Haftung eines (Monopol-)Sportverbandes für die
regelwidrige Nichtnominierung eines Athleten zu den Olympischen Spielen;
Vertretenmüssen und Rechtsirrtum
BGH, Urteil vom 13. Oktober 2015 - II
ZR 23/14 - OLG Frankfurt
Fundstelle:
noch nicht bekannt
für BGHZ vorgesehen
Amtl. Leitsatz:
a) Bei Nominierungsrichtlinien von
Sportverbänden, die außerhalb der Satzung die Kriterien für die Teilnahme an
Wettkämpfen festlegen, handelt es sich um Verbandsrecht, das wie
Satzungsrecht als von den sie erstellenden Personen losgelöstes Regelwerk
aus sich heraus objektiv auszulegen ist.
b) Ein Monopolverband, der als einziger bestimmte Leistungen unter von ihm
selbst aufgestellten Kriterien an Nicht-Verbandsangehörige erbringt, ist
verpflichtet, diese Leistungen jedem zu gewähren, der die Voraussetzungen
für die Leistungsgewährung erfüllt.
Zentrale Probleme:
In dem sehr speziellen Fall geht es um die
Schadensersatzklage eines Athleten gegen den Sportverband, der ihn nicht zu
den Olympischen Spielen zugelassen hat. Die Details der Regelauslegung sind
dabei weniger interessant, sondern die Tatsache, dass der BGH hier eine
Haftung aus §§ 280 I, 311 II, 241 II BGB herleitet. Von allgemeinem
Interesse sind auch die Ausführungen zum Vertretenmüssen nach § 280 I 2 BGB,
speziell die Frage, unter welchen (engen) Voraussetzungen ein Rechtsirrtum
zur Entlastung vom Verschuldensvorwurf führen kann (s. bei Rn.
37).
©sl 2015
Tatbestand:
1 Der Kläger, der seit dem Jahr 1997
(professioneller) Leichtathlet in der Disziplin Dreisprung war, fordert von
dem beklagten Deutschen Olympischen Sportbund (DOSB), einem eingetragenen
Verein, Schadensersatz, weil dieser ihn nicht als Leichtathlet für die
Olympischen Sommerspiele in Peking (15. bis 24. August 2008) nominiert hat.
2 Der beklagte Verein ist für die Endnominierung deutscher Sportler für
Olympische Spiele zuständig. Die Nominierung erfolgt unter Einbeziehung der
jeweiligen Spitzensportverbände, im Falle des Klägers unter Mitwirkung des
Deutschen Leichtathletikverbands (DLV). Der Kläger hatte dazu mit dem DLV
eine Athletenvereinbarung abgeschlossen, nach der der DLV dem Beklagten „den
Athleten, soweit zutreffend, auf der Grundlage der
DOSB-Nominierungsrichtlinien" zur Nominierung für die Olympischen Spiele
vorzuschlagen hatte. In den vom Beklagten im Jahre 2007 verabschiedeten
„Grund s-ätze(n) zur Nominierung der Olympiamannschaft Peking 2008" war als
Voraussetzung für eine Nominierung u.a. eine in zeitlicher Nähe zu den
Olympischen Spielen zu erbringende Leistungsbestätigung nach bestimmten
sportartspezifischen Nominierungskriterien vorgesehen.
3 Die inhaltliche Ausarbeitung der sportartspezifischen
Nominierungskrite-rien oblag dem Geschäftsbereich Leistungssport des
Beklagten, den Spitzenverbänden und den Aktivensprechern der Verbände und
Disziplinen. In den am 6. Dezember 2007 verabschiedeten
„Nominierungsrichtlinien 2008" des DLV, die mit den Nominierungsrichtlinien
des Beklagten vom selben Tage übereinstimmten, wurde dazu bestimmt:
„3.1.2 Die Olympianorm ist dann erfüllt, wenn in den Disziplinen, in denen
die 1. und 2. Norm benannt ist, beide Normen mindestens je einmal in einer
der unter 3.1.1 benannten Veranstaltungen erreicht wurde.
Im Hoch-, Weit- und Dreisprung gilt die Olympianorm auch dann als erfüllt,
wenn nicht die höhere Normanforderung (...), sondern die alternativ benannte
Normanforderung erfüllt wurde. In diesem Fall kann jedoch in den
betreffenden Disziplinen nur ein(e) Athlet(in) nominiert werden. "
4 Nach Nummer 3.1.9 wurde für den Dreisprung der Männer eine 1. und 2. Norm
(auch sog. A- und B-Norm) bestimmt, und zwar wurde für die A-Norm eine Weite
von 17,10 m festgelegt, für die alternativ zu erreichende B-Norm wurde
festgelegt: "oder 2 x 17,00 m".
5 Die „Generalklausel" in Nummer 3.1.7 der Nominierungsrichtlinien
bestimmte, dass die ..Qualification Standards" des internationalen
Leichtathletikverbands (International Association of Athletics Federations -
IAAF), die Präambel dieser Bestimmungen und die allgemeinen
Nominierungsrichtlinien des DLV - soweit sie für die Erarbeitung des
Nominierungsvorschlages für den DOSB relevant seien - verbindliche Grundlage
bei der Beratung des Nominie-rungsvorschlags seien.
6 Der Kläger erzielte innerhalb des regulären Nominierungszeitraums bei
einem Wettkampf am 25. Juni 2008 im Vorkampf eine Weite von 17,00 m und im
anschließenden Endkampf am selben Tage eine Weite von 17,04 m. In
nachfolgenden Wettbewerben erreichte er die Weite von 17,00 m nicht mehr
oder nur bei einem über dem Grenzwert liegenden Rückenwind. Da der DLV der
Auffassung war, dass die Anforderung für die B-Norm von 2 x 17,00 m in zwei
verschiedenen Wettkämpfen erreicht werden müsse, schlug er den Kläger dem
Beklagten nicht zur Nominierung für die Olympischen Spiele in Peking vor.
7 Der Kläger erwirkte daraufhin am 19. Juli 2008 im Wege des einstweiligen
Rechtsschutzes beim Deutschen Sportschiedsgericht einen Schiedsspruch, durch
den der DLV verpflichtet wurde, den Kläger dem Beklagten zur Nominierung
vorzuschlagen. Dem kam der DLV nach, der Beklagte lehnte indes eine
Nominierung des Klägers am 21. Juli 2008 ab. Mit dem Versuch, den Beklagten
im Wege des einstweiligen Rechtsschutzes zur Nominierung zu verpflichten,
scheiterte der Kläger einen Tag vor dem Ende der Nominierungsfrist am 23.
Juli 2008 vor dem Landgericht Frankfurt am Main; seine sofortige Beschwerde
blieb ohne Erfolg (OLG Frankfurt am Main, Urteil vom 30. Juli 2008 - 4 W
58/08, NJW 2008, 2925). Im schiedsgerichtlichen Hauptsacheverfahren wurde am
17. Dezember 2009 durch Endschiedsspruch festgestellt, dass der DLV
verpflichtet gewesen sei, den Kläger gegenüber dem Beklagten zur Nominierung
für die Olympischen Sommerspiele 2008 vorzuschlagen.
8 Im vorliegenden Verfahren hat das Landgericht die auf
Schadensersatz in Höhe von mindestens 133.500 € gerichtete Klage dem Grunde
nach für gerechtfertigt erklärt. Das Berufungsgericht hat
die Klage auf die Berufung des Beklagten abgewiesen. Mit der vom
Senat zugelassenen Revision verfolgt der Kläger sein Schadensersatzbegehren
weiter.
Entscheidungsgründe:
9 Die Revision hat Erfolg. Sie führt unter Aufhebung des angefochtenen
Urteils und Zurückweisung der Berufung des Beklagten zur Wiederherstellung
des erstinstanzlichen Grundurteils und zur (klarstellenden) Zurückverweisung
an das Landgericht zur Verhandlung und Entscheidung über den Betrag des
Anspruchs.
10 I. Das Berufungsgericht hat zur Begründung seiner Entscheidung im
Wesentlichen ausgeführt:
11 Die Voraussetzungen eines Schadensersatzanspruchs nach § 280 Abs.
1 und 3, §§ 281, 311 Abs. 2 BGB i.V.m. § 242 BGB, Art. 3 GG sowie den
Nominierungsrichtlinien des Beklagten für die Olympischen Spiele 2008 lägen
nicht vor. Der Beklagte habe keine Pflicht aus einer durch die
Nominierungsrichtlinien begründeten vertragsähnlichen Sonderverbindung mit
dem Kläger verletzt, indem er ihn nicht zu den Olympischen Spielen 2008
nominiert habe.
12 Eine vorvertragliche Sonderverbindung sei hier daraus herzuleiten, dass
eine Nominierung ein Vertragsverhältnis zwischen dem Sportler und dem
Verband begründe, der Beklagte als Monopolverband indessen zur
Gleichbehandlung nicht nur seiner Mitglieder, sondern auch seiner
potentiellen Vertragspartner verpflichtet sei. Aus dieser Verpflichtung des
Beklagten sei dem Kläger kein Nominierungsanspruch erwachsen, da er die in
den Nominierungsrichtlinien 2008 des Beklagten festgelegten Leistungen nicht
erbracht habe, indem er auf der Veranstaltung am 25. Juni 2007 im Vorkampf
eine Weite von 17,00 m und im Endkampf 17,04 m erreicht habe. Die
Richtlinien stellten die Anforderung, dass die B-Norm in zwei verschiedenen
Wettkampfveranstaltungen zu erfüllen gewesen sei. Dieses Verständnis des
Beklagten habe in den Nominierungsrichtlinien eine Grundlage, sei durch
sachliche Gründe gerechtfertigt und auch nicht unbillig.
13 Dem Kläger sei zu konzedieren, dass eine wörtliche/grammatikalische
Auslegung, welche sich isoliert auf die Regelung in Nummer 3.1.2, 1. Absatz
der Richtlinien stütze, ein Verständnis dahin nahelege, die Olympianorm sei
erfüllt, wenn die 1. und die 2. Norm je einmal in einer der unter 3.1.1
genannten Veranstaltungen erfüllt würden. Der zweite Absatz regele eine
Ausnahme u. a. für den Dreisprung insoweit, als die Olympianorm auch dann
erfüllt sei, wenn nicht die 1. Norm, sondern die alternativ benannte
Normanforderung erfüllt worden sei. Hinsichtlich der Anzahl der
Veranstaltungen, auf denen diese Leistung zu erbringen sei, gelte die
Regelung im ersten Absatz. Eine von dem Kläger für sein Verständnis
reklamierte Formulierungshistorie - die Nominierungsrichtlinien für die
Olympischen Spiele 2000 bestimmten ausdrücklich, als zweimalige
Normerfüllung werde nur anerkannt, wenn diese in zwei Veranstaltungen an
zwei verschiedenen Tagen erfolgte - könne den Umkehrschluss zulassen,
nachdem diese Regelung nicht mehr ausdrücklich in die Richtlinien
aufgenommen worden sei, genüge die zweimalige Erfüllung der B-Norm in einer
Veranstaltung.
14 Die formale Betrachtungsweise des Klägers berücksichtige jedoch nicht das
maßgebliche Verständnis der Adressaten der Nominierungsrichtlinien.
Adressaten seien die Verbandsgremien, denen die Richtlinien Kriterien für
die Auswahl der zu nominierenden Sportler an die Hand geben sollten, des
Weiteren die Athleten, die in Kenntnis der Anforderungen und Modalitäten für
die Teilnahme an internationalen Wettkampfhöhepunkten ihre darauf
hinführenden Trainings- und Wettkampfplanungen entsprechend hätten
organisieren können. Ferner habe den Athleten Verständnis, Sicherheit und
Transparenz der Nominierungen vermittelt werden sollen.
15 Nach der Darstellung des Beklagten habe der fachkundige Adressatenkreis
aus Verbandsgremien und Athleten die Nominierungsanforderungen im Dreisprung
der Herren unter Einbeziehung internationaler Wettkampfregeln so verstanden,
dass die B-Norm auf zwei verschiedenen Wettkampfveranstaltungen zu erfüllen
gewesen sei. Dieses Verständnis beruhe u. a. auf der Generalklausel in
Nummer 3.1.7 der Nominierungsrichtlinien; darin würden u. a. die ...
Qualification Standards" der IAAF in Bezug genommen, eines der größten
Weltfachsportverbände. Diese internationalen Regeln seien nach Nummer 3.1.7
der Richtlinien verbindliche Grundlagen bei der Beratung des
Nominierungsvorschlags, d. h. bei der Beratung und Entscheidung darüber, ob
sich ein Athlet qualifiziert habe. Nach internationalen Regeln werde aber
nur das beste Ergebnis eines Wettbewerbs gewertet. Des Weiteren verweise die
Klausel in Nummer 3.1.2 auf die unter Nummer 3.1.1 genannten
Veranstaltungen, in denen die Qualifikation erreicht werden könne. Hier
seien auch internationale Veranstaltungen genannt, auf denen -
selbstverständlich - internationale Wettkampfregeln gälten. Ferner habe der
Beklagte unwidersprochen vorgetragen, dass sämtliche Wettkämpfe nach
internationalen Regeln ausgetragen würden.
16 Dieses übereinstimmende Verständnis des Beklagten und der Adressaten der
Nominierungsrichtlinien sei unstreitig. Der Kläger habe im ersten Rechtszug
lediglich auf sein individuelles Verständnis der Nominierungsrichtli-nien
abgestellt, welches auf eine wörtliche/grammatikalische Auslegung unter
Berücksichtigung einer sog. Formulierungshistorie gegründet und von ihm
erstmals artikuliert worden sei, nachdem er in dem auf seinen Antrag
verlängerten Nominierungszeitraum die Weite von 17,00 m in einem weiteren
Wettkampf unter regulären Wettkampfbedingungen nicht erreicht habe. Sein
objektiv nach außen hervorgetretenes Verhalten nach Abschluss des
Springwettbewerbs am 25. Juni 2008 und der Deutschen Meisterschaften am
5./6. Juli 2008 lasse hingegen den Schluss zu, dass auch ihm das allgemein
fachkundige Verständnis der Nominierungsrichtlinien bekannt gewesen sei und
dass er dieses Verständnis - zunächst - geteilt habe. Denn er habe die
Verlängerung des Nominierungszeitraums beantragt, um die B-Norm noch auf
einer weiteren Veranstaltung erfüllen zu können.
17 Mit seiner Einlassung im zweiten Rechtszug, nicht jeder Fachkundige im
Sport habe die Richtlinien 2008 so verstehen müssen, dass die B-Norm nur in
zwei Wettkämpfen erfüllt werden könne, mache er nicht plausibel, dass der
fachkundige Adressatenkreis die vielfältigen Bezugnahmen auf internationale
Wettkampfregeln in den Nominierungsrichtlinien nicht so verstanden habe bzw.
nicht so habe verstehen müssen, dass die internationalen Regeln auch für die
Qualifikationsnormen gälten. Habe aber ein übereinstimmendes Verständnis des
Beklagten und der Adressaten dieser Sportregeln bestanden, sei dieses
Verständnis auch dann maßgebend, wenn es in den Regeln keinen oder nur einen
unvollkommenen Ausdruck gefunden habe. Für eine Heranziehung der
Unklarheitenregelung des § 305 c Abs. 2 BGB, deren Wertungsmaßstab über §
242 BGB fruchtbar gemacht werden könnte, sei bei dieser Sachlage kein Raum.
18 Die Anforderung, dass die B-Norm in zwei verschiedenen Veranstaltungen zu
erfüllen gewesen sei, sei durch sachliche Gründe gerechtfertigt und nicht
unbillig gewesen. Hiermit habe dem Erfordernis der „Konstanz der Leistungen"
Rechnung getragen werden sollen, welches in der Präambel zu den
Nominierungsrichtlinien als ein Kriterium für die Nominierungsentscheidung
bezeichnet sei und auch in dem weiteren Kriterium der „Leistungsentwicklung
in der Saison" seinen Niederschlag gefunden habe. Es liege auf der Hand und
bedürfe deshalb keiner vertieften Begründung, dass eine einmalige
„TagesTopform" im Nominierungszeitraum keine Prognose auf eine
Endkampfchance gestatte, hingegen die Abrufbarkeit der Leistung in einem
weiteren Wettkampf eher auf Wiederholbarkeit „beim Saisonhöhepunkt"
schließen lasse.
19 Auch eine Abwägung der widerstreitenden geschützten Grundrechtspositionen
führe nicht zu einer Reduzierung des Ermessens des Beklagten dahin, dass er
zu einer Nominierung des Klägers verpflichtet gewesen sei. Der
Verbandsautonomie des Beklagten aus Art. 9 Abs. 1 GG sei gegenüber den
ideellen Interessen des Klägers und seinen Vermögensinteressen als Ausfluss
seines Persönlichkeitsrechts nach Art. 2 Abs. 1 GG der Vorrang einzuräumen.
Eine besondere Belastung des Klägers über die Nichtteilnahme an den
Olympischen Spielen 2008 hinaus sei nicht zu erkennen. Er mache geltend,
dass er im Falle der Teilnahme an den Olympischen Spielen 2008 eine
beträchtliche Summe an Antritts-, Preis- und Sponsorengeldern etc. hätte
erzielen können. Es sei indessen zwangsläufige Folge der Nichtnominierung,
dass der Kläger eine Teilnahme nicht habe vermarkten können. Dem gegenüber
sei die Aufstellung objektiver Kriterien im Interesse der Gleichbehandlung
aller Aktiven gewichtiger einzuschätzen.
20 II. Die Auffassung des Berufungsgerichts, der Beklagte sei dem Kläger
nicht zum Schadensersatz verpflichtet, weil er seine Nominierungsrichtlinien
nicht falsch angewandt und daher mit der Nichtnominierung des Klägers keine
Pflichten aus einem in Bezug auf die Nominierung für die Olympischen Spiele
mit dem Kläger begründeten Schuldverhältnis verletzt habe, beruht auf einer
rechtsfehlerhaften Auslegung der Nominierungsrichtlinien und kann daher aus
Rechtsgründen keinen Bestand haben.
21 1. Nach den rechtsfehlerfreien Feststellungen des Berufungsgerichts hat
zwischen den Parteien ein durch Rechtsgeschäft begründetes Rechtsverhältnis,
aus welchem dem Kläger Ansprüche wegen seiner Nichtnominierung zustehen
könnten, nicht bestanden. Die den Vorschlag zur Nominierung betreffende
Vereinbarung vom 24. November 2006/4. Januar 2007 hatte der Kläger nicht mit
dem Beklagten, sondern mit dem DLV geschlossen. Der Kläger war auch nicht
selbst Mitglied des Beklagten (oder des DLV). Das Berufungsgericht ist aber
zu Recht davon ausgegangen, dass zwischen dem Kläger und dem Beklagten als
Monopolverband eine vorvertragliche Sonderverbindung begründet worden ist,
aus der dem Kläger ein Anspruch auf Nominierung und bei Nichterfüllung
dieses Anspruchs ein Schadensersatzanspruch erwachsen konnte.
22 Nur der Beklagte ist für die Endnominierung deutscher Sportler für die
Olympischen Spiele zuständig. Durch die Nominierung eines Sportlers für die
Teilnahme an einem sportlichen Wettkampf durch den dafür zuständigen
Sportverband wird zwischen dem nominierten Sportler und dem nominierenden
Verband ein Vertragsverhältnis und demzufolge in der Nominierungsphase ein
vorvertragliches Schuldverhältnis im Sinne von § 311 Abs. 2 BGB begründet.
Ein vorvertragliches Schuldverhältnis kann zwar als solches in der Regel
keine gegenseitigen Erfüllungs-, sondern nur Schutz- und
Rücksichtnahmepflichten (§ 241 Abs. 2 BGB) begründen. Bei einer
Monopolstellung des nominierenden Verbands besteht aber ausnahmsweise ein
Anspruch des Sportlers auf Nominierung, sofern die
Nominierungsvoraussetzungen erfüllt sind (OLG Frankfurt, NJW 2008, 2925;
Mäsch, JuS 2012, 352, 353; Niese in Adolphsen/ Nolte/Lehner/Gerlinger,
Sportrecht in der Praxis, 2012, Rn. 248 ff.; Summerer in Fritzweiler/Pfister/Summerer,
Praxishandbuch Sportrecht, 3. Aufl., II 2 Rn. 184 mwN; Walker, SpuRt 2014,
46, 47 mwN). Ebenso wie ein Monopolverband, der Leistungen und Vorteile
vermittelt, die nur von Verbandsangehörigen in Anspruch genommen werden
können, zur Aufnahme von Bewerbern um die Mitgliedschaft verpflichtet ist,
um diesen die Teilhabe an den vom Monopolverband vermittelten Leistungen zu
ermöglichen (vgl. BGH, Urteil vom 2. Dezember 1974 - II ZR 78/72, BGHZ 63,
282, 284 ff.; Urteil vom 10. Dezember 1984 - II ZR 91/84, BGHZ 93, 151, 152
f.), ist ein Monopolverband, der als einziger bestimmte Leistungen unter von
ihm selbst aufgestellten Kriterien an Nicht-Verbandsangehörige erbringt,
verpflichtet, diese Leistungen jedem zu gewähren, der die Voraussetzungen
für die Leistungsgewährung erfüllt (vgl. Lambertz, Die Nominierung im Sport,
2012, S. 65 f.). Die Teilnahme eines deutschen Athleten an Olympischen
Spielen ist unstreitig nur bei Nominierung durch den Beklagten möglich, der
somit als einziger diese Leistung der Nominierung anbietet. Ob ein Anspruch
auf eine Nominierung durch den Beklagten bei Vorliegen der weiteren
kartellrechtlichen Voraussetzungen auch aus § 20 Abs. 1, § 33 GWB
hergeleitet werden kann (vgl. Summerer in Fritzweiler/ Pfister/ Summerer,
Praxishandbuch Sportrecht, 3. Aufl., II 2 Rn. 185), kann dahingestellt
bleiben, da er ersichtlich nicht weiterginge; ein solcher Anspruch wird vom
Kläger auch nicht geltend gemacht.
23 2. Entgegen der Auffassung des Berufungsgerichts kann der vom Kläger
geltend gemachte Schadensersatzanspruch nicht mit der Begründung verneint
werden, der Beklagte habe seine Pflicht zur Nominierung nicht verletzt, weil
der Kläger die in den Nominierungsrichtlinien des Beklagten festgelegten
Leistungen nicht erbracht habe. Die Auslegung der Nominierungsrichtlinien
des Beklagten durch das Berufungsgericht dahingehend, die B-Norm von 17,00 m
sei in zwei verschiedenen Wettkampfveranstaltungen zu erfüllen gewesen, kann
aus Rechtsgründen keinen Bestand haben.
24 a) Nominierungsrichtlinien von Sportverbänden - wie die als
„Angelegenheiten in Verbindung mit den Olympischen Spielen" in § 15 Abs. 2
Spiegelstrich 1 der Satzung des Beklagten angesprochenen
Nominierungsgrundsätze -legen als „Sportregeln im weiteren Sinne" (Adolphsen/Hoefer/Nolte,
in: Adolphsen/Nolte/Lehner/Gerlinger, Sportrecht in der Praxis, 2012, Rn.
148) die vor jedem Großereignis für jede Einzelsportart neu zu erarbeitenden
und daher sinnvollerweise nicht unmittelbar in die Satzung selbst
aufzunehmenden Kriterien für die Teilnahme an Wettkämpfen fest. Es handelt
sich dabei um Verbandsrecht, das wie sonstige Vereins- oder Nebenordnungen
der Satzung nachgeordnet ist (vgl. dazu Soergel/Hadding, BGB, § 13. Aufl., §
25 Rn. 7; Steinbeck, Vereinsautonomie und Dritteinfluss, 1999, 2. Kapitel §
8 III., S. 111 f.; Hohl, Rechtliche Probleme der Nominierung von
Leistungssportlern, 1992, S. 137 f., 143). Solches außerhalb der Satzung
erlassenes Vereins- und Verbandsrecht ist wie Satzungsrecht auszulegen (BGH,
Urteil vom 6. März 1967 - II ZR 231/64, BGHZ 47, 172, 180 f.; Reichert,
Vereins- und Verbandsrecht, 12. Aufl., Rn. 450; Reschke/Haas, Handbuch des
Sportrechts, Stand Juli 2005, 2. Kapitel Rn. 30). Die Auslegung hat daher -
ungeachtet des Umstands, dass die Nominierungsrichtlinien für die
Olympischen Spiele in Peking 2008 von vornherein nur für einen begrenzten
Zeitraum Geltung beanspruchten - als von den sie erstellenden Personen
„losgelöstes" Regelwerk „aus sich heraus" zu erfolgen (vgl. BGH, Urteil vom
6. März 1967 - II ZR 231/64, BGHZ 47, 172, 179 ff.; Reichert, Vereins- und
Verbandsrecht, Rn. 428 f., 449 f., 470 ff.; Staudinger/Weick, BGB,
Neubearbeitung 2005, § 25 Rn. 16; Schöpflin, in: Bamberger/Roth, BGB, 3.
Aufl., § 25 Rn. 14, 19 ff.; Stöber/Otto, Handbuch zum Vereinsrecht, 10.
Aufl., Rn. 52). Bei dieser objektiven Auslegung spielt der Wortlaut vor
allem in seiner eventuell typischen Bedeutung eine Rolle, während die
Umstände der Aufstellung dieses Verbandsrechts nur eingeschränkt für die
Auslegung zu berücksichtigen sind; eine teleologische Auslegung hat sich an
objektiv bekannten Umständen zu orientieren (BGH, Urteil vom 28. November
1988 - II ZR 96/88, BGHZ 106, 67, 71). Außerhalb des in Rede stehenden
Verbandsrechts liegende Vorgänge etwa aus seiner Entstehungsgeschichte oder
andere Sachzusammenhänge können bei der Auslegung nur dann beachtlich sein,
wenn ihre Kenntnis bei dem den Empfängerhorizont bestimmenden
Adressatenkreis vorausgesetzt werden kann (vgl. BGH, Urteil vom 6. März 1967
- II ZR 231/64, BGHZ 47, 172, 180; Urteil vom 2. Dezember 1974 - II ZR
78/72, BGHZ 63, 282, 290; Urteil vom 5. Oktober 1978 - II ZR 177/76, BGHZ
73, 275, 279; Beschluss vom 11. November 1985 - II ZB 5/85, BGHZ 96, 245,
250). Das Revisionsgericht ist nicht auf die Überprüfung beschränkt, ob die
Auslegung des Tatrichters gegen Denkgesetze oder Erfahrungssätze verstößt
oder wesentliche Tatsachen außer Acht gelassen hat, sondern kann
Verbandsrecht selbstständig auslegen (BGH, Beschluss vom 11. November 1985 -
II ZB 5/85, BGHZ 96, 245, 250).
25 b) Das Berufungsgericht hat als Adressaten der Nominierungsrichtlinien
die Verbandsgremien angesehen, denen die Richtlinien Kriterien für die
Auswahl der zu nominierenden Sportler an die Hand geben sollen, sowie die
Athleten, die in Kenntnis der Anforderungen und Modalitäten für die
Nominierung ihre darauf hinführenden Trainings- und Wettkampfplanungen
entsprechend organisieren können. Ob der für die objektive Auslegung der
Nominierungsricht-linien maßgebliche „Empfängerhorizont" entgegen der
Auffassung des Berufungsgerichts enger zu bestimmen ist, nämlich begrenzt
nur auf den Kreis der Athleten oder, wie die Revision geltend macht, gar nur
auf den Kreis der Athleten der jeweiligen Sportart, hier also der
Dreispringer, kann im vorliegenden Fall dahingestellt bleiben, weil das
Berufungsgericht ein gespaltenes Verständnis der verschiedenen
angesprochenen Kreise nicht festgestellt und die Revision einen
dahingehenden Vortrag des Klägers nicht aufgezeigt hat. Auf das individuelle
Verständnis einzelner Athleten kann es bei der gebotenen objektiven
Auslegung nicht ankommen.
26 c) Die Revision beanstandet aber zu Recht die Auslegung des
Berufungsgerichts als rechtsfehlerhaft.
27 aa) Das Berufungsgericht hat das von ihm zugrunde gelegte Verständnis
maßgeblich aus der Generalklausel in Nummer 3.1.7 der Nominierungsrichtli-nien
hergeleitet, in der u.a. die ..Qualification Standards" der IAAF in Bezug
genommen werden. Diese internationalen Regeln seien nach Nummer 3.1.7 der
Richtlinien verbindliche Grundlage bei der Beratung des
Nominierungsvor-schlags. Nach internationalen Regeln werde, so das
Berufungsgericht weiter, aber nur das beste Ergebnis eines Wettbewerbs
gewertet. Die Regel, dass für das Ergebnis eines Wettkampfs jeder
Wettkämpfer mit seiner besten Leistung zu werten ist, befindet sich jedoch,
wie die Revision mit Recht geltend macht, nach dem übereinstimmenden Vortrag
der Parteien in den „Competition Rules" des internationalen Verbands (Regel
180.21 mit der Überschrift „Ergebnis": „Jeder Wettkämpfer ist mit seiner
besten Leistung, einschließlich der im Stichkampf um den ersten Platz
erzielten, zu werten"). Dass diese Wettkampfregel in die „Qualification
Standards" für die Olympischen Spiele in Peking übernommen oder dort in
Bezug genommen wurde, ist weder festgestellt noch vorgetragen.
28 Eine solche Bezugnahme liegt entgegen der Auffassung des
Berufungsgerichts nicht darin, dass nach Nummer 3.1.2 der
Nominierungsrichtlinien die Olympianorm in dem in Nummer 3.1.1 genannten
Zeitraum und auf den dort genannten Veranstaltungen erfüllt werden musste,
deren Wettkämpfe nach internationalen Regeln ausgetragen wurden. Den
Regelungen der Nummern 3.1.1 und 3.1.2 mag entnommen werden können, dass
eine Leistung für die Erfüllung der Olympianorm nicht genügte, wenn sie nach
den internationalen Regeln überhaupt nicht zu werten war und demgemäß eine
Wertung auch nach dem Sinn und Zweck der Olympianorm ausschied. Die
Nominierungsrichtlinien geben aber keinen Anhaltspunkt für die Annahme des
Berufungsgerichts, die Erfüllung der Norm solle davon abhängen, dass die
betreffende Leistung nach der Regel 180.21 in einem Wettkampf als die beste
Leistung des Wettkämpfers für das Ergebnis des betreffenden Wettkampfs
gewertet worden ist. Die Olympianormen wurden in den Nominierungsrichtlinien
für die einzelnen Disziplinen lediglich mit bestimmten Zeiten oder Weiten
angegeben. In Verbindung mit den allgemeinen Grundsätzen des Beklagten zur
Nominierung der Olympiamannschaft Peking 2008 (Anlage K 2) sind diese
Angaben dahin zu verstehen, dass mit der Erzielung der angegebenen Zeiten
oder Weiten grundsätzlich der Leistungsnachweis einer begründeten
Endkampfchance bei den Olympischen Spielen als erbracht gelten sollte, der
nach den Nummern 2.2 und 2.5 grundsätzliche Voraussetzung für eine Nominierung war. Bei der Regel 180.21 geht es
dagegen nicht wie bei der Erfüllung der Olympianorm um die Erbringung eines
bestimmten Leistungsnachweises, sondern Zweck dieser Regel ist es, die in
einem Wettkampf von den Wettkämpfern erbrachten Leistungen für die
Bestimmung des Ergebnisses dieses Wettkampfes zu werten, also zu regeln, wer
den Wettkampf gewonnen und wer die weiteren Plätze belegt hat. Lediglich für
den Fall, dass in Einzeldisziplinen mehr Athleten die Nominierungsanforderungen
erfüllt haben sollten, als zur Teilnahme an den Olympischen Spielen gemeldet
werden konnten, war in den Nummern 3.1.4 und 2.1.3 geregelt, dass bei dem
Vorschlag zur Nominierung auch die Leistung/Platzierung bei Nominie-rungswettkämpfen im Direktvergleich gegenüber Mitbewerbern
berücksichtigt werden konnte.
29 Gegen die Auslegung des Berufungsgerichts spricht ferner, dass nach
der von den Parteien im Verfahren übereinstimmend vorgelegten Fassung der
internationalen Wettkampfregeln der erste Absatz der Regel 180.20 bei
Gleichständen der von den Wettkämpfern erzielten Leistungen in technischen
Wettbewerben, zu denen neben den vertikalen Sprüngen (Hoch- und
Stabhochsprung) auch die horizontalen Sprünge (Weit- und Dreisprung)
gehören, folgende Regelung enthielt: „Bei Gleichständen in den technischen
Wettbewerben, ausgenommen beim Hoch- und Stabhochsprung, entscheidet die
zweitbeste Leistung der gleichstehenden Wettkämpfer über die bessere
Platzierung. Nötigenfalls die drittbeste Leistung usw". Nach dieser Regel
konnten im Dreisprung somit außer der besten auch alle anderen Leistungen in
einem Wettkampf in die Wertung für das Ergebnis eingehen.
30 bb) Das Berufungsgericht hat ferner den systematischen Zusammenhang der
Regelungen zur A- und B-Norm beim Dreisprung nicht hinreichend bei der
Auslegung der Nominierungsrichtlinien beachtet.
31 (1) Das Berufungsgericht hat zwar eingeräumt, dass eine
wörtlich/grammatikalische Auslegung der Regelungen in Nummer 3.1.2 Absatz 1
und 2 ein Verständnis nahelegt, dass die Olympianorm für den Dreisprung auch
dann erfüllt sein sollte, wenn die B-Norm von zweimal 17,00 m in einer der
unter Nummer 3.1.1 genannten Veranstaltungen erreicht wurde. Es ist dann
unter weitergehender Auslegung nach dem von ihm (rechtsfehlerhaft)
ermittelten Verständnis der Nominierungsrichtlinien nach dem
Empfängerhorizont allerdings zu dem gegenteiligen Ergebnis gelangt und hat
sich anschließend unter dem Gesichtspunkt, ob die Anforderung, dass die
B-Norm in zwei verschiedenen Veranstaltungen zu erfüllen sei, durch
sachliche Gründe gerechtfertigt und nicht unbillig sei, damit befasst, dass
mit diesem Erfordernis der „Konstanz der Leistungen" Rechnung getragen
werden solle und dies sachgerecht und nicht unbillig sei, weil es auf der
Hand liege, dass eine einmalige „Tages-Topform" im Nominierungszeitraum
keine Prognose auf eine Endkampfchance gestatte. Schließlich hat es gemeint,
es sei nicht entscheidungserheblich, ob die einmalige Erfüllung der A-Norm
im Dreisprung von 17,10 m einen Rückschluss auf Konstanz und
Reproduzierbarkeit der Leistung zulasse. Die Festlegung dieser Norm könnte
durchaus unterschiedliche sachliche Gründe haben. Sollte die Erfüllung der
A-Norm im Dreisprung nicht auf Konstanz und Reproduzierbarkeit schließen
lassen, wäre daraus nach Ansicht des Berufungsgerichts nicht der Schluss zu
ziehen, dass die Anforderung, die darunter liegende B-Norm in zwei
verschiedenen Veranstaltungen zu erfüllen, um Leistungskonstanz und damit
eine Endkampfchance zu belegen, nicht sachlich gerechtfertigt sei.
32 (2) Unabhängig davon, ob der Beklagte im Rahmen seiner Verbandsautonomie
in seinen Nominierungsrichtlinien alternative, auf unterschiedlichen
sachlichen Gründen beruhende Anforderungen festlegen durfte, hätte sich das
Berufungsgericht schon bei der Auslegung der Normierungsrichtlinien damit
befassen müssen, ob für den angesprochenen Adressatenkreis nach dem
maßgeblichen Empfängerhorizont erkennbar war, dass der A- und B-Norm beim
Dreisprung (möglicherweise) unterschiedliche sachliche Gründe zugrunde
liegen sollten. Für ein solches Verständnis gibt es jedoch in den
Nominierungs-richtlinien und -grundsätzen des Beklagten keinen Anhaltspunkt.
Maßgeblicher Gesichtspunkt für die Nominierung ist danach die Prognose einer
Endkampfchance, die nach der A-Norm dann gerechtfertigt sein sollte, wenn
einmal, also in einer Veranstaltung, die Weite von 17,10 m erreicht wurde,
und nach der B-Norm, wenn zweimal die Weite von 17,00 m erzielt wurde. Dem
liegt erkennbar die Bewertung zugrunde, dass nicht nur die Weite von 17,10
m, sondern grundsätzlich auch eine Weite von 17,00 m die Prognose einer
Endkampfchance rechtfertigt, die Chance bei der B-Norm wegen der geringeren
Weite naturgemäß jedoch kleiner ist und deshalb die zweimalige Erfüllung
verlangt wird, um eine etwas sicherere Prognose als bei nur einmaliger
Erfüllung zu gewährleisten.
33 Dass eine Wiederholung der Leistung in zwei verschiedenen Veranstaltungen
gefordert wird, lässt sich auch unter dem Gesichtspunkt der Konstanz und der
Reproduzierbarkeit dieser Regelung jedoch nicht entnehmen. Zum einen liegt
es auf der Hand, dass auch die einmalige Leistung von 17,10 m nur dann die
Prognose einer Endkampfchance rechtfertigen kann, wenn grundsätzlich von der
Wiederholbarkeit dieser Leistung bei den Olympischen Spielen ausgegangen
werden kann. Es ist aber schon nicht ersichtlich, dass die einmalige
Leistung von 17,10 m einen sichereren Rückschluss auf Konstanz und
Reproduzierbarkeit zulässt als zwei Sprünge von 17,00 m in einer
Veranstaltung.
- 19 -
Zum anderen gaben die Nominierungsrichtlinien auch für diejenigen
Disziplinen, in denen die A- und B-Norm kumulativ und nicht alternativ wie
beim Dreisprung mindestens je einmal in einer der benannten Veranstaltungen
erreicht werden mussten, nur den Zeitraum an, in dem die Olympianorm zu
erfüllen war, während sonst keine weiteren Vorgaben bestanden; insbesondere
wurde weder ein bestimmter Abstand zwischen den beiden geforderten
Leistungen vorausgesetzt, so dass die Wiederholung in kurz hintereinander
stattfindenden Veranstaltungen zur Normerfüllung genügte, noch wurde danach
unterschieden, ob die Leistungen in einem weiteren oder näheren Abstand zu
den olympischen Wettkämpfen erbracht wurden.
34 cc) Soweit das Berufungsgericht schließlich darauf verweist, der Kläger
habe im ersten Rechtszug lediglich auf sein individuelles Verständnis der
No-minierungsrichtlinien abgestellt, sein objektiv nach außen
hervorgetretenes Verhalten lasse hingegen den Schluss zu, dass er das vom
Beklagten vertretene Verständnis zunächst geteilt habe, kommt es darauf für
die Auslegung zum einen nicht an, weil diese, wie oben dargelegt, objektiv
vorzunehmen ist. Zum anderen rügt die Revision insoweit mit Recht, dass die
Ausführungen des Klägers zur Auslegung der Nominierungsrichtlinien nicht als
Wiedergabe lediglich seiner individuellen, von dem allgemein fachkundigen
Verständnis abweichenden Auffassung angesehen werden können, wie
insbesondere die wiederholte Bezugnahme auf die seine Auffassung stützenden
Entscheidungen des Deutschen Sportschiedsgerichts zeigt, die sich auch mit
dem Verständnis im internationalen Sportgeschehen und dem allgemein in der
Leichtathletik üblichen Sprachgebrauch befassen. Das Berufungsgericht durfte
schon deshalb nicht ohne weiteres von der Darstellung des Beklagten
ausgehen.
35 Aus diesem Grunde geht es auch fehl, wenn das Berufungsgericht die
Einlassung des Klägers im zweiten Rechtszug, nicht jeder Fachkundige im
Sport habe die Nominierungsrichtlinien 2008 so verstehen müssen, dass die
B-Norm nur in zwei Wettkämpfen erfüllt werden könne, als unbeachtlich
angesehen hat, weil er damit nicht plausibel gemacht habe, dass der
fachkundige Adressatenkreis die vielfältigen Bezugnahmen auf internationale
Wettkampfregeln in den Nominierungsrichtlinien nicht so verstanden habe bzw.
nicht so habe verstehen müssen, dass die internationalen Regeln auch für die
Qualifikationsnormen gälten. Die Auffassung des Berufungsgerichts, ein
übereinstimmendes Verständnis des Beklagten und der Adressaten dieser
Sportregeln sei auch dann maßgebend, wenn es in den Regeln keinen oder nur
einen unvollkommenen Ausdruck gefunden habe, ist jedenfalls dann mit der
Rechtsprechung des Senats zur Auslegung von Verbandsrecht nicht vereinbar,
wenn damit gemeint sein soll, dass die grundsätzlich gebotene objektive
Auslegung nach dem Empfängerhorizont unbeachtlich sei, wenn und soweit ein
davon abweichendes Verständnis des Beklagten und der Adressaten der
Sportregeln bestanden habe. Falls das Berufungsgericht damit dagegen
lediglich hat zum Ausdruck bringen wollen, dass ein übereinstimmendes
Verständnis auch ohne hinreichenden Anhaltspunkt in der Sportregel dann
maßgeblich sei, wenn es auf einer ständigen Übung oder auf der bei den
Adressaten der Regel vorauszusetzenden Kenntnis bestimmter Sachzusammenhänge
beruhe, kann dahinstehen, ob dem aus Rechtsgründen zu folgen wäre (vgl. dazu
BGH, Urteil vom 2. Dezember 1974 - II ZR 78/72, BGHZ 63, 282, 290; Urteil
vom 28. November 1988 - II ZR 96/88, 106, 67, 73 f., Erman/Westermann, BGB,
14. Aufl., § 25 Rn. 12; Reichert, Vereins- und Verbandsrecht, 12. Aufl., Rn.
450; Grunewald, ZGR 1995, 68, 80 ff.), weil das Kriterium der zweimaligen
Erfüllung der Olympianorm nach den Feststellungen des Berufungsgerichts in
den vorangegangen Zeiträumen nicht durchgängig vorgesehen war und eine
entsprechende Verbandsübung nicht bestanden hat. Soweit das Berufungsgericht
in diesem Zusammenhang mit der Wendung, der Kläger habe nicht dargelegt,
dass die Nominie rungsrichtlinien nicht in dem vom Berufungsgericht
angenommenen Sinne hätten verstanden werden müssen, auf ein jedenfalls
vertretbares subjektives Verständnis des Beklagten hat abstellen wollen,
könnte ein solches von der objektiv vorzunehmenden Auslegung abweichendes
Verständnis allenfalls bei der Frage des Vertretenmüssens Bedeutung
erlangen.
36 III. Das Berufungsurteil ist demnach aufzuheben (§ 562 Abs. 1 ZPO). Der
Senat kann gemäß § 563 Abs. 3 ZPO selbst entscheiden, da die Sache
hinsichtlich des vom Landgericht vorab entschiedenen Grundes des Anspruchs
(§ 304 ZPO) zur Endentscheidung reif ist. Das Landgericht hat, wie sich aus
den vorstehenden Ausführungen ergibt, rechtsfehlerfrei angenommen, dass der
Beklagte seine dem Kläger gegenüber bestehende Pflicht zur Nominierung
verletzt hat und ihm deshalb dem Grunde nach zum Schadensersatz verpflichtet
ist. Soweit der Beklagte mit seiner Berufung die Feststellungen des
Landgerichts zur Kausalität und zum Verschulden beanstandet hat, vermag sein
Vorbringen seinem auf Klageabweisung gerichteten Begehren schon aus
Rechtsgründen nicht zum Erfolg zu verhelfen.
37 Nach § 280 Abs. 1 Satz 2 BGB obliegt es dem Schuldner, also hier
dem Beklagten, darzutun und gegebenenfalls zu beweisen, dass er seine
Pflichtverletzung nicht zu vertreten hat. Die Voraussetzungen eines
unverschuldeten Rechtsirrtums hat der Beklagte nicht dargelegt. Nach
ständiger Rechtsprechung des Bundesgerichtshofs fordert der Geltungsanspruch
des Rechts, dass der Verpflichtete grundsätzlich das Risiko eines Irrtums
über die Rechtslage selbst trägt. Ein unverschuldeter Rechtsirrtum liegt
daher regelmäßig nur dann vor, wenn er die Rechtslage unter Einbeziehung der
höchstrichterlichen Rechtsprechung sorgfältig geprüft hat und bei Anwendung
der im Verkehr erforderlichen Sorgfalt auch mit einer anderen Beurteilung
durch die Gerichte nicht zu rechnen brauchte. Ein solcher Ausnahmefall ist
etwa dann anzunehmen, wenn der Schuldner eine gefestigte höchstrichterliche
Rechtsprechung für seine Auffassung in Anspruch nehmen konnte und eine
spätere Änderung derselben nicht zu befürchten brauchte (st. Rspr.;
vgl. BGH, Urteil vom 30. April 2014 - VIII ZR 103/13, BGHZ 201, 91 Rn. 23
ff.; Urteil
vom 11. Juni 2014 - VIII ZR 349/13, NJW 2014, 2727 Rn. 34
ff. mwN).
38 Musste er dagegen mit der Möglichkeit rechnen, dass das
zuständige Gericht einen anderen Rechtsstandpunkt einnehmen würde als er,
ist ihm regelmäßig ein Verschulden anzulasten. Der Schuldner darf das Risiko
einer zweifelhaften Rechtslage nicht dem Gläubiger zuschieben. Entscheidet
er sich bei einer unsicheren Rechtslage dafür, die von ihm geforderte
Leistung nicht zu erbringen, geht er - von besonderen Sachlagen abgesehen -
das Risiko, dass sich seine Einschätzung später als falsch erweist,
zumindest fahrlässig ein und hat deshalb seine Nichtleistung zu vertreten,
wenn er - wie in einem späteren Rechtsstreit festgestellt wird - zur
Leistung verpflichtet war (BGH,
Urteil vom 11. Juni
2014 - VIII ZR 349/13, NJW 2014, 2727 Rn. 36 ff.).
39 Danach hat das Landgericht einen unverschuldeten Rechtsirrtum des
Beklagten rechtsfehlerfrei mit der Begründung verneint, dass dem Beklagten,
der die Nominierung des Klägers nach den insoweit nicht angegriffenen
Feststellungen des Landgerichts in seiner Nominierungssitzung vom 21. Juli
2008 abgelehnt hatte, zu diesem Zeitpunkt der den Rechtsstandpunkt des
Klägers bestätigende Beschluss des Sportschiedsgerichts vom 19. Juli 2008
vorgelegen habe und der Beklagte daher nicht darauf vertrauen durfte, mit
einer von seiner Rechtsauffassung abweichenden Beurteilung durch die
(ordentlichen) Gerichte nicht rechnen zu müssen. Dass der nach der
Entscheidung des Beklagten vom 21. Juli 2008, den Kläger nicht zu
nominieren, gestellte Antrag des Klägers, den Beklagten im Wege des Erlasses
einer einstweiligen Verfügung zur Nominierung zu verpflichten, vom
Landgericht Frankfurt noch vor Ablauf der Nominierungsfrist am 23. Juli 2008
abgelehnt wurde, führt entgegen der Auffassung des Beklagten nicht zur
Unterbrechung des Kausalzusammenhangs zwischen der in der Nichtnominierung
liegenden Pflichtverletzung des Beklagten und dem vom Kläger geltend
gemachten Schaden.
40 Die Berufung des Beklagten gegen das Grundurteil des Landgerichts ist
folglich als unbegründet zurückzuweisen. Zur Klarstellung wird die Sache
hinsichtlich des in erster Instanz anhängig gebliebenen Streits über den
Betrag des Anspruchs zur weiteren Verhandlung und Entscheidung an das
Landgericht zurückverwiesen (vgl. BGH, Urteil vom 3. März 1958 - III ZR
157/56, BGHZ 27, 15, 27; Stein/Jonas/Althammer, ZPO, 22. Aufl., § 538 Rn. 37
mwN). Die Kosten beider Rechtsmittelzüge sind dem Beklagten aufzuerlegen
(vgl. BGH, Urteil vom 27. April 1970 - III ZR 49/69, BGHZ 54, 21, 29;
MünchKommZPO/Schulz, 4. Aufl., § 97 Rn. 6).
|