Sachmangel i.S.v. § 434 BGB bei gebrauchten Sachen; Wissenserklärung und Beschaffenheitsvereinbarung; Mängelvermutung nach § 476 beim Kauf gebrauchter Sachen; Erfordernis der Fristsetzung bei Sachmängeln, Anforderungen an eine Erfüllungsverweigerung

Landgericht Hanau, Urteil v. 27. März 2003 - 1 O 1510/02


Fundstelle:

noch nicht bekannt


(Eigener) Leitsatz:

1. Zur Widerlegung der Vermutung des § 476 BGB bei gebrauchten Sachen.
2. Zur Abgrenzung zwischen Wissenserklärung und Beschaffenheitsvereinbarung ("Motor überholt")
3. Zu den Anforderungen an eine ernsthafte und endgültige Erfüllungsverweigerung i.S.v. § 323 Abs. 2 Nr. 1 BGB.


Zum Sachverhalt:

Der Kläger macht Ansprüche nach erklärtem Rücktritt von einem Kaufvertrag über einen Wohnwagen geltend. Die Parteien schlossen am 07.05.2002 einen Kaufvertrag über einen Daimler Benz-Wohnwagen. Der Kaufvertrag enthielt folgenden Zusatz:

„Das Fahrzeug hat einen überholten Motor mit einer Laufleistung von ca. 60.000 km“

Dies wurde dem Kläger auch mündlich mitgeteilt. Der Motor war von dem Vorbesitzer teilüberholt worden. In der Folgezeit wurden von der Beklagten diverse Überprüfungen und Instandsetzungsarbeiten an dem Wohnwagen durchgeführt.
Hinten links befindet sich im Holzboden ein großes Loch. Das Fahrzeug hat zudem mehrere Löcher im Fahrzeugboden. Weitere Löcher sind mit Kitt und Unterbodenschutz verschlossen worden.
Mit Schreiben vom 09.05.2002 rügte der Kläger angebliche Mängel.
Mit Schreiben vom 16.06.2002 behauptete der Kläger weitere Mängel und erklärte, dass er das Fahrzeug zurückgebe und auf eine zügige Rückabwicklung hoffe.
Mit Schreiben vom 03.09.2002 rügte der Kläger nochmals Mängel und erklärte, dass er das Fahrzeug endgültig zurückgeben wolle. Er setzte eine Frist von 5 Tagen zur Rückzahlung des Kaufpreises. Bei dieser Gelegenheit erklärte der Beklagte, er werde keine Arbeiten zum Zwecke einer Nacherfüllung oder Nachbesserung vornehmen.
Mit der Klage begehrt der Kläger die Rückabwicklung des Kaufvertrages und Schadensersatz für die Zulassungs- und Schilderkosten von 70.- €.
Mit Schreiben vom 09.09.2002 erklärte der Kläger nochmals den Rücktritt vom Kaufvertrag.
Der Kläger behauptet, der Motor sei völlig verölt. An den Glühkerzen trete aus den Zuführungsleitungen Dieselkraftstoff aus. Bereits zum Zeitpunkt der Übergabe habe sich im Holzboden das große Loch befunden. Ebenfalls zum Zeitpunkt der Übergabe habe das Fahrzeug Starterprobleme gehabt. Der Motor springe öfters nicht an. Zudem sei der Wasserboiler bereits zu dieser Zeit defekt gewesen, da bei 40 Grad die Störungsanzeige aufleuchte. Die Batterie entlade sich auch dann, wenn die Stromverbraucher nicht benutzt würden. Der Auspuff sei nicht fachgerecht montiert worden. Die Auspuffanlage sei undicht. Der Beklagte habe bei Überreichung des Schreibens vom 03.09.2002 eine Nachbesserung abgelehnt.
Die Beklagte behauptet, der Defekt am Wasserboiler rühre daher, dass der Kläger diesen überbeansprucht habe und es zu Überhitzungen gekommen sei. Er ist der Ansicht, dass die geltend gemachten Mängel angesichts des Alters des Fahrzeuges keine Sachmängel im Sinne von § 434 BGB darstellten.
Die Klage hatte keinen Erfolg.


Aus den Gründen:

Dem Kläger steht kein Anspruch auf Rückzahlung des Kaufpreises wegen des erklärten Rücktritts gemäß §§ 434 Abs. 1 S. 2 Nr. 2, 437 Nr. 2, 323, 346 BGB zu.

Es kann dahinstehen, ob die von dem Kläger geltend gemachten Mängel Sachmängel im Sinne von § 434 BGB sind oder ob es sich - was angesichts des hohen Alters und der hohen Laufleistung des Kraftfahrzeuges nahe liegt - um übliche Abnutzungs- und Verschleißerscheinungen handelt, welche keine Abweichung von der Sollbeschaffenheit begründen können. Jedenfalls hat der beweispflichtige Kläger nicht unter Beweis gestellt, dass die betreffenden Mängel im Zeitpunkt des Gefahrübergangs vorlagen. Die Beweislastumkehr des § 476 BGB kommt dem Kläger vorliegend nicht zugute, da die Vermutung, dass die Sache bereits bei Gefahrübergang mangelhaft gewesen war, mit der Art der Sache nicht vereinbar ist. Diese Ausnahme von der grundsätzlich gegebenen Beweislastumkehr ist vor allem bei gebrauchten Sachen anzunehmen, bei denen die von vornherein anzunehmende unterschiedliche Abnutzung zu berücksichtigen ist (Palandt/Putzo, BGB, 61, Aufl., § 476 Rn. 10). Dies gilt insbesondere bei Kraftfahrzeugen (Palandt/Putzo a.a.O.). Bei sämtlichen hier geltend gemachten Mängeln handelt es sich um solche, welche infolge Verschleißes kurzfristig auftreten können. Es besteht daher keine Vermutung, dass sie bereits bei Gefahrübergang vorhanden gewesen sind. Eine Abweichung von der vereinbarten Beschaffenheit ist auch nicht deshalb anzunehmen, weil in dem Kaufvertrag vermerkt ist, dass das Kraftfahrzeug einen überholten Motor mit einer Laufleistung von ca. 60.000 Kilometern habe. Es handelt sich dabei um eine reine Wissenserklärung. Die Auslegung einer solchen Erklärung hängt wesentlich davon ab, ob die angebliche Überholung in die Besitzzeit des Verkäufers fällt oder nicht. Außerdem ist zu berücksichtigen, ob der Händler über eine eigene Werkstatt verfügt. Wenn dies nicht der Fall ist, so kann der Käufer nicht ohne weiteres davon ausgehen, dass er für die Richtigkeit der fraglichen Erklärung einstehen will.

Auslegungserheblich ist ferner, welche Strecke das Fahrzeug seit der behaupteten Motorüberholung zurückgelegt hat. Je länger die mit dem angeblich überholten Motor zurückgelegte Fahrstrecke und je größer der zeitlich Abstand ist, desto eher wird es sich bei einer solchen Erklärung um eine reine Wissenserklärung handeln (Reinking/Eggert, Der Autokauf, 8. Auflage, Rn. 1684). Nach diesen Grundsätzen ist vorliegend davon auszugehen, dass es sich um eine reine Wissenserklärung handelte. Nach den Angaben im Kaufvertrag war bereits eine erhebliche Strecke (60,000 Kilometer) mit dem Fahrzeug zurückgelegt. Der Beklagte hat auch für den Kläger ersichtlich nicht über eine eigene Werkstatt verfügt. Die Überholung fiel zudem nicht in die Besitzzeit des Beklagten, was der Beklagte dem Kläger auch mitgeteilt hatte. Einschränkend enthält der Kaufvertrag auch noch den Vermerk „Überholt laut Rechnung".

Bei Würdigung all dieser Umstände ist davon auszugehen, dass es sich bei der Mitteilung der Motorüberholung um eine reine Wissenserklärung ohne Haftungsübernahmewillen handelt.

Ungeachtet dessen liegt jedoch auch insoweit keine Abweichung von der vereinbarten Beschaffenheit vor. Der Kaufvertrag enthält lediglich die Erklärung, dass der Motor überholt sei. Dies hat der Beklagte dem Kläger auch mündlich mitgeteilt. Diese Erklärung kann In der Regel nicht dahingehend verstanden werden, dass der Motor generalüberholt ist. Die Teilüberholung eines Motors wird im Handel auch als einfache Überholung bezeichnet. Ein teilüberholter Motor ist dann gegeben, wenn einzelne Teile repariert oder erneuert worden sind (Reinking/Eggert, a.a.O., Rn. 1682). So liegt der Fall hier. Die durchgeführten Maßnahmen wurden von dem Beklagten als Überholung bezeichnet Dies kann nicht als Generalüberholung verstanden werden, sondern nur als teilweise Erneuerung bzw. Reparatur des Motors. Diese ist auch erfolgt. Dementsprechend wurde dem Kläger auch mündlich mitgeteilt, dass ein Teil des Motors überholt worden sei.

Letztlich fehlt es auch an der für den Rücktritt erforderlichen Nachfristsetzung.

Mit Schreiben vom 09.05.2002 setzte der Kläger dem Beklagten eine Frist zur Beseitigung von diversen Mängeln, welche jedoch nicht mit den hier geltend gemachten Mängeln identisch sind. Erstmals mit Schreiben vom 16.06.2002 rügte der Kläger die im vorliegenden Rechtsstreit vorgetragenen Mängel. Zugleich hat er jedoch die Rückabwicklung des Vertrages verlangt. Die erforderliche Fristsetzung ist damit nicht erfolgt. Auch mit Schreiben vom 03.09.2002 hat der Kläger lediglich Rückabwicklung verlangt. Auch eine endgültige und ernsthafte Erfüllungsverweigerung liegt nicht vor. Soweit der Beklagte bei Übergabe des Schreibens vom 03.09.2002 erklärt hat, er werde keine Arbeiten mehr an dem Fahrzeug ausführen, führt dies nicht zur Annahme einer ernsthaften und endgültigen Erfüllungsverweigerung. Von einer Erfüllungsverweigerung kann nur dann die Rede sein, wenn der Schuldner wirklich die Erfüllung in bestimmter Weise endgültig verweigert. Die Weigerung muß als das letzte Wort des Schuldners aufzufassen sein, so dass eine Änderung des Entschlusses ausgeschlossen erscheint (BGH NJW 84, 48, 49). An die Annahme, der Schuldner verweigere die Leistung endgültig, sind strenge Anforderungen zu stellen (BGH NJW-RR 1993, 139, 140). Solange die Möglichkeit besteht, dass der Schuldner noch - insbesondere durch Fristsetzung - umgestimmt werden könnte, muss ein Versuch in diese Richtung unternommen werden (BGH WM 57, 1344). Eine Erfüllungsverweigerung lässt sich aus der Erklärung, dass der Schuldner nicht leisten will, dann nicht ableiten, wenn nicht Erfüllung gefordert wird, sondern Rechte aus einem erklärten Rücktritt geltend gemacht werden (BGH NJW 1996, 1814). So liegt der Fall hier. Der Kläger hat nach seinem Vortrag bei Übergabe des Schreibens am 03.09.2002 gerade nicht Erfüllung verlangt Er hat vielmehr seine bereits zuvor abgegebene Rücktrittserklärung wiederholt. Der Kläger hat daher zu keinem Zeitpunkt nach seinem bereits im Juni erklärten Rücktritt zu erkennen gegeben, dass er überhaupt dazu bereit ist, eine Nachbesserung durchführen zu lassen.