Fehlen der
Geschäftsgrundlage bei Abschluß eines Behandlungsvertrages in der Annahme
des Bestehens einer Versicherungsdeckung; Behandlungsvertrag für ein
gemeinsames Kind als echter Vertrag zugunsten Dritter; Mitverpflichtung des
Ehegatten aus § 1357 BGB (Schlüsselgewalt), Verhältnis von § 1357 BGB zur
Geschäftsführung ohne Auftrag
BGH, Urteil
vom 28. April 2005 - III ZR 351/04
Fundstelle:
NJW 2005, 2069
für BGHZ vorgesehen
Amtl. Leitsätze:
1. Haben der
Krankenhausträger und der Patient (hier: die Mutter des minderjährigen
Patienten) die gemeinsame Vorstellung, daß eine gesetzliche
Krankenversicherung bestehe, die die Kosten des Krankenhausaufenthalts
übernehme, und stellt sich dies als Irrtum heraus, dann fehlt dem zwischen
dem Krankenhausträger und dem Patienten (hier der Mutter des minderjährigen
Patienten) geschlossenen Behandlungsvertrag die Geschäftsgrundlage.
2. Die bei Fehlen der Geschäftsgrundlage gebotene Anpassung des zwischen dem
Krankenhausträger und dem Patienten (hier: der Mutter des Patienten)
geschlossenen Behandlungsvertrages führt dazu, daß der Krankenhausträger die
nach Maßgabe der §§ 10 ff BPflV zu ermittelnde Vergütung für die allgemeinen
Krankenhausleistungen von dem Patienten (hier: von der Mutter des Patienten)
fordern kann.
Tatbestand:
Die klagende Stadt ist Trägerin eines Krankenhauses, in dem S. P. H. , die
Tochter der Beklagten und ihres früheren Ehemannes S. H. , stationär
behandelt wurde.
Am 5. März 1999 brachte die Beklagte ihre Tochter zur stationären Behandlung
in das Krankenhaus der Klägerin. Bei der Aufnahme gab sie an, für ihre
Tochter bestehe Versicherungsschutz durch die AOK L. ; Versicherter sei ihr
Ehemann, der Dachdecker S. H. . Ferner unterschrieb die Beklagte einen
"Aufnahme-Antrag", in dem es unter anderem hieß:
"Ich
beantrage für meine Person/für den oben bezeichneten Patienten die
Gewährung der Regelleistung im Krankenhaus.
Ich erkenne hiermit die Allgemeinen Vertragsbedingungen und die
Hausordnung für die Patienten sowie den Pflegekostentarif in der jeweils
gültigen Fassung an."
§ 8 Abs. 3 der
Allgemeinen Vertragsbedingungen der Klägerin bestimmt, daß ein
Kassenpatient, der Leistungen des Krankenhauses in Anspruch nimmt, die nicht
durch die Kostenübernahme einer Krankenkasse gedeckt sind, als Selbstzahler
zur Entrichtung des Entgelts für diese Leistungen verpflichtet ist.
Nach der vorgenannten, bis zum 19. März 1999 dauernden stationären
Behandlung war die Tochter der Beklagten nochmals, nämlich vom 19. Februar
2000 bis zum 20. März 2000, im Krankenhaus der Klägerin. Bei diesem
Krankenhausaufenthalt hatte der damalige Ehemann der Beklagten das Kind
eingeliefert.
Die AOK L. übernahm die Kosten dieser stationären Behandlungen nicht, weil
der Ehemann der Beklagten zur fraglichen Zeit nicht versichert war und damit
auch keine Familienversicherung für die gemeinsame Tochter S. -P. bestand.
Das Krankenhaus stellte der Beklagten daraufhin für die stationäre
Behandlung der Tochter in der Zeit vom 5. bis 19. März 1999 9.124,02 DM (=
4.665,04 €) und für die stationäre Behandlung vom 19. Februar 2000 bis zum
20. März 2000 weitere 20.202,39 DM (= 10.329,32 €), insgesamt also 14.994,36
€, in Rechnung. Dieser Betrag nebst Zinsen wird mit der Klage geltend
gemacht.
Die Klägerin trägt vor, die Tochter der Beklagten sei aufgrund eines am 5.
März 1999 mit der Beklagten geschlossenen Behandlungsvertrages im
Krankenhaus der Klägerin aufgenommen worden. Für die bis zum 19. März 1999
dauernde stationäre Behandlung könne sie nach dem Behandlungsvertrag und
nach ihren Allgemeinen Vertragsbedingungen von der Beklagten das Entgelt
beanspruchen, nachdem sich herausgestellt habe, daß für deren Tochter keine
gesetzliche Krankenversicherung bestanden habe. Für die Kosten der von dem
damaligen Ehemann der Beklagten veranlaßten stationären Behandlung der
Tochter im Jahr 2000 hafte die Klägerin nach § 1357 BGB.
Das Landgericht hat der Klage stattgegeben, das Berufungsgericht hat sie
abgewiesen. Mit der von dem Berufungsgericht zugelassenen Revision verfolgt
die Klägerin ihr Zahlungsbegehren weiter.
Entscheidungsgründe
Die Klage ist begründet, soweit die Klägerin Zahlung von 4.665,04 € nebst
Zinsen begehrt. Im übrigen führt die Revision zur Aufhebung des
Berufungsurteils und zur Zurückverweisung der Sache an das Berufungsgericht.
I. Das Berufungsgericht hat im wesentlichen ausgeführt:
Bezüglich der Behandlung der Tochter der Beklagten in der Zeit vom 5. bis
zum 19. März 1999 sei ein entgeltlicher Behandlungsvertrag zwischen den
Parteien nicht zustande gekommen. Ein etwaiger Behandlungsvertrag des
Kassenpatienten mit dem Krankenhaus habe jedenfalls nicht zum Inhalt gehabt,
daß der Patient - über die gesetzlich vorgeschriebene Selbstbeteiligung
hinaus - ein Entgelt für die stationäre Behandlung zu zahlen habe. Denn mit
der Angabe der gesetzlichen Krankenversicherung gebe der Patient - wie hier
die Beklagte als Mutter der Patientin - unmißverständlich zu erkennen, daß
er sich nicht persönlich zu einer Zahlung verpflichten wolle. Aus dem von
der Beklagten unterschriebenen "Aufnahme-Antrag" ergebe sich nichts anderes.
Auf § 8 Abs. 3 der Allgemeinen Vertragsbedingungen könne die Klägerin ihre
Entgeltforderung nicht stützen. Die Allgemeinen Vertragsbedingungen seien
nicht wirksam in einen etwaigen Behandlungsvertrag der Parteien einbezogen
worden (§ 2 Abs. 1 Nr. 2 AGBG); zudem habe es sich bei § 8 Abs. 3 der
Allgemeinen Vertragsbedingungen um eine überraschende und deshalb nach § 3
AGBG nichtige Klausel gehandelt.
Zu einer Zahlungsverpflichtung der Beklagten führe ferner nicht eine
ergänzende Vertragsauslegung. Bei der Abwägung der beiderseitigen Interessen
könne ein Wille der Parteien, wonach bei fehlendem Versicherungsschutz die
Beklagte die Krankenhauskosten zu tragen habe, nicht ermittelt werden. Zwar
habe im Behandlungsvertrag möglicherweise eine Regelungslücke bestanden. Die
Parteien hätten sich nicht über den Fall verständigt, daß ein
Versicherungsverhältnis nicht bestehe. Diesbezüglich sei indes
auszuschließen, daß sich die Beklagte bereitgefunden hätte, eine
Zahlungsverpflichtung zu übernehmen. Denn sie sei mangels eigener Einkünfte
nicht zahlungsfähig gewesen. Daß die Klägerin aus einer solchen
vertraglichen Verpflichtung den Ehemann der Beklagten nach § 1357 BGB hätte
in Anspruch nehmen können, sei unerheblich.
Die Beklagte müsse nicht gemäß § 1357 Abs. 1 BGB für die Kosten der von
ihrem damaligen Ehemann veranlaßten Behandlung ihrer Tochter (19. Februar
2000 bis 20. März 2000) einstehen. Diese Mithaftung entfalle nämlich schon
dann, wenn der in Anspruch genommene Ehegatte, wie hier die Beklagte, nicht
über die erforderlichen Mittel verfüge, um den - im Streitfall durch die
stationäre Behandlung des gemeinsamen Kindes verursachten - Sonderbedarf zu
bestreiten.
Auch ein Anspruch der Klägerin auf Aufwendungsersatz aus Geschäftsführung
ohne Auftrag (§§ 683, 670 BGB) scheide aus.
II. Das Berufungsurteil hält der rechtlichen Prüfung nicht stand.
1. Die Klägerin kann von der Beklagten für die Behandlung von deren Tochter
im März 1999 eine Vergütung in Höhe von 4.665,04 € beanspruchen (§ 611 Abs.
1 BGB).
a) Wie das Berufungsgericht im Ansatz zu Recht ausgeführt hat, ging der
Wille der Parteien dahin, einen für die Beklagte nicht mit Zahlungspflichten
verbundenen (privatrechtlichen) Vertrag über die stationäre Behandlung von
deren Tochter zu schließen.
Die Parteien gingen nach den Feststellungen des Berufungsgerichts davon aus,
die Tochter der Beklagten werde als Kassenpatientin in das Krankenhaus der
Klägerin aufgenommen. In einem solchen Fall besteht ein
Vergütungsanspruch des Krankenhausträgers unmittelbar und ausschließlich
gegen die gesetzliche Krankenkasse. Das gilt unbeschadet dessen, daß neben
dieses öffentlich-rechtliche "Abrechnungsverhältnis" ein
"Behandlungsverhältnis" zwischen dem Patienten und dem Krankenhaus tritt,
das auf einem privatrechtlichen Vertrag (§ 611 BGB) beruht. Dementsprechend
richtete sich schon das "Angebot" der Klägerin von vornherein auf die
stationäre Behandlung ohne Kostenbelastung - nach den Modifizierungen des
Sozialrechts - für die Patientin und die diese einliefernde Beklagte
(vgl. BGHZ 89, 250, 258; BGH, Urteil vom 9. Mai 2000 - VI ZR 173/99 - NJW
2000, 3429 f; s. auch Senat BGHZ 140, 102, 110; BSGE 70, 20, 22 f und BSG
NJW-RR 1998, 273, 274).
b) Die Parteien haben keine subsidiäre Haftung der Beklagten ausbedungen
für den Fall, daß - entgegen ihrer gemeinsamen Annahme - gesetzlicher
Krankenversicherungsschutz für die Tochter der Beklagten nicht besteht.
aa) Eine solche Haftung kann nicht § 8 Abs. 3 der - in dem schriftlichen
"Aufnahme-Antrag" der Beklagten in Bezug genommenen - Allgemeinen
Vertragsbedingungen der Klägerin entnommen werden.
In der von der Klägerin nur dem Wortlaut nach mitgeteilten Klausel heißt es,
ein Kassenpatient, der Leistungen des Krankenhauses in Anspruch nehme, die
nicht durch die Kostenübernahme einer Krankenkasse gedeckt seien, sei als
Selbstzahler zur Entrichtung eines Entgelts für diese Leistungen
verpflichtet. Der Senat kann diese Bestimmung selbst auslegen, weil das
Berufungsgericht deren Inhalt nicht hinreichend geprüft hat und weitere
Feststellungen insoweit nicht zu erwarten sind. Die Prüfung ergibt, daß
offenbleibt, ob § 8 Abs. 3 der Allgemeinen Vertragsbedingungen überhaupt die
vorliegende Sachverhaltsgestaltung betrifft. Die Revisionserwiderung macht
mit Recht geltend, die Klausel scheine den - hier nicht gegebenen - Fall zu
regeln, daß vom Kassenpatienten Wahlleistungen oder sonstige, von vornherein
nicht im GKV-Leistungs-Katalog enthaltene Behandlungen oder Leistungen in
Anspruch genommen würden; § 8 Abs. 3 der Allgemeinen Vertragsbedingungen
bestimme nicht darüber hinaus die Vergütungspflicht eines Patienten, der -
in der irrtümlichen Annahme, gesetzlich versichert zu sein - sich als
Kassenpatient in stationäre Behandlung begeben und die üblichen Leistungen
für gesetzlich Versicherte erhalten habe. Der Wortlaut des § 8 Abs. 3 der
Allgemeinen Vertragsbedingungen läßt ein solches Verständnis zu. Von ihm ist
nach der Unklarheitenregel (§ 5 AGBG i.V.m. Art. 229 § 5 Satz 1 EGBGB ) zu
Lasten der Verwenderin der AGB, d.h. der Klägerin, auszugehen.
bb) Eine ergänzende Vertragsauslegung, wonach die Beklagte eine
(subsidiäre) Haftung für die Krankenhausbehandlung ihrer Tochter trifft,
hätte eine Regelungslücke - eine planwidrige Unvollständigkeit -
vorausgesetzt (vgl. BGHZ 127, 138, 142). Eine solche dürfte im Streitfall
indes - was das Berufungsgericht offengelassen hat und damit der
Feststellungsbefugnis des Senats unterliegt - nicht vorliegen. Die Parteien
haben die Frage, ob die Beklagte für die Kosten der stationären Behandlung
ihrer Tochter aufkommen muß, geregelt; nämlich in dem Sinne, daß die Tochter
der Beklagten im Rahmen der sozialversicherungsrechtlichen Versorgung - mit
Kostenausgleich im Verhältnis der Klägerin und der zuständigen AOK -
behandelt und die Beklagte nicht in Anspruch genommen werden sollte. Daß
die Parteien dabei von falschen Voraussetzungen ausgingen, ändert nichts
daran, daß sie diesen Punkt - den Ausschluß einer Zahlungspflicht der
Beklagten - tatsächlich geregelt haben.
c) Das Berufungsgericht hat jedoch nicht berücksichtigt, daß dem
privatrechtlichen "Behandlungsverhältnis", das zwischen den Parteien
bestand, die Geschäftsgrundlage fehlte und die deshalb gebotene
Vertragsanpassung zu einem Zahlungsanspruch der Klägerin gegen die Beklagte
führt.
Geschäftsgrundlage sind die gemeinsamen Vorstellungen beider
Vertragspartner, die nicht zum eigentlichen Vertragsinhalt erhoben worden
sind, die beim Abschluß aber zutage getreten sind, oder die dem
Geschäftspartner erkennbaren oder von ihm nicht beanstandeten Vorstellungen
der anderen Partei von dem Vorhandensein und dem künftigen Eintritt oder
Nichteintritt bestimmter Umstände, auf denen sich der Geschäftswille der
Parteien aufbaut (st. Rspr., z.B. BGHZ 25, 390, 392; 40, 334, 335 f; 61,
153, 160; 84, 1, 8 f; 120, 10, 23; BGH, Urteile vom 26. Oktober 1999 - X ZR
54/97 - NJW-RR 2000, 1219 und vom 15. November 2000 - VIII ZR 324/99 - NJW
2001, 1204, 1205).
aa) Zwischen der Klägerin und der Beklagten kam - jedenfalls konkludent -
mit der von der Beklagten gewünschten Behandlung ihrer Tochter im
Krankenhaus der Klägerin ein von der Beklagten im eigenen Namen
geschlossener Vertrag über die stationäre Behandlung ihrer Tochter zustande
(§§ 611, 328 BGB; vgl. BGHZ 89, 263, 266; 106, 153, 161; BGB-RGRK/Nüßgens
12. Aufl. 1989 § 823 Anh. II Rn. 7; Steffen/Dressler, Arzthaftungsrecht 9.
Aufl. 2002 Rn. 10; Laufs/Uhlenbruck, Handbuch des Arztrechts 3. Aufl. 2002 §
40 Rn. 8; Deutsch/Spickhoff, Medizinrecht 5. Aufl. 2003 Rn. 81 und 563).
bb) Bei Abschluß des Behandlungsvertrages hatten die Parteien gemeinsam die
Vorstellung, die AOK L. werde die Kosten des Krankenhausaufenthalts der
Tochter der Beklagten übernehmen, weil die Tochter über den damaligen
Ehemann der Beklagten familienversichert sei; das stellte sich als Irrtum
heraus. Ein solcher gemeinschaftlicher Irrtum ist ein typischer Fall des
Fehlens der Geschäftsgrundlage (vgl. BGHZ 58, 355, 361 f; 123, 76, 82;
Staudinger/J. Schmidt, BGB 13. Bearb. 1995 § 242 Rn. 370; s. auch § 313 Abs.
2 BGB n.F.).
cc) Fehlte aber dem von den Parteien geschlossenen Behandlungsvertrag die
Geschäftsgrundlage, dann hat eine Anpassung des Vertragsinhalts nach den
Grundsätzen von Treu und Glauben unter umfassender Abwägung der
beiderseitigen Interessen zu erfolgen (vgl. BGH, Urteil vom 26. Oktober
1999 aaO S. 1220; s. auch § 313 Abs. 1 BGB n.F.). Eine solche
Vertragsanpassung führt hier dazu, daß die Klägerin die Vergütung für die
stationäre Behandlung von der Beklagten fordern kann.
(1) Die Beklagte trug das Risiko, daß das von ihr zur stationären Behandlung
gebrachte Kind krankenversichert war. Es ist nicht Sache des
Krankenhausträgers, für den Versicherungsschutz des Patienten Sorge zu
tragen. Der Patient (bzw. bei Minderjährigen deren Eltern) hat hierzu im
eigenen Interesse das Nötige zu veranlassen und den Krankenhausträger
zutreffend zu unterrichten. Er weiß in der Regel, ob und bei wem eine
Krankenversicherung besteht; Zweifel kann er gewöhnlich ohne Schwierigkeiten
durch eine Anfrage bei der Krankenkasse ausräumen. Besteht kein
Versicherungsschutz, kann der Patient gegebenenfalls durch die
Inanspruchnahme von Sozialhilfe für Kostendeckung sorgen. Umgekehrt hat der
Krankenhausträger in der Regel keinen Einblick in die persönlichen und
sozialversicherungsrechtlichen Verhältnisse sowie in die Einkommens- und
Vermögensverhältnisse des Patienten. Dem Krankenhausträger, der täglich eine
Vielzahl von Aufnahmen - teilweise unter Notfallbedingungen - zu bewältigen
hat, ist es schon aus praktischen Gründen kaum möglich, die Angaben des
Patienten bezüglich der Krankenversicherung jeweils vor Beginn der
Behandlung zu überprüfen. Vielmehr darf er grundsätzlich darauf vertrauen,
daß der Patient ihm gegenüber zutreffende Angaben macht. Zwar holt bei den
Kassenpatienten meist das Krankenhaus die Kostenübernahme der Krankenkasse
für den Patienten ein. Diese, ersichtlich durch Gründe der
Verwaltungsvereinfachung veranlaßte Übung, berührt die vorbeschriebene
Risikozuweisung an den Patienten jedoch nicht. Auch kann es einem
Krankenhausträger nicht angesonnen werden, sich ohne konkreten Anlaß mit der
Einkommens- und Vermögenslage eines eingelieferten Patienten zu befassen, um
vorsorglich abzuklären, ob eigene Leistungsansprüche gegen den zuständigen
Sozialhilfeträger wegen der Behandlung des - mittellosen -Patienten in
Betracht kommen (§ 121 BSHG; jetzt § 25 SGB XII; siehe dazu das zur
Veröffentlichung vorgesehene Senatsurteil vom 10. Februar 2005 - III ZR
330/04).
(2) Die Vertragsanpassung hat den gesetzlichen Vorgaben zu folgen. Die
Klägerin war gehalten, für ihre allgemeinen Krankenhausleistungen das nach
Maßgabe der §§ 10 ff BPflV zu ermittelnde Entgelt zu fordern. Von den danach
zugrunde zu legenden Pflegesätzen durfte sie nicht abweichen; insbesondere
war eine Differenzierung nach der Einkommens- und Vermögenslage des
Patienten nicht zulässig (vgl. § 17 Abs. 1 Satz 1 KHG; Dietz/Bofinger,
Krankenhausfinanzierungsgesetz, Bundespflegesatzverordnung und Folgerecht §
17 KHG Erl. I 4 und § 10 BPflV Erl. 2). Dieses staatliche Preisrecht läßt
keinen Raum für - ansonsten bei der Vertragsanpassung gebotene -
Zumutbarkeitserwägungen. Im Zuge der Vertragsanpassung ist die Beklagte
daher verpflichtet, für die von ihr veranlaß-te Behandlung ihrer Tochter den
einheitlichen Pflegesatz zu entrichten.
2. Auch wegen der von dem Ehemann der Beklagten veranlaßten stationären
Behandlung (19. Februar 2000 bis 20. März 2000) der gemeinsamen Tochter
kommt entgegen der Auffassung des Berufungsgerichts eine Haftung der
Beklagten in Betracht.
a) Wird ein minderjähriges Kind zur stationären Behandlung eingeliefert,
dann wird der Behandlungsvertrag in der Regel zwischen den Eltern und dem
Krankenhausträger als Vertrag zugunsten des Kindes zustande kommen (§§
611, 328 BGB; s. oben unter II 1 c aa m.w.N.). Aus einem solchen
Behandlungsvertrag werden, soweit sich nicht aus den Umständen etwas anderes
ergibt, beide Eltern berechtigt und verpflichtet; es kommt grundsätzlich
nicht darauf an, wer das Kind zur Aufnahme in die stationäre Behandlung
begleitet hat.
Das Berufungsgericht hat diesen, von der Klägerin allerdings bisher auch
nicht geltend gemachten, Gesichtspunkt nicht geprüft. Die Klägerin erhält
insoweit Gelegenheit zu neuem Sachvortrag. Das Berufungsgericht wird
gegebenenfalls festzustellen haben, ob der Ehemann der Beklagten einen
Behandlungsvertrag zugunsten der gemeinsamen Tochter im eigenen Namen und
im Namen der Beklagten (§ 164 BGB) schloß. Die Beklagte könnte aus einem
solchen - gegebenenfalls nach den vorgenannten Grundsätzen angepaßten -
Vertrag unmittelbar haften, und zwar als Gesamtschuldnerin mit ihrem
damaligen Ehemann.
b) Auf der Grundlage der bisher von dem Berufungsgericht getroffenen
Feststellungen kann jedenfalls ein Anspruch der Klägerin gegen die Beklagte
gemäß §§ 611, 1357 Abs. 1 BGB wegen der von dem Ehemann der Beklagten
veranlaßten Krankenhausbehandlung nicht verneint werden.
aa) Nach § 1357 Abs. 1 BGB ist jeder Ehegatte berechtigt, Geschäfte zur
angemessenen Deckung des Lebensbedarfs der Familie zu besorgen. Die hier
zu beurteilende stationäre Behandlung der Tochter der Beklagten und ihres
Ehemannes, die medizinisch geboten war und ohne Inanspruchnahme von
Sonderleistungen erfolgte, gehörte grundsätzlich zum angemessenen Unterhalt
der Familie (BGHZ 116, 184, 186 f).
Durch solche Geschäfte werden beide Ehegatten berechtigt und verpflichtet,
es sei denn, daß sich aus den Umständen etwas anderes ergibt. Die auf dem
Ersten Gesetz zur Reform des Ehe- und Familienrechts vom 14. Juni 1976
(BGBl. I S. 1421) beruhende Fassung der Vorschrift knüpft nicht mehr an die
nach früherem Recht bestehende Pflicht der Frau an, den Haushalt in eigener
Verantwortung zu führen (§ 1356 Abs. 1 Satz 1 BGB a.F.), und an die ihr
dementsprechend eingeräumte Befugnis, Geschäfte innerhalb ihres häuslichen
Wirkungskreises mit Wirkung für den Mann zu besorgen. Vielmehr ist mit
Rücksicht darauf, daß die Aufgabenverteilung in der ehelichen Gemeinschaft
den Partnern selbst überlassen und das Leitbild der sogenannten
Hausfrauenehe aufgegeben worden ist, die Rechtsmacht zur Verpflichtung auch
des Partners an die "angemessene Deckung des Lebensbedarfs der Familie"
gebunden worden. Der Bundesgerichtshof hat hierzu entschieden, wie weit der
Lebensbedarf der Familie reiche, bestimme sich familienindividuell nach den
Verhältnissen der Ehegatten. Da die Einkommens- und Vermögensverhältnisse
dem Vertragspartner allerdings häufig verborgen bleiben, ist entscheidend
auf den Lebenszuschnitt der Familie abzustellen, wie er nach außen in
Erscheinung tritt. Darüber hinaus ist die Einbindung des § 1357 BGB in das
Unterhaltsrecht zusammenlebender Ehegatten (§§ 1360, 1360a BGB) zu beachten.
Zu den Umständen, die bei der Anwendung des § 1357 BGB von Bedeutung sein
können, gehören daher auch die wirtschaftlichen Verhältnisse in ihrem Bezug
zu den Kosten, die durch die jeweils in Rede stehende Geschäftsbesorgung
ausgelöst werden. Auch insoweit ist die Sicht eines objektiven Beobachters
nach dem Erscheinungsbild der Ehegatten, wie es für Dritte allgemein
offenliegt, entscheidend (vgl. BGHZ 94, 1, 5 f; 116, 184, 188 f;
Senatsurteil vom 11. März 2004 - III ZR 213/03 - NJW 2004, 1593, 1594).
bb) Diese Grundsätze hat das Berufungsgericht nicht hinreichend
berücksichtigt, indem es allein auf die Mittellosigkeit der Beklagten
abgestellt hat.
Es kam darauf an, ob nach dem äußeren Erscheinungsbild die Kosten der -
wie die Klägerin betont, unaufschiebbaren - Krankenhausbehandlung der
gemeinsamen Tochter noch im Rahmen der damaligen wirtschaftlichen
Verhältnisse der Familie der Beklagten standen; denn die Eheleute lebten
damals nicht getrennt (vgl. BGHZ 116 aaO; Senatsurteil vom 11. März 2004
aaO). Das ist in dem von dem Berufungsgericht zitierten Urteil des
Oberlandesgerichts Köln NJW-RR 1999, 733 mißverstanden worden. Daß die
Kosten der Krankenhausbehandlung außer Verhältnis zu dem Lebenszuschnitt der
Familie standen, kann nach dem Ergebnis der Beweisaufnahme nicht ohne
weiteres zugrunde gelegt werden. Nach dem Berufungsurteil hat die Beklagte
bei ihrer Vernehmung als Partei ausgesagt, ihr Ehemann sei als Lkw-Fahrer
beschäftigt gewesen, als sie ihre Tochter zum Krankenhaus gebracht habe. Ihr
damaliger Ehemann hat als Zeuge bestätigt, in der fraglichen Zeit ständig
als Arbeitnehmer tätig gewesen zu sein.
Das Berufungsgericht wird diesbezüglich noch Feststellungen zu treffen
haben. Die Darlegungs- und Beweislast dafür, daß die grundsätzlich als
Geschäft im Sinne des § 1357 Abs. 1 Satz 1 BGB anzusehende
Krankenhausbehandlung der gemeinsamen Tochter ausnahmsweise deshalb nicht zu
einer Mithaftung der beklagten Ehefrau nach Satz 2 dieser Bestimmung führt,
weil die wirtschaftlichen Familienverhältnisse als ein Umstand zu bewerten
sind, aus dem sich etwas anderes ergibt, liegt bei der Beklagten.
cc) Sollte sich nach der neuen Berufungsverhandlung ergeben, daß die
Beklagte nicht nach § 1357 Abs. 1 BGB haftet, schiede auch eine
Inanspruchnahme nach den Grundsätzen der Geschäftsführung ohne Auftrag aus.
Ob und inwieweit sich aus Rechtsgeschäften eines Ehegatten wegen des diesem
Geschäft zugrundeliegenden "Familienbezugs bzw. -interesses" eine Mithaftung
des anderen Ehegatten ergibt, beantwortet sich vorrangig nach § 1357 Abs. 1
BGB. Die sich aus dieser - in erster Linie haftungserweiternden - Vorschrift
ergebenden Haftungseinschränkungen dürfen nicht über eine Anwendung der
Regeln über die Geschäftsführung ohne Auftrag (§§ 683, 670 BGB) zu Lasten
des anderen Ehegatten überspielt werden.
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