Brieftestament: Vorliegen von Testierwillen; Auslegung nach § 133 BGB, nicht
§ 2084 BGB
OLG Köln,
Beschluß v. 14.06.1995 - 2 Wx 21/95
Fundstelle:
FamRZ 1995, 1301
Leitsatz:
1. Ein Brieftestament kann auch in einem
an ein Gericht gerichteten Schriftsatz enthalten sein. Erforderlich ist
aber, daß der Erblasser in diesem Schriftsatz die letztwillige Verfügung
trifft, nicht nur von einer anderweitig getroffenen letztwilligen Verfügung
berichtet.
2. Erst wenn nach der gemäß § 133 BGB vorzunehmenden Auslegung feststeht,
daß eine letztwillige Verfügung getroffen ist, kommt eine Auslegung nach §
2084 BGB in Betracht.
Gründe:
I. Der ledige und kinderlose Erblasser lebte bis zum Tode seiner Mutter i.
J. 1986 mit dieser in einer Wohnung, der Vater war schon 1968 verstorben.
Zwischen ihm und einem seiner insgesamt sechs Geschwister kam es 1987 zum
Streit über den Nachlaß der Mutter. In der Beschwerdeinstanz des
Auskunftsverfahrens vor dem LG K. heißt es im handschriftlichen und
eigenhändig unterschriebenen Schriftsatz des Erblassers v. 18. 8. 1987 auf
S. 2:
,,Eidesstattliche Versicherung
Ich . . . gebe folgende eidesstattliche Versicherung ab: Meine Mutter
hatte nur ein Postsparbuch mit 1 DM Kontostand. Auch auf meinem
Postsparbuch ist der Kontostand seit Jahren unverändert und beträgt 1
DM. Es ist kein Geld umgeschrieben worden. Mein Vater hatte kein
Postsparbuch. Er ist vor 20 Jahren verstorben. Es wird behauptet, daß
nicht meine Schwester, sondern mein Neffe das ganze Geld bekommen
sollte, das die Mutter hinterlassen hat. Das stimmt nicht. Die Mutter
hat mir kein Geld hinterlassen. Ich wurde von der Freundin meiner
Schwester angesprochen. Ich habe zu ihr gesagt, wenn mir was passieren
sollte, soll alles was ich habe, dem K. (Beteiligter [Bet.] zu 1)
gehören. Er ist mein Patenkind. Von Geld war überhaupt keine Rede.
Hochachtungsvoll''
Am 13. 6. 1994
hat der Bet. zu 1 beim AmtsG die Erteilung eines Alleinerbscheins unter
Hinweis auf den oben wiedergegebenen Inhalt des Schriftsatzes v. 18. 8. 1987
beantragt, den er als testamentarische Erbeinsetzung ansieht.
Am 9. 6. 1994 hat der Bet. zu 2 beantragt, ihm einen Teilerbschein zu 1/5 zu
erteilen, da im Schreiben v. 18. 8. 1987 kein Testament zu sehen sei und
daher die gesetzliche Erbfolge gelte.
Durch Beschluß v. 22. 9. 1994 hat das AmtsG einen Vorbescheid mit der
Ankündigung erlassen, einen Teilerbschein mit dem beantragten Inhalt zu
erteilen.
Das LG hat die gegen den Vorbescheid gerichteten Beschwerden der Bet. zu 1
und 4 zurückgewiesen.
Mit der weiteren Beschwerde rügt der Bet. zu 1, daß das LG die Indizien, die
für einen im Schreiben v. 18. 8. 1987 zum Ausdruck gekommenen Testierwillen
sprächen, nicht hinreichend berücksichtigt und aufgeklärt habe.
II. Die weitere Beschwerde ist nicht begründet. Das LG hat die gegen den
Vorbescheid des AmtsG gerichtete Beschwerde zu Recht zurückgewiesen.
Das Schreiben des Erblassers v. 18. 8. 1987, gerichtet an das LG K., ist
nicht als letztwillige Verfügung mit Erbeinsetzung des Bet. zu 1 anzusehen.
Wie schon das LG zutreffend hervorgehoben hat, kann allerdings ein Testament
auch in Briefform abgefaßt werden (vgl. Senat, Beschluß v. 26. 3. 1990 -
Wx 50/89 -; Soergel/Harder, BGB, 12. Aufl., § 2247 Rz. 40, m. w. N.).
Dabei ist nicht erforderlich, daß der Brief an den Begünstigten gerichtet
ist, sondern der Adressat des Briefes ist gleichgültig. Insoweit ist es auch
möglich, daß eine letztwillige Verfügung in einem an ein Gericht gerichteten
Schriftsatz enthalten ist, denn ein solcher Schriftsatz ist nichts anderes
als ein an das Gericht gerichteter Brief.
Ob eine in einem Brief enthaltene Erklärung als letztwillige Verfügung
anzusehen ist, richtet sich nach der gemäß § 133 BGB vorzunehmenden
Auslegung der Erklärung. Erst wenn danach feststeht, daß der Erblasser eine
Erklärung seines letzten Willens abgegeben hat, kommt eine Auslegung der
letztwilligen Verfügung nach § 2084 BGB in Betracht (BayObLGZ 1963, 58;
Soergel/Harder, a. a. O.; Prior, JuS 1978, 772, 776, m. w. N.).
Im Streitfall hat das LG im Schreiben v. 18. 8. 1987 rechtsfehlerfrei eine
letztwillige Verfügung nicht gesehen. Voraussetzung dafür, in einem Brief
eine letztwillige Verfügung zu sehen, ist, daß der Erblasser im Brief selbst
die Verfügung von Todes wegen errichtet hat, es genügt nicht, daß in dem
Brief lediglich auf eine anderweit getroffene Verfügung Bezug genommen oder
von ihr berichtet wird (vgl. Soergel/Harder, a. a. O.).
Im Streitfall ergibt sich aus dem Brief nur, daß der Erblasser eine
Erklärung gegenüber der Freundin seiner Schwester abgegeben hat ,,Ich habe
zu ihr gesagt, wenn mir was passieren sollte, soll alles was ich habe, dem
K. gehören''. Nicht in dem Brief hat somit der Erblasser eine letztwillige
Verfügung getroffen, sondern in ihm nur eine mündlich abgegebene Erklärung
wiedergegeben. Der Brief tritt somit nicht an die Stelle der letztwilligen
Verfügung, sondern in ihm wird nur davon berichtet, daß ein Erblasserwille
anderweit erklärt worden ist. Die gesetzlichen Wirksamkeitsvoraussetzungen
(z. B. Eigenhändigkeit und Unterschrift) müssen in diesem Fall von der
letztwilligen Verfügung selbst erfüllt werden, es genügt nicht, daß ein
Brief, der nur von einer unwirksamen Verfügung berichtet, seinerseits diese
Anforderungen erfüllen würde. Eine anderweitige formwirksame letztwillige
Verfügung zugunsten des Bet. zu 1 ist jedoch nicht vorhanden.
Entgegen der Auffassung der weiteren Beschwerde ergibt sich auch aus den
Gesamtumständen bei der Erklärung v. 18. 8. 1987 gegenüber dem Gericht
nicht, daß der Erblasser die bisher nur mündliche Erklärung zugunsten des
Bet. zu 1 nunmehr formgerecht wiederholen wollte. Das LG hat dazu
überzeugend und rechtsfehlerfrei ausgeführt, daß es dem Erblasser in seinem
Schreiben an das Gericht in erster Linie um die Klarstellung ging, daß ein
Erbe nach der Mutter nicht vorhanden war, aber kein Anlaß bestand, bei
dieser Gelegenheit eigene letztwillige Verfügungen zu treffen, die Umstände
somit gegen einen gleichzeitigen Testierwillen sprechen. Diese Auslegung des
Schreibens ist naheliegend und möglich und somit nicht rechtsfehlerhaft,
denn auch die Auslegung gemäß § 133 BGB ist nur eingeschränkt auf
Rechtsfehler nachprüfbar (vgl. Senat, FamRZ 1989, 549, 550; FamRZ 1993, 735,
m. w. N.).
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