IPR: Prozeßrechtliche Qualifikation eines obligatorischen Versöhungsversuchs vor der Ehescheidung (Kroatien)

OLG Frankfurt/Main - Beschluß v. 24.8.2000 - 6 WF 144/00)


Fundstelle:

FamRZ 2001, 293


(Eigener) Leitsatz:

Das Erfordernis eines Versöhnungsversuchs vor einer Scheidung ist aus der Sicht des deutschen Rechts prozeßrechtlich zu qualifizieren und daher vor deutschen Gerichten unbeachtlich


Gründe:

Die gemäß § 127 II S. 2 ZPO zulässige Beschwerde führt in der Sache zur Aufhebung des angefochtenen Beschlusses und zur Zurückverweisung der Sache an das AmtsG, das bei seiner neuen Entscheidung (noch) die subjektiven Bewilligungsvoraussetzungen auf seiten der ASt. zu prüfen hat (§ 575 ZPO).

Nach dem derzeitigen Verfahrensstand kann hinreichende Erfolgsaussicht des Scheidungsbegehrens der ASt. nicht verneint werden.

Beide Parteien sind kroatische Staatsangehörige. Sie leben beide in der Bundesrepublik Deutschland. Das noch minderjährige [mdj.] Kind N. befindet sich in Obhut der ASt. Bei diesen Gegebenheiten ist das deutsche FamG für den beabsichtigten Scheidungsrechtsstreit international zuständig (§ 606a I S. 1 Nr. 2 ZPO).

Kollisionsrechtlich zutreffend ist das AmtsG davon ausgegangen, daß Art. 17 I S. 1 i. V. mit Art. 14 I Nr. 1 Alt. 1 EGBGB das Scheidungsrecht der Republik Kroatien beruft, deren ebenfalls berufenes internationales Privatrecht (Art. 4 I S. 1 EGBGB) die Rechtsverweisung auch annimmt.

Der Senat teilt jedoch nicht die Auffassung des AmtsG, wonach die begehrte Ehescheidung daran scheitere, daß von den Ehegatten vor dem zuständigen kroatischen Vormundschaftsorgan bisher kein Versöhnungsversuch durchgeführt worden ist.

Art. 59 I des kroatischen Gesetzes Nr. 31, Pos. 1168 v. 27. 10. 1989 über die Ehe und über die Familienbeziehungen (Abgedruckt bei Bergmann/Ferid, Internationales Ehe- und Kindschaftsrecht, Kroatien, Stand: 30. 7. 1997, S. 33 ff.) sieht vor, daß ein Ehegatte, der eine auf Art. 54 gestützte Scheidungsklage einreichen will, bzw. beide Ehegatten - im Fall eines gemeinsamen nach Art. 56 unterbreiteten Vorschlags der Ehescheidung (gemäß Art. 54) - verpflichtet sind, sich wegen des Versuchs der Versöhnung vorher an das zuständige Vormundschaftsorgan zu wenden. Wird der Scheidungsantrag bzw. der gemeinsame Vorschlag zur Ehescheidung dem Gericht vorgelegt „bevor gemäß Art. 59 dieses Gesetzes verfahren wurde", so setzt das Gericht nach Art. 60 I eine Frist zur Einleitung des Sühneverfahrens. Im Nicht-Befolgungsfall ist nach Art. 60 II das Scheidungsbegehren abzuweisen.

Leben indessen - wie hier - die Ehegatten im Ausland, so findet - bei Kinderlosigkeit - kein vorgeschaltetes Sühneverfahren statt (Art. 61 I Nr. 3). Haben die Ehegatten jedoch gemeinsame mdj. Kinder, „so führt das Vormundschaftsorgan das Verfahren wegen des Versuchs der Versöhnung der Ehegatten durch, wenn es findet, daß die Ehegatten . . . im Verfahren . . . persönlich auftreten und mitwirken können" (Art. 61 I in Wiedergabe der Übersetzung bei Bergmann/Ferid, a.a.O.).

Das AmtsG hat in diesem Regelungswerk ein Hindernis für die begehrte Ehescheidung nach kroatischem Recht gesehen, solange die Ehegatten nicht das Verfahren wegen des Versuchs der Versöhnung durchgeführt oder nur deshalb nicht zu Ende geführt haben, weil die zuständige kroatische Vormundschaftsbehörde ein solches Verfahren für nicht notwendig gehalten hat.

Im Ergebnis führt diese Auffassung dazu, daß die Parteien zur Schaffung eines (verfahrensrechtlichen) Teils der Voraussetzungen der Ehescheidung auf die Inanspruchnahme ihrer Heimatbehörden verwiesen werden, bevor sie wegen des restlichen sachrechtlichen Teils im Staat ihres gewöhnlichen Aufenthaltsorts die Ehescheidung erreichen können, sofern es nicht ratsam ist, trotz hiesiger internationaler Zuständigkeit sogleich das gesamte Scheidungsverfahren im Heimatstaat durchzuführen.

In Fällen der vorliegenden Art wird in Rspr. und Literatur ganz überwiegend die nach anzuwendendem Heimatrecht der Ehegatten vorgesehene Notwendigkeit eines Sühneversuchs prozeßrechtlich qualifiziert, d. h. sie ist nach der lex fori zu beurteilen (vgl. OLG München, IPRax 1989, 238, 241, zum Sühneversuch nach iranisch-islamischen Recht; OLG Hamm, IPRax 1995, 174, 176, zum marokkanisch-islamischen Recht; OLG Düsseldorf, FamRZ 1974, 132; OLG Karlsruhe, FamRZ 1990, 168, 169, zum portugiesischen Recht, hier bei tatsächlicher Durchführung des Sühneversuchs durch das deutsche FamG; sowie Palandt/Heldrich, BGB, 59. Aufl., Art. 17 EGBGB, Rz. 16; MünchKomm/Winkler von Mohrenfels, BGB, 3. Aufl., Art. 17 EGBGB Rz. 108; Staudinger/von Bar/Mankowski, BGB, 1996, Art. 17 EGBGB Rz. 233; Erman/Hohloch, BGB, 9. Aufl., Art. 17 EGBGB Rz. 35).

Soweit die Auffassung vertreten wird, der im anzuwendenden ausländischen Recht vorgesehene Sühneversuch könne auch eine sachliche Voraussetzung der Scheidbarkeit sein (vgl. Soergel/Schurig, BGB, 12. Aufl., Art. 17 EGBGB Rz. 57), ist jedenfalls dieser Schluß bei den vorliegenden Gegebenheiten aus der Regelung des kroatischen Rechts nicht zu ziehen. Anders als Art. 60 des genannten kroatischen Gesetzes über die Ehe und über die Familienbeziehungen, der in seinem Abs. I auf das vorrangig abzuwickelnde Sühneverfahren gemäß Art. 59 verweist und in Abs. II bei Nichteinhaltung dieser Vorgabe die Abweisung des gleichwohl gestellten Scheidungsantrags vorsieht und damit eine enge Verknüpfung zwischen Sühneversuch und Ehescheidung herstellt, räumt Art. 61 II für den Fall, daß die scheidungsbegehrenden Ehegatten zwar im Ausland leben, aber gemeinsame mdj. Kinder haben, dem zuständigen Vormundschaftsorgan ein gewisses Ermessen dahingehend ein, ob es das Sühneverfahren durchführen will oder nicht. Diese flexible Regelung spricht kollisionsrechtlich für eine prozeßrechtliche Zuordnung.

Das deutsche FamG ist nicht daran gehindert, und es ist ihm im Hinblick auf die Anerkennungsfähigkeit der Entscheidung im Heimatstaat der Parteien sogar anzuraten, im Hauptverfahren in autonomer rechtsvergleichender Qualifikation die kroatischen Scheidungsvoraussetzungen, die nicht unmittelbar mit Hilfe des deutschen Verfahrensrechts herzustellen sind, mit dem gegebenen Rechtsinstrumentarium funktional zu ersetzen (vgl. Palandt/Heldrich, a.a.O., Einl. v. Art. 3 EGBGB Rz. 27, m. Literatur- und Rspr.-Hinw.). So ermöglicht das deutsche Verfahrensrecht, das bis zum Inkrafttreten des ersten Eherechtsreformgesetzes am 1. 7. 1977 den obligatorischen gerichtlichen Sühneversuch kannte, auch jetzt noch die Durchführung eines Versöhnungsversuchs. Beispielsweise sieht § 614 II ZPO (sogar) die amtswegige Aussetzung des Scheidungsverfahrens vor, wenn nach der freien Überzeugung des FamG Aussicht auf Fortsetzung der Ehe besteht. Eine solche Folgerung wird in der Regel nur aus einem auf Versöhnung angelegten Gespräch mit den Ehegatten zu ziehen sein (zur Möglichkeit einer Sühneverhandlung nach deutschem Recht siehe OLG Karlsruhe, a.a.O., S. 168, 169, sowie Staudinger/von Bar/Mankowski, a.a.O., Art. 17 EGBGB Rz. 233). Auch ist der Gedanke, daß die Interessen mdj. Kinder am Fortbestand der Ehe ihrer Eltern Berücksichtigung finden können, dem deutschen Recht nicht fremd (vgl. § 1568 BGB).

Im Hinblick auf die übrigen Voraussetzungen des kroatischen Scheidungsrechts kann hinreichende Erfolgsaussicht des beabsichtigten Scheidungsantrags nicht verneint werden. Das auf Art. 54 des kroatischen Gesetzes über die Ehe und über die Familienbeziehungen gestützte Scheidungsbegehren, dem der AGg. zustimmt, verlangt eine schwere und dauerhafte Störung der Ehebeziehungen, die nach dem nicht bestrittenen Vorbringen der ASt. aller Voraussicht nach darin liegen dürfte, daß sich der AGg. einer anderen Partnerin zugewandt hat.