Unteranknüpfung bei Mehrrechtsstaaten (Art. 4 III EGBGB) – interlokales Privatrecht der verwiesenen Rechtsordnung, „engste Verbindung“


OLG Düsseldorf, Urteil v. 20.12.1994 - 1 UF 76/94


Fundstelle:

FamRZ 1995, 1203


1. Ist in einem Vorprozeß eine Klage aus Vertrag, Gesamtgläubigerschaft, unerlaubter Handlung und ungerechtfertigter Bereicherung bezüglich eines Vermögenswertes rechtskräftig abgewiesen worden, so steht einer auf denselben Vermögenswert gestützten Klage auf Ausgleich des Zugewinns der Einwand der rechtskräftig entschiedenen Sache nicht entgegen.
2. Auf den Zugewinnausgleichsanspruch zwischen geschiedenen Eheleuten aus unterschiedlichen Teilrepubliken des früheren Jugoslawien ist die Teilrechtsordnung anzuwenden, zu der die Parteien bei der Eheschließung die engsten Beziehungen hatten (hier: frühere gemeinsame Urlaubsreisen und Rückkehrabsicht in die Wojwodina).
3. Zum Zugewinnausgleich nach der serbischen Teilrechtsordnung der Wojwodina.


Aus den Gründen 

Die Berufung des AGg. hat nur teilweise Erfolg.
Der vom AmtsG zugesprochene Zugewinnausgleichsbetrag ist von 7.500 DM auf 6.500 DM herabzusetzen.

I.

Der vom AGg. erhobene Einwand der rechtskräftig entschiedenen Sache greift nicht durch. …(wird ausgeführt)

II.

Auf den vorliegenden Fall ist das Recht der jugoslawischen Teilrechtsordnung der zu Serbien gehörenden Wojwodina anzuwenden.

Nachdem das AmtsG davon ausgegangen ist, daß beide Parteien die Staatsangehörigkeit von Bosnien-Herzegowina besitzen, hat sich im Berufungsverfahren herausgestellt, daß die ASt. in P./Wojwodina geboren ist und daß es deshalb an einer gemeinsamen Staatsangehörigkeit der Parteien fehlt.

Die Rechtslage stellt sich deshalb nunmehr wie folgt dar:

Gemäß Art. 15 I EGBGB unterliegen die güterrechtlichen Wirkungen der Ehe - also auch der Zugewinnausgleich - dem bei der Eheschließung für die allgemeinen Wirkungen der Ehe maßgebenden Recht, an das unwandelbar anzuknüpfen ist (MünchKomm/Siehr, BGB, 2. Aufl., Art. 15 EGBGB Rz. 51).

Damit wird auf Art. 14 EGBGB verwiesen, nach dessen Abs. I S. 1 die allgemeinen Wirkungen der Ehe dem Recht des Staates unterliegen, dem beide Ehegatten angehören. Bei der Eheschließung gehörten beide Parteien dem damaligen jugoslawischen Staat an, welcher mehrere Teilrechtsordnungen besaß. Nach Art. 4 III S. 1 EGBGB ist in einem solchen Fall nach dem jugoslawischen Recht zu beurteilen, welche Teilrechtsordnung anzuwenden ist.

Einschlägig ist insoweit das Gesetz betreffend die Entscheidung über Gesetzes- und Zuständigkeitskollisionen in Status-, Familien- und Erbbeziehungen v. 27. 2. 1979 (abgedruckt bei Bergmann/Ferid, Internationales Ehe- und Kindschaftsrecht, Jugoslawien, S. 601). Nach dessen Art. 16 kommt es auf den gemeinsamen Wohnsitz oder die gemeinsame Republik-Staatsangehörigkeit an, woran es hier fehlt. Die Parteien haben entgegen den weiteren Anknüpfungsmöglichkeiten des genannten Art. 16 auch nicht in Jugoslawien, sondern in D. [Bundesrepublik Deutschland] die Ehe geschlossen und sich auf die Anwendung einer bestimmten jugoslawischen Teilrechtsordnung nicht einigen können. Bei dieser Sachlage ist gemäß Art. 4 III S. 2 EGBGB diejenige Teilrechtsordnung anzuwenden, mit welcher der Sachverhalt - das ist hier die Eheschließung - am engsten verbunden ist.

Das ist die Teilrechtsordnung der Wojwodina, wobei möglicherweise diese Verbindung als relativ lose anzusehen ist; entscheidend ist aber, daß die Verbindung auf jeden Fall enger ist als etwa die Verbindung zu Bosnien-Herzegowina. Im übrigen ist  der Zugewinnausgleich in den verschiedenen Teilrechtsordnungen des ehemaligen Jugoslawien ähnlich ausgestaltet, so daß sich im Ergebnis keine Abweichung ergeben würde.

Daß die Verbindung zu P./Wojwodina am engsten ist, ergibt sich zunächst daraus, daß die Parteien in der mündlichen Verhandlung vor dem Senat übereinstimmend erklärt haben, sie hätten vor der Ehe bereits zehn Jahre zusammengelebt und drei Kinder gehabt, von denen eines vor der Ehe gestorben sei; während dieser zehn Jahre seien sie in Urlaub meistens nach P. zu den Eltern der ASt. gefahren und hätten dort den Urlaub verbracht; in Urlaub nach Bosnien seien sie nur selten gefahren. Der AGg. hat in der mündlichen Verhandlung vor dem Senat weiter erklärt, er hätte schon vor der Eheschließung vorgehabt, nach einigen Jahren nach P. ,,zurückzukehren''. Er hat zwar hinzugefügt, die ASt. habe sich dann später widersetzt. Für die Richtigkeit der Erklärung des AGg. spricht aber die Tatsache, daß er unstreitig später in P. ein Grundstück sowie landwirtschaftliche Geräte gekauft hat. In diesem Zusammenhang heißt es im unstreitigen Tatbestand des vorerwähnten Urteils des LG:

,,Weil sie i. J. 1984 beabsichtigten, eines Tages nach Jugoslawien zurückzukehren, wo der Bekl. Eigentümer eines Grundstücks war, und nebenberuflich Landwirtschaft zu betreiben, wurden dort ein Traktor, ein Anhänger, ein Pflug und eine Aussähmaschine für insgesamt 22.000 DM gekauft.''

III.

Maßgebend sind mithin Art. 46 und 47 des Gesetzes über die Ehe v. 4. 2. 1975 für die Wojwodina (abgedruckt bei Bergmann/Ferid, a.a.O., S. 145).

Gemäß Art. 46 bleibt das Vermögen, welches zur Zeit der Eheschließung einem Ehegatten gehört, sein Sondereigentum.

Das gemeinschaftliche Vermögen, welches die Ehegatten während der Ehe erworben haben, wird nach Art. 47 gemäß dem Beitrag eines jeden der Ehegatten geteilt. Die Höhe der Anteile jedes Ehegatten am gemeinschaftlichen Vermögen bestimmt im Streitfalle das Gericht nach dessen Beitrag unter Würdigung aller Umstände. Dabei wird nicht nur das Arbeitseinkommen eines Ehegatten berücksichtigt, sondern auch die Hilfe eines Ehegatten für den anderen, seine Führung des Haushaltes, Sorge für die Erhaltung des Vermögens und jede andere Art der Arbeit und Mitarbeit in der Verwaltung, Erhaltung und Mehrung des gemeinsamen Vermögens.

Nach dieser Regelung wird also nicht - wie beim gesetzlichen Güterstand nach deutschem Recht - der Zugewinn der Ehegatten durch die Differenz von Anfangs- und Endvermögen ermittelt. Es kommt vielmehr nur auf das später von den Eheleuten erworbene Vermögen an, welches vom Gericht zwischen den Eheleuten aufzuteilen ist. Hierbei werden vorliegend von den Parteien keine besonderen Umstände geltend gemacht noch sind solche sonst ersichtlich, die dafür sprechen würden, einer der Parteien einen größeren Anteil am gemeinschaftlichen Vermögen zuzusprechen als der anderen Partei. Also steht das gemeinschaftliche Vermögen beiden Parteien zur Hälfte zu.

Die Bestimmung durch das Gericht erfolgt ,,im Streitfalle'' (Art. 47 II), das heißt sie kann jederzeit - unabhängig von einem Scheidungsverfahren - getroffen werden. Spätere Veränderungen, insbesondere die Beseitigung von Vermögenswerten durch einen Ehegatten nach der Trennung, können dann keine Rolle mehr spielen; entscheidend muß sein, welches Vermögen im Zeitpunkt der Trennung vorhanden war; dieses ist dann hier hälftig zu teilen. Insoweit ist die Rechtslage - soweit ersichtlich - in den einzelnen Teilrechtsordnungen des ehemaligen Jugoslawien nach den gleichen Grundsätzen geregelt. So ist auch nach dem kroatischen Recht im Zweifel davon auszugehen, daß das im Zeitpunkt der Trennung vorhandene gemeinschaftliche Vermögen beiden Ehegatten zu gleichen Teilen gehört (OLG Koblenz, FamRZ 1994, 1258). Auch bei Anwendung des Rechts von Bosnien-Herzegowina - Art. 266 und 267 des Gesetzes über die Familie v. 25. 5. 1979 - ergibt sich kein Unterschied, wie aus dem angefochtenen Urteil des AmtsG hervorgeht.

IV. …