Materielle
Höchstpersönlichkeit der letztwilligen Verfügung (§ 2065 I BGB) und
Auslegung als Ersatzerbfolge (§ 2096 BGB); Unterschriftserfordernis
BayObLG,
Beschluß v. 22.07.1998 - 1Z BR 229/97
Fundstelle:
BayObLGZ 1998, 167
FamRZ 1999, 331
Leitsätze:
1. Zur Frage der Beteiligung des materiell
Betroffenen im Beschwerdeverfahren (Fortführung von BayObLGZ 1998 Nr. 42).
2. Zur Auslegung einer alternativen Erbeinsetzung ("meine Lebensgefährtin T.
oder unsere gemeinsame Tochter M.") sowie zur Frage der Anwendung des § 2065
II BGB auf eine solche Erbeinsetzung.
3. Zu den Anforderungen an die Unterschrift unter das eigenhändige
Testament.
Zum
Sachverhalt:
Der am 10. 1. 1997 verstorbene Erblasser war geschieden; aus seiner Ehe sind
keine Kinder hervorgegangen. Er lebte mit der Beteiligten zusammen.
Nach ihrem Vortrag ist er der Vater ihrer 1966 geborenen Tochter M. Die Bet.
war im Zeitpunkt der Geburt verheiratet; ihr Ehemann ist 1979 vorverstorben.
Die Ehelichkeit des Kindes wurde nicht angefochten.
Der Erblasser hinterließ ein Testament mit folgendem Wortlaut:
"20. 11.
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Testament.
Ich . . . möchte das nach meinem Tod mein ganzes Vermögen an meine
Lebensgefährtin . . . oder an unsere gemeinsame Tochter M. bekommt."
Das Testament
ist mit dem Namenszug des Erblassers unterzeichnet.
Gestützt auf dieses Testament hat die Bet. einen Erbschein als Alleinerbin
beantragt. In der Nachlaßverhandlung erklärten sie und ihre Tochter M.
übereinstimmend, deren Einsetzung sei für den Fall gedacht gewesen, daß die
Bet. vorversterbe oder mit dem Erblasser gemeinsam ums Leben komme.
Das Nachlaßgericht hat den Erbscheinsantrag mit der Begründung
zurückgewiesen, der Text des Testamentes und die Unterschrift weise - wie
auf den ersten Blick erkennbar sei - ein unterschiedliches Schriftbild auf;
es sei zu vermuten, daß Text und Unterschrift nicht von der gleichen Person
geschrieben worden seien. Die Beschwerde der Bet. gegen diese Entscheidung
wies das LG nach Erholung eines Gutachtens einer Schriftsachverständigen
zurück. Hiergegen richtet sich die weitere Beschwerde der Bet.
Aus den Gründen:
I. ...
II. Das
Rechtsmittel ist zulässig, hat aber im Ergebnis keinen Erfolg.
a) Das LG hat es unterlassen, die im Testament des Erblassers als "unsere
gemeinsame Tochter" bezeichnete M. im Beschwerdeverfahren zu beteiligen ...
(wird ausgeführt)
b) Das LG durfte die Verfügung des Erblassers nicht unter Hinweis auf § 2065
II BGB für nichtig ansehen.
aa) Die Vorschrift ist nicht unmittelbar anwendbar. Der Erblasser hat es
weder ausdrücklich noch stillschweigend einem Dritten überlassen zu
bestimmen, wer Erbe sein soll. Dies folgt schon daraus, daß keine dritte
Person benannt ist, die eine entsprechende Bestimmung vornehmen soll. Der
eigentliche Fall des § 2065 II BGB liegt daher von vornherein nicht vor
(vgl. BGH, NJW 1965, 2201 = FamRZ 1965, 561 [LS.]).
bb) Aus § 2065 BGB ergibt sich allerdings, daß sich der Erblasser selbst
über den Inhalt aller wesentlichen Teile seines letzten Willens schlüssig
sein muß. Dazu gehört insbesondere die Bestimmung der Person der Erben
(vgl. BGHZ 15, 199 = FamRZ 1955, 209). Die Verfügung des Erblassers ist
insoweit unvollständig; denn aus dem Wortlaut ergibt sich nicht unmittelbar,
in welchem Verhältnis die beiden bezeichneten Erben stehen sollen.
Bezeichnet ein Erblasser in einer letztwilligen Verfügung zwei Personen
wahlweise als seine Erben, ohne einen Dritten zu bestimmen, der diese Wahl
treffen soll, so kann aber entgegen der Auffassung des LG nicht von
vornherein angenommen werden, daß eine unbestimmte und daher unwirksame
Erbeinsetzung vorliege. Vielmehr wird schon nach der Lebenserfahrung
davon auszugehen sein, daß der Erblasser subjektiv eine feste Vorstellung
über das Alternativverhältnis hat, die er nur unvollständig zum Ausdruck
gebracht hat. Es genügt dann, wenn die Person des Bedachten anhand des
Inhalts der Verfügung, ggf. unter Berücksichtigung von außerhalb der Urkunde
liegenden Umständen zuverlässig und eindeutig im Wege der Auslegung
festgestellt werden kann (BGH, NJW 1965, 2201 = FamRZ 1965, 561 [LS.]).
Ein hinreichender Anhalt für die Auslegung in der Testamentsurkunde
selbst ergibt sich schon daraus, daß in dieser die Lebensgefährtin an erster
Stelle, die gemeinsame Tochter an zweiter Stelle aufgeführt ist. Mangels
anderweitiger konkreter Umstände wäre die Verfügung des Erblassers
entsprechend der Reihenfolge der Bezeichnung und in Übereinstimmung mit der
allgemeinen Lebenserfahrung, die für Ehegatten i. S.einer Erbfolge nach
Generationen in § 2269 II BGB ihren gesetzlichen Ausdruck gefunden hat,
dahin auszulegen, daß die Lebensgefährtin an erster Stelle, die gemeinsame
Tochter ersatzweise (§ 2096 BGB) eingesetzt sein soll. Diese Auslegung
entspräche auch der Auslegung durch die Betroffenen, wie sie sie in der
Nachlaßverhandlung zum Ausdruck gebracht haben.
c) Wie das LG jedoch zutreffend ausgeführt hat, genügt das Testament des
Erblassers v. 20. 11. 1998 nicht den formellen Anforderungen des § 2247 I
BGB. Zwar ist der Text eigenhändig niedergelegt; insoweit sind Zweifel weder
geäußert noch erkennbar. Das LG hat sich jedoch von der Eigenhändigkeit der
Unterschrift nicht überzeugen können, ohne daß dies rechtlich zu beanstanden
ist. Sachverständig beraten (zur Notwendigkeit der Erholung eines
Sachverständigengutachtens in diesen Fällen vgl. Senatsbeschluß v. 23. 3.
1998 - 1Z BR 157/97 -, FamRZ 1999, 332) hat es festgestellt, die
Unterschrift sei auf der Grundlage einer Vorzeichnung in "einer
langsammalenden Herstellungsweise" in unrhythmischer Verteilung des
Schreibdrucks mit Bewegungsunterbrechungen und Mehrfachzeichnungen erstellt
worden. Im Hinblick auf die manipulierte Art der Herstellung der
Unterschrift könne im nachhinein nicht mehr festgestellt werden, von wem sie
"geleistet" worden ist. Das LG hat daher zutreffend ausgeführt, daß -
zumindestens gemäß den Grundsätzen der Feststellungslast, die hinsichtlich
der Echtheit der Unterschrift derjenige trägt, der sich auf die Wirksamkeit
eines Testaments beruft (BayObLG, FamRZ 1985, 837, 838) - nicht von einem
wirksamen eigenhändigen Testament i. S. des § 2247 I BGB ausgegangen werden
könne.
Das Vorbringen der Bet. zu diesem Punkt ist nicht geeignet, die berechtigten
Zweifel des Beschwerdegerichts zu zerstreuen. Die Behauptung, der Erblasser
sei zeitweise "sehr zittrig" gewesen und habe auch zittrig geschrieben, kann
die auffälligen Besonderheiten der Unterschrift schon im Hinblick auf das
Schriftbild des Testaments i. ü. nicht erklären. Die Behauptung, der
Erblasser habe auch ansonsten gelegentlich seine Unterschrift "nachgemalt"
hat sich - wie sich aus dem Ergänzungsgutachten der Sachverständigen v. 22.
7. 1997 ergibt - für die vorgelegte Vergleichsunterschrift v. 15. 4. 1981
nicht erweisen lassen. Die unter Beweis gestellte Behauptung, die Einsetzung
der Bet. zur Alleinerbin habe auch dem mehrfach mündlich geäußerten Willen
des Erblassers entsprochen, ist ungeeignet, den Zweifel an der Wirksamkeit
der Testamentserrichtung zu beseitigen (§ 125 S. 1 BGB; vgl. Palandt/Edenhofer,
BGB, 57. Aufl., § 2247 Rz. 1).
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