Haftung eines
Abschlußprüfers für unrichtiges Testat, Vertrag mit Schutzwirkung für
Dritte, stillschweigender Auskunftsvertrag
BGH, Beschluss vom 30.
Oktober 2008 - III ZR 307/07
Fundstelle:
NJW 2009, 512
Amtl. Leitsatz:
Die strengen
Anforderungen, die der Senat für eine Haftung des mit der Pflichtprüfung
nach §§ 316 ff HGB betrauten Abschlussprüfer gegenüber Dritten für
erforderlich hält (vgl. BGHZ 167, 155), sind auch bei der Frage zu
beachtlichen, ob der Hinweis auf das Ergebnis der Pflichtprüfung gegenüber
einem Anlagevermittler zu Ansprüchen aus einem Auskunftsvertrag führt.
Zentrale Probleme:
Ein Abschlußprüfer gibt einem Anlagevermittler telefonisch
positive Auskünfte über die Solvenz einer Beteiligungsgesellschaft, die sich
als unrichtig erweist. Der Vermittler gibt diese Information an Anleger
weiter, die nunmehr den Abschlußprüfer aus einem konkludent abgeschlossenen
Auskunftsvertrag mit Schutzwirkung für Dritte in Anspruch nehmen. Der Senat
verneint einen solchen Anspruch zutreffend.
©sl 2008
Gründe:
1 Die Kläger beteiligten sich - jeder für sich - unter Vermittlung der T.
Vermögensberatung GmbH in Wien in den Jahren 2001 bis 2003 an einem von der
P. GmbH (im Folgenden: P. GmbH) aufgelegten P. Managed Account. Bei dieser
Anlage wurden Gelder von Anlegern gesammelt, um auf deren gemeinsame
Rechnung Handel mit Termingeschäften zu betreiben. Im Jahr 2005 wurde das
Insolvenzverfahren über das Vermögen der P. GmbH eröffnet. Der seit 1990 für
diese Gesellschaft, später als deren Mitgeschäftsführer tätige M. wurde im
Jahr 2006 wegen Betruges in Tateinheit mit Urkundenfälschung zu einer
Freiheitsstrafe von sieben Jahren und vier Monaten verurteilt. Der
Beklagte, ein Wirtschaftsprüfer, prüfte im Auftrag der Gesellschaft seit
1997 deren Jahres- und Konzernabschlüsse nach §§ 316 ff HGB sowie die
Einhaltung der Meldepflichten und Verhaltensregeln nach § 36 WpHG und
erteilte, da seine Prüfungen zu keinen Beanstandungen führten,
Bestätigungsvermerke. Dass M. Fälschungen vorgenommen hatte, die sich
auf ein in Wirklichkeit nicht bestehendes Konto bei einer Brokergesellschaft
bezogen, bemerkte der Beklagte bei seinen Prüfungen nicht.
2 Die Kläger nehmen den Beklagten wegen des Verlustes ihrer eingezahlten
Beträge auf Schadensersatz in Anspruch, weil sich der Beklagte in einem
Telefongespräch mit der Vermittlerin im Oktober 2000 positiv über die
Seriosität der P. GmbH geäußert und angeboten habe, Prüfberichte und Testate
zum Zwecke der Weiterleitung an ihre Kunden zu übermitteln. In den
Beratungsgesprächen habe die Vermittlerin hierauf Bezug genommen und -
soweit vorhanden - Prüfberichte des Beklagten vorgelegt, die Grundlage für
die Anlageentscheidung der Kläger geworden seien.
3 In den Vorinstanzen hatte die Klage keinen Erfolg. Mit ihrer Beschwerde
erstreben die Kläger die Zulassung der Revision.
II.
4 Die Voraussetzungen für eine Zulassung der Revision liegen nicht vor. Die
Beantwortung der von der Beschwerde aufgeworfenen Fragen erfordert die
Eröffnung eines Revisionsverfahrens nicht (§ 543 Abs. 2 ZPO). Das
Berufungsgericht hat richtig entschieden.
5 1. In der Rechtsprechung des Senats ist geklärt, unter welchen näheren
Voraussetzungen die Haftung eines Wirtschaftsprüfers, der mit der
Pflichtprüfung einer Gesellschaft nach §§ 316 ff HGB betraut ist, Dritten
gegenüber in Betracht kommt (vgl. BGHZ 138, 257; 167, 155). Danach gilt
grundsätzlich, dass der Abschlussprüfer für Fehler nach § 323 Abs. 1 Satz 3
HGB nur der Gesellschaft und, wenn ein verbundenes Unternehmen geschädigt
worden ist, auch diesem gegenüber, nicht jedoch den Anteilseignern und
sonstigen Gläubigern der Gesellschaft zum Ersatz des daraus entstehenden
Schadens verpflichtet ist (vgl. BGHZ 138, 257, 259 f). Die Bestimmung
des § 323 HGB schließt zwar nicht von Rechts wegen aus, dass für den
Abschlussprüfer auf vertraglicher Grundlage auch eine Schutzpflicht
gegenüber dritten Personen begründet werden kann (BGHZ aaO S. 260 f). An die
Annahme einer vertraglichen Einbeziehung eines Dritten in den Schutzbereich
sind jedoch strenge Anforderungen zu stellen (BGHZ 167, 155, 162 ff Rn. 13).
Da Bestätigungsvermerken nach § 325 Abs. 1 HGB ohnehin die Bedeutung
zukommt, Dritten Einblick in die wirtschaftliche Situation des
publizitätspflichtigen Unternehmens zu gewähren und ihnen für ihr
beabsichtigtes Engagement eine Beurteilungsgrundlage zu geben, dies den
Gesetzgeber aber nicht veranlasst hat, die Verantwortlichkeit des
Abschlussprüfers ebenso weit zu ziehen, genügt es für die Annahme einer
Schutzwirkung in dem hier betroffenen Bereich allein nicht, dass ein Dritter
die von Sachkunde geprägte Stellungnahme des Prüfers für diesen erkennbar
zur Grundlage einer Entscheidung mit wirtschaftlichen Folgen machen möchte.
Der Senat hat daher namentlich Bedenken gegen eine stillschweigende
Ausdehnung der Haftung auf Dritte geäußert und es hierfür grundsätzlich für
erforderlich gehalten, dass dem Abschlussprüfer deutlich wird, dass von ihm
im Drittinteresse eine besondere Leistung erwartet wird, die über die
Erbringung der gesetzlich vorgeschriebenen Pflichtprüfung hinausgeht
(vgl. BGHZ 167, 155, 166 Rn. 15).
6 2. Gemessen an diesen Grundsätzen ist es nicht zu beanstanden, dass das
Berufungsgericht eine vertragliche Haftung des Beklagten verneint hat.
7 a) Unmittelbare vertragliche Beziehungen bestanden zwischen den
Parteien nicht, auch nicht auf der Grundlage eines Auskunftsvertrags.
Die Beschwerde beanstandet auch nicht die Feststellung des
Berufungsgerichts, dass sich aus dem Prüfvertrag der P. GmbH mit dem
Beklagten keine Schutzwirkungen zugunsten der beitretenden Anleger ergaben.
8 b) Die Beschwerde möchte den telefonischen Kontakten der Vermittlerin
mit dem Beklagten im Oktober 2000 entnehmen, dass insoweit ein
Auskunftsvertrag zustande gekommen sei, in den alle - auch künftige - Kunden
der Vermittlerin einbezogen worden seien. Insoweit hält sie die
Zulassung der Revision zur Sicherung einer einheitlichen Rechtsprechung und
zur Rechtsfortbildung für erforderlich.
9 Es ist schon zweifelhaft, was die Beschwerde aber ohne weiteres
unterstellt, ob dem Telefongespräch von Oktober 2000 ein Auskunftsvertrag
zwischen der Vermittlerin und dem Beklagten entnommen werden kann. Das
Berufungsgericht hat dies nach dem Verständnis des Senats nicht etwa bejaht,
sondern ist sofort auf die Frage eingegangen, ob sich aus diesem Gespräch
Schutzwirkungen für die Kunden der Vermittlerin ergeben konnten. Dies hat es
auf der Grundlage seiner nachvollziehbaren Würdigung, die Vermittlerin habe
nicht nur an die Einbeziehung von etwa 100 bis 200 Kunden aus dem
vorhandenen Kundenkreis, sondern von weiteren neuen Kunden gedacht,
rechtsfehlerfrei verneint. Die Beschwerde macht zwar unter Bezugnahme auf
die Urteile des X. Zivilsenats des Bundesgerichtshofs vom 13. November 1997
(X ZR 144/94 - NJW 1998, 1059, 1062) und vom 20. April 2004 (X ZR 250/02 -
BGHZ 159, 1, 10) geltend, die Einbeziehung setze nicht voraus, dass die Zahl
und Namen der zu schützenden Dritten von vornherein feststünden und dass der
Schuldner sie kenne. Die Fallgestaltungen, die jenen Entscheidungen zugrunde
lagen, sind indes nicht vergleichbar. In der Sache X ZR 144/94 ging es um
die Einbeziehung eines (unbekannten) Bürgen, ohne dass damit eine
Vervielfältigung des Risikos verbunden war, während in der Sache X ZR 250/02
der Wert des als Sicherheit vorgesehenen Grundstücks das Risiko des als
Gutachter herangezogenen Sachverständigen begrenzte.
10 Demgegenüber ist für die hier vorliegende Fallkonstellation maßgeblich,
dass eine Dritthaftung des Pflichtprüfers nur unter strengen Voraussetzungen
angenommen werden kann (siehe oben 1). Das ist auch bei der Prüfung der
Frage von Bedeutung, ob im Rahmen eines Auskunftsvertrags von einem
Pflichtprüfer, der wenig mehr bestätigt, als dass er eine Prüfung
vorgenommen und dass diese - bezogen auf einen bestimmten Zeitpunkt - keine
Beanstandungen ergeben hat, billigerweise erwartet werden kann, er wolle
gegenüber einer Vielzahl ihm nicht bekannter Kunden einer Vermittlerin für
die Seriosität des geprüften Unternehmens eintreten (vgl. Senatsurteil vom
15. Dezember 2005 - III ZR 424/04 - NJW-RR 2006, 611, 612 Rn. 12). Es wäre
ein Verstoß gegen die gesetzliche Wertung des § 323 Abs. 1 Satz 3 HGB, wenn
man unter den hier gegebenen Umständen annehmen wollte, der Pflichtprüfer
übernehme ohne besonderen Anlass und ohne Gegenleistung - gewissermaßen
in doppelter Hinsicht konkludent - sowohl die Begründung als auch die
mögliche Vervielfältigung seiner Haftung.
11 Unter diesen Umständen ist auch kein Raum für die Überlegung der
Beschwerde, es komme ferner ein Schadensersatzanspruch des Beklagten aus
Verschulden bei Vertragsschluss in Betracht.
12 3. Soweit es um eine mögliche deliktische Verantwortlichkeit des
Beklagten geht, hat das Berufungsgericht zwar erwogen, dem Beklagten könne
bei seinen Prüfungen grobe Leichtfertigkeit zur Last gefallen sein und er
möge eine Schädigung von Anlegern billigend in Kauf genommen haben. § 826
BGB setze Sittenwidrigkeit aber gerade im Verhältnis zwischen dem Schädiger
und dem Geschädigten voraus. Die Kläger behaupteten nicht, dass sie zu dem
Personenkreis gehörten, der auf die nach Publizitätsvorschriften offen
gelegten Bestätigungsvermerke vertraut habe.
13 Ob dies in Einklang damit steht, dass den Klägern nach ihrem Vortrag über
die Vermittlerin Kopien von verschiedenen Bestätigungsvermerken vorgelegt
worden sein sollen, mag auf sich beruhen. Denn die angefochtene Entscheidung
wird von der tatrichterlichen Erwägung getragen, die Kläger hätten nicht
bewiesen, dass der Beklagte das Bewusstsein gehabt habe, seine künftigen,
nach Oktober 2000 zu erstellenden Prüfberichte und Testate würden - entgegen
den Vereinbarungen mit der P. GmbH - als Argumentationshilfe bei
Verhandlungen mit Anlageinteressenten eingesetzt.
14 4. Auch die weiter erhobenen Rügen der Beschwerde erfordern eine
Zulassung der Revision nicht. Von einer näheren Begründung wird gemäß § 544
Abs. 4 Satz 2 ZPO abgesehen.
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