Anspruch auf Ersatz des
Verzögerungsschadens nach §§ 280 I, II, 286 BGB; Voraussetzungen des Verzugs
(§ 286 BGB): Keine einseitige Bestimmung der Leistungszeit; Anforderungen an
eine mit der Rechnungsstellung verbundene "befristete Mahnung" im Verhältnis
zu Verbrauchern (Abgrenzung zur Einräumung eines Zahlungsziels); zeitliches
Zusammenfallen von fälligkeitsbegründender Handlung und Mahnung;
Voraussetzungen des Verzugs bei Entgeltforderungen nach § 286 III BGB
BGH, Urteil vom 25. Oktober
2007 - III ZR 91/07
Fundstelle:
NJW 2008, 50 mit Anm. Gsell
BGHZ 174, 77
Amtl. Leitsatz:
Die Übersendung einer
Rechnung mit der einseitigen Bestimmung eines Zahlungsziels durch den
Gläubiger vermag ohne die erforderliche Belehrung des Verbrauchers (§ 286
Abs. 3 Satz 1 BGB) einen Verzug des Schuldners nicht zu begründen.
Zentrale Probleme:
Ein zu Recht für BGHZ vorgesehener "Klassiker" zum Recht
des Verzuges. Lehrbuchartig werden hier die Voraussetzungen des Verzugs
dargelegt. Jede Erläuterung wäre nur sinnlose Wiederholung. S. dazu auch die
Anm. von Gsell aaO. Lesen!
©sl 2007
Tatbestand:
1 Die Klägerin betreibt eine Praxis für Physiotherapie. Die
Beklagte nahm in der Zeit vom 23. Juli bis 9. August 2004 als
Privatpatientin Leistungen der Klägerin in Anspruch, für die ihr die
Klägerin unter dem 14. September 2004 insgesamt 543 € berechnete. Die
Rechnung schließt mit dem Hinweis:
"Den Rechnungsbetrag überweisen Sie bitte bis zum 05.10.2004 auf das rechts
unten angegebene Konto."
2 Ein Rechnungsausgleich erfolgte zunächst nicht. Ende September 2004 zog
die Beklagte um und erteilte der Post einen Nachsendeauftrag. Die Klägerin
versandte unter dem 25. Mai und 9. November 2005 erfolglos weitere
Zahlungsaufforderungen an die - fehlerhaft bezeichnete - frühere Adresse der
Beklagten; die Beklagte hat den Zugang der Mahnungen bestritten. Mit
Schreiben vom 3. Februar 2006 bestellte sich der spätere
Prozessbevollmächtigte der Klägerin für diese und verlangte von der
Beklagten bis zum 13. Februar 2006 Zahlung der Hauptsumme sowie Erstattung
von Verzugskosten. Daraufhin zahlte die Beklagte an die Klägerin am 10. März
2006 die Hauptsumme von 543 €.
3 Mit der Klage hat die Klägerin Ausgleich vorgerichtlicher
Rechtsanwaltsgebühren von 70,20 €, ihrer Kosten für eine Anfrage beim
Einwohnermeldeamt von 3,58 € sowie Zinsen in Höhe von 45,42 € für die Zeit
vom 3. November 2004 bis zum 10. März 2006, insgesamt 119,20 €, zuzüglich
Prozesszinsen gefordert. Die Beklagte hat den bezifferten Zinsanspruch in
Höhe von 3,17 € für die Zeit vom 7. Februar bis zum 10. März 2006 anerkannt.
Insoweit ist gegen sie Teilanerkenntnisurteil ergangen. Die weitergehende
Klage haben das Amtsgericht und das Landgericht abgewiesen. Mit der vom
Berufungsgericht zugelassenen Revision verfolgt die Klägerin in diesem
Umfang ihre Klageanträge weiter.
Entscheidungsgründe:
4 Die Revision bleibt ohne Erfolg.
I.
5 Nach Ansicht des Berufungsgerichts befand sich die Beklagte bis zum Zugang
des anwaltlichen Mahnschreibens vom 3. Februar 2006 nicht in Verzug (§ 286
BGB). Mit der ganz herrschenden Meinung und der ständigen gerichtlichen
Praxis genüge für eine Anwendung des § 286 Abs. 2 Nr. 1 BGB - abgesehen von
einem Leistungsbestimmungsrecht des Gläubigers gemäß § 315 BGB - die
einseitige Bestimmung eines Zahlungstermins durch den Gläubiger nicht. Die
Übersendung der Rechnung vom 14. September 2004 mit höflicher Zahlungsbitte
sei auch nicht als befristete Mahnung (§ 286 Abs. 1 Satz 1 BGB)
anzusehen, obwohl die Verbindung der Rechnung mit einer Mahnung
grundsätzlich zulässig gewesen wäre. Zudem hätte die Klägerin gemäß §
286 Abs. 3 Satz 1 BGB den Verzug durch einen entsprechenden Hinweis
begründen können. Hieraus ergebe sich, dass dem Gläubiger einer
Entgeltforderung praktikable Wege zur effektiven Verfolgung seiner Ansprüche
ohne übermäßigen Aufwand zur Verfügung ständen, so dass eine weite Auslegung
des § 286 Abs. 2 Nr. 1 BGB auch unter Berücksichtigung seiner Interessen
nicht erforderlich scheine.
II.
6 Diese Ausführungen halten den Angriffen der Revision stand. Mangels
sonstiger Pflichtverletzungen der Beklagten könnte die Klägerin Ersatz ihrer
Aufwendungen sowie die mit dem Hauptantrag geforderten Zinsen zutreffend nur
als Verzögerungsschaden wegen Verzugs der Beklagten verlangen (§ 280 Abs. 1
und 2, § 288 Abs. 1 BGB i.V.m. § 286 BGB). Für einen Schuldnerverzug
genügt jedoch die Übersendung einer Rechnung mit der einseitigen Bestimmung
eines Zahlungsziels seitens des Gläubigers regelmäßig nicht. Die
Beklagte ist deswegen erst durch Zugang des anwaltlichen Mahnschreibens vom
3. Februar 2006 in Verzug geraten. Die mit der Klage noch geltend gemachten
Schäden sind indessen nicht als Folge dieses Verzugs, sondern bereits vorher
entstanden und daher insgesamt nicht ersatzfähig.
7 1. Leistet der Schuldner auf eine Mahnung des Gläubigers nicht, die nach
dem Eintritt der Fälligkeit erfolgt, so kommt er durch die Mahnung in Verzug
(§ 286 Abs. 1 Satz 1 BGB). Der Mahnung bedarf es gemäß § 286 Abs. 2 Nr. 1
BGB nicht, wenn für die Leistung eine Zeit nach dem Kalender bestimmt ist.
Eine solche Bestimmung muss aber durch Rechtsgeschäft - in der Regel in
dem zugrunde liegenden Vertrag -, durch Gesetz oder in einem Urteil
getroffen worden sein. Die einseitige Festlegung einer Leistungszeit
durch den Gläubiger reicht, sofern dieser nicht nach § 315 BGB zur
Bestimmung der Leistung berechtigt ist (vgl. hierzu BGH,
Versäumnisurteil vom 15. Februar 2005 - X ZR 87/04, NJW 2005, 1772; Urteil
vom 12. Juli 2006 - X ZR 157/05, NJW 2006, 3271 Rn. 7; Beschluss vom 19.
September 2006 - X ZR 49/05, Grundeigentum 2006, 1608, 1609 f.), für die
Anwendung der Vorschrift nicht aus (ganz herrschende Meinung,
beispielsweise RG GruchB 52 [1908], 947, 949; BGH, Urteil vom 12. Juli 2006
aaO; OLG Brandenburg, Urteil vom 25. Juli 2007 - 7 U 192/06, juris Rn. 44;
OLG Düsseldorf OLG-Report 2002, 296, 297; OLG Naumburg, Urteil vom 18. März
1999 - 3 U 33/98, juris Rn. 11, insoweit in BB 1999, 1570 = OLG-Report 1999,
333 nicht abgedruckt; Urteil vom 19. März 1999 - 6 U 61/98, juris Rn. 39,
insoweit in OLG-Report 1999, 368 nicht abgedruckt; LG Bremen, Beschluss vom
14. Juni 2004 - 2 T 298/04, juris Rn. 8; LG Paderborn MDR 1983, 225; Erman/Hager,
BGB, 11. Aufl., § 286 Rn. 39; MünchKomm/ Ernst, BGB, 5. Aufl., § 286 Rn. 55;
Palandt/Heinrichs, BGB, 66. Aufl., § 286 Rn. 22; Soergel/Wiedemann, BGB, 12.
Aufl., § 284 Rn. 35; Staudinger/Bittner, BGB, Neubearbeitung 2004, § 271 Rn.
19; Staudinger/Löwisch, aaO, § 286 Rn. 68; Krause, JURA 2002, 217, 218; a.A.
LG Ansbach NJW-RR 1997, 1479; Fahl, JZ 1995, 341, 343 ff.). Das entspricht
nicht nur nach den Materialien zum Bürgerlichen Gesetzbuch dem Willen des
historischen Gesetzgebers, sondern auch den Vorstellungen des
Reformgesetzgebers beim Erlass des Gesetzes zur Modernisierung des
Schuldrechts vom 26. November 2001 (BGBl. I S. 3138) sowie den Vorgaben des
Europarechts und stimmt überdies mit den Regelungen des § 271 Abs. 1 BGB
über die Fälligkeit der Leistung überein.
8 Nach den Motiven zum BGB war der Satz "dies interpellat pro homine", vom
französischen Recht abgesehen, in Deutschland allgemein anerkannt. Die erste
Kommission lehnte zwar die im gemeinen Recht verbreitete engere Auffassung
des Inhalts, dass der beigefügte "dies" nur für den Fall vertragsgemäßer
Festsetzung des Leistungstermins die Mahnung ersetze, ab und ließ ohne
Rücksicht auf den Entstehungsgrund des Schuldverhältnisses eine Festsetzung
durch Rechtsgeschäft, Gesetz oder Urteil genügen (Mugdan, Die gesamten
Materialien zum BGB für das Deutsche Reich, Bd. 2, 1899, S. 31). Dem lag
indes als selbstverständlich der Gedanke zugrunde, dass es für die "Zufügung
der Zeitbestimmung" in jedem Fall auf den Inhalt des zugrunde liegenden
Schuldverhältnisses ankomme. In Übereinstimmung damit heißt es jetzt in der
Begründung zum Entwurf eines Gesetzes zur Modernisierung des Schuldrechts (BT-Drs.
14/6040 S. 145 f.), wie bisher genüge für § 286 Abs. 2 Nr. 1 BGB in der
Fassung des Entwurfs eine einseitige Bestimmung nicht; in Betracht komme
vielmehr eine Bestimmung durch Gesetz, durch Urteil und vor allem durch
Vertrag. Damit werde Art. 3 Abs. 1 Buchst. a der Zahlungsverzugsrichtlinie
(Richtlinie 2000/35/EG des Europäischen Parlaments und des Rates vom 29.
Juni 2000 zur Bekämpfung von Zahlungsverzug im Geschäftsverkehr, abgedruckt
in NJW 2001, 132) umgesetzt. Nach dieser Bestimmung sind Zinsen ab dem Tag
zu zahlen, der auf den "vertraglich" festgesetzten Zahlungstermin oder das
"vertraglich" festgesetzte Ende der Zahlungsfrist folgt. Angesichts dieser
eindeutigen gesetzgeberischen Vorgaben verbietet sich eine vom Wortlaut her
nicht ausgeschlossene erweiternde Auslegung des § 286 Abs. 2 Nr. 1 BGB -
unter Einschluss einseitiger Fristsetzungen des Gläubigers - von selbst,
zumal dieser, wie das Berufungsgericht mit Recht hervorhebt, angesichts der
ihm durch § 286 Abs. 1 und Abs. 3 BGB eingeräumten Rechte, auf anderem Wege
unschwer Verzug des Schuldners zu begründen, nicht schutzwürdig erscheint.
Nur ergänzend ist darauf hinzuweisen, dass die mit § 286 BGB sachlich
zusammenhängende Bestimmung einer Leistungszeit als Fälligkeitsregelung in §
271 Abs. 1 BGB einhellig als Vertragsbestandteil verstanden wird (vgl. nur
Staudin-ger/Bittner, aaO, § 271 Rn. 4 ff.; MünchKomm/Krüger, aaO, § 271 Rn.
5).
9 2. § 286 Abs. 3 Satz 1 BGB greift im Streitfall zugunsten der Klägerin
nicht ein. Nach dieser Vorschrift kommt der Schuldner einer Entgeltforderung
spätestens dann in Verzug, wenn er nicht innerhalb von 30 Tagen nach
Fälligkeit und Zugang einer Rechnung oder einer gleichwertigen
Zahlungsaufstellung leistet. Dies gilt jedoch gegenüber einem Schuldner, der
Verbraucher ist (§ 13 BGB), nur, wenn er auf diese Folgen in der Rechnung
oder Zahlungsaufstellung besonders hingewiesen worden ist. Daran fehlt es
hier.
10 3. Die Entscheidung hängt demnach davon ab, ob die Klägerin die
Beklagte schon vor dem Anwaltsschreiben vom 3. Februar 2006 im Sinne des §
286 Abs. 1 BGB gemahnt hat. Das ist mit den Vorinstanzen ebenfalls zu
verneinen. Die Angabe einer Zahlungsfrist bis zum 5. Oktober 2004 in der
Rechnung der Klägerin vom 14. September 2004 enthält nach der
rechtsfehlerfreien Auslegung des Berufungsgerichts keine befristete
Mahnung, sondern allein die Einräumung eines Zahlungsziels. Die beiden
späteren Zahlungsaufforderungen vom 25. Mai und 9. November 2005 sind, wie
die Vorinstanzen unangegriffen festgestellt haben, der Beklagten nicht
zugegangen.
11 a) Als verzugsbegründende Mahnung genügt zwar jede eindeutige und
bestimmte Aufforderung, mit der der Gläubiger unzweideutig zum Ausdruck
bringt, dass er die geschuldete Leistung verlangt; auf die Rechtsfolgen
eines Verzugs muss - anders als im Fall des § 286 Abs. 3 Satz 1 BGB - nicht
hingewiesen werden (BGH, Urteil vom 10. März 1998 - X ZR 70/96, NJW
1998, 2132, 2133; Palandt/Heinrichs, aaO, § 286 Rn. 17). Eine Mahnung
kann zudem mit der die Fälligkeit begründenden Handlung verbunden werden
(RGZ 50, 255, 261; BGH, Urteil vom 14. Juli 1970 - VIII ZR 12/69, WM 1970,
1141) und kann deswegen auch in einer Rechnung enthalten sein, selbst
wenn nach den vertraglichen oder gesetzlichen Bestimmungen erst mit deren
Zugang die Forderung fällig wird (BGH, Urteil vom 12. Juli 2006 - X ZR
157/05, NJW 2006, 3271 Rn. 10). Dabei handelt es sich indessen um
Ausnahmefälle. Die erstmalige Zusendung einer Rechnung - selbst mit
Angabe eines Zahlungsziels - wurde schon bisher im Verkehr üblicherweise
nicht als Mahnung verstanden, ungeachtet dessen, dass das Bürgerliche
Gesetzbuch im Gegensatz zum früheren Art. 288 Abs. 2 des Allgemeinen
Deutschen Handelsgesetzbuchs keine entsprechende Vorschrift mehr enthält
(vgl. nur OLG Düsseldorf OLG-Report 2002, 296, 297; OLG Frankfurt, Urteil
vom 17. Februar 2005 - 26 U 56/04, juris Rn. 34, insoweit in NJW-RR 2005,
701 = MedR 2005, 604 nicht abgedruckt; LG Paderborn MDR 1983, 225; Erman/Hager,
aaO, § 286 Rn. 31; MünchKomm/ Ernst, aaO, § 286 Rn. 49; abweichend Soergel/Wiedemann,
aaO, § 284 Rn. 35; Fahl, JZ 1995, 341, 345; Pressmar, JA 1999, 593, 598 f.;
Wilhelm, ZIP 1987, 1497, 1499 f.). Umso mehr gilt dies jetzt vor dem
Hintergrund des § 286 Abs. 3 Satz 1 BGB, der dem Gläubiger Verbrauchern
gegenüber eine zusätzliche Belehrung abverlangt. Es ist daher rechtlich
nicht zu beanstanden, wenn die Vorinstanzen die kalendermäßige Bestimmung
eines Zahlungsziels in der Rechnung der Klägerin ohne Hinweis auf einen
Verzugseintritt oder ähnliche Zusätze nur als Angebot zu einer Stundung oder
einem pactum de non petendo interpretiert haben, das die Beklagte als ihr
günstig gemäß § 151 BGB stillschweigend annehmen konnte (in diesem Sinne
auch Staudinger/Bittner, aaO, § 271 Rn. 19), wobei die rechtliche
Qualifizierung im Einzelnen dahinstehen kann.
12 b) Nach den von der Revision nicht angegriffenen Feststellungen des
Amtsgerichts, die das Berufungsgericht übernommen hat, sind die beiden
folgenden Mahnschreiben der Klägerin vom 25. Mai und 9. November 2005 der
Beklagten nicht zugegangen. Sie muss sich auch nicht so behandeln lassen,
als hätten diese Mahnungen sie erreicht. Es trifft zwar zu, wie das
Amtsgericht ausgeführt hat, dass der Schuldner bei bestehenden vertraglichen
Beziehungen gehalten ist, im Falle eines Umzugs Vorkehrungen für den Zugang
rechtsgeschäftlicher Erklärungen seines Vertragspartners zu treffen (vgl.
dazu RGZ 95, 315, 317 f.; BGH, Urteil vom 13. Juni 1952 - I ZR 158/51, LM
Nr. 1 zu § 130 BGB; OLG Hamburg MDR 1978, 489; OLG Hamm NJW-RR 1986, 699;
MünchKomm/Einsele, aaO, § 130 Rn. 34, 37; Palandt/Heinrichs, aaO, § 130 Rn.
17). Hierfür genügt jedoch jedenfalls bei Verbrauchern ein Nachsendeauftrag
bei der Post. Diesen Auftrag hat die Beklagte erteilt. Etwaige Fehler der
Post oder der Klägerin selbst bei der Beförderung der Briefe, weil die
Klägerin die Hausnummer der alten Anschrift unrichtig angegeben hatte, wären
der Beklagten nicht anzulasten.
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