Einfluß der Geltendmachung des "großen Schadensersatzes" und der Arglistanfechtung des geschlossenen Vertrages auf den Provisionsanspruch des Maklers


BGH v. 9.7.2009 - III ZR 104/08


Fundstelle:

NJW 2009, 2810


Amtl. Leitsatz:

Der Provisionsanspruch des Maklers bleibt unberührt, wenn sein Kunde wegen des von ihm nachgewiesenen oder vermittelten Kaufvertrags den Verkäufer wegen arglistig verschwiegener Mängel auf den „großen Schadensersatz“ i.S. des § 463 BGB in der bis zum 31. 12. 2001 geltenden Fassung in Anspruch nimmt (Abgrenzung zu Senat, NJW 2001, 966 = NZM 2001, 247 = NZBau 2001, 260).


Zentrale Probleme:

Eine sehr lehrreiche Entscheidung zum Maklerrecht. Sie betrifft noch die Geltendmachung des "großen Schadensersatzes" unter § 463 BGB a.F., die Problematik ist aber bei Geltendmachung des Schadensersatzes "statt der ganzen Leistung" nach §§ 447 Nr. 2, 280 I, III, 281 bzw. § 311a II BGB identisch:
Der Makler verdient seinen Provisionsanspruch nach § 652 I BGB mit Zustandekommen des vermittelten Hauptvertrages (zum Kausalitätserfordernis s.
BGH v. 6.7.2006 - III ZR 379/04). Beim Vertragsabschluß unter einer aufschiebenden Bedingung kann die Vergütung erst mit Bedingungseintritt verlangt werden, § 652 I S. 2. Auf dessen Erfüllung kommt es dabei nicht an. Alle Umstände, die einen wirksamen Abschluß des Hauptvertrags verhindern oder ihn als von Anfang an unwirksam erscheinen lassen (Formnichtigkeit, Gesetzwidrigkeit, Sittenwidrigkeit, Anfechtung wegen Irrtums oder arglistiger Täuschung, auch nicht erfüllte Genehmigungserfordernisse z.B. nach § 1643 I, 1821 I Nr. 4) schließen eine Provisionspflicht damit aus. Ein nachträglicher Wegfall der Leistungspflichten berührt den Provisionsanspruch nur dann, wenn der Vertrag wegen einer im Vertragsschluß selbst (und nicht seiner Erfüllung) liegenden Unvollkommenheit beseitigt wird. Das ist etwa bei Ausübung eines (unbedingten) vertraglichen Rücktrittsrechts der Fall. Dagegen lassen Umstände, die ohne eine im Vertragsschluß selbst liegende Unvollkommenheit lediglich den Vertrag oder die daraus resultierenden Leistungspflichten beseitigen (wie Unmöglichkeit, Kündigung, Rücktritt wegen Leistungsstörungen oder einverständliche Vertragsaufhebung) den Provisionsanspruch regelmäßig unberührt. Hier liegt die Fehlerquelle nicht im Vertragsschluß, sondern in seiner Durchführung und damit außerhalb des Verantwortungsbereichs des Maklers. In BGH NJW 2001, 966 hat der BGH allerdings in einem Fall der Wandelung (heute: Rücktritt) zu Recht ausgeführt, daß auch in einem solchen Fall der Provisionsanspruch wegfällt, wenn der Kunde den Hauptvertrag ebensogut hätte nach § 123 BGB anfechten können und damit nach § 124 I BGB ex tunc- Nichtigkeit hätte herbeiführen können. Dann ist es nämlich aus der Sicht des Maklers zufällig, mit welchem Mittel (Anfechtung oder - heute - Rücktritt) die Unwirksamkeit des Vertrages herbeigeführt wird. Das aber ist bei Geltendmachung des "großen Schadensersatzes" (heute: Schadensersatz statt der ganzen Leistung) nicht der Fall. Hier liquidiert der Kunde nämlich auch den entgangenen Gewinn aus dem Hauptvertrag, realisiert also dessen wirtschaftlichen Erfolg. Der aber gebührt ihm eben gegenüber dem Makler nur um den Preis der Maklerprovision.

©sl 2009


Tatbestand:

Die Kl. begehrt von dem Bekl. als Rechtsnachfolger der ursprünglich verklagten T und M-GbR die Zahlung einer der Höhe nach am 7. 11. 2001 gesondert vereinbarten Provision von 177929,57 Euro für ihre Maklertätigkeit. Die GbR schloss im Dezember 2001 mit der Verkäuferin einen von der Kl. vermittelten Kaufvertrag über eine Gewerbeimmobilie, die an das Staatliche Umweltamt vermietet war, zu einem Kaufpreis von 11,6 Mio. DM. Nach dem Vertrag waren Besitz- und Gefahrübergang nach Kaufpreiszahlung zum 1. 3. 2002 vorgesehen. Dazu kam es indes nicht, weil die GbR der Verkäuferin anlastete, sie habe sie nicht über Beanstandungen des Staatlichen Amts für Arbeitsschutz hinsichtlich der Beleuchtungsstärke an den überprüften Arbeitsplätzen der Mieterin und über das Eindringen von Wasser in die Tiefgarage informiert. Sie lehnte deshalb mit Schreiben vom 8. 3. 2002 die Annahme des Grundbesitzes und die Zahlung des Kaufpreises ab und verlangte gem. § 463 BGB (in der bis zum 31. 12. 2001 geltenden Fassung) Ersatz ihres Nichterfüllungsschadens. Ihre gegen die Verkäuferin gerichtete Klage, mit der sie zuletzt entgangenen Gewinn von 1476568,15 Euro sowie die Freistellung von Säumniszuschlägen des Finanzamts und der Provisionsforderung der Kl. begehrte, hatte keinen Erfolg, weil das BerGer. Gewährleistungsansprüche vor Gefahrübergang verneinte und weil die Verkäuferin es nicht endgültig abgelehnt habe, die - behebbaren - Mängel zu beseitigen. Der GbR sei die Kaufpreiszahlung zuzumuten gewesen, weil ein arglistiges Verschweigen von Mängeln nicht festzustellen sei. Die Nichtzulassungsbeschwerde der GbR gegen diese Entscheidung wurde zurückgewiesen. Im anhängigen Rechtsstreit begründet die GbR den Wegfall der Provisionspflicht damit, dass der Kaufvertrag wegen seiner Anfechtbarkeit von Anfang an einer Unvollkommenheit gelitten habe und daran auch gescheitert sei. Dass sie gegen die Verkäuferin einen auf das positive Interesse gerichteten Schadensersatzanspruch geltend gemacht habe, führe zu keiner anderen Beurteilung. Das LG hat die auf Provisionszahlung gerichtete Klage abgewiesen, weil die Verkäuferin die GbR bei Abschluss des Vertrags arglistig getäuscht habe. Das BerGer. hat demgegenüber der Klage bis auf eine Zinszuvielforderung entsprochen, weil der Kaufvertrag weder angefochten noch rückabgewickelt worden sei, sondern weil die GbR an Stelle der Vertragserfüllung Schadensersatz - gerichtet auf das positive Interesse - begehrt habe, den sie bei einer Wandelung oder Anfechtung des Vertrags nicht hätte verlangen können. Die vom Senat zugelassene Revision hatte keinen Erfolg.

Aus den Gründen:

[6]1. Das BerGer. geht davon aus, dass zwischen der Kl. und der GbR ein provisionspflichtiger Maklervertrag zu Stande gekommen und der im Dezember 2001 geschlossene Kaufvertrag zwischen der GbR und der Verkäuferin auf die Tätigkeit der Kl. zurückzuführen ist. Dass sich hieraus (zunächst) eine Provisionspflicht der GbR ergab, wird auch von der Revision nicht in Abrede gestellt.

[7]2. Der Umstand, dass der Kaufvertrag tatsächlich nicht durchgeführt wurde - nach Ablehnung der Annahme des Kaufgegenstands durch die GbR trat die Verkäuferin nach Fristsetzung und Ablehnungsandrohung vom Vertrag zurück -, berührt den Provisionsanspruch der Kl. nicht.

[8]a) Nach der ständiger Rechtsprechung des BGH ist für das Entstehen des Provisionsanspruchs nach § 652 I BGB lediglich das Zustandekommen des Hauptvertrags in Folge des Nachweises oder der Vermittlung erforderlich, nicht aber - wie nach § 87a I 1 HGB beim Handelsvertreter - die Ausführung des Geschäfts. Dem entspricht es, dass Umstände, die lediglich die Leistungspflicht aus dem wirksam zu Stande gekommenen Vertrag beseitigen - wie einverständliche Aufhebung des Vertrags, nachträgliche Unmöglichkeit, Kündigung oder Rücktritt -, die Provisionspflicht unberührt lassen (vgl. BGH, NJW-RR 1993, 248 [249]; Senat, NJW 1997, 1583; NJW 2001, 966 [967] = NZM 2001, 247 = NZBau 2001, 260; NJW-RR 2005, 1506 = NZM 2005, 711; NJW-RR 2001, 562 = NJW 2001, 1936 L). Insoweit wird lediglich für ein im Hauptvertrag ausbedungenes zeitlich befristetes und an keine Voraussetzung gebundenes Rücktrittsrecht eine Ausnahme gemacht, weil in einem solchen Fall eine echte vertragliche Bindung - ähnlich wie bei einem Vertragsschluss unter einer aufschiebenden Bedingung - erst in dem Zeitpunkt begründet wird, in dem der Rücktrittsberechtigte sein Rücktrittsrecht nicht mehr ausüben kann (vgl. Senat, NJW 1997, 1583). Zu den die Provisionspflicht nicht berührenden Umständen gehört regelmäßig auch das bis zum Schuldrechtsmodernisierungsgesetz geltende Recht der Wandelung des Kaufvertrags nach § 462 BGB a.F. (vgl. Senat, NJW 2001, 966 = NZM 2001, 247). Für das Verlangen nach dem „großen Schadensersatz“ i.S. des § 463 BGB a.F., das dem Käufer gegenüber der Wandelung noch weitergehende Rechte gegen den Verkäufer verschafft, nämlich die mit dem Abschluss des Kaufvertrags verbundenen wirtschaftlichen Erwartungen in der Gestalt des positiven Interesses schadensersatzrechtlich abdeckt, kann nichts anderes gelten.

[9]b) Demgegenüber schließen Umstände, die einen wirksamen Abschluss des Kaufvertrags verhindern oder ihn als von Anfang an unwirksam erscheinen lassen, die Entstehung eines Provisionsanspruchs aus (vgl. BGH, NJW-RR 1993, 248; Senat, NJW 1997, 1583). Dies ist insbesondere der Fall, wenn der Hauptvertrag formnichtig, gesetz- oder sittenwidrig oder wegen Irrtums oder arglistiger Täuschung mit Wirkung ex tunc angefochten ist (vgl. Senat, NJW 2001, 966 = NZM 2001, 247 = NZBau 2001, 260; NJW-RR 2005, 1506 = NZM 2005, 711).

[10]Eine Anfechtung des Kaufvertrags ist indes nicht vorgenommen worden. Die GbR hat nämlich mit Rücksicht auf die aus ihrer Sicht günstigeren Rechtsfolgen an Stelle der alternativ möglichen Anfechtung wegen arglistiger Täuschung den großen Schadensersatz nach § 463 BGB a.F. verlangt.

[11]c) Ungeachtet der im Ansatz klaren Unterscheidung zwischen Umständen, die der Wirksamkeit des Hauptvertrags entgegenstehen oder - in Folge einer Anfechtungserklärung - rückwirkend seine Nichtigkeit herbeiführen, und solchen Umständen, die nur die Leistungspflicht aus einem wirksamen Vertrag verändern oder beseitigen, hat der Senat für eine bestimmte Fallkonstellation auch der Rückgängigmachung des Kaufvertrags durch Wandelung die Wirkung beigemessen, dass der Provisionsanspruch des Maklers entfällt. Er hat nämlich in einem Fall, in dem der Verkäufer einen Mangel arglistig verschwiegen und der Käufer mit Erfolg gegen diesen Wandelungsklage erhoben hatte, befunden, es sei hier zu beachten, dass wegen desselben Mangels ein Anfechtungsrecht neben den kaufrechtlichen Gewährleistungsvorschriften bestehe und der Vollzug der Wandelung daher zugleich das aus derselben Fehlerquelle stammende, alternative Recht des Käufers, den Kaufvertrag ex tunc zu beseitigen, realisiere (vgl. Senat, NJW 2001, 966 = NZM 2001, 247 = NZBau 2001, 260; zu einer ähnlichen Fallkonstellation, bei der vor dem Hintergrund behaupteten arglistigen Verhaltens während der Anhängigkeit des Rechtsstreits im Berufungsverfahren eine notarielle Vergleichsvereinbarung über einen „Wandelungsvertrag mit Auflassung“ geschlossen wurde, vgl. Senat, NJW 2005, 3778 [3779] = NZM 2005, 955). Der Käufer habe bei einem solchen Sachverhalt die freie Wahl zwischen dem Verlangen nach einer Gewährleistung und der Anfechtung des Kaufvertrags. Wofür er sich entscheide, sei aus der Sicht des Maklers rein zufällig. Deswegen dürfe hiervon nicht das Bestehen seines Provisionsanspruchs abhängig gemacht werden. Für die Maklervergütung sei vielmehr allein maßgebend, dass der Hauptvertrag wegen des Makels der Anfechtbarkeit von Anfang an, an einer Unvollkommenheit leide und daran wirtschaftlich auch scheitere. Voraussetzung für diese Gleichbehandlung von Gewährleistung und Vertragsanfechtung sei, dass der Käufer seine Gewährleistungsrechte innerhalb der einjährigen Anfechtungsfrist des § 124 I BGB geltend gemacht habe (vgl. Senat, NJW 2001, 966 = NZM 2001, 247 = NZBau 2001, 260).

[12]d) Wie das BerGer. zutreffend entschieden hat, kann sich der Bekl. auf diese Rechtsprechung nicht beziehen.

[13]aa) Dabei kann offen bleiben, ob es hier nicht bereits an der erfolgreichen Durchsetzung eines kaufrechtlichen Gewährleistungsrechts durch die GbR fehlt, das die Grundlage dafür bieten könnte, ein ihr möglicherweise alternativ zustehendes Anfechtungsrecht zu realisieren. Zwar mag man hiergegen einwenden, der Vorprozess zwischen den Vertragsparteien des Kaufvertrags entfalte für die in diesem Verfahren zu treffende Entscheidung keinerlei Bindungswirkung. Da es aber für die Frage der Provisionspflicht darauf ankommt, ob der Hauptvertrag wegen einer bestimmten, durch Arglist verursachten Unvollkommenheit nicht zur Durchführung gelangt, könnte es schon von Bedeutung sein, welches Ergebnis der Prozess zwischen den Parteien des Hauptvertrags hat. Danach wurden hier Gewährleistungsansprüche der GbR gerade verneint; die Nichtdurchführung des Kaufvertrags beruhte, von der tatsächlichen Weigerung der GbR abgesehen, den Kaufgegenstand zu übernehmen und den Kaufpreis zu zahlen, auf dem Rücktritt der Verkäuferin, der den Provisionsanspruch der Kl. unberührt ließ.

[14]bb) Entscheidend ist, dass hier eine Fallkonstellation vorliegt, in der der GbR nicht im Sinne einer rechtlichen Beliebigkeit die freie Wahl zustand, wie sie gegen die Verkäuferin vorging. Hätte sie allein die Wandelung des Kaufvertrags begehrt, hätte sich für sie wie für die Verkäuferin dieselbe Rechtsfolge ergeben, wenn ihr Vorwurf zutraf, die Verkäuferin hätte ihr arglistig oder - etwa im Sinne eines Anspruchs wegen Verschuldens bei den Vertragsverhandlungen, der bis zum Gefahrübergang hätte geltend gemacht werden können (vgl. BGH, WM 1982, 960 [961] = BeckRS 2009, 14591) - wenigstens fahrlässig einen ihr bekannten Mangel der Kaufsache verschwiegen: Im praktischen Ergebnis wäre die Abstandnahme vom Vertrag wegen eines von Anfang an bestehenden Mangels die Folge sowohl einer Wandelung als auch einer Anfechtung oder eines Schadensersatzanspruchs wegen Verschuldens bei den Vertragsverhandlungen gewesen.

[15]Demgegenüber verfolgte die GbR gegen die Verkäuferin ein Ziel, das sie von vornherein nicht erreichen konnte, wenn sie die Anfechtung erklärt oder einen Schadensersatzanspruch in der Richtung geltend gemacht hätte, so gestellt werden zu wollen, als sei der Kaufvertrag nicht geschlossen worden. Zwar stand ihr auch insoweit die freie Wahl zu, welches Ziel sie verfolgte. Da sie aber Wert darauf legte, für den entgangenen Gewinn entschädigt zu werden, der sich aus einer Durchführung des Kaufvertrags ergab, durfte sie dem Kaufvertrag nicht gleichzeitig durch Anfechtung jede Wirksamkeit nehmen. Wegen dieser unterschiedlichen Rechtsfolgen ist es daher auch nicht möglich, die Anfechtung gegenüber dem Schadensersatzanspruch aus § 463 BGB a.F. als „alternative“ Möglichkeit anzusehen, sich vom Kaufvertrag zu lösen. Während die Käuferin bei einer Anfechtung keinen Nutzen aus dem Kaufvertrag ziehen kann und darum auch dem Makler gegenüber nicht provisionspflichtig ist, kommen ihr bei einer Realisierung ihrer Ansprüche aus § 463 BGB a.F. die wirtschaftlichen Vorteile aus dem Kaufvertrag, wenn auch in abgewandelter Form, zugute.

[16]Da die GbR nicht innerhalb der Frist des § 124 I BGB Abstand von der Verfolgung ihres positiven Interesses genommen hat, um den Kaufvertrag anzufechten, kann sie dessen Unwirksamkeit jetzt nicht mehr herbeiführen. Dass der Kaufvertrag während der Jahresfrist des § 124 I BGB anfechtbar gewesen sein mag, berührt den Provisionsanspruch der Kl. mangels Ausübung dieses Rechts nicht (vgl. Staudinger/Reuter, BGB, Neubearb. 2003, §§ 652, 653 Rdnr. 95; Roth, in: MünchKomm, 5. Aufl. [2009], § 652 Rdnr. 164). Es ist auch weder ersichtlich noch vorgetragen, dass sich die GbR darum bemüht hätte, im Wege eines Schadensersatzanspruchs wegen Verschuldens bei den Vertragsverhandlungen von der Verkäuferin so gestellt werden zu wollen, als hätte sie den Kaufvertrag nicht geschlossen.