Haftung wegen
unrichtiger Auskunft im Rahmen eines Vertragsverhältnisses
(Wahrheitspflicht)
BGH, Urteil vom 13. März
2008 - III ZR 165/07
Fundstelle:
noch nicht bekannt
Amtl. Leitsatz:
zu
Schadensersatzansprüchen eines ausländischen Künstlers (Dirigenten) gegen
eine Gemeinde,
- weil diese ihm zur Anmietung einer Wohnung im Gemeindegebiet geraten habe,
ohne zu berücksichtigen, dass diese Begründung eines Zweitwohnsitzes zu
einer erhöhten Steuerbelastung führte,
- sowie wegen Verletzung der Pflicht zu korrektem Steuerabzug..
Tatbestand:
1 Der Kläger, ein amerikanischer Staatsangehöriger mit Hauptwohnsitz
außerhalb Deutschlands, ist ein international tätiger Dirigent. Er war ab
der Spielzeit 1989/90 bis 2002 zunächst als Chefdirigent der Oper, dann als
Generalmusikdirektor und Chefdirigent des Gürzenich-Orchesters der beklagten
Stadt Köln tätig.
2 Bei Abschluss der insoweit maßgeblichen Verträge vom 10. September 1986,
betreffend seine Tätigkeit als Chefdirigent der Oper für die Spielzeiten
1989/90 bis 1992/93, und vom 13. Juni 1989, betreffend seine Tätigkeit als
Generalmusikdirektor für die Zeit vom 16. März 1991 bis (zunächst) zum 15.
September 1996, war der Kläger nur beschränkt steuerpflichtig, weil er in
Deutschland weder einen Wohnsitz noch seinen gewöhnlichen Aufenthalt hatte.
In beiden Verträgen war die Verpflichtung des Klägers zur Anwesenheit in
Köln ausdrücklich auf einen Zeitraum von weniger als sechs Monaten im Jahr
festgelegt.
Der Kläger unterlag deshalb lediglich dem pauschalen Steuerabzug von 15 %
auf seine inländischen Bruttoeinkünfte (§ 1 Abs. 4; §§ 49, 50a Abs. 4 EStG
in der bis zum 31. Dezember 1995 gültigen Fassung).
3 Ab November 1989 mietete der Kläger in Köln eine Wohnung, die er bis zum
April 1998 innehatte. Dies hatte die - zunächst weder von ihm selbst noch
von den Bediensteten der beklagten Stadt erkannte - Konsequenz, dass er
nicht mehr der beschränkten Steuerpflicht unterlag, sondern aufgrund seiner
(Zweit-)Wohnsitznahme in Deutschland unbeschränkt, das heißt mit allen
steuerbaren Einkünften, in Höhe der tariflichen Einkommensteuer
steuerpflichtig war. Die Beklagte führte in Verkennung der Sach- und
Rechtslage jedoch weiterhin (lediglich) den Steuerabzug von 15 % an das
Finanzamt ab.
4 Nach Aufdeckung des Sachverhalts wurde der Kläger vom Finanzamt auf
Nachzahlung der rückständigen Steuern für die Jahre 1991 bis 1995 nebst
Zinsen - Nachzahlungszinsen, Zinsen bei Aussetzung der Vollziehung,
Stundungszinsen - in erheblicher Höhe in Anspruch genommen.
5 Im Umfang dieser Steuernachteile und wegen seiner diesbezüglichen
Steuerberatungs- und Rechtsverteidigungskosten verlangt der Kläger von der
beklagten Stadt Schadensersatz. Er wirft ihr insoweit vor, ihn nicht
rechtzeitig auf die steuerlichen Folgen einer Wohnungsanmietung in
Deutschland hingewiesen zu haben. Der damalige Kulturdezernent habe ihn
zudem gedrängt, eine Wohnung in Köln anzumieten, und ihm ausdrücklich
erklärt, dass dies keine Folgen für seinen Status als Steuerausländer habe,
solange er sich nicht länger als 180 Tage im Jahr in Köln aufhalte. Ferner
habe die Beklagte einen zu geringen Steuerabzug vorgenommen, so dass er auch
nicht über die Höhe der Steuerabzüge auf die steuerlichen Folgen der
Anmietung seiner Wohnung aufmerksam geworden sei.
6 Seine Forderung hat er zuletzt auf 1.189.649,26 € nebst Zinsen beziffert
und außerdem die Feststellung begehrt, dass die Beklagte verpflichtet sei,
ihm allen weiteren Schaden einschließlich eventuellen weiteren
Steuerschadens zu ersetzen, der ihm dadurch entstanden sei oder entstehe,
dass er rückwirkend von den Finanzbehörden in den Jahren 1991 bis 1998 als
"Steuerinländer" behandelt worden sei.
7 Das Landgericht hat die Klage abgewiesen. Auf die Berufung des Klägers hat
das Oberlandesgericht die Beklagte verurteilt, an den Kläger 176.697,17 €
nebst Zinsen zu zahlen, und die Feststellung getroffen, dass die Beklagte
verpflichtet sei, ihm allen weiteren Schaden einschließlich eventuellen
weiteren Steuerschadens zu ersetzen, der ihm dadurch entstanden sei oder
entstehe, dass die Steuern für die Jahre 1991 bis 1995 erst verspätet,
nämlich im Sommer 1998, festgesetzt worden seien. Im Übrigen hat das
Berufungsgericht die erstinstanzliche Klageabweisung unter Zurückweisung der
weitergehenden Berufung bestätigt. Für beide Parteien hat es die Revision
zugelassen.
8 Mit seiner Revision begehrt der Kläger die Verurteilung der Beklagten zur
Zahlung weiterer 829.078,52 € nebst Zinsen und verfolgt seinen
Feststellungsantrag in vollem Umfang weiter. Die Beklagte hat sich der
Revision angeschlossen und begehrt die vollständige Abweisung des
Zahlungsanspruchs.
Entscheidungsgründe
I. Die Revision des Klägers
9 Die Revision des Klägers ist zum großen Teil begründet. Sie führt, soweit
sie Erfolg hat, zur Aufhebung des Berufungsurteils und zur Zurückverweisung
der Sache an das Berufungsgericht.
10 1. Auch in der Revisionsinstanz leitet der Kläger - wie schon in den
Vorinstanzen - eine Schadensersatzpflicht der Beklagten in erster Linie
daraus her, dass diese eine Aufklärungspflichtverletzung zu seinem Nachteil
begangen habe. Auch wenn die Beklagte keine allgemeine steuerliche Beratung
geschuldet habe, hätte sie den Kläger schon bei Abschluss des ersten
Vertrages am 10. September 1986, spätestens jedoch bei Vertragsbeginn am 16.
August 1989, davor warnen müssen, dauerhaft eine Wohnung in Köln (oder sonst
in Deutschland) anzumieten, weil er anderenfalls nicht mehr der für
Steuerausländer beschränkten Steuerpflicht von pauschal 15 % auf seine
inländischen Brut-to-Einkünfte unterläge (§ 1 Abs. 4, § 50a Abs. 4 EStG in
der bis zum 31. Dezember 1995 geltenden Fassung), sondern in Deutschland
unbeschränkt steuerpflichtig würde. Ein solcher Hinweis sei erst recht aus
Anlass des Abschlusses des Folgevertrages vom 13. Juni 1989 geboten gewesen,
mit dem der Kläger zusätzlich das Amt des Generalmusikdirektors und
Chefdirigenten des Gürzenich-Orchesters übernommen habe, spätestens auch
hier aber bei Beginn der Vertragslaufzeit am 16. März 1991.
11 Weiter beruft sich der Kläger darauf, dass im Zusammenhang mit der
Anmietung der Wohnung sein Steuerstatus zur Sprache gekommen sei und der
damalige Kulturdezernent ausdrücklich erklärt habe, die Anmietung sei
unschädlich, solange sich der Kläger nicht länger als 180 Tage im Jahr in
Köln aufhalte.
12 Diesen Angriffen kann der Erfolg nicht versagt werden.
13 2. Allerdings haben beide Vorinstanzen insbesondere aus dem Umstand, dass
schon nach dem Ursprungsvertrag vom 10. September 1986 alle Vergütungen des
Klägers den geltenden (sc. deutschen) steuerlichen Bestimmungen unterlagen,
in revisionsrechtlich nicht zu beanstandender Weise die Folgerung gezogen,
dass die richtige Versteuerung seiner Einnahmen vor allem Sache des Klägers
als des Steuerpflichtigen war und die Beklagte hinsichtlich der
Steuerpflicht des bei Vertragsschluss von einer international tätigen
Agentur unterstützten Klägers keine Beratungspflichten übernommen habe.
Damit oblag es ihm auch, sich über die steuerlichen Folgen und seine
steuerlichen Pflichten im Zusammenhang mit den im Ausland erzielten
Einkünften zu informieren und gegebenenfalls beraten zu lassen. Die
Verträge, die er mit der Beklagten geschlossen hatte, eröffneten ihm die
steuerrechtliche Möglichkeit, seinen Status als Steuerausländer zu wahren.
Steuerschädliche Maßnahmen, wie hier die Anmietung einer Wohnung in Köln,
fielen daher grundsätzlich in seinen eigenen Risikobereich.
14 3. Die vom Kläger behauptete unrichtige Erklärung des
Kulturdezernenten der Beklagten, durch die Anmietung der Wohnung ändere sich
der Status des Klägers als Steuerausländer nicht, ist jedoch geeignet, eine
Schadensersatzpflicht der Beklagten zu begründen.
15 a) Auch ohne ausdrückliche vertragliche Vereinbarung besteht bei jedem
Vertragsverhältnis eine allgemeine Aufklärungspflicht hinsichtlich
sämtlicher Umstände, die für den Vertragsschluss der anderen Partei
erkennbar von wesentlicher Bedeutung sind und deren Mitteilung nach Treu und
Glauben unter Rücksicht auf die Verkehrsauffassung erwartet werden kann
(st. Rspr., vgl. z.B. BGH, Urteil vom 14. März 2003 - V ZR 308/02 = NJW
2003, 1811, 1812; Staudinger/Olzen, BGB [2005] § 241 Rn. 439, jeweils
m.w.N.). Dies schließt erst recht die Verpflichtung ein, unrichtige
Angaben gegenüber dem Vertragspartner zu unterlassen.
16 b) Zwar ist beiden Vorinstanzen darin zuzustimmen, dass nach dem
Schutzzweck dieser Aufklärungspflichten ein Schadensersatzanspruch nur und
erst dann begründet werden kann, wenn und soweit die erteilte Falschauskunft
geeignet war, bei ihrem Empfänger eine "Verlässlichkeitsgrundlage" für
darauf gestützte Dispositionen zu schaffen. Nach dem der
revisionsrechtlichen Beurteilung zugrunde zu legenden Sachvortrag des
Klägers war dies aber bei den behaupteten Erklärungen des Kulturdezernenten
der Fall.
17 aa) Der Kulturdezernent hatte bei den Verhandlungen über die Berufung des
Klägers nach Köln eine herausragende Rolle gespielt. Er hatte beide Verträge
vom 10. September 1986 und vom 13. Juni 1989 auf Seiten der Stadt Köln mit
unterzeichnet, die - was den Verhandlungsführern der Stadt Köln und
insbesondere auch dem Dezernenten bewusst war - inhaltlich so abgefasst
waren, dass der Kläger den Status eines Steuerausländers behielt. Der Kläger
hat vorgetragen und unter Beweis gestellt, der Kulturdezernent habe ihm im
Zusammenhang mit der Anmietung der Wohnung ausdrücklich erklärt, dass die
Wohnungsanmietung keine Folgen für diesen Status des Klägers habe, solange
er sich nicht länger als 180 Tage im Jahr in Köln aufhalte. Wie der Kläger
weiter behauptet hat, hatte der Kulturdezernent ihm im Vorfeld der
Wohnungsanmietung sogar mehrfach erklärt, er sei sich dessen sicher.
18 bb) Bei dieser Sachlage lässt sich eine Haftung für die objektiv falsche
Erklärung des Kulturdezernenten nicht mit der vom Berufungsgericht gegebenen
Begründung verneinen, dieser sei für die Beurteilung der steuerlichen
Rechtslage weder zuständig noch kompetent gewesen. Die Revision weist
insoweit zu Recht darauf hin, dass der Kulturdezernent mit den behaupteten
Erklärungen zum Ausdruck gebracht habe, dass er sich selbst für "kompetent"
hielt. Darauf durfte sich der Kläger verlassen; der Kläger brauchte hier
nicht klüger zu sein als der Kulturdezernent, sondern durfte annehmen, dass
hinsichtlich dieser speziellen Frage, die bei (fast) allen
Vertragsverhandlungen und Vertragsabschlüssen mit ausländischen Künstlern
eine zentrale Rolle spielte, seitens des Kulturdezernats eine hinreichende
Sachkunde vorhanden war.
19 cc) Die Abwägung zwischen dem Prinzip der Eigenverantwortlichkeit des
Klägers für die steuerrechtliche Gestaltung auf der einen und der
Zumutbarkeit der Haftung als Folge einer Pflichtverletzung der Beklagten auf
der anderen Seite (vgl. dazu Staudinger/Olzen aaO Rn. 446) führt daher hier
zu dem Ergebnis, dass eine zumindest auf Fahrlässigkeit beruhende
Fehleinschätzung der steuerlichen Gegebenheiten durch den Kulturdezernten
die vertragliche Risikoverteilung zu Lasten der Beklagten verschiebt und das
steuerliche Risiko im Rahmen der Haftung für die Steuermehrbelastung auf die
Beklagte verlagert.
20 Dies bedeutet, dass beim gegenwärtigen Sach- und Streitstand eine
Schadensersatzhaftung der Beklagten für die Steuermehrbelastung nicht
verneint werden kann.
21 4. Vergeblich wendet sich der Kläger allerdings dagegen, dass das
Berufungsgericht die bezüglich eines auf die Steuerschuld des Klägers von
der mithaftenden Beklagten an das Finanzamt gezahlten Betrags von insgesamt
237.737 € erklärte Hilfsaufrechnung in voller Höhe, das heißt über den vom
Kläger hingenommenen Betrag von 183.873,57 € hinaus, hat durchgreifen
lassen.
22 Soweit die Revision geltend macht, in Höhe von 53.864,37 € stehe dem
Kläger ein entsprechender Schadensersatzanspruch zu, weil die Beklagte unter
Verletzung ihrer dienstvertraglichen Fürsorgepflicht den Kläger zu spät
darüber informiert habe, dass seine inländischen Bruttoeinkünfte seit dem 1.
Januar 1996 nach dem Jahressteuergesetz 1996 nicht etwa, wie zunächst
angenommen, mit pauschal 30 % zu versteuern seien, sondern der normalen "InländerLohnsteuer"
unterlägen, kann sie damit nicht gehört werden.
23 Der Kläger hat seinen Schadensersatzanspruch zunächst auf
Fürsorgepflichtverletzungen der Beklagten sowohl im Zusammenhang mit der
Anmietung der Wohnung als auch im Zusammenhang mit den Änderungen des
Steuerrechts durch das Jahressteuergesetz 1996 gestützt. Im
Berufungsverfahren hat er auf den Hinweis- und Auflagenbeschluss des
Berufungsgerichts vom 13. April 2006 klargestellt, dass er ausschließlich
Ersatz des durch die Anmie-tung der Wohnung entstandenen Schadens verlange.
Dementsprechend hat er nur noch die damit einhergehenden Pflichtverletzungen
der Beklagten beanstandet. Hinsichtlich der Hilfsaufrechnung hat er
ausschließlich geltend gemacht, eine am 11. April 1996 gegebene Zusage der
Beklagten, ihm die NettoDifferenz aus der Änderung des pauschalen
Steuerabzugs von 15 auf 30 % zu erstatten, sei dahin zu verstehen, dass
sämtliche über den alten Steuersatz hinaus gehenden
Nachzahlungsverpflichtungen von der Beklagten zu tragen seien. Dieser
Argumentation ist das Berufungsgericht nicht gefolgt; vielmehr hat es -
rechtsfehlerfrei und von der Revision unbeanstandet - eine über die Erhöhung
des pauschalen Steuerabzugs hinausgehende Zusicherung, weitere
Steuernachteile jedweder Art zu erstatten, für nicht gegeben erachtet.
24 Da es der Revision verwehrt ist, tatsächliches, im Berufungsverfahren
"fallen gelassenes" Vorbringen wieder aufzugreifen, ist sie bezüglich eines
Betrags von 53.864,37 € zurückzuweisen.
25 6. Aus dem Gesagten ergibt sich, dass der Feststellungsantrag ebenfalls
nur Erfolg haben kann, soweit es um den Steuerstatus des Beklagten in den
Jahren 1991 bis 1995 geht.
II. Die Anschlussrevision der Beklagten
26 Auch die Anschlussrevision der Beklagten ist begründet.
27 Das Berufungsgericht bejaht eine Schadensersatzpflicht unter dem weiteren
- von der zuvor erörterten Haftung für die Falschauskunft unabhängigen
-Gesichtspunkt, dass die Beklagte den Kläger steuerlich falsch behandelt
habe, indem sie auch nach Anmietung der Wohnung in den Jahren 1990 bis 1995
lediglich den nur für beschränkt steuerpflichtige Ausländer geltenden
Pauschalabzug von 15 % vorgenommen und nicht die an sich geschuldete Steuer
einbehalten und an das Finanzamt abgeführt habe. Die gegen die aus dieser
Grundlage hergeleitete Haftung gerichteten Angriffe der Anschlussrevision
haben Erfolg.
28 1. a) Zwar besteht die Pflicht des Arbeitgebers - hier der Beklagten -,
die Lohnsteuer bei jeder Lohnzahlung einzubehalten und an das Finanzamt
abzuführen (§ 38 EStG), in erster Linie gegenüber dem Fiskus. Der
Arbeitgeber ist jedoch auch dem Arbeitnehmer gegenüber zum korrekten
Steuerabzug verpflichtet. Dies ist für das Arbeitsrecht anerkannt (BAG NJW
2004, 3588; NZA 1990, 309). Mit Recht hat das Berufungsgericht diesen
Grundsatz auf das hier in Rede stehende Dienstverhältnis zwischen den
Parteien übertragen. Für eine Differenzierung zwischen Arbeits- und
Dienstverträgen, die auch das Steuerrecht nicht vornimmt, fehlt es an einem
sachlichen Grund.
29 b) Unstreitig hat die Beklagte diese - ihr somit auch dem Kläger
gegenüber obliegende - Pflicht zum korrekten Steuerabzug objektiv verletzt,
indem sie lediglich 15 % bzw. (ab 1. Januar 1996) 30 % der Einkünfte
pauschal als Steuer abgeführt hat. Dies war einmal deshalb unrichtig, weil
der Kläger einen Wohnsitz in Deutschland hatte und damit unbeschränkt
steuerpflichtig war, zum anderen ab 1996 auch deshalb, weil er im
steuerlichen Sinne nicht selbständig tätig war.
30 c) Die Anschlussrevision räumt ein, dass das Berufungsgericht zu Recht
eine objektive Pflichtverletzung der Beklagten bejaht hat, weil diese in dem
fraglichen Zeitraum den Kläger als beschränkt steuerpflichtig angesehen und
deshalb nur pauschal 15 % seiner Einkünfte als Steuer abgeführt hatte. Die
Beklagte bestreitet jedoch ein Verschulden ihrer zuständigen Bediensteten
als subjektive Tatbestandsvoraussetzung des Schadensersatzanspruchs. Damit
kann sie indessen keinen Erfolg haben.
31 Den für den Steuerabzug zuständigen Bediensteten der Beklagten hätte
vielmehr - wie das Berufungsgericht mit hinreichend tragfähiger,
revisionsrechtlich nicht angreifbarer Begründung feststellt - bekannt
gewesen sein müssen, dass der Kläger einen zweiten Wohnsitz in Köln
begründet hatte. Daraus hätten sie die steuerrechtlichen Konsequenzen
für die zutreffende Berechnung des Abzugs ziehen müssen. Für ein
Mitverschulden des Klägers sieht der Senat keinen Ansatzpunkt; deswegen war
auch das Berufungsgericht nicht gehalten, unter dem Gesichtspunkt der
Nichtinformation oder der fehlerhaften Information der Beklagten durch den
Kläger auf ein solches einzugehen.
32 2. a) Mit Recht hat das Berufungsgericht angenommen, dass die Belastung
des Klägers mit den nachzuzahlenden Steuern selbst - im Unterschied zu der
Haftung für die Falschauskunft des Kulturdezernenten - nicht vom Schutzzweck
dieser Pflicht der Beklagten zum korrekten Steuerabzug umfasst wurde (vgl.
in diesem Sinne bereits BAG BB 1958, 414). Denn die Steuernachzahlung war
berechtigt. Der Kläger schuldete die Steuern tatsächlich, weil er aufgrund
seines inländischen Wohnsitzes der unbeschränkten Steuerpflicht unterlag.
Die Begründung dieses inländischen Wohnsitzes, die zur Steuermehrbelastung
führte, fiel - wie bereits dargelegt - in den eigenen Risikobereich des
Klägers. Deswegen kann der Kläger auch nicht geltend machen, er hätte bei
Vornahme eines zutreffenden, 15 % deutlich übersteigenden Abzugs sich nach
dessen Berechtigung erkundigt und bei Kenntniserlangung von der
Steuerschädlichkeit der Wohnungsanmietung seinen inländischen Wohnsitz
alsbald aufgegeben. Diese Konsequenz wäre allenfalls ein dem Kläger
günstiger Reflex aus der zutreffenden Berechnung der Steuer gewesen; der
Schutzbereich der insoweit wahrzunehmenden Pflichten der Beklagten wäre
dadurch sachlich nicht erweitert worden. Bei der Schadenshöhe ist
dementsprechend die den Kläger treffende Steuernachzahlung selbst aus dem
Ersatzanspruch auszuklammern. Dieser ist vielmehr auf die sonstigen
Nachteile begrenzt, die sich aus der verspäteten Anmeldung und Festsetzung
der Steuer ergeben hatten.
33 b) Als ersatzfähige Schadenspositionen hat das Berufungsgericht daher die
zu Lasten des Klägers aufgelaufenen Steuernachforderungszinsen (§ 233a AO),
Stundungszinsen (§ 234 AO) und Zinsen bei Aussetzung der Vollziehung (§ 237
AO) für berechtigt gehalten. Außerdem hat es zugunsten des Klägers
Kreditzinsen, Steuerberatungskosten - wenn auch nur im Umfang von 15 % der
vom Kläger angesetzten Höhe - und Rechtsberatungskosten berücksichtigt.
34 aa) Soweit die Anschlussrevision die vom Berufungsgericht vorgenommene
Berechnung der Schadenshöhe in den Positionen "Kreditzinsen" und
"Rechtsberatungskosten" angreift, ist ihr der Erfolg zu versagen. Die
diesbezüglichen Feststellungen des Berufungsgerichts halten sich im Rahmen
des dem Tatrichter durch § 287 ZPO eingeräumten erweiterten
Beurteilungsspielraums. Verfahrensfehler sind dem Berufungsgericht - wie der
Senat geprüft hat - dabei nicht unterlaufen; insbesondere ist kein
entscheidungserhebliches Vorbringen der Beklagten übergangen worden. Von
einer näheren Begründung sieht der Senat insoweit ab (§ 564 ZPO).
35 bb) Zu Recht jedoch beanstandet die Anschlussrevision, dass das
Berufungsgericht die Grundsätze der "Vorteilsausgleichung" unzutreffend
angewandt hat.
36 Wenn und soweit einem Steuerpflichtigen hinsichtlich der von ihm zu
zahlenden Steuern ein ersatzfähiger "Verspätungsschaden" entsteht, so sind
die ihm in demselben Zusammenhang erwachsenen Vermögensvorteile,
insbesondere durch die Möglichkeit zur Nutzung eines zunächst nicht durch
Steuerzahlungen oder -abzüge geminderten Vermögens, grundsätzlich im Wege
der Vorteilsausgleichung nach § 249 BGB schadensmindernd zu berücksichtigen
(BGH, Urteil vom 31. Januar 1991 - IX ZR 124/90 = WM 1991, 814 f zur
Steuerberaterhaftung). Der Kläger hat nach seinem eigenen Vorbringen die
Zahlungen der Beklagten dazu verwendet, in New York eine Wohnung zu
erwerben, die er, wenn ihm nur die um die Steuerabzugsbeträge gekürzte
Vergütung zur Verfügung gestanden hätte, nicht erworben hätte. Die mit
diesem Erwerb verbundenen Nutzungsvorteile mindern entgegen der Auffassung
des Berufungsgerichts den Schaden des Klägers. Das Berufungsgericht verengt
den Begriff der Kongruenz von Vor- und Nachteil, wenn es meint, insoweit
könnten nur erzielte Habenzinsen oder ersparte Kreditzinsen veranschlagt
werden (vgl. allgemein hierzu MünchKommBGB/Oetker, 5. Aufl., § 249 Rn. 265
ff). Aus der Rechtsprechung des Bundesgerichtshofs zum
Schadensersatzanspruch des Käufers wegen Nichterfüllung des Kaufvertrags,
auf die sich das Berufungsgericht in diesem Zusammenhang berufen hat (BGH,
Urteil vom 6. Juni 1997 - V ZR 115/96 = BGHZ 136, 52 = NJW 1997, 2378; siehe
auch Urteil vom 31. März 2006 - V ZR 51/05 = NJW 2006, 1582), lässt sich für
die vorliegende Fallgestaltung nichts anderes entnehmen.
III. Ergebnis
37 1. Die Abweisung der Klage kann daher hinsichtlich der
Steuernachzahlungen 1991 bis 1995 keinen Bestand haben. Gleiches gilt für
die Abweisung der Steuerberatungskosten. Das Berufungsgericht hat insoweit
lediglich diejenigen Kosten für ersatzfähig gehalten, die gerade dadurch
erforderlich geworden waren, dass die Steuern erst verspätet festgesetzt
wurden. Dies trifft zu, soweit es um den Haftungstatbestand der Verletzung
der Pflicht zum korrekten Steuerabzug geht. In den Rahmen des anderen
Haftungstatbestandes, der unrichtigen Auskunft des Kulturdezernenten, fallen
jedoch auch diejenigen Steuerberatungskosten, die aufgewendet werden
mussten, weil der Kläger unbeschränkt steuerpflichtig war und daher eine
Steuerklärung über sein gesamtes Einkommen abgeben musste. Diese können
insoweit einen ersatzfähigen Schaden darstellen.
38 Insoweit bedarf es weiterer tatrichterlicher Aufklärung über die im
Einzelnen streitigen Äußerungen des Kulturdezernenten, insbesondere über
deren Inhalt und Tragweite.
39 2. Soweit die Beklagte verurteilt worden ist, war das Berufungsurteil in
vollem Umfang aufzuheben. Da das Berufungsgericht keine Feststellungen
darüber enthält, welche konkreten Nutzungsvorteile der Kläger erlangt hat
und wie diese zu bewerten sind, kann nicht ausgeschlossen werden, dass sie
den zuerkannten Betrag übersteigen.
40 Für das weitere Verfahren weist der Senat darauf hin, dass zwar der
Ersatzpflichtige grundsätzlich die Darlegungs- und Beweislast für die
tatsächlichen Voraussetzungen einer Vorteilsausgleichung trägt, aber der
Geschädigte gehalten ist, Angaben zu den zur Berechnung des Vorteils
erforderlichen Umständen zu machen (BGH, Urteil vom 3. Mai 2002 - V ZR
115/01 = NJW-RR 2002, 1280). |