Schutzzweck der Amtspflichten des amtlichen Sachverständigen für den Kraftfahrzeugverkehr ("TÜV-Prüfer") im Rahmen der Amtshaftung nach §§ 839 BGB, Art. 34 GG


BGH, Beschluß vom 30.9.2004 - III ZR 194/04


Fundstelle:

noch nicht bekannt


Amtl. Leitsatz:

Der Grundsatz, daß die den amtlichen Sachverständigen für den Kraftfahrzeugverkehr bei der technischen Prüfung nach § 21 Satz 3 StVZO treffenden Amtspflichten nicht dem Schutz des Vermögens des zukünftigen Fahrzeugerwerbers dienen, gilt auch, soweit die generelle Benutzbarkeit des Fahrzeugs in Frage steht.


Gründe:

1. Der Kläger kaufte bei einem Fahrzeughändler ein Reisemobil. Der Verkäufer führte das Fahrzeug zum Zwecke der Erteilung einer Betriebserlaubnis nach § 21 StVZO dem TÜV Nord in H. vor. Ein Ingenieur des TÜV erteilte am 5. Oktober 1999 ein Gutachten zur Vorlage beim Straßenverkehrsamt für die Ausfertigung eines Fahrzeugbriefs, in dem er feststellte, daß das Fahrzeug den geltenden Vorschriften entspreche.

Der Kläger macht geltend, das Fahrzeug sei mit über 7 t Leergewicht deutlich schwerer als von dem Sachverständigen - ohne genügende Sachprüfung - festgestellt (5,98 t). Infolgedessen habe der Kläger keine Verwendung für das Fahrzeug, den Fahrpreis habe er vergebens aufgebracht. Er dürfe das Fahrzeug im Straßenverkehr nicht bewegen, weil die Betriebserlaubnis des Fahrzeugs erloschen sei; außerdem habe er nur eine Fahrerlaubnis für Fahrzeuge mit einem zulässigen Gesamtgewicht von 7,5 t, das in reisefähigem Zustand wegen der geringen Nutzlast nicht eingehalten werden könne. Landgericht und Oberlandesgericht haben den auf Amtshaftung gestützten Schadensersatzanspruch des Klägers gegen das beklagte Land abgewiesen.
2. Die gegen die Nichtzulassung der Revision gerichtete Beschwerde des Klägers hat keinen Erfolg, weil weder die Rechtssache grundsätzliche Bedeutung hat, noch die Fortbildung des Rechts oder die Sicherung einer einheitlichen Rechtsprechung eine Entscheidung des Revisionsgerichts erfordert (§ 543 Abs. 2 Satz 1 ZPO).
a) Das klageabweisende Urteil des Berufungsgerichts liegt auf der Linie der bisherigen Rechtsprechung. Im Falle des § 21 StVZO handelt der amtlich anerkannte Sachverständige für den Kraftfahrzeugverkehr, der in dem vorzulegenden Kfz-Brief bescheinigen muß, daß das Fahrzeug richtig beschrieben ist und den geltenden Vorschriften entspricht, zwar in Ausübung hoheitlicher Befugnisse, jedoch verletzt er keine ihm gegenüber einem späteren Erwerber des Fahrzeugs obliegende Amtspflicht, wenn er fahrlässig Mängel übersieht oder unrichtige technische Angaben in dem Brief als richtig bescheinigt und der Erwerber dadurch einen Vermögensschaden erleidet; denn die Bescheinigung dient nicht dazu, allgemein im rechtsgeschäftlichen Verkehr das Vertrauen auf die Richtigkeit der Beschreibung in dem Brief zu schützen und dem Erwerber eine eigene Prüfung des fahrtechnischen Zustandes des Fahrzeugs abzunehmen (BGHZ 18, 110; BGH, Urteil vom 11. Januar 1973 - III ZR 32/71 - NJW 1973, 458, 459 f). Diese Rechtsprechung ist auch in der Fachliteratur anerkannt, und sie hat - soweit ersichtlich - keinen Widerspruch gefunden (vgl. Staudinger/Wurm [2002] § 839 Rn. 719; Hübner VersR 1985, 701, 703; Hentschel, Straßenverkehrsrecht 37. Aufl. § 21 StVZO Rn. 6; Greger, Haftungsrecht des Straßenverkehrs 3. Aufl. § 16 StVG Rn. 453; Lütkes/Ferner/Kramer, Straßenverkehr § 21 StVZO Rn. 9, 10).
b) Die Nichtzulassungsbeschwerde macht geltend, der im Streitfall vorliegende Sachverhalt sei mit den den besagten Senatsurteilen zugrundeliegenden Fallgestaltungen nicht vergleichbar. Es gehe hier - anders als dort - nicht um das Übergehen lediglich gewährleistungsrechtlicher Mängel, sondern darum, daß das vom TÜV zu überprüfende Fahrzeug von vornherein nicht zulassungsfähig, also "generell unbenutzbar" gewesen sei. Die Prüfungspflicht des § 21 Satz 3 StVZO müsse aber Schutzwirkungen gegenüber potentiellen Käufern des geprüften Fahrzeugs jedenfalls insoweit entfalten, als die Frage der Zulassungsfähigkeit betroffen sei. Insoweit schaffe die Bescheinigung des Prüfingenieurs eine Verläßlichkeitsgrundlage hinsichtlich der generellen Benutzbarkeit des Fahrzeugs.
Indessen hat die von der Nichtzulassungsbeschwerde vorgenommene Differenzierung zwischen (keinen haftungsrechtlichen Drittschutz auslösenden) "gewährleistungsrechtlichen Mängeln" und der (vermögensrechtlichen Drittschutz begründenden) "generellen Benutzbarkeit (Zulassungsfähigkeit)" des Fahrzeugs keine hinreichende Grundlage. Ausgangspunkt ist, daß der TÜV bei allen wesentlichen Mängeln des zu prüfenden Fahrzeugs, die die Verkehrssicherheit desselben betreffen, die Zulassungsfähigkeit des Fahrzeugs verneinen, die für die Zulassung erforderliche technische Bestätigung also ablehnen muß. Aus dieser Sicht betrifft entgegen der Nichtzulassungsbeschwerde auch der Fall des Senatsurteils vom 11. Januar 1973 aaO (abgenutzte Bremsen) einen Fall fehlender "Zulassungsfähigkeit". Es gibt auch keinen Anlaß, dem Gedanken einer - sich auch vermögensrechtlich auswirkenden - "Verläßlichkeitsgrundlage" bei der Kfz-Zulassung ein vergleichbares Gewicht zu geben wie bei der Erteilung einer Baugenehmigung (vgl. BGHZ 60, 112, 115 ff).