Haftung des Anlagevermittlers aus stillschweigend geschlossenem
Auskunftsvertrag
BGH, Urteil vom 11. September 2003 - III ZR
381/02 - OLG Hamm
Fundstelle:
noch nicht bekannt
Amtl. Leitsatz:
Erteilt ein
Anlagevermittler Auskunft zu der Sicherheit der Kapitalanlage, indem er ohne
Einschränkung auf die Angaben des Kapitalsuchenden verweist, macht er sich
dessen Aussagen bei der Auskunft zu eigen. Hat er in einem solchen Fall die
Sicherheit der Kapitalanlage nicht geprüft, so muß er dies dem Kunden
gegenüber auch ungefragt deutlich machen.
Tatbestand:
Nach Gesprächen mit dem
Beklagten zeichnete W. R., der Ehemann der Klägerin, am 7. Februar 1995
einen an die P. C. GmbH gerichteten Antrag auf Beteiligung an der P. C. A2
GbR. In dem Antragsformular hieß es unter anderem:
"Die P. C. GmbH bestätigt, daß 91 % Ihrer Nettoanlagesumme (ohne
Abschlußgebühr) nach Zahlungseingang abgesichert werden."
Der Beklagte nahm den Antrag entgegen und leitete ihn an die P.C. GmbH
weiter. Diese geriet später in Vermögensverfall. Es stellte sich heraus, daß
P.C. ein Schneeballsystem war.
Gestützt auf eine Abtretung ihres Ehemannes nimmt die Klägerin den Beklagten
auf Schadensersatz in Anspruch. Er habe Auskunftspflichten, die ihm als
Anlagevermittler gegenüber ihrem Ehemann obgelegen hätten, schlecht erfüllt.
Wiederholt habe er die Anlage bei P. C. als sicher dargestellt und erklärt,
das Risiko liege nur bei 9 %, da, wie im Antrag ausgeführt, P.
C. eine 91 %ige Kapitalsicherheit gewähre.
Die Klägerin fordert wegen der verlorenen Beteiligung nebst Aufgeld und
entgangenen Zinsen Schadensersatz in Höhe von insgesamt 42.625 DM zuzüglich
Zinsen. Landgericht und Berufungsgericht haben die Klage abgewiesen.
Mit der vom Berufungsgericht zugelassenen Revision verfolgt die Klägerin ihr
Zahlungsbegehren weiter.
Entscheidungsgründe
Die Revision ist begründet. Sie führt zur Aufhebung des Berufungsurteils und
zur Zurückverweisung der Sache an das Berufungsgericht.
I. Das Berufungsgericht hat die Klageabweisung im wesentlichen wie folgt
begründet:
Der Beklagte sei Anlagevermittler gewesen. Es lasse sich aber nicht
feststellen, daß im Zuge der Anlagevermittlung ein Auskunftsvertrag zwischen
ihm und dem Ehemann der Klägerin zustande gekommen sei. Der Beklagte habe
mit der Aussage, 91 % der Anlage seien sicher, erkennbar nur auf eine - von
ihm nicht geprüfte - Information der kapitalsuchenden P. C. GmbH
hingewiesen.
II. Das Berufungsurteil hält in entscheidenden Punkten der rechtlichen
Prüfung nicht stand. Nach den Feststellungen des Berufungsgerichts und dem
im Revisionsverfahren als richtig zu unterstellenden Vorbringen der Klägerin
kann diese von dem Beklagten aus abgetretenem Recht ihres Ehemanns
Schadensersatz wegen Verletzung eines Auskunftsvertrages beanspruchen.
1. Das Berufungsgericht hat den Beklagten als Anlagevermittler, nicht als -
grundsätzlich weiterreichenden Pflichten unterliegenden - Anlageberater
(vgl. Senatsurteil vom 13. Mai 1993 - III ZR 25/92 - NJW-RR 1993, 1114 f),
angesehen. Die Revision teilt diesen Ausgangspunkt.
2. Im Rahmen der Anlagevermittlung kommt zwischen dem Anlageinteressenten
und dem Anlagevermittler ein Auskunftsvertrag mit Haftungsfolgen zumindest
stillschweigend zustande, wenn der Interessent deutlich macht, daß er, auf
eine bestimmte Anlageentscheidung bezogen, die besonderen Kenntnisse und
Verbindungen des Vermittlers in Anspruch nehmen will und der
Anlagevermittler die gewünschte Tätigkeit beginnt. Ein solcher Vertrag
verpflichtet den Vermittler zu richtiger und vollständiger Information über
diejenigen tatsächlichen Umstände, die für den Anlageentschluß des
Interessenten von besonderer Bedeutung sind (Senatsurteile aaO und vom 13.
Januar 2000 - III ZR 62/99 - ZIP 2000, 355, 356).
Auf der Grundlage des für die rechtliche Prüfung maßgeblichen Sachverhalts
ist davon auszugehen, daß zwischen dem Ehemann der Klägerin und dem
Beklagten ein Auskunftsvertrag im vorgenannten Sinn zustande gekommen ist.
Soweit das Berufungsgericht zu einem anderen Ergebnis gelangt ist, hat es
die Anforderungen an die Annahme eines Auskunftsvertrages überspannt.
Der als selbständiger Finanzkaufmann tätige Beklagte suchte den Ehemann der
Klägerin zu einer Beteiligung bei P. C. zu bewegen. Dabei hat er - wie die
Revision zutreffend hervorhebt - wiederholt, zuletzt bei der Unterzeichnung
des Beteiligungsantrages durch den Ehemann der Klägerin, erklärt, die Anlage
sei sicher; die P. C. GmbH gewähre, wie es auch in dem Antrag ausgeführt
sei, eine 91 %ige Kapitalsicherheit. Darauf kam es dem - ansonsten
uninteressierten - Ehemann der Klägerin an. Für den Beklagten lag auch ohne
Nachfragen der Klägerin oder von deren Ehemann auf der Hand, daß der Ehemann
der Klägerin auf dieser Grundlage bei der Antragsunterzeichnung erklärte, er
wisse Bescheid, man könne es kurz machen. Hierdurch nahm der Ehemann der
Klägerin die vorbeschriebenen Angaben des Beklagten - für diesen erkennbar -
als verbindlich erklärte Auskunft an. Ob mit dem Berufungsgericht die früher
erfolgten Erklärungen des Beklagten in der Sauna und in der Pommesbude als
unverbindlich beurteilt werden müssen, kann dahinstehen.
3. Der Beklagte hat die ihm nach dem Auskunftsvertrag obliegende
Verpflichtung verletzt, den Ehemann der Klägerin richtig und vollständig
über die für den Anlageentschluß besonders bedeutsamen Umstände zu
unterrichten.
a) Nach dem Vortrag der Klägerin verwies der Beklagte - bei der
Unterzeichnung der Beteiligung durch den Ehemann der Klägerin und in den
vorangegangenen Gesprächen - darauf, daß das Verlustrisiko (höchstens) bei 9
% liege, da, wie es auch im Antrag aufgeführt sei, die P. C. GmbH eine 91
%ige Kapitalsicherheit gewähre. Er fügte nicht hinzu, daß die
Kapitalsicherheit von der Bonität der P. C. GmbH abhänge, und stellte auch
nicht klar, daß er die Bonität der P. C. GmbH nicht geprüft habe. Gibt ein
Anlagevermittler aber wie hier Auskunft zur Sicherheit der Kapitalanlage,
indem er auf die Angaben des Kapitalsuchenden verweist, macht er sich dessen
Aussagen zu eigen. Für den Anleger liegt damit nicht, wie das
Berufungsgericht meint, auf der Hand, daß der Anlagevermittler bloß
ungeprüfte Angaben weiterreicht.
Der Anleger muß den einschränkungslosen Verweis auf die Angaben im
Beteiligungsantrag vielmehr dahin verstehen, daß sich der - sachkundige -
Anlagevermittler damit identifiziert. Will der Anlagevermittler diesen
Eindruck vermeiden, muß er sich distanzieren.
b) Die von dem Beklagten mithin durch Verweis auf den Antrag - unstreitig
ungeprüft - erteilte Auskunft, es bestehe eine 91 %ige Kapitalsicherheit für
die Anlagen bei P. C. war nicht richtig. P. C. betrieb in Wahrheit ein
Schneeballsystem. Der Beklagte hätte auf diese Erklärung verzichten oder
offenbaren müssen, daß es sich um eine rein subjektive Einschätzung
handelte, die er ohne zuverlässige Kenntnisse zur wirtschaftlichen Lage und
zum Geschäftsgebaren der P. C. GmbH abgebe (vgl. Senatsurteile vom 13. Mai
1993 aaO S. 1115 und vom 13. Januar 2000 aaO S. 356, 357).
III. Der Senat ist gehindert, den Rechtsstreit abschließend zu entscheiden.
Das Berufungsgericht hat, von seinem Standpunkt aus folgerichtig, letztlich
offengelassen, ob das - vom Beklagten bestrittene - Vorbringen der Klägerin
zum Inhalt seiner Angaben bezüglich P. C. zutrifft. Es hat insbesondere
keine Feststellungen zu der Verteidigung des Beklagten getroffen, er habe
den Ehemann der Klägerin darauf hingewiesen, daß eine 91%ige
Kapitalsicherheit nur bei Bonität der P. C. GmbH bestehe.
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