Materielle
Höchstpersönlichkeit der Erbeinsetzung (§ 2065 BGB): "Bezeichnung" durch
einen Dritten
KG, Beschluß
v. 5.2.1998 - 1 W 6796/95
Fundstelle:
FamRZ 1998, 1202
Leitsatz:
1. Die Erbeinsetzung unter einer
Bedingung, deren Eintritt von einem Dritten, etwa dem
Testamentsvollstrecker, festgestellt werden soll, verstößt nicht gegen §
2065 BGB, wenn die Voraussetzungen des Bedingungseintritts durch sachliche
Kriterien hinreichend bestimmt angegeben und nicht dem Ermessen des Dritten
überlassen sind und die Anordnung des Erblassers dahin auszulegen ist, daß
der Dritte gegebenenfalls zur Feststellung des Bedingungseintritts
verpflichtet ist.
2. Die Feststellung des Bedingungseintritts hat in entsprechender Anwendung
des § 2198 I S. 2 BGB durch Abgabe einer öffentlich beglaubigten Erklärung
gegenüber dem Nachlaßgericht zu erfolgen.
Gründe:
Der i. J. 1921 in Berlin verstorbene Erblasser war verheiratet mit der i. J.
1942 nachverstorbenen J. Aus der Ehe gingen die - nachverstorbenen -
gemeinsamen Söhne der Ehegatten A. und B. hervor. Der 1947 in den USA
verstorbene A. hinterließ ebenfalls zwei Söhne, nämlich den 1911 geborenen
K. E., der nach Stellung des Erbscheinsantrages des vorliegenden Verfahrens
verstorben und von der Beteiligten [Bet.] zu 1 beerbt worden ist, sowie den
1915 geborenen E. A., der i. J. 1991 verstarb. B. verstarb 1959 kinderlos in
Argentinien. Seine Witwe verstarb 1977 ebendort. Nachlaßpfleger für seine
nicht bekannten Erben ist der Bet. zu 2. Zum Nachlaß gehörten mehrere
Grundstücke, wobei hinsichtlich eines der Grundstücke
Rückübertragungsansprüche nach dem Vermögensgesetz in Betracht kommen.
Der Erblasser setzte durch eigenhändiges Testament v. 14. 12. 1915 seine
Ehefrau zu seiner Vorerbin, seine Söhne A. und B. bei ihrem Tode zu seinen
Nacherben und deren Abkömmlinge für den Fall des Vorversterbens seiner Söhne
zu Ersatznacherben ein. Er ordnete Testamentsvollstreckung an und berief
neben seinem Sohn A. weitere Personen als Testamentsvollstrecker, wobei
stets zwei das Amt gemeinsam führen und unverzüglich nach Amtsantritt einen
Nachfolger ernennen sollten. Weiter bestimmte er:
"§ 4
Mein Sohn B. ist durch Bauunternehmungen außerordentlich überschuldet.
Nur dadurch, daß ich erhebliche Zahlungen (175.480 Mk.) für ihn leistete
und persönlich für ihn mich in Höhe von etwa 50.000 Mark verbürgte,
konnte er vor dem gänzlichen wirtschaftlichen Zusammenbruch gerettet
werden. Sein späterer Erwerb ist durch seine Schuldenlasten erheblich
gefährdet. Ich bestimme daher, daß sein Erbteil für die Dauer seines
Lebens durch die im Testament in § 8 ernannten Testamentsvollstrecker
verwaltet wird. Die Testamentsvollstrecker sind ermächtigt, aber nicht
verpflichtet, den Reinertrag seines Erbteiles abzüglich der
Verwaltungskosten an ihn auszuhändigen. Hiermit beabsichtigte ich nicht
nur die Substanz seinen Nacherben zu sichern, sondern auch die Nutzungen
jedem Zugriff seiner Gläubiger zu entziehen. Stirbt er mit Hinterlassung
von ehelichen Abkömmlingen, so fällt sein Erbteil an diese als dessen
Nacherben zu gleichen Teilen . . . Stirbt er während der angeordneten
Testamentsvollstreckung ohne Hinterlassung von Abkömmlingen, so tritt
überall an deren Stelle mein Sohn A., im Falle seines Ablebens aber die
Nachkömmlinge des Letzteren. . . . Bis zu der nach vorstehenden
Bestimmungen zulässigen Aufteilung und Ausschüttung des Nacherbteiles
meines Sohnes B. bleibt die Verwaltung in den Händen der eingesetzten
Testamentsvollstrecker.
§ 5
Weist mein Sohn B. den Testamentsvollstreckern glaubhaft nach, daß er
sich in geordneter und vor Gläubigern gesicherter wirtschaftlicher Lage
befindet, so sind die Testamentsvollstrecker berechtigt, die sämtlichen
Bestimmungen des § 4 als nicht vorhanden zu behandeln, ihn vielmehr
seinem Bruder A. gleich zu stellen. Die angeordneten Beschränkungen,
zumal die Einsetzung der Nacherbfolge für ihn und des Nachvermächtnisses
für seine Ehefrau, fallen weg."
Das AmtsG
erteilte der Ehefrau des Erblassers unter dem 4. 6. 1921 einen Erbschein,
der sie als Vorerbin, ihre Söhne als Nacherben, deren Abkömmlinge als
Ersatznacherben und als weitere Nacherben nach B. dessen Abkömmlinge, als
weitere Ersatznacherben A. bzw. dessen Abkömmlinge auswies sowie einen
Vermerk hinsichtlich der angeordneten Testamentsvollstreckung enthielt. Mit
notariell beglaubigter Erklärung v. 5. 11. 1929 benannte der neben A.
amtierende weitere Testamentsvollstrecker als seinen Nachfolger den Sohn B.
des Erblassers, während A. gleichzeitig seine Ehefrau als seine Nachfolgerin
benannte. Über die Gründe der Ernennung des B. enthalten die Nachlaßakten
keine Angaben; insbesondere fehlt es an Hinweisen, daß ihr eine
Stabilisierung seiner wirtschaftlichen Verhältnisse i. S. der Bestimmung des
§ 5 des Testamentes vorausgegangen wäre, was die Bet. zu 1 verneint. Eine
Erklärung der Testamentsvollstrecker nach Maßgabe dieser Testamentsklausel
gegenüber dem NachlG ist nach dem Inhalt der Nachlaßakten nicht erfolgt. Die
später einsetzende nationalsozialistische Verfolgung führte dazu, daß A. und
seine Söhne mit ihren Familien in die USA emigrierten. Im Jahre 1938 legte
A. daher sein Amt als Testamentsvollstrecker wegen erfolgter Verlegung
seines Wohnsitzes in die USA nieder. Seine Ehefrau lehnte die Annahme des
Amtes aus dem gleichen Grunde ab. A. ernannte sodann einen weiteren
Testamentsvollstrecker in Berlin, der das Amt auch annahm. Nachdem im
gleichen Jahre auch der neben A. amtierende Testamentsvollstrecker das Amt
niedergelegt hatte, erklärte B. noch mit Schreiben aus Nizza die Annahme des
Amtes. Er verlegte später seinen Wohnsitz nach Argentinien.
Der ASt. hat mit Datum v. 6. 6. 1994 die Erteilung eines Erbscheins
beantragt, der den Sohn des Erblassers A. als Erben zu 1/2 und ihn sowie den
weiteren Enkel des Erblassers E. A. als Erben zu je 1/4 ausweisen soll. Das
AmtsG hat durch Beschluß v. 1. 9. 1994 den Erbschein v. 4. 6. 1921
eingezogen und den Erbscheinsantrag zurückgewiesen. Die gegen die
Zurückweisung des Erbscheinsantrages gerichtete Erstbeschwerde der Bet. zu 1
hat das LG durch den angefochtenen Beschluß zurückgewiesen. Hiergegen
richtet sich die weitere Beschwerde der Bet. zu 1, der der Bet. zu 2
entgegengetreten ist.
II. Die weitere Beschwerde ist gemäß §§ 27, 29 FGG zulässig. Sie hat auch in
der Sache Erfolg. Die angefochtene Entscheidung des LG, durch die die
Erstbeschwerde der Bet. zu 1 gegen die durch das AmtsG erfolgte
Zurückweisung des Erbscheinsantrages v. 6. 6. 1994 zurückgewiesen worden
ist, hält einer rechtlichen Nachprüfung nicht stand und ist daher
aufzuheben.
1. Zunächst rechtsfehlerfrei ist das LG davon ausgegangen, daß der Erblasser
durch sein Testament v. 14.12. 1915 seine Ehefrau J. zu seiner Vorerbin und
mit ihrem Tode seine Söhne A. und B. zu seinen Nacherben eingesetzt hatte.
Weiter hat es nach dem Gesamtzusammenhang der Beschlußgründe angenommen, daß
B. gemäß der Bestimmung des § 4 des Testamentes beim Tode der Vorerbin
seinerseits nur Vorerbe werden sollte und zu weiteren Nacherben bei seinem
Tode seine ehel. Abkömmlinge, bei Versterben ohne ehel. Abkömmlinge sein
Bruder A. und für den Fall des Versterbens seines Bruders A. vor ihm dessen
Abkömmlinge eingesetzt waren.
Die damit vorgenommene Einsetzung mehrerer Nacherben hintereinander mit der
Folge, daß der erste Nacherbe bei Eintritt des ersten Nacherbfalles den
weiteren Nacherben als Vorerbe gegenübersteht, ist regelmäßig zulässig und
auch vorliegend wirksam erfolgt. Zwar ist der weitere Nacherbfall, der Tod
des B., erst nach Ablauf von dreißig Jahren nach dem Erbfall erfolgt. Jedoch
lebte B., in dessen Person das den Eintritt des zweiten Nacherbfalls
bestimmende Ereignis eintreten sollte, im Zeitpunkt des Erbfalls bereits, so
daß die Nacherbeneinsetzung gemäß § 2109 I S. 2 Nr. 1 BGB wirksam geblieben
ist (vgl. zu Vorstehendem OLG Zweibrücken, Rpfleger 1977, 305, 306; OLG
Hamburg, FamRZ 1985, 538, 539; Staudinger/Behrends/Avenarius, BGB, 13.
Aufl., § 2100 Rz. 26 und § 2109 Rz. 7 f.).
Darüber hinaus hat das LG bei der Beurteilung der Erbenstellung des B. mit
Recht die Bestimmung des § 5 des Testamentes berücksichtigt. Das LG hat die
Klausel als Setzung einer Bedingung gedeutet, bei deren Eintritt die
Vorerbschaft zur Vollerbschaft erstarken und die weitere Nacherbfolge
entfallen sollte. Demgemäß ist es nach dem Gesamtzusammenhang seiner
Begründung davon ausgegangen, daß B. nach dem Tode der Vorerbin bis zum
Eintritt bzw. endgültigen Ausfall der Bedingung auflösend bedingter Vorerbe
(bei auflösend bedingter weiterer Nacherbfolge) und aufschiebend bedingter
Vollerbe (§2074 f. i. V. mit § 158 BGB) werden sollte. Insoweit sind
Rechtsfehler nicht ersichtlich.
2. Das LG hat jedoch weiter angenommen, daß die Bedingung des § 5 des
Testamentes bereits am 5. 11. 1929 eingetreten und B. daher bei dem Tode der
Vorerbin neben A. Vollerbe nach dem Erblasser geworden sei. Es ist insoweit
durch Auslegung dieser Klausel und angesichts der Vorschrift des § 2065 BGB
zu dem Ergebnis gelangt, der Erblasser habe den Wegfall der Beschränkungen
des § 4 des Testamentes einschließlich der weiteren Nacherbfolge nicht von
einer förmlichen Gleichstellungserklärung der Testamentsvollstrecker an das
NachlG abhängig gemacht, sondern deren in sonstiger Weise zum Ausdruck
gebrachte Überzeugung, daß B. sich in geordneter und vor Gläubigern
gesicherter wirtschaftlicher Lage befinde, für ausreichend erachtet. Weiter
hat es das Vorliegen einer solchen Überzeugung bei den
Testamentsvollstreckern der mit notariell beglaubigter Erklärung v. 5. 11.
1929 erfolgten Benennung des B. durch einen der amtierenden
Testamentsvollstrecker als seinen Nachfolger bei gleichzeitiger Benennung
einer Nachfolgerin auch durch den weiteren Testamentsvollstrecker A.
entnommen und angenommen, damit seien die Voraussetzungen, unter denen der
Erblasser die "Gleichstellung" seines Sohnes B. mit seinem Sohn A. und den
Wegfall der in § 4 des Testamentes hinsichtlich seines Erbteils angeordneten
Nacherbfolge vorgesehen hatte, bereits i. J. 1929 eingetreten. Sowohl dieses
Auslegungsergebnis als auch die zur wirtschaftlichen Lage des B.
abgeleiteten Feststellungen sind nicht frei von Rechtsfehlern.
a) Zwar kann die durch den Tatsachenrichter vorzunehmende Auslegung
letztwilliger Verfügungen, bei der gemäß § 133 BGB ausgehend von ihrem
Wortlaut der wirkliche Wille des Erblassers zu erforschen ist, vom Senat als
Rechtsbeschwerdegericht nur darauf überprüft werden, ob die Vorinstanz alle
wesentlichen Tatsachen berücksichtigt hat, gesetzliche oder allgemein
anerkannte Auslegungsregeln, allgemeine Erfahrungsgrundsätze oder
Denkgesetze beachtet hat oder eine in Betracht kommende andere Auslegung
überhaupt nicht erwogen hat, Umstände zu Unrecht verwertet oder für die
Auslegung wesentliche Umstände nicht beachtet hat oder den Sachverhalt
verfahrensfehlerhaft oder nicht erschöpfend aufgeklärt hat (§§ 12, 25 FGG,
vgl. dazu Jansen, FGG, 2. Aufl., § 27 Rz. 21; Keidel/Kuntze/Winkler, FG,
Teil A, 13. Aufl., § 27 FGG Rz. 47 f.). Dabei ist allein der dem LG
vorliegende Sachverhalt Gegenstand der rechtlichen Nachprüfung; neues
tatsächliches Vorbringen im Rechtsbeschwerdeverfahren ist nicht zu
berücksichtigen (§ 27 I S. 2 FGG i. V. mit §§ 550 f., 561 ZPO).
Die Ausführungen des LG zur Auslegung des § 5 des Testamentes sind jedoch
deswegen rechtsfehlerhaft, weil sie sich wesentlich auf die Erwägungen
stützten, daß eine Pflicht der Testamentsvollstrecker für den Fall der
Feststellung der Voraussetzungen für eine Gleichstellung des B. mit seinem
Bruder A. nicht bestanden habe und bei Annahme des Erfordernisses einer
förmlichen Gleichstellungserklärung daher die Klausel nach §2065 BGB
unwirksam wäre. Dabei hat das LG die naheliegende Auslegungsmöglichkeit
nicht erwogen, daß der Erblasser die Gleichstellung des B. mit seinem Bruder
A. nicht in das Belieben oder Ermessen der Testamentsvollstrecker gestellt
hat. Nach Wortlaut und Sinn der Klausel ist auch diese Auslegung möglich.
Die von dem Erblasser verwendete Formulierung, wonach die
Testamentsvollstrecker "berechtigt" sein sollten, ihn seinem Bruder A.
gleich zu stellen, läßt nicht lediglich die Deutung zu, daß sie hierzu nicht
auch verpflichtet sein sollten. Ebenso möglich ist nach dem Wortlaut, daß
der Erblasser die Testamentsvollstrecker bei Feststellung entsprechender
wirtschaftlicher Verhältnisse zur Gleichstellung des B. verpflichten wollte.
Den Testamentsvollstreckern würde damit die Stellung von Schiedsgutachtern
eingeräumt worden sein, die die Entscheidung über den Bedingungseintritt zu
treffen und diesen förmlich festzustellen haben. Diese Auslegungsmöglichkeit
hat das LG nicht bedacht und damit seine Auslegungsmöglichkeiten
rechtsfehlerhaft eingeschränkt. Seine Entscheidung unterliegt daher der
Aufhebung.
b) Auch die auf die am 5. 11. 1929 erfolgte Benennung des B. durch einen
Testamentsvollstrecker als seinen Nachfolger gestützte Annahme des LG, B.
habe sich bereits damals in wirtschaftlich geordneten Verhältnissen i. S.
des § 5 des Testamentes befunden, hält einer rechtlichen Nachprüfung nicht
stand. Das LG hat nicht berücksichtigt, daß die Benennung des B. als
Nachfolger im Amt des Testamentsvollstreckers aus verschiedenen anderen
Gründen als dem seiner wirtschaftlichen Konsolidierung erfolgt sein konnte
und daher die von ihm gezogene Schlußfolgerung nicht ohne weitere
Anhaltspunkte zuläßt. Es kann etwa die schlichte Verlegenheit, eine andere
zur Amtsausübung geeignete und bereite Person nicht zur Verfügung zu haben,
ursächlich gewesen sein. Auch die weitere Erwägung, daß seine Ernennung dem
Willen des Erblassers ansonsten widersprochen hätte und daher nicht erfolgt
wäre, wird allein durch das Testament nicht getragen. Darin ist eine
Ernennung des B. nicht ausdrücklich ausgeschlossen. Auch wollte der
Erblasser nach seiner in § 4 gegebenen Begründung nicht einen Zugriff B.,
sondern seiner Gläubiger auf den Nachlaß ausschließen. Ein solcher Zugriff
der Gläubiger wurde jedoch dadurch, daß B. zum Nachfolger in das Amt des
Testamentsvollstreckers ernannt wurde, noch nicht ermöglicht, zumal die
Testamentsvollstrecker jeweils gemeinsam das Amt auszuüben hatten.
3. Die angefochtene Entscheidung unterliegt nach alledem der Aufhebung. Der
Senat ist - soweit nicht dem AmtsG bestimmte Punkte zur abschließenden
Ermittlung und Prüfung zu überlassen sind - zu eigener Würdigung befugt, da
der Sachverhalt hinreichend geklärt ist und weitere Ermittlungsmöglichkeiten
insoweit nicht in Betracht kommen.
a) Der Senat versteht die Bestimmung des § 5 des Testamentes dahin, daß die
Testamentsvollstrecker im Falle der Feststellung, daß B. sich in geordneter
und vor Gläubigern gesicherter wirtschaftlicher Lage befinde, auch
verpflichtet waren, seine Gleichstellung mit A. und den Wegfall der
Beschränkungen des § 4 des Testamentes auszusprechen, und der Erblasser
ihnen insoweit keinen Entscheidungsspielraum eingeräumt hatte. Jedoch
bedurfte es eines förmlichen Aktes der Gleichstellung, an dem es hier fehlt.
Nach dem insoweit klaren Wortlaut der Testamentsklausel sollten für den
Fall, daß B. sich in geordneter und vor Gläubigern gesicherter
wirtschaftlicher Lage befand, die Testamentsvollstrecker zum einen
berechtigt sein, ihn seinem Bruder gleichzustellen (Satz 1), zum andern aber
die angeordneten Beschränkungen, insbesondere die Nacherbfolge wegfallen
(Satz 2). Hieraus folgt, daß die Testamentsvollstrecker zu prüfen und zu
entscheiden hatten, ob diese wirtschaftliche Lage des B. gegeben war. Weiter
legt diese Regelung und insbesondere die Verwendung des Begriffs der
Gleichstellung nahe, daß insoweit eine Erklärung der Testamentsvollstrecker
über die Feststellung der Voraussetzungen des § 5, die Gleichstellung des B.
und den Eintritt des Wegfalls der Beschränkungen des § 4 zu erfolgen hatte.
Die Verpflichtung der Testamentsvollstrecker zur Abgabe einer solchen
Erklärung folgt bereits aus der in § 4 gegebenen Begründung, wonach die
Anordnung der Nacherbfolge sowie der Fortdauer der Testamentsvollstreckung
für den Erbteil des B. auf dem Umstand beruhte, daß dieser zur Zeit der
Testamentserrichtung erheblich überschuldet war, und der Erblasser
beabsichtigte, auf diese Weise den Erbteil dem Zugriff des Gläubiger des B.
zu entziehen und den weiteren Nacherben zu sichern. Dies läßt es als
naheliegend erscheinen, daß er für den in § 5 umschriebenen Fall, daß die
Gefahr des Zugriffs der Gläubiger des B. nicht mehr gegeben und damit der
Grund für diese Regelung entfallen sein sollte, ihn auch seinem Bruder
gleichgestellt wissen wollte und die Entscheidung darüber nicht in das
Belieben oder Ermessen der Testamentsvollstrecker gestellt sein sollte. Auch
die in Satz 2 des § 5 getroffene Anordnung, wonach die Beschränkungen des §
4 ohne weiteres wegfallen sollten, läßt einen insoweit bestehenden
Entscheidungsspielraum der Testamentsvollstrecker als eher fernliegend
erscheinen.
In dieser Auslegung verstößt die Bestimmung des § 5 nicht gegen § 2065 BGB.
Nach § 2065 I BGB kann ein Erblasser eine letztwillige Verfügung nicht in
der Weise treffen, daß ein anderer zu bestimmen hat, ob sie gelten solle
oder nicht. Nach der Bestimmung des § 2065 II BGB darf der Erblasser die
Bestimmung der Person des Bedachten und des Gegenstandes der Zuwendung nicht
einem Dritten überlassen. § 2065 BGB zwingt den Erblasser damit, sich selbst
über den Inhalt aller wesentlichen Teile seiner letztwilligen Verfügung
schlüssig zu werden. Es ist ihm nicht gestattet, seinen letzten Willen in
der Weise unvollständig zu äußern, daß es einem Dritten überlassen bleibt,
ihn nach seinem Belieben oder Ermessen in wesentlichen Teilen zu ergänzen (BGHZ
15, 199, 200 = FamRZ 1955, 209).
Es ist jedoch anerkannt, daß der Erblasser durch die Vorschrift des § 2065
BGB nicht gehindert ist, seinen letzten Willen auch hinsichtlich der Person
des Bedachten und des Gegenstandes der Zuwendung bedingt zu äußern. Er kann
insbesondere eine Erbeinsetzung unter einer Bedingung vornehmen, wobei die
Bedingung auch in einem Tun oder Unterlassen des Bedachten oder eines
Dritten bestehen kann. Er muß jedoch die Person des Bedachten und den
Gegenstand der Zuwendung so bestimmt angeben, daß die Bestimmung des Erben
durch einen Dritten für jede sachkundige Person objektiv möglich ist, ohne
daß ihr eigenes Ermessen dabei bestimmend ist (BGHZ, a.a.O.). Nach diesen
Grundsätzen wird auch die Angabe komplexer, eine Wertung einschließender
Kriterien, wie es z. B. bei der Eignung einer Person zur Verwaltung eines
Nachlaßgegenstandes der Fall ist, allgemein für zulässig gehalten. Dem
entscheidungsberechtigten Dritten, bei dem es sich auch um den
Testamentsvollstrecker handeln kann, kommt insoweit eine Stellung nach Art
eines Schiedsgutachters bzw. Schiedsrichters zu, wobei die genaue rechtliche
Qualifikation vorliegend dahingestellt bleiben kann (vgl. zu
Vorstehendem KG, OLGE 43, 394; RGZ 159, 296, 299; BGH, WM 1970, 930, 931;
Senat, JR 1953, 422, 423; OLG Celle, NJW 1958, 953, 954; OLG Köln, FamRZ
1984, 822 = Rpfleger 1984, 236; FamRZ 1995, 57, 58; MünchKomm/Leipold, BGB,
3. Aufl., § 2065 Rz. 18; Staudinger/Otte a.a.O. § 1065 Rz. 30 ff.).
Danach ist die hier vorliegende Klausel nicht zu beanstanden. Die
Feststellung geordneter und vor Gläubigern gesicherter wirtschaftlicher Lage
kann anhand vorzulegender Bilanzen objektiv durch eine entsprechend
qualifizierte, über wirtschaftliche und kaufmännische Kenntnisse verfügende
Person erfolgen. Es ist davon auszugehen, daß hierzu auch die jeweiligen
Testamentsvollstrecker - ggf.unter Heranziehung von über entsprechende
Sachkunde verfügenden Personen - in der Lage waren. Auch soweit die
Beurteilung der wirtschaftlichen Situation des B. einen Wertungs- bzw.
Beurteilungsspielraum einschließen mochte, steht dies nach den eingangs
dargelegten Grundsätzen der Wirksamkeit der Klausel nicht entgegen.
Die Abgabe der gemäß § 5 des Testamentes erforderlichen Erklärung der
Testamentsvollstrecker in Ausübung ihrer Entscheidungsbefugnis hatte in
entsprechender Anwendung des §2198 I S. 2 BGB in öffentlich beglaubigter
Form gegenüber dem NachlG zu erfolgen. Dies ist hinsichtlich der
Durchführung vergleichbarer, durch letztwillige Verfügung eingeräumter
Auswahl- und Bestimmungsbefugnisse Dritter, für die das BGB keine
ausdrückliche Regelung enthält, allgemein anerkannt (vgl. Rötelmann, NJW
1958, 953, 954; Großfeld, JZ 1968, 113, 115; Haegele, BWNotZ 1972, 74, 77;
Klunzinger, BB 1970, 1197, 1201; jeweils zu § 2065 BGB: MünchKomm/Leipold,
a.a.O., Rz. 19; Palandt/Edenhofer, BGB, 57. Aufl., Rz. 5; Staudinger/Otte,
a.a.O., Rz. 41; BGB-RGRK/Johannsen, 12. Aufl., Rz. 16).
Denn ebenso wie in dem in § 2198 I S. 2 BGB ausdrücklich geregelten Fall der
Bestimmung des Testamentsvollstreckers durch einen Dritten, die die
Verfügungsbefugnis über den Nachlaß und damit den gesamten Nachlaß als
solchen betrifft, ist auch in Fällen der Auswahl- und Bestimmungsbefugnisse
Dritter - hier der Entscheidungsbefugnis Dritter über den Eintritt einer
bedingt angeordneten Erbfolge - der Nachlaß als solcher von der Entscheidung
des Dritten betroffen. In solchen Fällen muß schon aus Gründen der
Rechtssicherheit objektiv feststellbar feststehen, ob die bestimmungsbefugte
Person die ihr vom Erblasser eingeräumte Befugnis wirksam ausgeübt hat. Dies
ist nur möglich, wenn die Erklärung in zugänglicher Weise vorliegt.
Entsprechend der dem NachlG auch sonst zukommenden Funktion als
Bezugsinstanz für auf den Nachlaß bezogene bzw. für die Erbfolge erheblicher
Erklärungen (etwa in §§ 1945 I, 1955 BGB) hat die Erklärung des Dritten
daher gegenüber dem NachlG zu erfolgen. Das allgemein im Erbrecht und auch
hier bestehende Bedürfnis, Abgabe und Inhalt auf den Nachlaß bezogener
Erklärungen zweifelsfrei feststellen zu können, rechtfertigen daher die
entsprechende Anwendung des § 2198 I S. 2 BGB auf die Erklärung des Dritten.
Nach alledem setzte der Eintritt der in § 5 des Testamentes geregelten
Folgen eine Erklärung der Testamentsvollstrecker gegenüber dem NachlG in
öffentlich beglaubigter Form voraus, die die Feststellung, daß B. sich in
geordneter und vor Gläubigern gesicherter wirtschaftlicher Lage befinde,
seine Gleichstellung mit A. und den Wegfall der Beschränkungen des § 4 des
Testamentes umfassen sollte. Daß eine solche Erklärung nicht erfolgt ist,
hat das LG in Übereinstimmung mit dem Inhalt der Nachlaßakten festgestellt,
ohne daß insoweit weitere Ermittlungen veranlaßt sind.
b) Es kann auch nicht festgestellt werden, daß der Erblasser im Hinblick auf
die nach seinem Tode eingetretene politische Entwicklung, in deren Folge
seine Söhne und Enkel mit ihren Familien emigriert sind, von dem Erfordernis
einer förmlichen Gleichstellung seines Sohnes B. durch Erklärung der
Testamentsvollstrecker gegenüber dem NachlG abgesehen und ihn überhaupt oder
im Falle seines Befindens in geordneter und vor Gläubigern gesicherter
wirtschaftlicher Lage zum Vollerben bei dem Tode der Vorerbin eingesetzt
hätte.
Zwar gebietet die nach dem Tode des Erblassers eingetretene und von ihm
nicht vorauszusehende politische Entwicklung mit der Folge
nationalsozialistischer Verfolgung, die dazu führte, daß sein Sohn A. und
dessen Söhne mit ihren Familien auf Dauer in die USA emigriert sind, während
sein Sohn B. bis zu seinem Tode in Argentinien lebte, eine ergänzende
Testamentsauslegung. Dabei ist durch Auslegung zu ermitteln, was nach der
Willensrichtung des Erblassers im Zeitpunkt der Testamentserrichtung als von
ihm gewollt anzusehen sein würde, wenn er vorausschauend die spätere
Entwicklung bedacht hätte (BGHZ 22, 357, 360 = FamRZ 1957, 97; Senat, OLGZ
1972, 76, 79 f.). Diese ergänzende Auslegung setzt eine sich aus dem
Testament, ggf. unter Heranziehung außerhalb des Testamentes liegender
Umstände und der allgemeinen Lebenserfahrung, ergebende Willensrichtung des
Erblassers voraus. Sie darf also nicht einen Willen in das Testament
hineintragen, der darin nicht irgendwie - wenn auch nur andeutungsweise -
ausgedrückt ist (vgl. Senat, a.a.O.). Einer solchen Auslegung steht nicht
rechtsgrundsätzlich entgegen, daß es sich vorliegend um Entwicklungen
handelt, die unabhängig vom Willen des Erblassers erst nach seinem Tode
eingetreten sind. Zwar ist nach Auffassung des Senats große Zurückhaltung
geboten, wenn im Wege einer ergänzenden Testamentsauslegung nach dem Erbfall
eingetretenen Umständen Rechnung getragen werden soll, wenn die letztwillige
Verfügung in der Auslegung, die sie aufgrund der bei Eintritt des Erbfalls
vorliegenden Umstände erfahren hat, bereits in vollem Umfang wirksam
geworden ist. Vorliegend handelt es sich jedoch um die Berücksichtigung
solcher Umstände in bezug auf Klauseln, deren Wirkung nach dem Willen des
Erblassers nicht bereits bei Eintritt des Erbfalls, sondern erst in weiterer
Zukunft eintreten sollte. Die in § 4 angeordnete weitere Nacherbfolge sollte
erst bei dem Tode des B. eintreten; bis dahin konnte nach dem Testament auch
die Bestimmung des § 5 noch Wirkung entfalten. Derartige Bedenken stehen
einer ergänzenden Testamentsauslegung daher hier nicht entgegen (vgl. dazu
Staudinger/Otte, a.a.O., Vorbem. §§ 2064 ff. Rz. 92, m.w.N.).
Die zur dauerhaften Emigration der Söhne und Enkel des Erblassers führenden
Umstände hatten hinsichtlich der in § 5 vorgesehenen
Gleichstellungsmöglichkeit des B. zur Folge, daß die darin vorgesehene
Prüfung und Feststellung seiner wirtschaftlichen Verhältnisse durch den
weiter in Deutschland lebenden Testamentsvollstrecker jedenfalls nur noch
erschwert möglich war. Darüber hinaus war es während der
nationalsozialistischen Herrschaft den Testamentsvollstreckern auch kaum
zumutbar, die in § 5 vorgesehene Erklärung gegenüber dem deutschen NachlG
abzugeben. Schließlich erscheint es naheliegend, daß die Emigration für
beide Söhne in gleicher Weise schwierige wirtschaftliche Verhältnisse zur
Folge hatte. Hinsichtlich dieser Umstände fehlt es im Testament an
Anhaltspunkten dafür, daß der Erblasser bei Vorausschau dieser zukünftigen
Entwicklungen und der auftretenden Schwierigkeiten von der in §4
angeordneten Nacherbfolge abgesehen und in gleicher Weise zugunsten seiner
beiden Söhne testiert hätte. Im Gegenteil läßt es die für diese Anordnung
gegebene Begründung, daß B. zur Zeit der Testamentserrichtung erheblich
überschuldet war und der Erblasser beabsichtigte, auf diese Weise den
Erbteil dem Zugriff der Gläubiger des B. zu entziehen und den weiteren
Nacherben zu sichern, als naheliegend erscheinen, daß er auch in Vorausschau
der eingetretenen Entwicklung in gleicher Weise testiert hätte. Das Vermögen
des Erblassers bestand zu einem wesentlichen Teil aus Grundvermögen. Dieses
stünde dem Zugriff von Gläubigern des B. auch bei einem Wegzug ins Ausland
weiterhin zur Verfügung. Dieser Umstand hätte dem Erblasser daher keinen
Anlaß zu einer anderweitigen Testierung gegeben, sondern er hätte eher von
der Gleichstellungsmöglichkeit des § 5 überhaupt abgesehen. Hinzu kommt das
aus der in §4 angeordneten Nacherbfolge ersichtliche Bestreben des
Erblassers, sein Vermögen in der eigenen Familie zu erhalten. Auch dieses
läßt angesichts des Umstandes, daß B. keine eigenen ehel. Abkömmlinge
hinterließ, eher den Schluß zu, der Erblasser hätte es in Kenntnis dieser
Entwicklungen bei der Regelung des § 4 belassen. Jedenfalls kann nicht
festgestellt werden, daß der Erblasser bei Einbeziehung der späteren
Entwicklung von der Anordnung des § 4 abgesehen und seinen Sohn B. als
Vollerben bei Eintritt des Nacherbfalls eingesetzt hätte. Die
Feststellungslast für die Nichterweislichkeit eines solchen hypothetischen
Erblasserwillens haben dabei B. bzw. seine Erben zu tragen (vgl. dazu Senat,
OLGZ 1991, 144, 147).
4. Demgemäß stellt sich die Erbfolge so dar, daß A. seit dem 24. 2. 1942
(Tod der Ehefrau des Erblassers) zu 1/2, sowie K. E. und E. A. seit dem 6.
5. 1959 (Tod des B.) zu je 1/4 Erben des Erblassers geworden sind, sofern
von der Richtigkeit der in der Erbscheinsverhandlung v. 6. 6. 1994 an Eides
statt versicherten Angaben - der Todesdaten der Ehefrau des Erblassers und
des B. sowie des Nichtvorhandenseins nachverstorbener ehel. Abkömmlinge des
B. und weiterer nachverstorbener Abkömmlinge des A. - auszugehen ist.
Der Senat hat es nach Aktenlage für erforderlich gehalten, das AmtsG nicht
anzuweisen, den beantragten Erbschein zu erteilen, sondern die Sache an das
AmtsG zurückzuverweisen mit der Anweisung, über den Erbscheinsantrag nach
Maßgabe der vorstehenden Gesichtspunkte zu entscheiden. Denn es sind noch
nicht alle förmlichen Voraussetzungen für die Erteilung des beantragten
Erbscheins gegeben. Insbesondere wird das AmtsG zunächst auf eine Ergänzung
des Erbscheinsantrages hinsichtlich des jeweiligen Beginns der
Erbenstellungen hinzuwirken haben. |