Vorlage an den EuGH nach
Art. 234 EGV auch bei überschießender Umsetzung von Gemeinschaftsrecht;
eingeschränkte Überprüfung der Entscheidungserheblichkeit der Vorlagefrage
durch den EuGH
EuGH v. 16.3.2007, Rs.
C‑3/04 (Poseidon Chartering)
Fundstelle:
noch nicht bekannt
Tenor:
Artikel 1 II der
Richtlinie 86/653/EWG des Rates vom 18. 12. 1986 zur Koordinierung der
Rechtsvorschriften der Mitgliedstaaten betreffend die selbständigen
Handelsvertreter ist dahin auszulegen, dass, wenn ein selbständiger
Gewerbetreibender mit dem Abschluss eines einzigen Vertrages betraut wurde,
der danach während mehrerer Jahre verlängert worden ist, die in dieser
Bestimmung aufgestellte Voraussetzung der Dauerhaftigkeit verlangt, dass der
Gewerbetreibende vom Unternehmer damit betraut worden ist, die aufeinander
folgenden Verlängerungen dieses Vertrages zu vermitteln.
Zentrale Probleme:
Die Entscheidung ist für die Ausbildung in zweierlei
Hinsicht von methodischem Interesse für das Verhältnis
Europarecht/Privatrecht. Es ging um eine Vorlage an den EuGH nach Art. 234
EGV.
1. Für das vorlegende Gericht bestand aber keine Pflicht zur
richtlinienkonformen Auslegung, weil der (holländische) nationale
Gesetzgeber die Richtlinie "überumgesetzt" hatte, d.h. das nationale
Umsetzungsgesetz im sachlichen Anwendunsgbereich weiter gefaßt hat, als es
die Richtlinie verlangte (was ihm freisteht). In diesem Bereich besteht kein
europarechtliches Gebot richtlinienkonformer Auslegung, der Inhalt der
Richtlinie ist aber mittelbar relevant für die Auslegung nach nationalen
Kriterien. Das ist auch in Deutschland gerade im Zusammenhang mit dem neuen
Schuldrecht und der darin erfolgten Überumsetzung der
Verbrauchgüterkaufrichtlinie relevant (s. zB
Köhler/Lorenz, PdW SchuldR II Fall
1). Nach der sog. "Heininger-Rechtsprechung" des BGH (zum HtWiG) ist nämlich
nicht davon auszugehen, daß der Gesetzgeber in einem solchen Fall eine
gespaltene Auslegung ein und derselben Norm beabsichtigt (s. dazu
BGH NJW 2002, 1881).
Der Regelungsgehalt der Richtlinie ist dann auch im Rahmen einer (allein im
autonomen Recht wurzelnden) "richtlinienorientierten" Auslegung zu beachten.
Der EuGH bestätigt hier erneut, daß auch in einem solchen Fall nach Art. 234
EGV eine Vorlage an den EuGH zur Auslegung der Richtlinie, die dem
nationalen Gesetzgeber ohne europarechtliche Verpflichtung hierzu "Modell"
stand, in Betracht kommt. Für das deutsche Recht bedeutet dies, daß
potentiell jeder Kaufrechtsfall zu einer Vorlage an den EuGH führen kann,
auch wenn kein Verbraucher beteiligt ist (Rn. 15 ff).
Offen ist, ob in einem solchen Fall auch eine Vorlagepflicht besteht. S.
dazu auch die Anm. zu
EuGH, Urt. v. 4.7.2006, Rs. C-212/04.
2. Eine Vorlage nach Art. 234 EGV setzt weiter Entscheidungserheblichkeit
voraus (s. dazu die Anm. zu
BGH NJW 2006, 3200).
Erneut bestätigt aber der EuGH seine Ansicht, daß diese Frage als Frage des
nationalen Rechts von ihm nur sehr eingeschränkt überprüft wird (Rn.
14): Es sei allein Sache des nationalen Gerichts, im Hinblick auf die
Besonderheiten der jeweiligen Rechtssache sowohl die Erforderlichkeit einer
Vorabentscheidung zum Erlass seines Urteils als auch die Erheblichkeit der
dem Gerichtshof von ihm vorgelegten Fragen zu beurteilen. Der Gerichtshof
könne das Ersuchen eines nationalen Gerichts nur zurückweisen, wenn
offensichtlich ist, dass die erbetene Auslegung in keinem Zusammenhang mit
der Realität oder dem Gegenstand des Ausgangsrechtsstreits steht oder dass
die Frage allgemeiner oder hypothetischer Natur ist. Daher wird der EuGH
auch im Fall
BGH NJW 2006, 3200
die an sich nicht entscheidungserhebliche Vorlagefrage beantworten.
©sl 2007
Tatbestand:
1 Das Vorabentscheidungsersuchen betrifft die Auslegung der Artikel 1 II, 7
I und 17 der Richtlinie 86/653/EWG des Rates vom 18. 12. 1986 zur
Koordinierung der Rechtsvorschriften der Mitgliedstaaten betreffend die
selbständigen Handelsvertreter (ABl. L 382, S. 17, im Folgenden:
Richtlinie).
2 Dieses Ersuchen ergeht im Rahmen einer Klage der Poseidon Chartering BV
(im Folgenden: Poseidon ) gegen die Marianne Zeeschip VOF sowie Herrn Mooij,
Herrn Schram und Frau Sijswerda (im Folgenden zusammen: Zeeschip) auf
Zahlung von Schadensersatz, entgangenen Provisionen und eines Ausgleichs
wegen Kündigung eines Vertrages.
Rechtlicher Rahmen
Gemeinschaftsregelung
3 Nach Artikel 1 II der Richtlinie ist „Handelsvertreter …, wer als
selbständiger Gewerbetreibender ständig damit betraut ist, für eine andere
Person (im Folgenden Unternehmer genannt) den Verkauf oder den Ankauf von
Waren zu vermitteln oder diese Geschäfte im Namen und für Rechnung des
Unternehmers abzuschließen“.
4 Hinsichtlich der Vergütung bestimmt Artikel 7 I der Richtlinie:
„Für ein während des Vertragsverhältnisses abgeschlossenes Geschäft hat der
Handelsvertreter Anspruch auf die Provision,
a) wenn der Geschäftsabschluss auf seine Tätigkeit zurückzuführen ist oder
b) wenn das Geschäft mit einem Dritten abgeschlossen wurde, den er bereits
vorher für Geschäfte gleicher Art als Kunden geworben hatte.“
5 Was die finanziellen Folgen der Beendigung des Vertragsverhältnisses für
den Handelsvertreter angeht, so sieht Artikel 17 der Richtlinie vor:
„(1) Die Mitgliedstaaten treffen die erforderlichen Maßnahmen dafür, dass
der Handelsvertreter nach Beendigung des Vertragsverhältnisses Anspruch auf
Ausgleich nach II oder Schadensersatz nach III hat.
(2) a) Der Handelsvertreter hat Anspruch auf einen Ausgleich, wenn und
soweit
– er für den Unternehmer neue Kunden geworben oder die Geschäftsverbindungen
mit vorhandenen Kunden wesentlich erweitert hat und der Unternehmer aus den
Geschäften mit diesen Kunden noch erhebliche Vorteile zieht und
– die Zahlung eines solchen Ausgleichs unter Berücksichtigung aller
Umstände, insbesondere der dem Handelsvertreter aus Geschäften mit diesen
Kunden entgehenden Provisionen, der Billigkeit entspricht. Die
Mitgliedstaaten können vorsehen, dass zu diesen Umständen auch die Anwendung
oder Nichtanwendung einer Wettbewerbsabrede i.S. des Artikels 20 gehört.
b) Der Ausgleich darf einen Betrag nicht überschreiten, der einem jährlichen
Ausgleich entspricht, der aus dem Jahresdurchschnittsbetrag der Vergütungen,
die der Handelsvertreter während der letzten fünf Jahre erhalten hat,
errechnet wird; ist der Vertrag vor weniger als fünf Jahren geschlossen
worden, wird der Ausgleich nach dem Durchschnittsbetrag des entsprechenden
Zeitraums ermittelt.
c) Die Gewährung dieses Ausgleichs schließt nicht das Recht des
Handelsvertreters aus, Schadensersatzansprüche geltend zu machen.
…“
Nationale Regelung
6 Die Richtlinie ist mit den Artikeln 428 bis 445 des Burgerlijk Wetboek
(Bürgerliches Gesetzbuch) in das niederländische Recht umgesetzt worden.
Diese Artikel entsprechen im Wesentlichen den Bestimmungen der Richtlinie,
außer dass diese nach ihrem Artikel 1 II für Geschäfte gilt, die im „Verkauf
oder … Ankauf von Waren“ bestehen, während die niederländischen Bestimmungen
auch für Geschäfte gelten, die Dienstleistungen zum Gegenstand haben. So
bestimmt Artikel 7:428 I des Burgerlijk Wetboek, der Artikel 1 II der
Richtlinie umsetzt:
„Der Handelsvertretervertrag ist ein Vertrag, mit dem eine Partei, der
Unternehmer, die andere Partei, den Handelsvertreter, beauftragt und dieser
sich verpflichtet, für eine bestimmte oder unbestimmte Zeit gegen Vergütung
das Zustandekommen von Verträgen zu vermitteln und diese gegebenenfalls im
Namen und für Rechnung des Unternehmers zu schließen, ohne diesem
untergeordnet zu sein.“
Ausgangsverfahren und Vorlagefragen
7 Dem Vorlagebeschluss ist zu entnehmen, dass Poseidon als Vermittlerin im
Rahmen eines Schiffschartervertrags zwischen Zeeschip und der Gesellschaft
Maritramp tätig war. Dieser Vertrag wurde in der Zeit von 1994 bis 2000
jährlich verlängert. Während dieser Zeit legte Poseidon insbesondere das
Ergebnis der jährlichen Verhandlungen über die Verlängerung des
Chartervertrags zwischen den Vertragsparteien in einem Zusatz zum Vertrag
nieder. Von 1994 bis 2000 erhielt Poseidon eine Provision in Höhe von 2,5 %
des Charterpreises.
8 Nach Beendigung der vertraglichen Beziehungen zwischen Zeeschip und
Poseidon verlangte diese von Zeeschip Schadensersatz wegen Nichteinhaltung
der Kündigungsfrist, die Zahlung von 14 229,89 Euro für entgangene
Provisionen und einen Betrag von 14 471,29 Euro als
Handelsvertreterausgleich.
9 Zeeschip lehnte die Zahlung mit der Begründung ab, dass Poseidon nicht als
Handelsvertreter anzusehen sei, da sie nur einen einzigen Vertrag vermittelt
habe. Kennzeichnend für einen Handelsvertretervertrag sei, dass der
Vertreter bei mehreren Verträgen vermittle.
10 Unter diesen Umständen hat die mit dem Ausgangsrechtsstreit befasste
Rechtbank Utrecht beschlossen, das Verfahren auszusetzen und dem Gerichtshof
folgende Fragen zur Vorabentscheidung vorzulegen:
1. Handelt es sich um einen Handelsvertreter i.S. der Richtlinie 86/653/EWG,
wenn es um einen selbständigen Gewerbetreibenden geht, der beim
Zustandekommen (nicht verschiedener, sondern) eines Vertrages (das Chartern
eines Schiffes) vermittelt hat, der jedes Jahr verlängert wird und wonach im
Zusammenhang mit der Verlängerung des Charterns die jährlichen
Frachtverhandlungen (im Zeitraum von 1994 bis 2000 außer im Jahr 1999)
zwischen dem Eigner des Schiffes und einem Dritten geführt werden und das
Verhandlungsergebnis von dem Gewerbetreibenden in einem Vertragszusatz
niedergelegt wird?
2. Ist es für die Beantwortung der Frage 1 auch von Belang, dass, wenn
beurteilt werden muss, ob ein Handelsvertretervertrag vorliegt, jahrelang
eine Vergütung (Provision) in Höhe von 2,5 % der Chartergebühr gezahlt
worden ist und/oder dass Artikel 7 I der Richtlinie von einem
„abgeschlossenen Geschäft“ und dem Bestehen eines Anspruchs auf (die)
Provision spricht, „wenn das Geschäft mit einem Dritten abgeschlossen wurde,
den [der Handelsvertreter] bereits vorher für Geschäfte gleicher Art als
Kunden geworben hatte“?
3. Ist es für die Beantwortung der Frage 1 auch von Belang, dass in Artikel
17 der Richtlinie von „Kunden“ statt von „Kunde“ die Rede ist?
Zur Zuständigkeit des Gerichtshofes
11 Mit Schreiben vom 2. 9. 2004 hat die Kanzlei des Gerichtshofes das
vorlegende Gericht darauf hingewiesen, dass die Richtlinie, wie sich aus
ihrem Artikel 1 II ergibt, nur selbständige Gewerbetreibende betrifft, die
mit der Vermittlung von Warenverträgen betraut sind, und nicht solche, die
mit der Vermittlung von Dienstleistungsverträgen betraut sind (vgl.
Beschluss vom 6. 3. 2003 in der Rechtssache C‑449/01, Abbey Life Assurance,
nicht in der amtlichen Sammlung veröffentlicht). Die Kanzlei des
Gerichtshofes hat das Gericht gefragt, ob es unter diesen Umständen sein
Vorabentscheidungsersuchen aufrechterhalte.
12 In ihrer Antwort hat die Rechtbank mitgeteilt, dass sie ihr Ersuchen
aufrechterhalten wolle. Sie hat erklärt, dass der niederländische
Gesetzgeber bei der Umsetzung der Richtlinie in nationales Recht den
Anwendungsbereich des Begriffes „Handelsvertreter“ auf
Dienstleistungsverträge erstreckt habe. Sie hat außerdem betont, dass sie
insbesondere um eine Auslegung bestimmter Begriffe der Richtlinie ersuche,
wie z. B. des Ausdrucks „ständig damit betraut“ in Artikel 1 II und des
Begriffes des Handelsvertreterausgleichs in Artikel 17. Der Umstand, dass
die niederländische Regelung über den Handelsvertretervertrag, für die die
Richtlinie Modell gestanden habe, diesen Vertrag in einem weiteren Sinne
definiere als die Richtlinie, bedeute nicht, dass es für die Auslegung
bestimmter Begriffe der Richtlinie notwendig sei, dass das vorlegende
Gericht über eine Sache zu entscheiden habe, die nur den engeren Begriff des
Handelsvertreters/Handelsvertretervertrags betreffe.
13 Vor diesem Hintergrund haben Poseidon und die Kommission den Gerichtshof
ersucht, die vorgelegten Fragen zu beantworten.
14 Insoweit ist zunächst festzustellen, dass es im
Rahmen der durch Artikel 234 EG geschaffenen Zusammenarbeit zwischen dem
Gerichtshof und den nationalen Gerichten allein Sache des nationalen
Gerichts ist, im Hinblick auf die Besonderheiten der jeweiligen Rechtssache
sowohl die Erforderlichkeit einer Vorabentscheidung zum Erlass seines
Urteils als auch die Erheblichkeit der dem Gerichtshof von ihm vorgelegten
Fragen zu beurteilen. Der Gerichtshof kann das Ersuchen eines nationalen
Gerichts nur zurückweisen, wenn offensichtlich ist, dass die erbetene
Auslegung in keinem Zusammenhang mit der Realität oder dem Gegenstand des
Ausgangsrechtsstreits steht oder dass die Frage allgemeiner oder
hypothetischer Natur ist (vgl. u. a. Urteile vom 15. 12. 1995 in der
Rechtssache C‑415/93, Bosman, Slg. 1995, I‑4921, Randnrn. 59 bis 61, vom 27.
11. 1997 in der Rechtssache C‑369/95, Somalfruit und Camar, Slg. 1997,
I‑6619, Randnrn. 40 und 41, vom 13. 7. 2000 in der Rechtssache C‑36/99,
Idéal tourisme, Slg. 2000, I‑6049, Randnr. 20, vom 7. 1. 2003 in der
Rechtssache C‑306/99, BIAO, Slg. 2003, I‑1, Randnr. 88, und vom 7. 6. 2005
in der Rechtssache C‑17/03, VEMW u. a., Slg. 2005, I‑4983, Randnr. 34).
15 Betreffen die von den nationalen Gerichten
vorgelegten Fragen die Auslegung einer Vorschrift des Gemeinschaftsrechts,
so ist der Gerichtshof daher grundsätzlich gehalten, darüber zu befinden.
Weder aus dem Wortlaut des Artikels 234 EG noch aus dem Zweck des durch
diesen Artikel errichteten Verfahrens ergibt sich nämlich, dass die
Verfasser des Vertrages von der Zuständigkeit des Gerichtshofes solche
Vorabentscheidungsersuchen ausnehmen wollten, die sich auf eine
Gemeinschaftsvorschrift in dem besonderen Fall beziehen, dass das nationale
Recht eines Mitgliedstaats zur Bestimmung der auf eine rein innerstaatliche
Situation anwendbaren Vorschriften auf den Inhalt dieser Vorschrift verweist
(Urteile vom 17. 7. 1997 in der Rechtssache C‑130/95, Giloy, Slg. 1997,
I‑4291, Randnr. 21, und vom 11. 1. 2001 in der Rechtssache C‑1/99, Kofisa
Italia, Slg. 2001, I‑207, Randnr. 21).
16 Richten sich nämlich nationale Rechtsvorschriften wegen der Lösungen,
die sie für rein innerstaatliche Situationen vorsehen, nach den im
Gemeinschaftsrecht angewandten Lösungen, um insbesondere das Auftreten von
Diskriminierungen oder etwaigen Wettbewerbsverzerrungen zu verhindern, so
besteht ein unbestreitbares Gemeinschaftsinteresse daran, dass zur
Vermeidung künftiger Auslegungsdivergenzen die vom Gemeinschaftsrecht
übernommenen Bestimmungen oder Begriffe unabhängig davon, unter welchen
Voraussetzungen sie anzuwenden sind, einheitlich ausgelegt werden (vgl.
Urteile vom 17. 7. 1997 in der Rechtssache C‑28/95, Leur‑Bloem, Slg. 1997,
I‑4161, Randnr. 32; Giloy, Randnr. 28, und Kofisa Italia, Randnr. 32).
17 Auch wenn sich die Fragen im vorliegenden Fall auf einen Vertrag mit
einem Gewerbetreibenden beziehen, der mit der Vermittlung eines
Dienstleistungsvertrags und nicht eines Vertrages über den Ver‑ oder Ankauf
von Waren betraut ist, und die Richtlinie daher die betreffende Situation
nicht unmittelbar regelt, so bleibt es doch dabei, dass der nationale
Gesetzgeber bei der Umsetzung der Richtlinienbestimmungen in das
innerstaatliche Recht beschlossen hat, diese beiden Arten von Situationen
gleichzubehandeln.
18 Außerdem enthalten die Akten nichts, was annehmen ließe, dass das
vorlegende Gericht von der Auslegung der Richtlinienbestimmungen durch den
Gerichtshof abweichen könnte.
19 In einem solchen Fall sind, wie der Generalanwalt in den Nummern 13 bis
16 seiner Schlussanträge vorgeschlagen hat, die vorgelegten Fragen zu
beantworten.
Zu den Vorlagefragen
20 Mit seinen Fragen, die zusammen zu prüfen sind, möchte das vorlegende
Gericht im Wesentlichen wissen, ob ein unabhängiger Gewerbetreibender, der
mit dem Abschluss eines einzigen Schiffschartervertrags betraut ist, der
dann während mehrerer Jahre verlängert wird, unter den Begriff des
Handelsvertreters i.S. der Richtlinie fällt.
21 Nach Auffassung der Kl. des Ausgangsverfahrens und der Kommission ist die
Besonderheit, dass es sich um einen einzigen Vertrag handelt, nicht
ausschlaggebend, wenn der Gewerbetreibende seine Tätigkeit ständig ausübe.
Im vorliegenden Fall sei im Hinblick auf die Verlängerung des Vertrages
während mehrerer Jahre der dauerhafte Charakter der Tätigkeit des
Gewerbetreibenden ohne weiteres gegeben.
22 Die Kommission erwähnt außerdem, dass in dem von ihr am 17. 12. 1976
vorgelegten Vorschlag einer Richtlinie des Rates zur Koordinierung der
Rechte der Mitgliedstaaten die (selbständigen) Handelsvertreter betreffend
(ABl. 1977, C 13, S. 2) die Definition des Handelsvertreters in Artikel 2
ausdrücklich „eine unbestimmte Vielzahl“ von Geschäften enthalten habe, eine
Voraussetzung, die nicht in die endgültige Fassung des Artikels 1 II der
Richtlinie übernommen worden sei.
23 Die Kommission fügt hinzu, dass nach Artikel 3 dieses Vorschlags die
Richtlinie nicht „auf Handelsvertreter, die nur ein einzelnes oder bestimmte
einzelne Geschäfte für den Auftraggeber zu vermitteln oder in dessen Namen
abzuschließen“ hätten, anwendbar gewesen sei. Diese Bestimmung tauche aber
nicht in der endgültigen Fassung der Richtlinie auf, was bedeute, dass die
vorgeschlagene Einschränkung vom Gemeinschaftsgesetzgeber bewusst nicht
übernommen worden sei.
24 Insoweit ist daran zu erinnern, dass ein Handelsvertretervertrag, wie
sich aus Artikel 1 II der Richtlinie ergibt, insbesondere dadurch
gekennzeichnet ist, dass der Vertreter, der als selbständiger
Gewerbetreibender definiert wird, vom Unternehmer einen ständigen
Vermittlungsauftrag erhalten hat. Diese Konzeption geht aus mehreren
Bestimmungen der Richtlinie, insbesondere den Artikeln 3 und 4 über die
Erfordernisse von Treu und Glauben zwischen den Vertragsparteien, den
Artikeln 6 ff. über die Vergütung des Vertreters während der Dauer des
Vertragsverhältnisses und den Artikeln 17 ff. über die Ansprüche des
Vertreters nach Beendigung des Vertrages, hervor.
25 Die Zahl der Geschäfte, die der Gewerbetreibende für den Unternehmer oder
in dessen Namen und für dessen Rechnung abschließt, ist normalerweise ein
Indikator für die genannte Dauerhaftigkeit. Wie das vorlegende Gericht
bemerkt hat, verwendet Artikel 17 II Buchstabe a der Richtlinie den Begriff
des Kunden im Plural. Doch ist, wie der Generalanwalt in Nummer 24 seiner
Schlussanträge feststellt, die Zahl der Geschäfte nicht der einzige
entscheidende Faktor für die Beurteilung des dauerhaften Charakters des
Auftrags, den der Unternehmer dem Gewerbetreibenden erteilt hat.
26 Ist ein Gewerbetreibender damit betraut worden, für den Unternehmer oder
in dessen Namen und für dessen Rechnung einen einzigen Vertrag zu schließen,
der dann während mehrerer Jahre verlängert wird, so verlangt die in Artikel
1 II der Richtlinie aufgestellte Voraussetzung der Dauerhaftigkeit, dass
dieser Gewerbetreibende vom Unternehmer ständig damit betraut worden ist,
die aufeinander folgenden Verlängerungen des betreffenden Vertrages zu
vermitteln, es sei denn, dass es andere Faktoren gibt, die das Bestehen
eines ständigen Vermittlungsauftrags erkennen lassen. Es ist Sache des
nationalen Gerichts, die insoweit erforderlichen Feststellungen zu treffen.
Der bloße Umstand, dass der Gewerbetreibende während der gesamten
Vertragsdauer Beziehungen zu dem Unternehmer unterhalten hat, genügt für
sich allein nicht als Nachweis für das Bestehen eines solchen Auftrags.
27 Demnach ist auf die Vorlagefragen zu antworten, dass Artikel 1 II der
Richtlinie dahin auszulegen ist, dass, wenn ein selbständiger
Gewerbetreibender mit dem Abschluss eines einzigen Vertrages betraut wurde,
der danach während mehrerer Jahre verlängert worden ist, die in dieser
Bestimmung aufgestellte Voraussetzung der Dauerhaftigkeit verlangt, dass der
Gewerbetreibende vom Unternehmer damit betraut worden ist, die aufeinander
folgenden Verlängerungen dieses Vertrages zu vermitteln.
Kosten
28 Für die Parteien des Ausgangsverfahrens ist das Verfahren ein
Zwischenstreit in dem bei dem vorlegenden Gericht anhängigen Rechtsstreit;
die Kostenentscheidung ist daher Sache dieses Gerichts. Die Auslagen anderer
Beteiligter für die Abgabe von Erklärungen vor dem Gerichtshof sind nicht
erstattungsfähig.
Aus diesen Gründen hat der Gerichtshof (Erste Kammer) für Recht erkannt:
Artikel 1 II der Richtlinie 86/653/EWG des Rates vom 18. 12. 1986 zur
Koordinierung der Rechtsvorschriften der Mitgliedstaaten betreffend die
selbständigen Handelsvertreter ist dahin auszulegen, dass, wenn ein
selbständiger Gewerbetreibender mit dem Abschluss eines einzigen Vertrages
betraut wurde, der danach während mehrerer Jahre verlängert worden ist, die
in dieser Bestimmung aufgestellte Voraussetzung der Dauerhaftigkeit
verlangt, dass der Gewerbetreibende vom Unternehmer damit betraut worden
ist, die aufeinander folgenden Verlängerungen dieses Vertrages zu
vermitteln.
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