Voraussetzungen und
Grenzen der Analogie am Beispiel des (Familien-)Namensrechts
BGH, Beschluss vom 10.
August 2005 - XII ZB 112/05
Fundstelle:
noch nicht bekannt
Amtl. Leitsatz:
Das geltende Recht gestattet dem
Vater, der mit der allein sorgeberechtigten Mutter nicht verheiratet war und
nach deren Tod die Sorge für das Kind erlangt, nicht, dem Kind seinen Namen
zu erteilen. Angesichts der bewussten und eindeutigen Willensentscheidung
des Gesetzgebers ist eine Abhilfe durch Analogieschlüsse nicht möglich.
Zentrale Probleme:
Die Entscheidung ist von methodischem Interesse. Es geht
um die Voraussetzungen einer Analogie, insbesondere um das hierfür
erforderliche Vorliegen einer (unbeabsichtigten) Regelungslücke. Dies wird
unter Rückgriff auf den Willen des historischen Gesetzgebers verneint.
©sl 2005
Zum Sachverhalt:
Das am 29. Juni 1999 geborene Kind Tobias-René führt den Familiennamen
seiner Mutter "N. ". Die Mutter, die mit dem Vater - dem Beteiligten zu 1 -
nicht verheiratet und für Tobias-René allein sorgeberechtigt war, verstarb
am 12. Februar 2004. Die elterliche Sorge für das Kind wurde dem Vater
übertragen. Der Vater erteilte dem Kind durch Erklärung gegenüber dem
Standesbeamten seinen Familiennamen "H. " und erklärte als gesetzlicher
Vertreter des Kindes zugleich dessen Einwilligung.
Der Standesbeamte, der die Voraussetzungen einer Namenserteilung nicht für
gegeben ansah, hat die Sache über den Beteiligten zu 3
(Rechtsaufsichtsbehörde über das Standesamt) gemäß § 45 Abs. 2 PStG dem
Amtsgericht zur Entscheidung vorgelegt. Das Amtsgericht hat den
Standesbeamten angewiesen, von der Rechtswirksamkeit der Erteilung des
Familiennamens "H. " auszugehen und diesen Familiennamen als Geburtsnamen
des Kindes im Geburtenbuch zu beurkunden. Die hiergegen gerichtete sofortige
Beschwerde des Beteiligten zu 3 hat das Landgericht zurückgewiesen. Gegen
diese Entscheidung richtet sich die sofortige weitere Beschwerde des
Beteiligten zu 3, die das Oberlandesgericht gemäß § 28 Abs. 2 FGG dem
Bundesgerichtshof zur Entscheidung vorgelegt hat.
Das Oberlandesgericht hält das Rechtsmittel für zulässig und begründet. Die
Voraussetzungen für eine Namenserteilung nach § 1617 a Abs. 2 BGB lägen
nicht vor. Eine analoge Anwendung dieser Vorschrift komme nicht in Betracht,
da es ausweislich der Entstehungsgeschichte dieser Vorschrift an einer
unbewussten Planwidrigkeit der gesetzlichen Regelung fehle. Das
Oberlandesgericht möchte die angefochtenen Beschlüsse daher aufheben, sieht
sich hieran aber durch eine Entscheidung des Bayerischen Obersten
Landesgerichts (StAZ 2004, 229) gehindert, nach der ein Vater, dem nach dem
Tod der mit ihm nicht verheirateten alleinsorgeberechtigten Mutter die
elterliche Sorge übertragen wird, dem Kind analog § 1617 a Abs. 2 BGB seinen
eigenen Namen erteilen kann.
Aus den Gründen:
...
II. 1. Die Vorlage ist zulässig, da dem Vorlagebeschluss - wie erforderlich
-zu entnehmen ist, dass das vorlegende Gericht bei Befolgung der vom
Bayerischen Obersten Landesgericht vertretenen Ansicht, von der es abweichen
will, zu einer anderen Fallentscheidung gelangen würde. Da auch sonst keine
formellen Bedenken bestehen, hat der Senat gemäß § 28 Abs. 3 FGG anstelle
des Oberlandesgerichts über die sofortige weitere Beschwerde der Beteiligten
zu 3 zu entscheiden.
2. Das gemäß § 27 Abs. 1, § 29 Abs. 2 FGG in Verbindung mit §§ 48, 49 Abs. 1
PStG zulässige Rechtsmittel ist begründet.
a) Das Begehren des allein sorgeberechtigten Vaters, seinem Kind seinen
Namen zu erteilen, kann sich nicht - jedenfalls nicht unmittelbar - auf §
1617 a Abs. 2 BGB stützen. Denn nach dieser Vorschrift kann der allein
sorgeberechtigte Elternteil dem Kind nur den Namen des anderen - nicht
sorgeberechtigten - Elternteils, nicht jedoch seinen eigenen Namen erteilen.
b) Die Frage, ob eine analoge Anwendung des § 1617 a Abs. 2 BGB dem allein
sorgeberechtigten Elternteil die Möglichkeit eröffnet, dem Kind - wie hier
vom Vater begehrt - den eigenen Namen zu erteilen, wird unterschiedlich
beantwortet.
Zum Teil wird eine analoge Anwendung der Vorschrift bejaht. Dabei wird auf
die Regelung des früheren Rechts verwiesen, nach welcher der Vater eines
nichtehelichen Kindes mit Einwilligung des Kindes und der Mutter diesem
seinen Familiennamen erteilen konnte (§ 1618 Abs. 1 Satz 1 2. Alt. BGB in
der bis zum Inkrafttreten des KindRG geltenden Fassung). Die Neuregelung des
§ 1617 a Abs. 2 BGB habe lediglich die Befugnis zur Namenserteilung an die
Alleinsorge eines Elternteils (in der Regel: der Mutter) knüpfen und - als
Folge - den nicht sorgeberechtigten Elternteil (in der Regel: den Vater) auf
ein bloßes Einwilligungsrecht verweisen sollen. An der grundsätzlichen
Möglichkeit, dem Kind nicht miteinander verheirateter Eltern - sei es im
Einvernehmen beider Elternteile, sei es nach dem Tod der bis dahin allein
sorgeberechtigten Mutter durch Erklärung des Vaters - den Namen des Vaters
erteilen zu können, habe diese Neuregelung nichts ändern wollen (BayObLG
aaO; MünchKomm/ v.Sachsen Gessaphe BGB 4. Aufl. § 1617 a Rdn. 22; für den
Fall einer von beiden Elternteilen konsentierten Namenserteilung: BayObLG
FamRZ 2000, 145 = StAZ 2000, 340; OLG Celle [18. ZS] StAZ 2002, 11).
Die Gegenmeinung hält eine analoge Anwendung des § 1617 a Abs. 2 BGB für
nicht zulässig (OLG Celle [15. ZS] StAZ 2002, 366; OLG Bremen FamRZ 2003,
1687; Staudinger/Coester BGB 13. Bearb. § 1617 a Rdn. 6, 18, 21;
Bamberger/Roth BGB § 1617 a Rdn. 2; Lipp/Wagenitz, Das neue
Kindschaftsrecht, § 1617 a Rdn. 23). Sie verweist auf die Systematik der
Vorschrift, aber auch auf die Entstehungsgeschichte des neuen Rechts. Der
Rechtsausschuss des Deutschen Bundestages habe sich ausdrücklich gegen die
Möglichkeit ausgesprochen, dem nach dem Tod des bis dahin allein
sorgeberechtigten Elternteils nunmehr seinerseits allein sorgeberechtigt
gewordenen anderen Elternteil eine Einbenennung des Kindes zu ermöglichen.
Diese klare Wertentscheidung lasse sich rechtspolitisch kritisieren, dürfe
aber nicht im Wege richterlicher Rechtsfortbildung unterlaufen werden.
c) Der Senat folgt der zweitgenannten Auffassung. Er verkennt dabei nicht
das Interesse des Kindes an seiner namensmäßigen Integration in die Familie
seines allein sorgeberechtigt gewordenen Elternteils, das vielfach für eine
Namenserteilung durch diesen Elternteil sprechen und - wie der vorliegende
Fall zeigt - gerade im Falle des Todes des bislang allein sorgeberechtigten
Elternteils besondere Bedeutung gewinnen wird (zur rechtspolitischen
Kritik ausführlich Staudinger/Coester aaO). Indes sieht sich der Senat
durch die gesetzliche Regelung gehindert, diesem Kindesinteresse Rechnung zu
tragen. Der Gesetzgeber hat in einer bewussten Wertentscheidung - und zwar
gerade auch für den Fall des Todes des bis dahin allein sorgeberechtigten
Elternteils -dem Interesse des Kindes an einer Kontinuität seiner
Namensführung ausdrücklich den Vorrang vor der Möglichkeit eingeräumt, den
Wechsel in der Sorgerechtszuständigkeit durch eine entsprechende Anpassung
des Kindesnamens nachzuvollziehen. Daran ist der Senat gebunden. Im
einzelnen:
aa) Für eine analoge Anwendung des § 1617 a Abs. 2 BGB fehlt es bereits an
der Vergleichbarkeit der Normsituation mit der hier vorliegenden
Konstellation.
Der Anwendungsbereich des § 1617 a Abs. 2 BGB erklärt sich aus dem
Zusammenhang mit § 1617 a Abs. 1 BGB, der dem Kind kraft Gesetzes den Namen
als Geburtsnamen zuweist, den sein im Zeitpunkt seiner Geburt
allein-sorgeberechtigter Elternteil führt (vgl. BT-Drucks. 13/8511 S. 73).
Diese strikte Namenszuweisung wird durch § 1617 a Abs. 2 BGB aufgelockert,
der es dem allein sorgeberechtigten Elternteil ermöglicht, dem Kind im
Einvernehmen mit dem anderen - nicht sorgeberechtigten - Elternteil dessen
Namen zu erteilen. Das Gesetz vermeidet mit der gesetzlichen Namenszuweisung
nach § 1617 a Abs. 1 BGB eine - in der vorliegenden Fallkonstellation
ohnehin nicht in Betracht kommende - rechtliche Auseinandersetzung der
Eltern über die Namensführung des Kindes; zugleich gibt es mit der
Erteilungsmöglichkeit nach Absatz 2 einer abweichenden einvernehmlichen
Namensentscheidung der Eltern Raum. Konsequenterweise erlaubt deshalb § 1617
a Abs. 2 BGB dem allein sorgeberechtigten Elternteil nur, dem Kind den Namen
des anderen, nicht sorgeberechtigten Elternteils zu erteilen; denn nur
dieser Name ist dem Kind nicht schon nach § 1617 a Abs. 1 BGB als
Geburtsname zugewiesen. Für die Erteilung des eigenen Namens des allein
sorgeberechtigten Elternteils bietet § 1617 a Abs. 2 BGB, wie sich aus
dessen systematischem Zusammenhang mit § 1617 a Abs. 1 BGB ergibt (vgl. dazu
BT-Drucks. 13/8511 aaO), keine Grundlage. Diese Vorschrift kann daher auch
nicht herangezogen werden, wenn - wie im vorliegenden Fall - die Alleinsorge
von dem nach § 1617 a Abs. 1 BGB namensgebenden Elternteil auf den anderen
Elternteil übergegangen ist und dieser Elternteil dem Kind nunmehr seinen
Namen erteilen möchte.
bb) Auch nach § 1617 b BGB ist die Nachzeichnung eines Sorgerechtswechsels
im Kindesnamen, wie der Beteiligte zu 1 sie erstrebt, nicht zulässig. Diese
Vorschrift gestattet es den Eltern, den Geburtsnamen ihres Kindes neu zu
bestimmen, wenn sie eine gemeinsame Sorge für das Kind begründen und das
Kind zu diesem Zeitpunkt bereits einen Geburtsnamen führt. Mit dem Wechsel
von der alleinigen zur gemeinsamen Sorge geht gleichsam die Möglichkeit Hand
in Hand, den Geburtsnamen des Kindes an die neue Sorgerechtssituation
anzupassen. Für den hier vorliegenden Fall des Wechsels von der Alleinsorge
des einen zur Alleinsorge des anderen Elternteils ist eine solche Anpassung
des Kindesnamens indes im Gesetz nicht vorgesehen. Sie lässt sich auch nicht
auf eine analoge Anwendung des § 1617 b Abs. 1 BGB stützen; denn insoweit
fehlt es an einer Gesetzeslücke im Sinne einer planwidrigen
Unvollständigkeit, die im Wege der Analogie geschlossen werden könnte.
Das ergibt sich aus der Entstehungsgeschichte des Gesetzes: Nach §
1618 Abs. 1 Satz 1 2. Alt. BGB (in der bis zum Inkrafttreten des KindRG
geltenden Fassung) konnte der Vater mit Einwilligung der Mutter und des
nichtehelichen Kindes diesem seinen Namen erteilen. Der Regierungsentwurf
des KindRG (BT-Drucks. 13/4899) schlug vor, dieses an die nichteheliche
Vaterschaft anknüpfende Einbenennungsrecht zu beseitigen und die Befugnis,
dem Kind den Namen des mit der Mutter nicht verheirateten Vaters zu
erteilen, an die elterliche Sorge zu binden: Nach § 1618 Abs. 2 BGB-E sollte
der Elternteil, dem die elterliche Sorge für das Kind allein zustand (im
Regelfall also: die Mutter), diesem mit Einwilligung des anderen - nicht
sorgeberechtigten - Elternteils (im Regelfall also: des Vaters) dessen Namen
erteilen können. Im Falle des Wechsels der Alleinsorge vom einen auf den
anderen Elternteil (im Regelfall also von der Mutter auf den Vater) sollte -
abgesehen von den Fällen der Sorgerechtsübertragung bei Getrenntleben - nach
§ 1617 b Abs. 2 BGB dem nunmehr allein sorgeberechtigt gewordenen Elternteil
die Möglichkeit eröffnet werden, durch eine Neubestimmung des Kindesnamens
einen Gleichlauf seines Namens mit dem Kindesnamen herstellen zu können.
Dieses Neubestimmungsrecht sollte namentlich in Fällen praktisch werden, in
denen der ursprünglich "namensgebende" Elternteil verstirbt und dem anderen
Elternteil damit die Alleinsorge zufällt (BT-Drucks. 13/4899 S. 91).
Auf Empfehlung des Rechtsausschusses des Deutschen Bundestags (BT-Drucks.
13/8511) ist in der Gesetz gewordenen Fassung § 1618 Abs. 2 BGB-E als Absatz
2 in § 1617 a BGB eingestellt und § 1617 b Abs. 2 ersatzlos gestrichen
worden. Zur Begründung ist im Bericht des Rechtsausschusses ausgeführt, es
erscheine nicht geboten, Ausnahmen vom Grundsatz der Namenskontinuität in
dem vom RegE in § 1617 b Abs. 2 BGB-E vorgesehenen Umfang zuzulassen. Dies
gelte insbesondere auch für den Fall, dass der bis dahin gemeinsam oder
allein sorgeberechtigte Elternteil, dessen Namen das Kind trage, verstorben
sei, die Alleinsorge dem anderen Elternteil zufalle und dieser nunmehr den
Namen des Kindes neu bestimmen wolle. Die mit der empfohlenen Streichung des
vom RegE vorgeschlagenen § 1617 b Abs. 2 verbundene Stärkung des
Kontinuitätsprinzips decke sich in der rechtspolitischen Zielsetzung mit den
Änderungsvorschlägen des Ausschusses zu § 1618 BGB, die eine lediglich
additive, also den bisherigen Kindesnamen als Namensbestandteil
beibehaltende Einbenennung ermöglichten (BT-Drucks. 13/8511 S. 73).
Damit hat der Gesetzgeber auch und gerade für Fälle der vorliegenden Art der
Kontinuität des Kindesnamens ausdrücklich Vorrang vor einer Anpassung des
Kindesnamens an die geänderte Sorgerechtszuständigkeit eingeräumt. Zwar
verkürzt das Gesetz mit dieser Entscheidung die Rechte des Vaters eines
nichtehelichen Kindes, indem es für Fälle der vorliegenden Art die
Einbenennungsmöglichkeit, die ihm das frühere Recht eröffnete (vgl. § 1618
Abs. 1 Satz 1 2. Alt. BGB in der bis zum Inkrafttreten des KindRG geltenden
Fassung) abschafft. Es handelt sich hierbei jedoch um eine bewusste, Fälle
der hier vorliegenden Art ausdrücklich einbeziehende Wertentscheidung, die -
unbeschadet rechtspolitischer Kritik (vgl. hierzu Staudinger/Coester aaO),
die der Senat teilt - von der Rechtsprechung hinzunehmen ist.
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