsgehältern nicht übersteigen kann.
36 Der Arbeitgeber, der über sämtliche eingereichten Bewerbungsunterlagen
verfügt, hat zu beweisen, daß der Bewerber die zu besetzende Position auch
dann nicht erhalten hätte, wenn keine Diskriminierung stattgefunden hätte.
37 Unter diesen Umständen ist auf die zweite und die dritte Frage zu
antworten, daß die Richtlinie 76/207 einer innerstaatlichen gesetzlichen
Regelung nicht entgegensteht, die für den Schadensersatz, den ein Bewerber
verlangen kann, eine Höchstgrenze von drei Monatsgehältern vorgibt, wenn der
Arbeitgeber beweisen kann, daß der Bewerber die zu besetzende Position wegen
der besseren Qualifikation des eingestellten Bewerbers auch bei
diskriminierungsfreier Auswahl nicht erhalten hätte. Die Richtlinie steht
jedoch einer innerstaatlichen gesetzlichen Regelung entgegen, die für den
Schadensersatz, den ein Bewerber verlangen kann, der bei der Einstellung
aufgrund des Geschlechts diskriminiert worden ist, im Gegensatz zu sonstigen
innerstaatlichen zivil- und arbeitsrechtlichen Regelungen eine Höchstgrenze
von drei Monatsgehältern vorgibt, falls dieser Bewerber bei
diskriminierungsfreier Auswahl die zu besetzende Position erhalten hätte.
Zur vierten Frage
38 Mit seiner vierten Frage möchte das vorlegende Gericht im wesentlichen
wissen, ob die Richtlinie einer innerstaatlichen gesetzlichen Regelung
entgegensteht, die eine Höchstgrenze für den Schadensersatz vorsieht, den
mehrere bei der Einstellung aufgrund des Geschlechts diskriminierte Bewerber
insgesamt beanspruchen können.
39 Wie der Gerichtshof im vorerwähnten Urteil von Colson und Kamann (Randnr.
23) ausgeführt hat, setzt die Richtlinie voraus, daß die von den
Mitgliedstaaten gewählte Sanktion eine wirklich abschreckende Wirkung
gegenüber dem Arbeitgeber haben und in einem angemessenen Verhältnis zu den
erlittenen Schäden stehen muß, damit sie einen tatsächlichen und wirksamen
Rechtsschutz gewährleistet.
40 Offensichtlich kann eine Bestimmung wie § 61b Absatz 2 ArbGG, die für den
von mehreren Bewerbern geltend gemachten Schadensersatz eine Höchstgrenze
von kumulativ sechs Monatsgehältern für alle bei der Einstellung aufgrund
des Geschlechts diskriminierten Bewerber vorgibt, dazu führen, daß geringere
Entschädigungen gewährt und die geschädigten Bewerber von der Geltendmachung
ihrer Rechte abgehalten werden. Eine solche Auswirkung entspräche nicht den
in der Richtlinie aufgestellten Erfordernissen eines tatsächlichen und
wirksamen Rechtsschutzes und einer wirklich abschreckenden Wirkung gegenüber
dem Arbeitgeber.
41 Im übrigen geht aus dem Vorabentscheidungsersuchen, aus der Antwort auf
die Fragen des Gerichtshofes und aus den ergänzenden Angaben in der
mündlichen Verhandlung hervor, daß eine solche kumulative Höchstgrenze für
einen Schadensersatz in sonstigen innerstaatlichen zivil- und
arbeitsrechtlichen Regelungen nicht vorgesehen ist.
42 Wie der Gerichtshof bereits festgestellt hat, dürfen die Modalitäten und
Voraussetzungen eines auf das Gemeinschaftsrecht gestützten
Entschädigungsanspruchs aber nicht ungünstiger sein als die, die im Rahmen
der vergleichbaren innerstaatlichen Regelung vorgesehen sind (Urteil
Kommission/Griechenland, a. a. O., Randnr. 24).
43 Deshalb ist zu antworten, daß die Richtlinie einer innerstaatlichen
gesetzlichen Regelung entgegensteht, die für den von mehreren Bewerbern
geltend gemachten Schadensersatz, den Bewerber verlangen können, die bei der
Einstellung aufgrund des Geschlechts diskriminiert worden sind, im Gegensatz
zu sonstigen innerstaatlichen zivil- und arbeitsrechtlichen Regelungen eine
Höchstgrenze von kumulativ sechs Monatsgehältern vorgibt.
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