Haftung aus §§ 280 I, 241 II BGB; Schutzpflichten
bei Telekommunikationsdiensten: Aufklärung über Tarifstruktur; Beweislast
für die Pflichtverletzung und das Vertretenmüssen, sekundäre Darlegungslast
BGH, Urteil vom 15. März 2012 - III
ZR 190/11
Fundstelle:
noch nicht bekannt
Amtl. Leitsatz:
Zu den Hinweispflichten eines
Anbieters von Telekommunikationsdiensten, der nach Vertragsbeginn
zusätzliche Leistungen anbietet und für deren Entgeltberechnung andere
Parameter verwendet als für die bisher angebotenen Dienste (hier: mobiler
Internetzugang mit volumen- und nicht zeitabhängigem Tarif).
Zentrale Probleme:
Ein interessanter Fall zu den
leistungsunabhängigen Nebenpflichten nach § 241 II BGB: Der Kunde eines
"Handy-Vertrags" nutzt den Mobilfunk zur Datenübertragung in Unkenntnis des
(damals noch horrenden) Tarifs für mobile Datennutzung. Effekt: Rund 750.- €
für den download eines YouTube-Filmchens ... Der Senat bejaht einerseits
einen Entgeltanspruch, sieht aber u.U. zugleich einen Schadensersatzanspruch
des Kunden gegeben, den er im Wege der "dolo-petit-Einrede" entgegenhalten
kann. Der Anbieter muss (in zumutbarer Weise) auf solche Kostenfallen
aufmerksam machen. Entscheidend und über den Fall hinaus von Interesse sind
die Ausführungen bei Tz. 14: "Grundsätzlich hat zwar jede
Partei im Rahmen vertraglicher Beziehungen aufgrund der im Zivilrecht
herrschenden Privatautonomie ihre Belange selbst wahrzunehmen. Insbesondere
obliegt es einem Vertragspartner, selbst darauf bedacht zu sein, die
Leistungen seiner Gegenseite nicht in einem Umfang in Anspruch zu nehmen,
der zu unerwünscht hohen Entgeltforderungen führt. In Fallgestaltungen
jedoch, in denen der Vertragsgegner über eine überlegene Sachkunde verfügt,
können ihn gemäß § 241 Abs. 2 BGB Hinweis- und Aufklärungspflichten zur
Wahrung des Leistungs- oder Integritätsinteresses seines Partners treffen,
wenn dieser mangels eigener Kenntnisse der Gefährdung seiner Belange nicht
selbst in ausreichendem Maß entgegenwirken kann."
©sl 2012
Tatbestand:
1 Die Parteien streiten um die
Berechtigung einer Entgeltforderung der Klägerin für die Erbringung von
Mobilfunkleistungen. Die Parteien schlossen 2004 einen Mobilfunkvertrag, der
seinerzeit eine Datenübertragung per Mobiltelefon noch nicht erfasste. Die
dem Vertrag zu Grunde liegenden Allgemeinen Geschäftsbedingungen der
Klägerin lauteten auszugsweise wie folgt:
"4.1
Der Kunde ist zur Zahlung der Benutzungsbeträge verpflichtet, wie sie sich
aus den von Cellway veröffentlichten Tarifen in der jeweils gültigen Fassung
im Einzelnen ergeben ...
4.10
Sämtliche Bepreisungen für die Nutzung neuer Zugangs- und Sonderdienste, die
erst zukünftig eingeführt oder in modifizierter Form angeboten werden,
stellt unser Kundendienst auf Anfrage zur Verfügung."
2 Im Mai 2007 erwarb der Beklagte bei einem anderen Unternehmen ein
internetfähiges Mobiltelefon zu. Am 1. Januar 2008 rief er mit
diesem Gerät über die Internetseite "youtube" einen Film ab, der eine
Datenmenge von 45.835 KB beanspruchte und dessen Übertragung 21 Minuten und
17 Sekunden dauerte. Hierfür stellte die Klägerin dem Beklagten am 10.
Januar 2008 750,8444 € nebst Umsatzsteuer in Rechnung. Dabei legte
sie ihren Tarif "surf-by-call" zu Grunde, der 0,19 € brutto für zehn
Kilobyte (KB) zuzüglich eines "Onlinepreises" von 0,02 € je angefangene
Stunde vorsah. In der Rechnung war auch das Entgelt für eine weitere
Datenverbindung mit einer abgerufenen Datenkapazität von 1.188 KB zum selben
Tarif enthalten. Ferner umfasste sie die Grundgebühr und das Entgelt für
zwei netzinterne Verbindungen. Insgesamt belief sich die Rechnung vom 10.
Januar 2008 auf 929,46 €.
3 Nachdem der Beklagte die Begleichung der Entgeltforderung der Klägerin
verweigerte, kündigte diese den Mobilfunkvertrag im Mai 2008. Sie verlangt
mit ihrer Klage den offenen Rechnungsbetrag nebst Schadensersatz von 16,31 €
wegen der vorzeitigen Vertragsbeendigung. Die Klage hat in den Vorinstanzen
Erfolg gehabt. Mit seiner vom Berufungsgericht zugelassenen Revision
verfolgt der Beklagte seinen Klageabweisungsantrag weiter, soweit der
Klägerin ein höherer Betrag als die Grundgebühr und die Vergütung für zwei
netz interne Verbindungen (10,71 € nebst Umsatzsteuer = 12,74 €) zuerkannt
worden ist.
Entscheidungsgründe
4 Die zulässige Revision ist begründet. Sie führt im Umfang der
Anfechtung des Berufungsurteils zu dessen Aufhebung und zur Zurückverweisung
der Sache an die Vorinstanz.
I.
5 Nach Ansicht des Berufungsgerichts ist die Klage in vollem Umfang
begründet. Die Klägerin habe die dem Beklagten unter dem 10. Januar 2008 in
Rechnung gestellten Leistungen erbracht. Dieser könne sich nicht darauf
berufen, dass ihm die Tarife für die Internetdienste nicht mitgeteilt worden
seien. Als der Vertrag zwischen den Parteien abgeschlossen worden sei, sei
ein Surfen per Handy im Internet noch nicht möglich gewesen. Die Allgemeinen
Geschäftsbedingungen der Klägerin bestimmten hinsichtlich möglicher
künftiger Dienste, dass diese nach den jeweils geltenden Tarifen berechnet
würden, welche auf Anfrage zugesandt würden. In diesen Bestimmungen könne
keine unangemessene Benachteiligung für den Nutzer erkannt werden. Der
Beklagte habe als Durchschnittskunde davon ausgehen müssen, dass, wenn
inzwischen eine Benutzung des Internets auch mit dem Handy möglich sei, die
Klägerin bei entsprechenden Verbindungen diese nach dem Datenvolumen
vergütet haben wolle. Es sei ihm zuzumuten gewesen, sich über die hierfür
berechneten Tarife zu informieren. Anhaltspunkte dafür, dass das in Rechnung
gestellte Entgelt von 0,19 € je zehn KB Anfang 2008 als auffällig über dem
Marktpreis liegender Wucherpreis anzusehen gewesen sei, gebe es nicht.
6 Entgegen der Ansicht des Beklagten habe die Klägerin im Hinblick auf die
Kosten der Internetverbindungen auch keine Hinweis- oder Aufklärungspflicht
gehabt. Grundsätzlich sei es die Sache jeder Partei, ihre Interessen selbst
wahrzunehmen. Es dürfte jedem Internetnutzer bekannt sein, dass, wenn keine
Flatrate vereinbart sei, die Gefahr hoher Kosten bestehe.
7 Insbesondere habe die Klägerin als Mobilfunkanbieterin keine Pflicht zu
einem Hinweis auf die Datenmenge gehabt. Der Klägerin sei es gar nicht
bekannt, welche Datenmenge ein Film habe, den der Nutzer herunterladen
wolle. Selbst wenn eine technische Möglichkeit für die Klägerin bestanden
haben sollte, festzustellen, welche Daten ein Nutzer herunterlade, könne
nicht davon ausgegangen werden, dass sie bereits zum Zeitpunkt der
Verbindung die notwendigen Erkenntnisse habe, um ihren Vertragspartner im
Vorfeld zu warnen. Auch habe zumindest 2008 keine Verpflichtung des
Verbindungsanbieters bestanden, bei Erreichen einer bestimmten Datenmenge
die Verbindung zu kappen oder zumindest ab einer bestimmten Datenmenge eine
Warnung vorzunehmen. Wenn ein Handybesitzer im Bewusstsein, dass er keine
Datenflatrate besitze, über sein Gerät ins Internet gehe, liege dies in
dessen Eigenverantwortung. Wolle er mögliche Kostenfallen vermeiden, obliege
es ihm, sich entsprechend vorher zu informieren und sich gegebenenfalls eine
Warnanzeige ab einer bestimmten Datenmenge selbst zu installieren.
II.
8 Dies hält nicht in allen Punkten der rechtlichen Nachprüfung stand.
9 1. Dem Berufungsgericht ist jedoch darin beizupflichten, dass die
Klägerin im Ausgangspunkt einen Entgeltanspruch gegen den Beklagten erworben
hat, weil dieser sich mit seinem Mobiltelefon in das Internet eingewählt und
Daten heruntergeladen hat. Die Ausführungen der Vorinstanz zur
Erweiterung des ursprünglich zwischen den Parteien geschlossenen Vertrags um
die Option, das Mobilfunkgerät auch zum Empfang von Daten aus dem Internet
zu nutzen, sind nicht zu beanstanden. Dies gilt auch für die Erwägungen zu
dem hierfür zu entrichtenden Entgelt und zu dessen Höhe.
Insbesondere bestehen keine Bedenken dagegen, dass in den Allgemeinen
Geschäftsbedingungen der Klägerin die Erweiterung des ursprünglich
vereinbarten Leistungsspektrums vorgesehen und für den Fall, dass der Kunde
die zusätzliche Option, wie hier die Datenübertragung per Internet, in
Anspruch nimmt, auf den jeweils gültigen veröffentlichten Tarif verwiesen
wird. Nicht zuletzt im Hinblick auf die ständige Fortentwicklung der
Kommunikationstechnik besteht keine unangemessene Benachteiligung des
Vertragspartners des Verwenders (§ 307 Abs. 1 Satz 1 BGB), wenn der Vertrag
der Klägerin die Möglichkeit einräumt, zusätzliche Leistungen anzubieten,
sofern deren Inanspruchnahme, wie im vorliegenden Sachverhalt, dem Kunden
frei gestellt ist. Rechtlich nicht zu beanstanden ist ferner die
weitgehend dem Tatrichter vorbehaltene Würdigung des Berufungsgerichts, der
Preis von 0,19 € für je zehn KB sei zumindest 2008 nicht sittenwidrig
überhöht gewesen (siehe zu einem solchen Preis im Jahr 2008 jedoch auch
Schmidt MMR 2011, 838 f in der Anmerkung zu OLG Schleswig MMR 2011, 836). Zu
allen diesen Punkten erhebt auch die Revision keine Rügen.
10 2. Demgegenüber ist nach dem bisherigen Sach- und Streitstand ein
Schadensersatzanspruch des Beklagten gegen die Klägerin nach § 280 Abs. 1
BGB wegen Verletzung einer Hinweispflicht (§ 241 BGB) nicht auszuschließen,
der zur Folge hat, dass der Forderung der Klägerin zumindest teilweise gemäß
§ 242 BGB der Einwand des "dolo agit, qui petit quod statim redditurus est"
entgegen steht. Die Klägerin war bei Erweiterung ihres Angebots um
den mobilen Internetzugang zu einem Hinweis auf die mit der
volumenabhängigen Entgeltberechnung verbundenen Gefahren verpflichtet. Es
kommt darüber hinaus je nach den im Januar 2008 bestehenden technischen
Möglichkeiten und Usancen in Betracht, dass die Klägerin verpflichtet war,
den Beklagten durch eine auf sein Mobilfunkgerät zu sendende Mitteilung zu
warnen, sobald eine von dem normalen Nutzungsverhalten außergewöhnlich
abweichende Gebührenhöhe erreicht war, um ihm die Möglichkeit zu geben, die
Datenübertragung abzubrechen und so das Entstehen einer unerwünscht hohen
weiteren Entgeltforderung zu verhindern.
11 a) Allerdings bestand und besteht noch keine gesetzlich normierte Pflicht
der Diensteanbieter zu derartigen Hinweisen.
12 § 45n Abs. 6 Satz 1 Nr. 5 TKG in der noch nicht im Bundesgesetzblatt
verkündeten Fassung des Gesetzes zur Änderung telekommunikationsrechtlicher
Regelungen (Gesetzesbeschluss des Deutschen Bundestags vom 27. Oktober 2011,
Plenarprotokoll 17/136, S. 1609) sieht zwar eine Ermächtigung zum Erlass
einer Rechtsverordnung vor, durch die Anbieter öffentlich zugänglicher
Telekommunikationsdienste verpflichtet werden können, geeignete
Einrichtungen anzubieten, um die Kosten der Inanspruchnahme der
Telekommunikationsdienste zu kontrollieren. Diese Befugnis schließt die
Verpflichtung zu unentgeltlichen Warnhinweisen bei anormalen oder
übermäßigem Verbraucherverhalten ein. Das Gesetz ist jedoch noch nicht in
Kraft getreten; eine Rechtsverordnung ist noch nicht erlassen worden.
13 b) Dies schließt indessen nicht aus, dass sich eine solche
Verpflichtung bereits als Nebenpflicht aus dem zwischen den Parteien
geschlossenen Mobilfunkvertrag ergab.
14 aa)
Grundsätzlich hat zwar jede Partei im Rahmen vertraglicher Beziehungen
aufgrund der im Zivilrecht herrschenden Privatautonomie ihre Belange selbst
wahrzunehmen. Insbesondere obliegt es einem Vertragspartner, selbst darauf
bedacht zu sein, die Leistungen seiner Gegenseite nicht in einem Umfang in
Anspruch zu nehmen, der zu unerwünscht hohen Entgeltforderungen führt. In
Fallgestaltungen jedoch, in denen der Vertragsgegner über eine überlegene
Sachkunde verfügt, können ihn gemäß § 241 Abs. 2 BGB Hinweis- und
Aufklärungspflichten zur Wahrung des Leistungs- oder Integritätsinteresses
seines Partners treffen, wenn dieser mangels eigener Kenntnisse der
Gefährdung seiner Belange nicht selbst in ausreichendem Maß entgegenwirken
kann (vgl. z.B. BGH, Urteil vom 19. Februar 1975 - VIII ZR 144/73,
BGHZ 64, 46, 49; Bamberger/Roth/Grüneberg/Sutschet, BGB, 2. Aufl., § 241 Rn.
77; Palandt/ Grüneberg, BGB, 71. Aufl., § 280 Rn. 30). Insbesondere
in Bereichen, in denen nicht spezifisch vorgebildeten Verbrauchern die
Nutzung anspruchsvoller Technik angeboten wird, kommen solche Hinweis- und
Aufklärungspflichten des Vertragspartners in Betracht, der im Gegensatz zur
anderen Seite über den notwendigen Sachverstand verfügt. Dies trifft auch
und gerade auf den Telekommunikationssektor zu. In diesem kommt
nicht nur komplizierte Technik mit einer mittlerweile schon schwer zu
überblickenden Fülle von Anwendungsmöglichkeiten und Tarifen zum Einsatz.
Vielmehr zeichnet sich dieser Bereich überdies im Verbund mit der
Computertechnologie durch eine besonders dynamische Fortentwicklung aus
(vgl. hierzu Senatsurteil vom 9. Juni 2011 - III ZR 157/10, WM 2011, 1678
Rn. 28), die der Durchschnittsverbraucher nicht ständig nachverfolgt.
15 Der Senat hat dementsprechend in seinem vorzitierten Urteil vom
9. Juni 2011 (aaO Rn. 14) im Hinblick auf die schwer zu durchschauende
Vielzahl von Mobilfunktarifen eine Pflicht des Diensteanbieters angenommen,
Kunden, die sein Angebot nur im Rahmen einer Kreditlinie nutzen dürfen,
rechtzeitig vor Erreichen des Limits zu warnen, bevor er seine Leistungen
einstellt. Auch in der instanzgerichtlichen Rechtsprechung werden
Hinweis- und Aufklärungspflichten des Anbieters von
Telekommunikationsdienstleistungen gegenüber seinen Kunden zur Vermeidung
unerwartet hoher Rechnungen für unterschiedliche Konstellationen angenommen
(OLG Schleswig MMR 2011, 836, 837 mit zustimmender Anmerkung von Schmidt aaO
S. 838; LG Münster K&R 2011, 359, 360 jeweils zur Aktualisierung von
Navigationskarten mit großem Datenvolumen auf einem neu erworbenen
beziehungsweise vermieteten Mobilfunkgerät; LG Kleve, Urteil vom 15. Juni
2011 - 2 O 9/11, juris Rn. 22 zum Entstehen hoher nutzungsabhängiger
Durchleitungsgebühren im Ausland [Roaming] bei Vereinbarung einer Flatrate
im Inlandsverkehr; LG Bonn K&R 2010, 679 mit zustimmender Anmerkung von
Schmidt aaO S. 680, 681 zur ständigen Verbindung eines Routers mit dem
Internet bei zeitabhängigem Tarif; LG Kiel MMR 2003, 422, 423 zur Einwahl in
das Internet zu beinahe 200-fachen Kosten einer Standardverbindung; AG
Frankfurt am Main MMR 2008, 496, 497 zum permanenten Einwählen eines
Mobiltelefons in einen analogen Internetzugang; vgl. auch Landesgericht
Feldkirch [Österreich], Urteil vom 7. September 2010 - 2 R 284/10w, im
Internet abrufbar unter
www.vol.at/2012/02/Entscheidung-LG-Feldkirch-2r284_10w.pdf
zum unbeabsichtigten Roaming im Grenzgebiet).
16 bb) Auch in der vorliegenden Fallgestaltung bestand eine Hinweispflicht
der Klägerin. Sie war gehalten, ihre Kunden bei Einführung des neuen
Dienstes hinreichend deutlich - etwa durch ein Anschreiben, einen Hinweis
auf den Rechnungen oder eine SMS - darüber zu unterrichten, dass der Zugang
zum Internet per Mobilfunkgerät im Gegensatz zu den Telefonverbindungen
nicht nach der Verbindungsdauer, sondern nach dem heruntergeladenen
Datenvolumen berechnet wird. Entgegen der Ansicht des Berufungsgerichts
musste ein Durchschnittskunde bei der Erweiterung des Leistungsspektrums der
Klägerin nicht davon ausgehen, dass sie das Entgelt für den neuen Dienst
nach anderen Parametern berechnen werde als für den Telefonverkehr, zumal
bei der Internetnutzung über das Festnetz außerhalb von Pauschaltarifen eine
zeitabhängige Entgeltberechnung zumindest weit verbreitet war. Darüber
hinaus war die Klägerin verpflichtet, ihre Kunden darauf hinzuweisen, dass
auch bei Nutzung nicht außergewöhnlich erscheinender Internetangebote sehr
große Datenmengen anfallen können, die bei volumenabhängigen
Verbindungsentgelten für den mobilen Netzzugang zu ungewöhnlich hohen Kosten
führen. Der Durchschnittskunde musste auch hiermit mangels entsprechender
Kenntnisse nicht rechnen, während der Klägerin als
Telekommunikationsanbieter dies bekannt war. Hiernach bestand das
Informationsgefälle, das für die Begründung von Hinweispflichten einer
Vertragsseite zur Wahrung der Interessen des Gegners ausschlaggebend ist.
17 Ob die Klägerin diese Pflicht verletzt hat und ob solche notwendig
abstrakt gehaltenen Hinweise den Beklagten davon abgehalten hätten, sein
Mobilfunkgerät am 1. Januar 2008 wie geschehen zu nutzen, mithin ob der
etwaige Verstoß dieser Pflichten kausal für den eingetretenen Schaden war,
wird im neuen Berufungsverfahren festzustellen sein.
18 cc) Unter dem Vorbehalt im neuen Berufungsverfahren noch nachzuholender
weiterer tatsächlicher Feststellungen bestand - neben der Pflicht zu
den abstrakten Warnhinweisen bei Einführung der neuen Leistung - die
Verpflichtung der Klägerin als Diensteanbieterin, ihre Kunden, etwa mittels
einer SMS, zu warnen, wenn die Kosten für die jeweilige Inanspruchnahme des
Internetdienstes den üblicherweise von einem durchschnittlichen Nutzer
ausgeschöpften Rahmen signifikant überstiegen, so dass die Gefahr einer
unbewussten Selbstschädigung nahe lag. Hierdurch hatte die Klägerin dem
Nutzer die Möglichkeit zu geben, die Verbindung zur Vermeidung weiterer
unerwünscht hoher Kosten zu beenden.
19 (1) Nach dem für das Revisionsverfahren maßgeblichen Sach- und
Streitstand ist nicht auszuschließen, dass der Beklagte im Januar 2008 im
Gegensatz zur Klägerin keine zureichenden Möglichkeiten hatte, das durch die
jeweilige Internetnutzung angefallene Entgeltaufkommen während der
Verbindung zu verfolgen. Bei einem zeitabhängigen Tarif hat der Nutzer
wenigstens die Chance, die entstehenden Gebühren abzuschätzen, da er die
hierfür maßgeblichen Parameter - die Dauer der Verbindung und das
vereinbarte Entgelt pro Zeiteinheit - kennen kann, wenngleich Letzteres
angesichts der weitverbreiteten Unübersichtlichkeit der Tarife schon nur mit
Einschränkungen gilt (vgl. Senatsurteil vom 9. Juni 2011 - III ZR 157/10, WM
2011, 1678 Rn. 14). Demgegenüber ist es den Nutzern regelmäßig nicht
möglich, die im vorliegenden Fall für die Entgelthöhe maßgeblichen, von dem
Mobilfunkgerät heruntergeladenen Datenmengen zu überblicken (Schmidt MMR
2011, 838). Diese hängen von der Größe der jeweils angewählten Dateien ab,
welche für den Kunden mit seinem Mobiltelefon regelmäßig nicht erkennbar
ist. Hiervon ist jedenfalls im Revisionsverfahren auszugehen, da
gegenteilige Feststellungen insoweit fehlen. Dies gilt auch, soweit das
Berufungsgericht meint, es obliege dem Besitzer eines Mobilfunkgeräts, sich
eine Warnanzeige selbst zu installieren. Damit setzt das Berufungsgericht
das Bestehen einer solchen Möglichkeit und die Zumutbarkeit für den
Durchschnittskunden, diese wahrzunehmen, voraus, ohne allerdings die
tatsächlichen Voraussetzungen hierfür festzustellen. Auch im Vortrag der
Parteien findet sich für diese Annahme keine Grundlage, da dieser
Gesichtspunkt von keiner Seite angesprochen wurde. Fehlt damit dem Nutzer
ein Gebührenparameter, kann er die anfallenden Entgelte bei der mobilen
Internetnutzung noch nicht einmal schätzen. Demgegenüber muss der
Diensteanbieter die abgerufenen Datenmengen erfassen, da er sie zur
Entgeltermittlung und -abrechnung benötigt (§ 97 Abs. 1 TKG). Hiernach
besteht ein weiteres Informationsgefälle zwischen dem Nutzer und dem
Diensteanbieter, das Hinweispflichten des Letzteren zur Wahrung der
Interessen seiner Kunden begründen kann.
20 (2) Weitere Voraussetzung für eine Hinweispflicht der Klägerin gegenüber
dem Beklagten ist allerdings, dass zum Zeitpunkt der dem Rechtsstreit zu
Grunde liegenden Internetnutzungen, also im Januar 2008, bereits die
technischen Möglichkeiten bestanden, das übliche Entgeltaufkommen eines
Kunden festzustellen, mit dem aktuellen Gebührenanfall abzugleichen und
während des laufenden von dem Mobilfunkgerät abgewickelten Datenverkehrs
eine Warnung zu versenden. Sollte es nicht möglich gewesen sein, das übliche
Entgeltaufkommen des jeweiligen Kunden individuell zu erfassen, war auf den
Durchschnittsnutzer abzustellen. Weiterhin muss der Einsatz der
entsprechenden Computerprogramme wirtschaftlich zumutbar gewesen sein.
21 (3) Zu den unter Nummern (1) und (2) angeführten tatsächlichen
Umständen fehlen bislang Feststellungen des Berufungsgerichts. Für die
Voraussetzungen einer Pflichtverletzung der Klägerin ist grundsätzlich der
Beklagte darlegungs- und beweispflichtig. Für das weitere Verfahren weist
der Senat jedoch darauf hin, dass an die Substantiierung des Vortrags des
Beklagten keine hohen Anforderungen gestellt werden dürfen, obgleich er die
Darlegungslast trägt. Vielmehr trifft die Klägerin eine sekundäre
Darlegungslast, da der Beklagte keinen Einblick in die den Diensteanbietern
im maßgeblichen Zeitraum zur Verfügung stehenden technischen Möglichkeiten
haben kann, die Klägerin hingegen die wesentlichen Tatsachen kennt und ihr
deshalb nähere Angaben möglich und zumutbar sind (vgl. Senatsurteil
vom 17. Januar 2008 - III ZR 239/06, NJW 2008, 982 Rn. 16; BGH, Urteil vom
14. Juni 2005 - VI ZR 179/04, BGHZ 163, 209, 214 jeweils mwN; siehe auch
Senatsurteil vom 13. Januar 2011 - III ZR 146/10, NJW 2011, 1509 Rn. 20).
22 (4) Ein der Entgeltforderung der Klägerin entgegenzusetzender
Schadensersatzanspruch des Beklagten wegen Verletzung einer Hinweispflicht
scheidet jedoch aus, wenn die Klägerin den Pflichtenverstoß nicht zu
vertreten hat (§ 280 Abs. 1 Satz 2 BGB). Dies ist namentlich dann nicht
anzunehmen, wenn im Januar 2008 zwar schon die technischen Möglichkeiten für
die in Rede stehenden Warnhinweise bestanden, deren praktische Anwendung
jedoch noch völlig unüblich war. In diesem Fall kann es der
Klägerin nicht zum Vorwurf der Fahrlässigkeit (§ 276 Abs. 1, 2 BGB)
gereichen, wenn sie die (etwaig) vorhandenen Computerprogramme noch nicht
zum Einsatz gebracht hat.
23 3. Da der Rechtsstreit wegen der nachzuholenden tatsächlichen
Feststellungen noch nicht zur Endentscheidung reif ist, ist die Sache unter
teilweiser Aufhebung des angefochtenen Berufungsurteils an die Vorinstanz
zurückzuverweisen (§ 563 Abs. 1 Satz 1, Abs. 3 ZPO).
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