Abgrenzung des
Scheingeschäfts i.S.v. § 117 I BGB vom (wirklich gewollten)
Strohmanngeschäft
BGH, Beschluss vom 4. April
2007 - III ZR 197/06
Fundstelle:
NJW-RR 2007, 1209
Amtl. Leitsatz:
a) Zu den
Voraussetzungen eines Scheingeschäfts bei der Anpachtung einer Jagd durch
einen Strohmann.
b) Die gütliche Einigung über den Ausgleich von Wildschäden im Vorverfahren
schließt eine spätere Berufung des Jagdpächters auf materiellrechtliche
Mängel der Erklärung nicht aus.
Zentrale Probleme:
Bei "Strohmanngeschäften" liegt idR kein "Scheingeschäft"
iSv § 117 BGB vor, weil die Parteien den rechtlichen Erfolg (Verpflichtung
des Strohmanns, nicht des Hintermanns) idR ja tatsächlich wollen. Im
vorliegenden, sehr speziellen Fall sieht der Senats dies aufgrund der
Besonderheiten des Sachverhalts anders.
©sl 2007
Gründe:
I.
1 Die klagende Jagdgenossenschaft nimmt den Beklagten zu 2 als Pächter des
gemeinschaftlichen Jagdbezirks S. II und die Beklagte zu 1 als Erbin des
früheren Mitpächters, des ursprünglichen Beklagten zu 1 (im Folgenden
einheitlich: der Beklagte zu 1), auf Zahlung von Wildschadensersatz für die
Jahre 2001 und 2002 in Höhe von 31. 232 € in Anspruch. Unter dem 22. März
1995 unterzeichneten die Beklagten einen entsprechenden Jagdpachtvertrag.
Sie wenden gegenüber der Klage im Wesentlichen ein, als leitende Angestellte
der P. H. AG hätten sie nur formell die Pächterrolle übernommen, da diese
mangels Jagdpachtfähigkeit nach außen keinen Jagdpachtvertrag habe schließen
können. Pächterin habe in Wirklichkeit diese sein sollen. Sie habe bis zu
ihrer Insolvenz auch die Pächterrechte ausgeübt und alle Kosten getragen.
Das habe die Klägerin gewusst und gebilligt.
2 Amtsgericht und Landgericht haben die Klage abgewiesen. Mit ihrer
Beschwerde erstrebt die Klägerin die Zulassung der Revision.
II.
3 Die Beschwerde ist unbegründet. Die Rechtssache hat keine grundsätzliche
Bedeutung. Eine Entscheidung des Revisionsgerichts ist auch nicht zur
Fortbildung des Rechts oder zur Sicherung einer einheitlichen Rechtsprechung
erforderlich (§ 543 Abs. 2, § 544 ZPO).
4 1. Der Klägerin steht der geltend gemachte Anspruch nicht zu, weil der
zugrunde liegende Jagdpachtvertrag mit den Beklagten nach den vom
Berufungsgericht getroffenen tatsächlichen Feststellungen als Scheingeschäft
gemäß § 117 Abs.1 BGB nichtig ist. Das kann der Senat selbst entscheiden,
obwohl das Landgericht diese Frage letztlich offen gelassen und auf
derselben Tatsachengrundlage eine Gesetzesumgehung und Nichtigkeit gemäß §
134 BGB i.V.m. §11 Abs. 6 Satz 1 BJagdG angenommen hat (siehe auch für einen
vergleichbaren Fall OLG Koblenz, Urteil vom 6. Juli 1994 - 7 U 1173/93 -
juris: Nichtigkeit des Jagdpachtvertrags nach §§ 117, 134 BGB).
Umgehungsabsicht würde voraussetzen, dass die vertraglich vereinbarten
Rechtsfolgen ernsthaft gewollt wären (Palandt/Heinrichs, BGB, 66. Aufl., §
117 Rn. 5). Das ist nach dem festgestellten Sachverhalt indes nicht der
Fall.
5 a) Ein bloßes Scheingeschäft liegt vor, wenn die Parteien
einverständlich nur den äußeren Schein eines Rechtsgeschäft hervorrufen,
dagegen die mit dem Geschäft verbundenen Rechtsfolgen nicht eintreten lassen
wollen (BGHZ 36, 84, 87 f.; Senatsurteil vom 24. Januar 1980 - III ZR
169/78, NJW 1980, 1572, 1573; BGH, Urteil vom 20. Juli 2006 - IX ZR 226/03,
ZIP 2006, 1639, 1640). Wird beim Vertragsschluss eine Person als
Vertragspartner vorgeschoben (sogenannter Strohmann), so sind die
Voraussetzungen eines Scheingeschäfts allerdings in der Regel nicht erfüllt.
Denn die erklärte Rechtsfolge ist von den Beteiligten normalerweise
ernsthaft gewollt, weil andernfalls der erstrebte wirtschaftliche Zweck
nicht oder nicht in rechtsbeständiger Weise erreicht würde. Das gilt selbst
dann, wenn der Vertragspartner die Strohmanneigenschaft kannte; auch hier
ist ausschlaggebend, ob die Parteien die Rechtsfolgen der Vereinbarung,
insbesondere die damit für sie selbst verbundenen Pflichten, wirklich
herbeiführen wollen (BGHZ 21, 378, 381 f.; Senatsurteile vom 24. Januar
1980 aaO und vom 22. Oktober 1981 - III ZR 149/80, NJW 1982, 569 f.; BGH,
Urteil vom 6. Dezember 1994 - XI ZR 19/94, NJW 1995, 727).
6 b) Nach diesen Maßstäben ist - im Gegensatz zu der Fallgestaltung, die dem
Senatsbeschluss vom 29. September 1983 - III ZR 8/83 - (Jagdrechtliche
Entscheidungen III Nr. 69) zugrunde lag - hier von einem Scheingeschäft
auszugehen.
7 Das Berufungsgericht stellt dazu fest: Tatsächlich berechtigt und
verpflichtet aus dem Jagdpachtvertrag sollten nicht die Beklagten, sondern
die hinter diesen stehende P. H. AG werden. Über den Umstand hinaus, dass
diese sämtliche Kosten im Zusammenhang mit den Jagdbezirken S. I und II
übernommen habe, sprächen dafür folgende weiteren Gründe: In einer
Abtretungs- und Nutzungserklärung zwischen den Beklagten und der
Aktiengesellschaft vom 24. März 1995 werde ausdrücklich festgehalten, dass
die Jagdbezirke für die P. H. AG gepachtet worden seien und erklärt, alle
Rechte und Pflichten seien an das Unternehmen abgetreten worden, deren
Hauptniederlassung auch alle Kosten und Folgekosten der Pachtverträge
übernehme und dass diese das Revier zur uneingeschränkten Verfügung habe.
Auch die Verpflichtungserklärungen der P. H. AG vom 3. November 1999 und vom
28. März 2000 belegten, dass diese sich als Nutzerin beider Jagdbezirke
angesehen habe. Entsprechend habe sie Einladungen zur Jagd "im Revier P. H.
" verschickt. Schließlich spreche auch das Ergebnis der vom Amtsgericht
durchgeführten umfangreichen Beweisaufnahme indi-ziell dafür, dass
tatsächlich die P. H. AG die Pächterrolle ausgeübt habe. Aus alledem folge,
dass diese faktisch Pächterin von S. II gewesen sei. Zur Überzeugung der
Kammer stehe überdies fest, dass die Klägerin bereits beim Abschluss des
Jagdpachtvertrags gewusst habe, dass eigentliche Pächterin die P. H. AG habe
sein sollen und dass dies auch alle Parteien gewollt hätten. Die P. H. AG
habe vor Abschluss des hier interessierenden Pachtvertrags schon jahrelang
die faktische Pächterrolle und schlechthin alle Pächterrechte in dem
Jagdbezirk S. I ausgeübt. Der Zeuge N. , der dort die Rolle des Jagdpächters
übernommen habe, sei finanziell nicht in der Lage gewesen, für die Kosten
aufzukommen. Trotzdem habe die Klägerin mit ihm den Pachtvertrag
geschlossen, weil sie auf die vermeintliche Solvenz des Unternehmens
vertraut habe. Dies verdeutliche, dass es der Klägerin gleichgültig gewesen
sei, wer formell die Pächterrolle getragen habe. Gleiches gelte für den
streitgegenständlichen Pachtvertrag S. II. Auch die Klägerin habe somit die
P. H. AG und nicht die Beklagten als Pächter von S. II angesehen. Dies
belegten zudem ihre Protokolle und ihre Korrespondenz mit der
Aktiengesellschaft nach dem Ausscheiden der Beklagten aus der Firma zum 1.
Januar 1998, in der die Klägerin mit der P. H. AG über eine Auswechselung
der Beklagten als Jagdpächter gegen neue Mitarbeiter der Gesellschaft
verhandelt habe. Die Tatsache, dass die P. H. AG für die Beklagten gebürgt
habe, spreche nicht dagegen, dass diese eigentliche Pächterin habe sein
sollen. Dadurch habe die Klägerin eine Absicherung gegenüber der P. H. AG
erhalten.
8 Auf der Grundlage dieser Feststellungen ist die - allerdings rechtlich den
Tatbestand eines Scheingeschäfts ausfüllende - Schlussfolgerung des
Berufungsgerichts, die Beklagten seien tatsächlich nicht Pächter gewesen,
vielmehr die P. H. AG, und dies sei entgegen dem Vertragstext von den
Parteien auch so gewollt gewesen, frei von Rechtsfehlern. Die von der
Nichtzulassungsbeschwerde weiter erhobenen Rügen einer Verletzung von
Verfahrensgrundrechten der Klägerin hat der Senat geprüft und für nicht
durchgreifend erachtet; von einer näheren Begründung wird abgesehen (§ 544
Abs. 4 Satz 2 Halbs. 2 ZPO).
9 2. Entgegen der Beschwerdebegründung ist es den Beklagten auch nicht wegen
der gütlichen Einigungen über den Ausgleich von Wildschäden in den nach
Landesrecht durchgeführten Vorverfahren verwehrt, sich jetzt auf die
Nichtigkeit des Jagdpachtvertrags zu berufen. Rechtsfolge einer solchen
gütlichen Einigung gemäß § 62 der rheinland-pfälzischen Landesverordnung zur
Durchführung des Landesjagdgesetzes vom 25. Februar 1981 (GVBl S. 27) ist
nach den Bestimmungen der § 35 BJagdG und § 31 RhPfLJagdG, ungeachtet der
damit verbundenen Vollstreckbarkeit, eine rechtsgeschäftliche
Verpflichtungserklärung als Anerkenntnis oder Vergleich.
Materiell-rechtliche Mängel dieser Erklärungen können darum auch noch
nachträglich geltend gemacht werden (vgl. für eine Anfechtung wegen Irrtums
oder arglistiger Täuschung Mitzschke/Schäfer, BJagdG, 4. Aufl., § 35 Rn.
16). Im Streitfall fehlt es, da die Beklagten in Wahrheit nicht Jagdpächter
waren, für die Klägerin erkennbar an einer dem Zeugen Niebes wirksam
erteilten Vollmacht.
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