(Keine) Amtshaftung
einer Gemeinde bei Verweigerung des gemeindlichen Einvernehmens zu einem
Bauantrag; Haftung der Genehmigungsbehörde (§§ 839 BGB i.V.m. Art. 34 GG)
BGH, Urteil vom 16.
September 2010 - III ZR 29/10
Fundstelle:
noch nicht bekannt
für BGHZ vorgesehen
Amtl. Leitsatz:
Im Baugenehmigungsverfahren obliegen
der Gemeinde bei der Verweigerung des gemeindlichen Einvernehmens nach § 36
Abs. 1 BauGB keine den Bauwilligen schützenden Amtspflichten, wenn die
Baugenehmigungsbehörde nach § 36 Abs. 2 Satz 3 BauGB i.V.m.
landesrechtlichen Vorschriften das rechtswidrig verweigerte Einvernehmen
ersetzen kann.
Zentrale Probleme:
Eine interessante Entscheidung zum Amtshaftungsrecht mit
einem stark öffentlich-rechtlichen (baurechtlichen) Einschlag.
Examensrelevant wohl eher für Referendare, lehrreich aber für alle ...
©sl 2010
Tatbestand:
1 Die Parteien streiten um Schadensersatzansprüche des
Klägers wegen eines verweigerten Einvernehmens des beklagten Markts
(Gemeinde) in einem Baugenehmigungsverfahren.
2 Im September 2001 beantragte der Kläger beim Landratsamt S. -B. die
Baugenehmigung für einen im Außenbereich gelegenen Neubau eines
Schweinestalles mit 1.489 Mastschweinplätzen im Gemeindeteil O. - des
Beklagten. Dieser verweigerte sein Einvernehmen im Sinne des § 36 BauGB,
weil weder die Wasserversorgung noch die Abwasserbeseitigung gesichert seien
und das zur Bebauung vorgesehene Grundstück in der Nähe eines Waldes und
eines Bodendenkmals liege. Daraufhin lehnte das Landratsamt S. -B. im
Februar 2002 den Antrag auf Erteilung der Baugenehmigung unter Hinweis auf
das Fehlen des gemeindlichen Einvernehmens ab. Dabei sah es von dessen
Ersetzung ab. Daraufhin erhob der Kläger Klage auf Erteilung der
Baugenehmigung beim Verwaltungsgericht Regensburg. Dieses hob den
ablehnenden Bescheid durch Urteil vom 20. Januar 2004 auf und verpflichtete
das Landratsamt, den Bauantrag nach der Rechtsauffassung des Gerichts neu zu
bescheiden. Das Bauvorhaben des Klägers sei planungsrechtlich zulässig, so
dass der Beklagte sein Einvernehmen rechtswidrig verweigert habe. Im März
2004 erteilte das Landratsamt S. -B. die beantragte Baugenehmigung bei
gleichzeitiger Ersetzung des Einvernehmens des Beklagten nach Art. 74 BayBO
a. F.
3 Der Kläger macht geltend, dass ihm durch die verzögerte Erteilung der
Genehmigung, deren Ursache das rechtswidrig verweigerte Einvernehmen des
Beklagten gewesen sei, ein Schaden in Höhe von 144.789,25 € entstanden sei.
Bei rechtmäßigem Verhalten des Beklagten wäre die Baugenehmigung bereits im
Februar 2002 erteilt worden. Unter Berücksichtigung der Bauzeit hätten die
von ihm geplanten Ställe bereits ab Juni 2003 und nicht erst ab Juni 2005
genutzt werden können.
4 Das Landgericht hat die Klage dem Grunde nach für gerechtfertigt erklärt.
Die gegen das Grundurteil eingelegte Berufung des Beklagten hat Erfolg
gehabt.
5 Mit der vom Berufungsgericht zugelassenen Revision verfolgt der Kläger
sein Klagebegehren weiter.
Entscheidungsgründe
6 Die Revision hat keinen Erfolg.
I.
7 Das Berufungsgericht hat einen Anspruch aus Amtshaftung und aus
enteignungsgleichem Eingriff verneint. Dem Beklagten habe bei der Versagung
seines Einvernehmens nach § 36 BauGB keine drittschützende Amtspflicht
hinsichtlich des Klägers obgelegen. Die Versagung stelle keinen
unmittelbaren Eingriff in eine durch Art. 14 GG geschützte Rechtsposition
des Klägers dar. Zwar sei die Verweigerung des Einvernehmens durch den
Beklagten rechtswidrig gewesen. Dieses Einvernehmen stelle aber ein reines
Verwaltungsinternum dar, das nach § 36 Abs. 2 Satz 3 BauGB i.V.m. Art. 74
BayBO a.F. ersetzt werden könne. Außenwirkung komme dem Verwaltungshandeln
erst mit der genehmigenden oder versagenden Entscheidung der
Baugenehmigungsbehörde zu. Dem stehe nicht entgegen, dass Art. 74 BayBO a.F.
als Ermessensvorschrift ausgestaltet sei. Das Ermessen der
Genehmigungsbehörde sei nämlich auf Null reduziert, wenn das Einvernehmen
angesichts der bauplanungsrechtli-chen Zulässigkeit des Vorhabens nicht
hätte versagt werden dürfen. Mangels eines unmittelbaren Eingriffs des
Beklagten in eine durch Art. 14 GG geschützte Rechtsposition des Klägers
scheide auch ein Anspruch aus enteignungsgleichem Eingriff aus.
II.
8 Das Berufungsurteil hält den Angriffen der Revision stand.
9 1. Dem Kläger steht gegen den Beklagten kein Anspruch auf
Schadensersatz nach § 839 BGB i.V.m. Art. 34 GG zu.
10 Die rechtswidrige Verweigerung des gemeindlichen Einvernehmens nach § 36
Abs. 1 Satz 1 BauGB stellt hier keine Amtspflichtverletzung des Beklagten
gegenüber dem Kläger dar.
11 a) Nach der Rechtsprechung des Senats zu § 36 BauGB in der bis zum
Inkrafttreten des Bau- und Raumordnungsgesetzes 1998 vom 18. August 1997
(BGBl. 1997 I S. 2081) geltenden Fassung - durch dieses Gesetz ist in § 36
Abs. 2 BauGB der neue Satz 3 eingefügt worden - kommt eine
Amtspflichtverletzung der das Einvernehmen versagenden Gemeinde in Betracht,
wenn dies Bindungswirkung für die Baugenehmigungsbehörde hat. Der auf der
Planungshoheit beruhenden Beteiligung der Gemeinde am
Baugenehmigungsverfahren kann nämlich im Falle der Versagung des
Einvernehmens eine für den Bauwilligen ausschlaggebende Bedeutung zukommen,
wenn die Baugenehmigungsbehörde nach der Rechtslage gehindert ist, eine
Baugenehmigung auszusprechen, solange die Gemeinde ihr Einvernehmen nicht
erklärt hat (übereinstimmende Rechtsprechung des Bundesverwaltungsgerichts
und des Bundesgerichtshofs; vgl. z.B. BVerwGE 22, 342, 345 ff; BVerwG UPR
1992, 234, 235; Senatsurteile vom 29. September 1975 - III ZR 40/73, BGHZ
65, 182, 186; vom 18. Dezember 1986 - III ZR 174/85, BGHZ 99, 262, 273; vom
21. Mai 1992 - III ZR 14/91, BGHZ 118, 263, 265; vom 13. Oktober 2005 - III
ZR 234/04, NVwZ 2006, 1177). Vereitelt oder verzögert die Gemeinde durch
eine unberechtigte Versagung des Einvernehmens ein planungsrechtlich
zulässiges Bauvorhaben, so berührt dies - sei es auch nur mittelbar -
notwendig und bestimmungsgemäß die Rechtsstellung des Bauwilligen. Dies
genügt, um eine besondere Beziehung zwischen der verletzten Amtspflicht und
dem Bauwilligen als einem geschützten "Dritten" im Sinne des § 839 Abs. 1
Satz 1 BGB zu bejahen. Dessen Interessen werden durch die Amtspflicht, das
Einvernehmen nicht zu verweigern, wenn das Bauvorhaben nach den §§ 31, 33,
34 oder 35 BauGB zulässig ist, in individualisierter und qualifizierter
Weise geschützt (Senat aaO BGHZ 65, 182, 184 ff; seither st. Rspr. aaO
BGHZ 118, 263, 265 f m.w.N.).
12 b) Im vorliegenden Fall besteht die bislang in der Senatsrechtsprechung
noch nicht beurteilte Besonderheit, dass nach § 36 Abs. 2 Satz 3 BauGB
i.V.m. Art. 74 Abs. 1 BayBO a.F. das rechtswidrig versagte aber
erforderliche Einvernehmen durch die Baugenehmigungsbehörde, die nicht
zugleich die Gemeinde ist, ersetzt werden konnte. Offengelassen hat der
Senat bisher, ob in einem solchen Fall eine Amtshaftung der Gemeinde in
Betracht kommt, wenn - wie hier - die Baugenehmigungsbehörde davon absieht,
das verweigerte gemeindliche Einvernehmen zu ersetzen (vgl.
Senatsbeschluss vom 19. März 2008 - III ZR 49/07, NVwZ 2008, 815, 816).
Diese nunmehr entscheidungserhebliche Frage ist zu verneinen (zustimmend
für eine Amtshaftung allein der Baugenehmigungsbehörde Staudinger/Wurm, BGB,
Neubearbeitung 2007, § 839 Rn. 606; Desens, DÖV 2009, 197, 205; Klinger,
BayVBl. 2002, 481, 484 f; La-sotta, Das Einvernehmen der Gemeinde nach § 36
BauGB, 1998, S. 218 f; so wohl auch Groß BauR 1999, 560, 571; a.A. de
Witt/Krohn, in Handbuch des öffentlichen Baurechts, [12. EL] M Rn. 97;
Herrmann KommJur 2004, 286, 288; Dolderer BauR 2000, 491, 498 f, wonach sich
durch die Einführung der Ersetzungsbefugnis die Maßstäbe für die Haftung der
Gemeinde nicht geändert haben sollen).
13 aa) Soweit der Baugenehmigungsbehörde die Befugnis eingeräumt ist, das
versagte gemeindliche Einvernehmen zu ersetzen, wird ihre Prüfungs- und
Entscheidungskompetenz erweitert. Sie umfasst nicht nur die Frage, ob ein
gemeindliches Einvernehmen erforderlich ist, sondern auch, ob die
Verweigerung der Gemeinde rechtswidrig ist. Die Bindungswirkung der
negativen Entscheidung der Gemeinde für die Baugenehmigungsbehörde ist
aufgehoben. Die Behörde ist mithin nicht mehr unter Umständen gezwungen, den
Antrag auf Genehmigung eines an sich genehmigungsfähigen Bauvorhabens
sehenden Auges allein wegen des rechtswidrig verweigerten Einvernehmens
abzulehnen. Der maßgebliche Grund für die Annahme einer drittgerichteten
Amtspflicht seitens der Gemeinde bei der Entscheidung über die Erteilung des
Einvernehmens und damit ihrer haftungsrechtlichen Verantwortlichkeit zum
Bauherren - die Bindungswirkung ihrer Versagung für die
Baugenehmigungsbehörde, obschon es sich bei dem gemeindlichen Einvernehmen
nur um ein Verwaltungsinternum handelt - ist entfallen (vgl. Staudinger/Wurm
aaO).
14 bb) Ein Bedürfnis dafür, die der Gemeinde bei ihrer Entscheidung über
die Erteilung des Einvernehmens obliegenden Amtspflichten trotz fehlender
Bindungswirkung gleichwohl als drittgerichtet anzusehen und so auch
weiterhin eine (Mit-)Haftung der Gemeinde für möglich zu halten, lässt sich
auch nicht aus dem Umstand herleiten, dass § 36 Abs. 2 Satz 3 BauGB und der
vorliegend noch anwendbare § 74 Abs. 1 BayBO in der Fassung der
Bekanntmachung vom 4. August 1997 (GVBl. 1997, 433) als Kann-Vorschriften
ausgestaltet sind. Insoweit spricht bereits vieles dafür, dass es sich bei
diesen Vorschriften um bloße Befugnisnormen handelt, bei denen auf der
Rechtsfolgenseite kein Ermessen besteht, sondern eine gebundene Entscheidung
zu treffen ist (in diesem Sinne Roeser, in Berliner Kommentar zum BauGB,
[September 2007] § 36 Rn. 14; Klinger BayVBl. 2002, 481, 483; Dolderer BauR
2000, 491, 498; Horn NVwZ 2002, 406, 414; Dippel NVwZ 1999, 921, 924; so
wohl auch Groß, BauR 1999, 560, 570). Zudem hat der Bauwillige, dessen
Vorhaben mit den materiellrechtlichen Vorschriften in Einklang steht, einen
durch Art. 14 GG geschützten Anspruch gegenüber der Baugenehmigungsbehörde
auf Erteilung der Baugenehmigung (Senat aaO BGHZ 65, 182, 186; vgl.
Urteil vom 11. Januar 2007 - III ZR 302/05 - BGHZ 170, 260 Rn. 33 f m.w.N.).
Hiermit wäre es nicht in Einklang zu bringen, wenn die
Baugenehmigungsbehörde unter Berufung auf ein ihr eingeräumtes Ermessen die
rechtswidrige Verweigerung des Einvernehmens durch die Gemeinde nicht
ersetzen und deshalb mit der Ablehnung des Bauantrages rechtswidrig in das
Eigentumsrecht des Bauwilligen eingreifen dürfte (Ermessenreduzierung
auf Null, Desens DÖV 2009, 197, 203 f; Jachmann BayVBl. 1995, 481, 482 f; de
Witt/Krohn aaO M Rn. 95; Lasotta, aaO S. 209; ders. - allerdings
zurückhaltender < Anspruch auf ermessensfehlerfreie Entscheidung> - BayVBl.
1998, 609, 615; vgl. auch Lechner, in Simon/Busse, BayBO, 87.
Ergänzungslieferung 2007, Art. 74 Rn. 61: Ermessenreduzierung auf Null in
besonders gelagerten Fällen; ähnlich VG Frankfurt NVwZ-RR 2001, 371;
Schrödter/Rieger, BauGB, 7. Aufl., § 36 Rn. 23: bei offenkundig
rechtswidriger Versagung ist Ersetzung "intendiert"; von einem größeren
Entscheidungsspielraum der Behörde gehen insbesondere aus Söfker in
Ernst/Zinkahn/Bielenberg, BauGB <Stand. Dezember 2006> § 36 Rn. 41;
Krautzberger in Battis/Krautzberger/Löhr, BauGB, 11. Aufl. § 36 Rn. 13; zur
Frage, inwieweit die Gemeinde einen Ermessensfehlgebrauch beanstanden kann:
VGH München ZfBR 2006, 684, 585 f; OVG Lüneburg BauR 2005, 679, 681 f; Jäde
KommJur 2005, 368, 371 f).
15 Es besteht daher nicht die Gefahr, dass der durch die rechtswidrige
Versagung des gemeindlichen Einvernehmens entstandene Schaden deshalb nicht
zu erstatten ist, weil die Entscheidung der Bauaufsichtsbehörde, das
Einvernehmen nicht zu ersetzen, gleichwohl als ermessensfehlerfrei und damit
als nicht amtspflichtwidrig einzustufen ist.
16 cc) Weiterhin besteht aus Sicht des geschädigten Bürgers auch keine
Notwendigkeit, wegen etwaiger Verzögerungsschäden, die der
Bauaufsichtsbehörde haftungsrechtlich nicht zugerechnet werden können, die
Amtspflichten der Gemeinde als drittgerichtet zu qualifizieren. Nach § 36
Abs. 2 Satz 2 BauGB gilt das Einvernehmen der Gemeinde als erteilt, wenn es
nicht binnen zwei Monaten nach Eingang des Ersuchens der Genehmigungsbehörde
oder nach Einreichung des Bauantrags - sofern dieser nach Landesrecht bei
der Gemeinde und nicht bei der Genehmigungsbehörde einzureichen ist -
verweigert wird. Durch diese der Beschleunigung des
Baugenehmigungsverfahrens dienende Vorschrift ist sichergestellt, dass die
Entscheidung über die Verweigerung des Einvernehmens zeitnah nach Stellung
des Baugesuchs getroffen wird. Verweigert die Gemeinde das Einvernehmen,
kann die Rechtmäßigkeit der Verweigerung - und damit die Frage, ob das
Einvernehmen zu ersetzen ist - im Rahmen der ohnehin von der
Bauaufsichtsbehörde anzustellenden Beurteilung der bauplanungsrechtlichen
Voraussetzungen mitgeprüft werden. Zu erheblichen zeitlichen Verzögerungen
kann es eigentlich nur dann kommen, wenn die Gemeinde gegen die trotz der
Verweigerung des Einvernehmens erteilte Baugenehmigung mit einem
Rechtsbehelf vorgeht. Durch die Ergreifung eines solchen Rechtsbehelfs wird
jedoch der Bereich des bloßen Verwaltungsinternums verlassen. Insoweit
gilt der in der Rechtsprechung des Senats anerkannte Grundsatz, dass der
Gebrauch von Rechtsmitteln zur Durchsetzung rechtswidriger oder zur
Verhinderung rechtmäßiger behördlicher oder gerichtlicher Beschlüsse oder
Entscheidungen eine selbständige Amtspflichtverletzung der das Rechtsmittel
einlegenden Körperschaft zum Nachteil des von dem Rechtsmittel nachteilig
betroffenen Bürgers darstellen kann (siehe Staudinger/Wurm aaO Rn. 607).
17 c) Wie das Berufungsgericht zutreffend erkannt hat, ergeben sich für das
vorliegende Verfahren für die Frage der Amtshaftung des beklagten Markts
wegen der rechtswidrigen Versagung des Einvernehmens nach § 36 Abs. 2 Satz 1
BauGB keine relevanten Schlussfolgerungen daraus, dass Art. 74 BayBO a.F.
durch Art. 67 BayBO in der Fassung der Bekanntmachung vom 14. August 2007 (GVBl.
2007, 588) ersetzt worden ist.
18 In Art. 67 Abs. 1 Satz 2 BayBO wird nunmehr ausdrücklich bestimmt,
dass der Bauwillige keinen Rechtsanspruch auf die Ersetzung des
gemeindlichen Einvernehmens hat. Diese Regelung hat der Bayerische
Gesetzgeber geschaffen, um der "Gefahr einer Verlagerung von Haftungsrisiken
von der das Einvernehmen verweigernden Gemeinde auf den Freistaat Bayern"
entgegenzutreten (LT-Drucks. 15/7161 S. 70 zu Art. 71a BayBO-E).
19 Entgegen den Intentionen des Gesetzgebers vermag indes die Neuregelung
an der haftungsrechtlichen Alleinverantwortlichkeit der
Baugenehmigungsbehörde nichts zu ändern.
20 (1) Auch wenn der Bauwillige keinen eigenständigen Anspruch auf Ersetzung
des rechtswidrig verweigerten gemeindlichen Einvernehmens hat, so bleibt
es dabei, dass in diesem Fall bei Ablehnung der Baugenehmigung seine
grundrechtlich geschützte Rechtsposition verletzt wird. Er hat einen
grundrechtlich geschützten Anspruch auf Erteilung der Baugenehmigung
gegenüber der Baugenehmigungsbehörde. Das kann nicht durch die genannte
landesrechtliche Regelung in Frage gestellt werden. Wegen der unverändert
bestehenden Ersetzungsbefugnis und Ersetzungspflicht der
Baugenehmigungsbehörde hat Art. 67 Abs. 1 Satz 2 BayBO auf die Haftungslage
keine Auswirkungen. Es bleibt vielmehr bei dem vom erkennenden Senat
aufgestellten Grundsatz, dass die haftungsrechtliche Verantwortlichkeit der
Baugenehmigungsbehörde dann begründet ist, wenn sie in eigener Verantwortung
über die Baugenehmigung zu befinden hat und die Prüfungskompetenz nicht
hinter derjenigen der Gemeinde zurückbleibt (Senatsurteil aaO. BGHZ 99,
262, 273 f). Dies ist gegeben, wenn die Baugenehmigungsbehörde über die
Frage der Ersetzung des gemeindlichen Einvernehmens entscheiden muss und
zwar unbeschadet der Frage, ob der Bauwillige einen eigenständigen
Rechtsanspruch hierauf hat.
21 (2) Ohne Belang ist insoweit auch, dass nach der Vorstellung des
Landesgesetzgebers die Ersetzungsbefugnis materiell eine
kommunalaufsichts-rechtliche Regelung sein soll (LT-Drucks. 15/7161 aaO).
Zwar beschränkt sich die Aufsicht gegenüber der Gemeinde in weisungsfreien
Angelegenheiten darauf, die Gesetzmäßigkeit der Verwaltung sicherzustellen
(Art. 109 Abs. 1 Bay-GO). Sie dient damit grundsätzlich nur dem Interesse
des allgemeinen Wohls, nicht aber dem Individualinteresse des Einzelnen.
Durch die bloße Stellung eines Baugenehmigungsantrags wird zwischen dem
Bauwilligen und der Kommunalaufsichtsbehörde - anders als gegenüber der
Baugenehmigungsbehörde - auch keine "besondere Beziehung" geschaffen, die
ausnahmsweise eine Pflicht zum Einschreiten zugunsten des Bauwilligen hätte
begründen können (Senatsurteil aaO BGHZ 118, 263, 274). Jedoch hat es der
Bayerische Landesgesetzgeber trotz der bei der letzten Novellierung der
Bauordnung geäußerten rechtlichen Bewertung dabei belassen, dass die
Ersetzungsbefugnis der Baugenehmigungsbehörde in das bauordnungsrechtliche
Verfahren eingebettet bleibt, und diese nicht in das
kommunalaufsichtsrechtliche eingefügt. Bei Schaffung des Art. 81 BayBO in
der Fassung der Bekanntmachung vom 18. April 1994 (GVBl. 1994, 251), der
Vorgängerregelung des Art. 74 BayBO a.F., hat der Gesetzgeber jedoch eine
Verbindung zwischen dem kommunalaufsichts-rechtlichen und dem
bauaufsichtsrechtlichen Genehmigungsverfahren herstellen wollen (LT-Drucks.
12/13482 S. 64 zu Art. 74a BayBO-E). Damit aber wirken die im
bauaufsichtrechtlichen Verfahren zu wahrenden Grundrechtspositionen des
Bauwilligen auch auf das Verfahren zur Ersetzung des gemeindlichen
Einvernehmens ein (vgl. Groß BauR 1999, 560, 570). Dies entsprach auch der
Absicht des Landesgesetzgebers im damaligen Gesetzgebungsverfahren, der die
Stärkung des Rechtsschutzes des Bürgers ausdrücklich als einen Zweck der
Regelung angesehen hat, und zwar in der Erkenntnis, dass insoweit die -
schon immer gegebenen - Möglichkeiten der Kommunalaufsicht nicht ausreichend
sind (LT-Drucks. 12/13482 S. 64 f).
22 (3) Im Übrigen darf bei der rechtlichen Würdigung des Art. 67 BayBO n.F.
der Zusammenhang dieser landesrechtlichen Vorschrift mit § 36 Abs. 2 Satz 3
BauGB nicht übersehen werden. Die bundeseinheitliche Vorgabe des § 36 Abs. 2
Satz 3 BauGB überlässt dem Landesgesetzgeber zwar die Ausgestaltung der
Ersetzung des gemeindlichen Einvernehmens. Dies ändert aber nichts daran,
dass diese Norm des Bundesrechts (schon aus Kompetenzgründen; vgl. Roeser
aaO) eine ureigene bauplanungsrechtliche Regelung enthält mit entsprechenden
Befugnissen der Fachbehörde und daran anknüpfenden Haftungsfolgen. Dabei
darf die auf den Bauwilligen gerichtete Schutzrichtung der Vorschrift nicht
dadurch abgeschwächt oder ausgehebelt werden, dass sie durch die
landesrechtlichen Zuständigkeitsvorschriften zu einem bloßen Mittel der
Kommunalaufsicht umgestaltet wird (Klinger BayVBl. 2002, 481, 484 zu Art. 74
BayGO a.F.).
23 2. Dem Kläger steht auch kein Anspruch aus enteignungsgleichem Eingriff
gegen den Beklagten zu. Wie bereits ausgeführt, stellt sich die Versagung
des gemeindlichen Einvernehmens wegen der gesetzlich vorgesehenen
Ersetzungsbefugnis der Baugenehmigungsbehörde als "behördeninterner" Vorgang
ohne Bindungswirkung für die Baugenehmigungsbehörde dar. Das hat zur
Konsequenz, dass der Eingriffstatbestand allein im außengerichteten Handeln
der Baugenehmigungsbehörde, nämlich in der Ablehnung des Bauantrags und der
unterlassenen Ersetzung des Einvernehmens, zu erblicken ist und diese auch
im Hinblick auf das Institut des enteignungsgleichen Eingriffs
alleinverantwortlich ist (Staudinger/Wurm aaO § 839 Rn. 452). |