Leistung
erfüllungshalber: Keine Erfüllung nach § 362 I BGB durch Scheckhingabe;
Bedeutung der Scheckzahlungsabrede bei Einlösung des Schecks durch einen
Dritten nach Übergang der Verlustgefahr (verschuldensunabhängige
Einrede der Scheckhingabe); stillschweigendes Zustandekommen eines
Scheckbegebungsvertrags, Annahme nach § 151 S.1 BGB; verschuldensabhängige
Haftung aus §§ 280 I, 241 II BGB bei Abhandenkommen eines Schecks beim
Empfänger auch ohne Zustandekommen eines Scheckbegebungsvertrages
BGH, Urteil vom 29. März
2007 - III ZR 68/06
Fundstelle:
NJW-RR 2007, 1118
Amtl. Leitsatz:
Geht beim Gläubiger
eines vertraglichen Zahlungsanspruchs ein vom Schuldner erfüllungshalber
übersandter Scheck ein, so ergeben sich für den Gläubiger Obhutspflichten,
in Bezug auf die die am Geschäftssitz des Gläubigers mit dem Posteingang
befassten Mitarbeiter desselben Erfüllungsgehilfen sein können.
Zentrale Probleme:
Die Entscheidung behandelt Grundfragen des Schuldrechts,
nämlich der Erfüllung (§ 362 I BGB) und der Haftung wegen
Nebenpflichtverletzung: Die Hingabe eines Schecks enthält eine Abrede der
Leistung erfüllungshalber (§ 364 II BGB): Die Forderung erlischt nicht, aber
der Gl. stundet die Forderung und muss erst versuchen, sich aus dem Scheck
(Forderung gegen die bezogene Bank) zu befriedigen. Hier geht es darum, was
passiert, wenn der Scheck abhandenkommt und - wie hier - von einem Dritten
(Angestellter des Empfängers) eingelöst wird. War ein Scheckbegebungsvertrag
(also eine Abrede der Leistung erfüllungshalber) Zustandegekommen, hat der
Schuldner gegen die noch nicht erloschene Forderung eine
verschuldensunabhängige Einrede der Scheckhingabe. Damit war hier
zu prüfen, ob ein solcher Vertrag durch Übersendung des Schecks und dessen
Entgegennahme (§ 151 S. 1 BGB) zustandegekommen war. Das bleibt aber offen,
da auch ohne einen solchen Vertrag der Empfänger verschuldensabhängig
nach pVV (heute: §§ 280 I 241 II, 278 BGB) haftete: Aus dem Grundgeschäft
hatte der Empfänger (Gläubiger) danach die Nebenpflicht, einen erhaltenen
Scheck unverzüglich zurückzugeben, wenn er ihn nicht annehmen wollte. Nach §
249 S. 1 BGB ist der Schuldner dann so zu stellen, als habe er erfüllt, was
im Ergebnis zu einem rechtsvernichtenden Einwand des Schuldners gegenüber
dem Zahlungsanspruch des Gläubiger führt.
©sl 2007
Tatbestand:
1 Der Kläger ist Insolvenzverwalter über das Vermögen der G. GmbH (im
Folgenden: Insolvenzschuldnerin). Dieser gegenüber hatte sich der Beklagte
in einem schriftlichen Vergleich vom 20. Oktober 1999 verpflichtet, zum
Ausgleich einer Forderung auf ein Maklerhonorar einen bestimmten - auch
beglichenen - Geldbetrag zu bezahlen und ferner, "die entstandenen
außergerichtlichen Kosten der Beitreibung" in Höhe von 43.082,40 DM zu
erstatten. Der Beklagte übersandte der Insolvenzschuldnerin mit der Post
einen am 21. Oktober 1999 über diesen Betrag ausgestellten
Verrechnungsscheck, in dem in der Rubrik Zahlungsempfänger ("…oder
Überbringer") handschriftlich "Anwalt" eingetragen war. Der Scheck gelangte,
nachdem er bei der Insolvenzschuldnerin eingegangen war, in die Hände des
L., eines Mitarbeiters - nach der Behauptung des Beklagten: des Justitiars -
der Muttergesellschaft der Insolvenzschuldnerin (R. AG [im Folgenden:
Muttergesellschaft]), die unter der gleichen Geschäftsadresse wie die
Insolvenzschuldnerin tätig war. L. reichte den Scheck zur Gutschrift auf
seinem Privatkonto ein, die auch erfolgte.
2 Der Kläger hat geltend gemacht, die (restliche) Forderung gegen den
Beklagten aus dem Vergleich vom 20. Oktober 1999 sei nach wie vor offen. Das
Landgericht hat die auf Zahlung von 22.027,68 € nebst Zinsen gerichtete
Klage abgewiesen, das Oberlandesgericht hat ihr - bis auf einen Teil der
geltend gemachten Zinsen - stattgegeben. Hiergegen richtet sich die vom
Senat zugelassene Revision des Beklagten.
Entscheidungsgründe
3 Die Revision hat Erfolg. Sie führt zur Aufhebung des angefochtenen
Berufungsurteils und zur Wiederherstellung des (insgesamt) klageabweisenden
Urteils der ersten Instanz.
I.
4 Das Berufungsgericht nimmt an, die damals noch der Insolvenzschuldnerin
zustehende Forderung sei weder durch Erfüllung erloschen, noch stehe der
Forderung die dauerhafte Einrede der Scheckhingabe entgegen. Die von dem
Beklagten erstmals in seiner Berufungserwiderung aufgestellte Behauptung, er
und die Insolvenzschuldnerin hätten vereinbart, dass die in Rede stehenden
Kosten per Scheck zu Händen des L. gezahlt werden sollten, könne im zweiten
Rechtszug keine Berücksichtigung mehr finden. Zwar hätte auch noch bei
Hingabe des Schecks ein Scheckbegebungsvertrag zustande kommen können. Da L.
aber nach dem erstinstanzlichen Vorbringen des Beklagten nur
Verhandlungsvollmacht für die Insolvenzschuldnerin, nicht
Abschlussvollmacht, gehabt habe, scheide eine derartige nachträgliche
Vereinbarung hier aus.
II.
5 Die Beurteilung des Berufungsgerichts hält der rechtlichen Nachprüfung
nicht stand. Der vom Kläger geltend gemachte Zahlungsanspruch besteht nicht
mehr.
6 1. Ausgangspunkt ist, dass nach den bisherigen Feststellungen des
Berufungsgerichts der (restliche) Zahlungsanspruch der Insolvenzschuldnerin
gegen den Beklagten aus dem Vergleich vom 20. Oktober 1999 nicht durch
Erfüllung im Sinne des § 362 Abs. 1 BGB erloschen ist. Eine
Forderung, zu deren Bezahlung erfüllungshalber ein Scheck hingegeben wurde,
erlischt erst mit dessen Einlösung zugunsten des Scheckberechtigten.
Abgesehen von der Frage, ob hier schon eine Begebung des Schecks durch den
Beklagten an die Insolvenzschuldnerin erfolgt war (dazu unten 3. b), fehlt
es an einer Einlösung des Schecks zugunsten der Insolvenzschuldnerin. Die
Einlösung zugunsten des Privatkontos des L. bewirkte, wenn man von der
Behauptung des Beklagten, es sei vereinbart gewesen, dass die nach der
Vergleichsvereinbarung noch offenen Kosten per Scheck zu Händen des L.
gezahlt werden sollten, absieht, die Erfüllung nicht.
7 2. a) Nach der Rechtsprechung des Bundesgerichtshofs, auf die sich das
Berufungsgericht im Ansatz zutreffend bezieht (BGH, Urteile vom 16. April
1996 - XI ZR 222/95 - NJW 1996, 1961 und vom 12. Juli 2000 - VIII ZR 99/99 -
NJW 2000, 3344, 3345), gibt eine Scheckzahlungsabrede dem
Scheckaussteller das Recht, die Bezahlung der Kausalforderung bis zur
Rückgabe des unversehrten, insbesondere unbezahlten, erfüllungshalber
hingegebenen Schecks zu verweigern; hieraus ergibt sich ein ständiges
Leistungsverweigerungsrecht des Scheckausstellers für den Fall, dass die
Verlustgefahr des Schecks entsprechend der getroffenen Scheckzahlungsabrede
auf den Schecknehmer übergegangen ist und dieser den Scheck nicht unbezahlt
zurückgeben kann, weil er von der bezogenen Bank inzwischen eingelöst worden
ist.
8 b) Dieser Grundsatz, der für die verschuldensunabhängige Einrede der
Scheckhingabe gilt (vgl. Nobbe in Bankrechts-Handbuch 2. Aufl. Bd. I §
60 Rn. 224 m.w.N.), lässt indessen unberührt, dass dann, wenn der Empfänger
des Schecks das Abhandenkommen desselben zu vertreten hat, dem Aussteller
desselben auch unabhängig von einer Scheckzahlungsabrede ein
Schadensersatzanspruch aus schuldhafter Verletzung einer Sorgfaltspflicht
zustehen kann, den er - wie dies hier auch der Beklagte schon in erster
Instanz getan hat - der Kausalforderung entgegenhalten kann (vgl. BGH,
Urteil vom 16. April 1996 aaO; Nobbe aaO Rn. 225; Häuser, in MünchKommHGB
Bd. 5 ZahlungsV Rn. D 363; Bilda DB 1981, 1383, 1387; vgl. auch - allgemein
für Geldschulden - Krüger, in MünchKommBGB 4. Aufl. § 270 Rn. 15). Das
kann im Ergebnis zu einem rechtsvernichtenden Einwand des Schuldners
gegenüber dem Zahlungsanspruch des Gläubiger führen, weil Letzterer den
Ersteren so zu stellen hat, als sei der zum Schadensersatz verpflichtende
Umstand nicht eingetreten (§ 249 BGB).
9 3. Es kommt im Streitfall im Ergebnis nicht darauf an, ob zwischen der
Insolvenzschuldnerin und dem Beklagten im Zusammenhang mit dem
Vergleichsschluss eine Scheckzahlungsabrede getroffen wurde. Demzufolge
braucht auf die Verfahrensrüge der Revision, das Berufungsgericht hätte den
betreffenden, unter Zeugenbeweis gestellten, Vortrag des Beklagten im
Berufungsverfahren (der Sache nach: gemäß § 531 Abs. 2 Nr. 1 ZPO) zulassen
müssen, nicht eingegangen zu werden.
10 Denn unabhängig davon ergibt sich aus der Übersendung des Schecks
durch den Beklagten sowie dem Eingang und der weiteren Behandlung desselben
bei der Insolvenzschuldnerin, dass der Kläger (die Insolvenzschuldnerin)
sich so behandeln lassen muss, als sei die streitige
Kostenerstattungsforderung beglichen worden.
11 a) Entgegen der Auffassung des Berufungsgerichts dürfte durch diesen
Vorgang ein Scheckbegebungsvertrag zwischen der Insolvenzschulderin und dem
Beklagten zustande gekommen sein.
12 aa) In der Übersendung des Schecks kann zwanglos ein schlüssig
erklärtes Angebot des Beklagten an die Insolvenzschuldnerin als seine
Gläubigerin auf Abschluss eines solchen Vertrages gesehen werden. Dieses
Angebot kann die Insolvenzschuldnerin durch widerspruchslose Entgegennahme
des Schecks angenommen haben (vgl. Nobbe aaO Rn. 225; OLG München NJW-RR
1993, 117; OLG Hamburg WM 1997, 2027, 2028), ohne dass die Annahme dem
Beklagten gegenüber erklärt zu werden brauchte (vgl. § 151 BGB). Das konnte
auch dadurch geschehen sein, dass L., falls es sich bei ihm um einen zur
Öffnung und zur weiteren Disposition über die Posteingänge (auch) der
Insolvenzschuldnerin ermächtigten - wenn auch möglicherweise nur zu der
Muttergesellschaft der Insolvenzschuldnerin mit dem gleichen Geschäftssitz
in einem Angestelltenverhältnis stehenden - Mitarbeiter der
Insolvenzschuldnerin handelte, in Wahrnehmung seiner Zuständigkeit in der
Geschäftsstelle der Insolvenzschuldnerin über den hier in Rede stehenden
Posteingang verfügte.
13 bb) Wie bereits das Landgericht in seinem Urteil festgestellt hat, ohne
dass der Kläger dem in seiner Berufungsbegründung entgegengetreten wäre, war
L. seitens der Insolvenzschuldnerin die Möglichkeit eingeräumt, die an sie
gerichtete Post in Empfang zu nehmen und zu öffnen. Nach der Behauptung des
Beklagten war er sogar zur Entgegennahme des Schecks (und darüber hinaus zur
Scheckeinlösung) befugt. Im Hinblick darauf, dass der Kläger - dessen Sache
es gewesen wäre, nähere Einzelheiten über die Büroorganisation der
Insolvenzschuldnerin, einschließlich möglicher Einflussnahmen der an
derselben Geschäftsadresse agierenden Muttergesellschaft, und insbesondere
über die Funktionen und Kompetenzen des Zeugen L. vorzutragen (vgl. BGH,
Urteil vom 1. Dezember 2005 - IX ZR 95/04 - ZIP 2006, 192, 194) - sich auf
bloßes Bestreiten mit Nichtwissen beschränkt hat, spricht alles dafür,
eine der Insolvenzschuldnerin zuzurechnende "Entgegennahme" des Schecks im
Sinne der konkludenten Annahme des Angebots des Beklagten auf Abschluss
eines Scheckbegebungsvertrages anzunehmen.
14 Auch dies bedarf keiner abschließenden Beurteilung.
15 b) Entscheidend ist, dass die Insolvenzschuldnerin den in Rede stehenden
Vorgang, der infolge der Einlösung des Schecks auf dem Privatkonto des L. zu
einem Schaden des Beklagten in Höhe der Klageforderung führte, als
Pflichtverletzung (positive Vertragsverletzung) aus dem Grundgeschäft des
Beklagten mit der Insolvenzschuldnerin zu vertreten hat (§§ 276, 278, 249
BGB). Die Zahlung mit Scheck war so verkehrsüblich, dass der Gläubiger einen
erhaltenen Scheck unverzüglich zurückgeben musste, wenn er ihn nicht
annehmen wollte (vgl. BGHZ 44, 178, 182; BGH, Urteil vom 27. Januar 1977
- II ZR 5/75 -WM 1977, 1019, 1020; Canaris, Bankvertragsrecht 3. Aufl. Rn.
762). Aus der Verkehrsüblichkeit der Scheckzahlung ergab sich für den
Empfänger auch die Pflicht, einen auf diese Weise zugegangenen Scheck in
Obhut zu nehmen. Hinsichtlich der sich darauf ergebenden Pflichten der
Insolvenzschuldnerin gegenüber dem Beklagten war - je nach der internen
Organisation der Insolvenzschuldnerin - L. ihr Erfüllungsgehilfe (§ 278 BGB).
Die Last näheren Vortrags hierzu lag, wie gesagt, beim Kläger, der allein
die Vorgänge im Geschäft der Insolvenzschuldnerin in Erfahrung bringen
konnte. Gehörte - wie nach allem zugrunde gelegt werden muss - die
Behandlung des Posteingangs einschließlich der Disposition über eingegangene
Schecks zum allgemeinen Umkreis des Aufgabenbereichs des L., so wäre der
Zusammenhang des vorliegenden Geschehens mit der Vertragserfüllung selbst
dann nicht unterbrochen, wenn eine vorsätzliche unerlaubte Handlung vorläge
(vgl. Palandt/Heinrichs BGB 66. Aufl. § 278 Rn. 20 m.w.N.).
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