Geschäftsführung ohne
Auftrag: Pflichtenkreis und Umfang der Pflichten des Geschäftsführers
BGH, Urteil vom 6. März
2008 - III ZR 219/07
Fundstelle:
noch nicht bekannt
Amtl. Leitsatz:
Der Geschäftsführer ohne
Auftrag, der ein Mietgrundstück verwaltet, ist grundsätzlich nicht
verpflichtet, gegenüber dem Mieter ein Mieterhöhungsverlangen auszusprechen.
Zentrale Probleme:
Unabhängig von dem erbrechtlichen Kontext ist das Urteil
interessant für die Umfang der Pflichten des Geschäftsführers ohne Auftrag.
Vereinfacht geht es darum, daß der Geschäftsführer Mietobjekte verwaltete,
dabei aber kein (möglichen) Mieterhöhungen bewirkte. Ein
Schadensersatzanspruch aus § 280 I BGB wegen Verletzung einer Pflicht aus §
677 BGB verneint der BGH, weil der Geschäftsführer ohne Auftrag nur
"vorübergehend bewahren" muß. Ein Schadensersatzanspruch käme nur wegen
Verletzung der Anzeigepflicht aus § 681 S. 1 BGB in Betracht, wenn dadurch
der Geschäftsherr gehindert gewesen wäre, selbst für eine Mieterhöhung zu
sorgen.
©sl 2008
Tatbestand:
1 Der Kläger ist zusammen mit sechs weiteren Beteiligten in
Erbengemeinschaft als Eigentümer eines in Brandenburg belegenen Grundstücks
im Grundbuch eingetragen. Aufgrund eines entsprechenden
Rechtsträgernachweises vom 31. Januar 1977 war als einer der Miterben
zunächst "Eigentum des Volkes: Rechtsträger, Rat der Gemeinde S. "
eingetragen. Seit 2002 ist dieser Miterbenanteil auf die Bundesrepublik
Deutschland umgeschrieben. Das Grundstück ist mit einem vermieteten
Einfamilienhaus bebaut.
2 Die Gemeinde S. (im Folgenden: Gemeinde) übertrug mit einem im August 1995
geschlossenen Vertrag der Beklagten "die Verwaltung der in S. gelegenen
Grundstücke der Gemeinde bezüglich aller Angelegenheiten, die zur Verwaltung
notwendig und zweckmäßig sind". In § 3 Abs. 1 des Vertrags bevollmächtigte
die Gemeinde die Beklagte, im Rahmen der ihr übertragenen Aufgaben, "im
Namen des Auftraggebers zu handeln und insbesondere rechtsgeschäftliche
Erklärungen gegenüber Dritten mit Wirkung für und gegen den Auftraggeber
abzugeben". Aufgrund dieses Vertrages übernahm die Beklagte auch die
Verwaltung des Grundstücks der Erbengemeinschaft.
3 Der Kläger verlangt - soweit hier noch im Streit - zu deren Gunsten von
der Beklagten Schadensersatz, weil sie es pflichtwidrig unterlassen habe,
per 1. Januar 1996 und 1. Januar 1998 die Miete für das Wohngrundstück zu
erhöhen. Er fordert den Betrag der entgangenen erhöhten Miete für die Jahre
1996 bis 1999, hilfsweise für die Folgejahre.
4 Die Vorinstanzen haben die Klage abgewiesen. Mit seiner vom
Berufungsgericht zugelassenen Revision verfolgt der Kläger den
Schadensersatzanspruch weiter.
Entscheidungsgründe:
5 Die zulässige Revision ist unbegründet. Über sie ist entsprechend § 539
Abs. 2 Satz 2, letzter Halbsatz ZPO durch ein (unechtes) Versäumnisurteil zu
entscheiden.
I.
6 Nach Auffassung des Berufungsgerichts klagt der Kläger zwar in gemäß §
2039 Satz 2 BGB zulässiger gesetzlicher Prozessstandschaft für die
Erbengemeinschaft, da er einen zum Nachlass gehörenden
Schadensersatzanspruch geltend mache. Weiter bestehe zwischen der Beklagten
und der Erbengemeinschaft ein Schuldverhältnis, da die Beklagte als
Geschäftsführerin ohne Auftrag (§ 677 ff BGB) gehandelt habe. Sie habe
jedoch ihre aus diesem Rechtsverhältnis folgenden Pflichten nicht verletzt.
Sie habe keine Vertretungsmacht zur Mieterhöhung für die Erbengemeinschaft
gehabt. Eine Vollmacht hierfür habe sich insbesondere nicht aus dem zwischen
der Beklagten und der Gemeinde geschlossenen Verwaltervertrag ergeben. Diese
vertraglichen Beziehungen seien nicht geeignet, einen Schadensersatzanspruch
zugunsten aller Miterben zu begründen.
II.
7 Diese Ausführungen halten der rechtlichen Nachprüfung im Ergebnis stand.
8 1. a) Das Berufungsgericht nimmt an, die Voraussetzungen für eine
berechtigte Geschäftsführung ohne Auftrag der Beklagten zugunsten der
Erbengemeinschaft seien erfüllt. Insbesondere geht es davon aus, dass die
Beklagte trotz des mit der Gemeinde geschlossenen Verwaltervertrags auch den
Willen hatte, für die Erbengemeinschaft tätig zu werden. Dies nimmt die
Revision als ihr günstig hin und ist von Rechts wegen auch im Hinblick
darauf nicht zu beanstanden, dass der Beklagten nach dem unbestritten
gebliebenen Vortrag des Klägers ein Grundbuchauszug vorlag, aus dem sich das
Eigentum der Erbengemeinschaft an dem betroffenen Grundstück ergab (vgl.
auch Senat BGHZ 143, 9, 13 ff).
9 b) Im Ergebnis zutreffend hat das Berufungsgericht eine Verletzung der
Pflichten der Beklagten aus dem Geschäftsführungsverhältnis und einen
hieraus folgenden Schadensersatzanspruch, der sich nach dem vor dem 1.
Januar 2002 anwendbaren Recht richtet (Art. 229 §§ 3, 5 EGBGB), verneint.
10 Nach § 677 BGB ist der Geschäftsführer ohne Auftrag verpflichtet, das
übernommene Geschäft so zu führen, wie es das Interesse des Geschäftsherrn
mit Rücksicht auf dessen wirklichen oder mutmaßlichen Willen erfordert. Die
Beurteilung, welche Maßnahmen danach notwendig sind, steht im pflichtgemäßen
Ermessen des Geschäftsführers, da die berechtigte Geschäftsführung ohne
Auftrag mit dem Fall vergleichbar ist, dass der Geschäftsherr einen
allgemeinen Auftrag erteilt hat, ohne nähere Weisungen gegeben zu haben
(Mugdan, Die gesamten Materialien zum Bürgerlichen Gesetzbuch für das
Deutsche Reich, II. Band, 1899, S. 1197; Staudinger/Bergmann (2006) § 677
Rn. 17). Hiernach hat die Beklagte ihre Pflichten nicht verletzt, indem sie
die nach Auffassung des Klägers gebotenen Mieterhöhungsverlangen unterließ.
Die Geschäftsführung ohne Auftrag ist grundsätzlich auf die
vorübergehende Wahrung der Interessen des Geschäftsherrn während einer Zeit
gerichtet, in der dieser nicht in der Lage ist, das Geschäft selbst
auszuführen oder Weisungen zu erteilen. Dies ergibt sich insbesondere aus §
681 Satz 1 BGB, der bestimmt, dass der Geschäftsführer die Übernahme der
Geschäftsführung dem Geschäftsherrn anzuzeigen hat, sobald dies tunlich ist,
und dessen Entschließung abzuwarten hat, sofern nicht mit dem Aufschub
Gefahr verbunden ist. Aus dem grundsätzlich nur überbrückenden Charakter
der Geschäftsführung ohne Auftrag folgt, dass sich der Geschäftsführer,
der für den Eigentümer Mietgrundstücke verwaltet, regelmäßig in Ausübung
seines pflichtgemäßen Ermessens darauf beschränken darf, die bestehenden
Mietverhältnisse ordnungsgemäß abzuwickeln, insbesondere die Mieten zu
vereinnahmen und die Mietsache in einem ordnungsgemäßen Zustand zu erhalten.
Über die im Rahmen einer Geschäftsführung ohne Auftrag geschuldete,
grundsätzlich nur bewahrende Verwaltung geht jedoch ein
Mieterhöhungsverlangen (§ 1 Satz 2 MHG, jetzt: § 557 BGB), das
gegebenenfalls auch gerichtlich geltend zu machen wäre, in der Regel - und
auch hier - hinaus, da es auf eine Veränderung der Rechtsposition des
Geschäftsherrn gerichtet ist.
11 Dem entspricht wertungsmäßig, dass die in § 744 Abs. 2 und § 2038 Abs. 1
Satz 2, 2. Halbsatz BGB bestimmten Notverwaltungsrechte eines einzelnen
Teilhabers oder Miterben, die gesetzlich geregelte Fälle einer
Geschäftsführungsbefugnis darstellen, lediglich zu Maßnahmen berechtigen,
die zur Erhaltung des betroffenen gemeinschaftlichen Gegenstandes notwendig
sind, wie etwa das Vorgehen gegen eine Enteignung oder die Geltendmachung
der Unzulässigkeit der Zwangsvollstreckung in einen im Gesamthandseigentum
stehenden Gegenstand oder in das gemeinschaftliche Recht (vgl. Staudinger/
Werner (2002) § 2038 Rn. 28 m.w.N. und Beispielen). Demgegenüber sind bloß
nützliche Maßnahmen nicht von der Geschäftsführungsbefugnis erfasst (Staudinger/Werner
aaO Rn. 30). Erst recht kann der jeweilige Teilhaber beziehungsweise Miterbe
zu solchen Maßregeln nicht verpflichtet sein. Eine Mieterhöhung ist ein
lediglich nützliches, nicht aber zur Erhaltung der Sache notwendiges
Vorgehen.
12 Auf die von den Parteien und dem Berufungsgericht vertiefte Frage, ob die
Beklagte zur Geltendmachung von Mieterhöhungsverlangen rechtlich in der Lage
war, kommt es damit nicht mehr an.
13 2. Einen Schadensersatzanspruch wegen Verletzung der Anzeigepflicht
der Beklagten gemäß § 681 Satz 1 BGB, weil hierdurch die Erbengemeinschaft
gehindert wurde, die Mieterhöhungsverlangen selbst auszusprechen oder der
Beklagten einen entsprechenden Auftrag nebst Bevollmächtigung zu erteilen,
macht der Kläger nicht geltend.
14 3. Weiterhin hat der Kläger auch nichts zu einem Schadensersatzanspruch
wegen Verletzung des mit der Gemeinde geschlossenen Verwaltervertrags, der
Schutzwirkung zugunsten der Erbengemeinschaft haben könnte, vorgetragen.
Die Haftung der Beklagten wäre im Übrigen insoweit gemäß § 2 Abs. 2 des
(Individual-) Vertrags ohnehin auf Vorsatz und grobe Fahrlässigkeit
beschränkt.
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