Haftung für fehlerhafte
ad-hoc-Mitteilungen: Prospekthaftung, Begriff des Schutzgesetzes, Voraussetzungen
und Rechtsfolgen einer Haftung aus § 826 BGB
BGH, Urteil vom 19. Juli
2004 - II ZR 402/02
Fundstelle:
noch nicht bekannt
unter III. und IV für BGHZ
vorgesehen
Zentrale Probleme:
Es geht um die Haftung für
unrichtige sog. „ad-hoc-Mitteilungen“, die jetzt in §§ 15, 37b, 37c WpHG n.F. geregelt
ist. Die Pflicht zu sog. „ad-hoc-Mitteilungen“ betrifft „neue Tatsachen“, die im
Tätigkeitsbereich eines börsennotierten Unternehmens „eingetreten und nicht
öffentlich bekannt ist, wenn sie wegen der Auswirkungen auf die Vermögens- oder
Finanzlage oder auf den allgemeinen Geschäftsverlauf des Emittenten geeignet
ist, den Börsenpreis der zugelassenen Wertpapiere erheblich zu beeinflussen,
oder im Fall zugelassener Schuldverschreibungen die Fähigkeit des Emittenten,
seinen Verpflichtungen nachzukommen, beeinträchtigen kann“. Neben diesen
speziellen kapitalmarktrechtlichen Haftungsinstrumenten ist von allgemeinem Interesse
in Bezug auf das bürgerliche Recht die Frage der Haftung aus § 826 BGB, mit
welcher sich der BGH hier unter III. und IV. intensiv auseinandersetzt. Insoweit
und in Bezug auf die Ausführungen zu den Voraussetzungen der Schutzgesetzeigenschaft
nach § 823 II BGB ist die Entscheidung über den speziellen Bereich des
Kapitalmarktrechts von Interesse.
Amtl. Leitsatz:
Zur persönlichen Haftung
der Vorstandsmitglieder einer Aktiengesellschaft nach § 826 BGB für fehlerhafte
Ad-hoc-Mitteilungen.
Tatbestand:
Der Kläger, ein
Rechtsanwalt, macht gegen die Beklagten Schadensersatzansprüche aus
abgetretenem Recht mit der Begründung geltend, der Zedent sei durch
unzutreffende Angaben in einer Ad-hoc-Mitteilung der I. AG (frühere Beklagte zu
1, im folgenden: I. AG) dazu veranlaßt worden, - mittlerweile wertlos gewordene
- Aktien dieser Gesellschaft zu erwerben. Der Beklagte zu 2 war
Vorstandsvorsitzender, der Beklagte zu 3 stellvertretender Vorstandsvorsitzender
der I. AG. Der Kläger hat die gegen die Gesellschaft gerichtete Klage nach
Erlaß des Landgerichtsurteils zurückgenommen, nachdem am 1. Juli 2001 das
Insolvenzverfahren über ihr Vermögen eröffnet worden war.
Die Aktien der I. AG wurden
im Juli 1998 zum geregelten Markt mit Handel im Neuen Markt bei einem Emissionskurs
von 27,10 € zugelassen und erreichten nach starkem Kursanstieg bereits im
Februar 1999 ihren Höchststand von 318,00 €. Nach zwischenzeitlicher Halbierung
dieses Wertes und schwankendem Kurs erfolgte im August 1999 ein Aktiensplit im
Verhältnis 1 : 5. Nach weiterhin uneinheitlichem Verlauf stieg der Kurs im Zusammenhang
mit der Cebit im Februar 2000 nochmals kurzfristig bis auf 51,00 € an, um dann nach
und nach wieder abzufallen; derzeit bewegt er sich bei wenigen Cent pro Aktie.
Die I. AG veröffentlichte
eine Vielzahl von Ad-hoc-Mitteilungen, u.a. am 20. Mai und am 13. September
1999. Am 20. Mai 1999 gab sie bekannt, der Mobilfunkanbieter M. habe bei ihr
"per Rahmenabkommen Surfstations und die zugehörigen JNT-Lizenzen
geordert"; das Auftragsvolumen betrage mindestens ca. 55 Mio. DM, wobei
die Abwicklung in mehreren Chargen erfolge. Diese Ad-hoc-Mitteilung, die vom
Beklagten zu 3 veranlaßt und vom Beklagten zu 2 gebilligt worden war, gab den
mit der M. abgeschlossenen Vertrag nicht richtig wieder: Tatsächlich enthielt
er nur eine verbindliche Bestellung über 14.000 Surfstationen mit einem
Gesamtvolumen von ca. 9,8 Mio. DM; ergänzend war von M. lediglich für den Fall
einer erfolgreichen Testphase die Erhöhung des Auftrags von 14.000 auf 100.000
Stationen in Aussicht gestellt worden. Erst mit dieser Folgebestellung - die
allerdings nicht erfolgte - wäre das in der Ad-hoc-Meldung vom 20. Mai 1999
mitgeteilte Auftragsvolumen von 55 Mio. DM erreicht worden. Auf der Hauptversammlung
der I. AG vom 24. Juni 1999 wurde der Inhalt der Meldung - freilich ohne
Kenntnis des Klägers - auf entsprechende Nachfrage einer Aktionärin von den
Beklagten zwar richtig gestellt, jedoch wurde die falsche Mitteilung vom 20.
Mai 1999 später in der Ad-hoc-Mitteilung vom 30. August 1999 wieder bestätigt.
Erst durch Ad-hoc-Mitteilung vom 22. August 2000 wurde die ursprüngliche
Meldung - zum Teil - widerrufen.
In einer weiteren
Ad-hoc-Mitteilung vom 13. September 1999 gab die I. AG bekannt, daß die G. bei
ihr per Rahmenabkommen JNT-Lizenzen und Surfstationen im Wert von rund 55 Mio.
DM geordert habe. Auch diese Mitteilung war unzutreffend, da es sich insoweit
nicht um einen neuen Auftrag, sondern lediglich um eine gemeinsame
Vertriebsvereinbarung handelte. Dies wurde von der I. AG erst mit
Ad-hoc-Mitteilung vom 29. August 2000 berichtigt.
Der Kurs der Aktie stieg
unmittelbar nach der Ad-hoc-Mitteilung vom 20. Mai 1999 um ca. 20 % auf 40,80
€. Nachdem sich der Kurs - nach weiteren uneinheitlichen Ausschlägen - wieder
beruhigt hatte, erwarb der Zedent am 28. Juli 1999 - unter Inanspruchnahme von
Kontokorrentkredit - 230 Stückaktien der I. AG zum Kurs von 40,00 €
(Gesamtaufwand incl. Nebenkosten: 90.945,70 DM).
Das Landgericht hat nach
Beweisaufnahme durch Teilurteil der Klage auf Zahlung von 90.945,70 DM nebst
Zinsen Zug-um-Zug gegen Abtretung von 1.150 Aktien der I. AG stattgegeben. Auf
die Berufung der Beklagten hat das Oberlandesgericht (ZIP 2002, 1889) nach
erneuter Beweisaufnahme die Klage abgewiesen. Mit der - vom Berufungsgericht
zugelassenen – Revision verfolgt der Kläger sein Klagebegehren weiter.
Entscheidungsgründe:
Die Revision des Klägers
ist begründet und führt zur Aufhebung des Berufungsurteils und
Wiederherstellung der landgerichtlichen Entscheidung (§§ 562, 563 Abs. 3 ZPO
n.F.).
Das Berufungsgericht hat
zwar zu Recht Schadensersatzansprüche des Klägers sowohl aus (allgemeiner) Prospekthaftung
(dazu unter I.) als auch aus § 823 Abs. 2 BGB i.V.m. der Verletzung eines
Schutzgesetzes (dazu unter II.) verneint. Dennoch ist die Klage begründet, weil
der Kläger - wie bereits das Landgericht zutreffend erkannt hat - gegen die
Beklagten einen Ersatzanspruch aus § 826 BGB hat (dazu unter III.).
I. Schadensersatz aus
Prospekthaftung
Das Berufungsgericht hat
Prospekthaftungsansprüche mit der Begründung verneint, die Ad-hoc-Mitteilungen
vom 20. Mai 1999 und vom 13. September 1999 seien nicht als
"Prospekte" i.S. der allgemeinen Prospekthaftung anzusehen, weil sie
keine vollständige Unternehmensdarstellung – wie ein Emissions- oder sonstiger
(Wertpapier-)Verkaufsprospekt - enthielten. Das ist aus Rechtsgründen nicht zu
beanstanden.
1. Allerdings ist schon im
Ansatz zweifelhaft, ob die von der Rechtsprechung entwickelten Prospekthaftungsgrundsätze,
die an ein typisiertes Vertrauen des Anlegers auf die Richtigkeit und
Vollständigkeit der von den Prospektverantwortlichen gemachten Angaben
anknüpfen (vgl. BGHZ 71, 284 u. st.Rspr.), hier überhaupt auf die Haftung der
Beklagten für die von ihnen veranlaßten fehlerhaften Ad-hoc-Mitteilungen (§ 15
WpHG a.F.) der I. AG - eines Unternehmens des Neuen Marktes, der ein Segment
des geregelten Marktes ist (vgl. dazu Potthoff/Stuhlfauth, WM 1997,
Sonderbeilage Nr. 3, S. 6 ff.) - Anwendung finden könnten. Der Senat hat bislang
- anders als die Revision meint - lediglich entschieden (BGHZ 123, 106), daß
die Prospekthaftungsgrundsätze auch für Prospekte gelten, mit denen für den Erwerb
von Aktien außerhalb der geregelten Aktienmärkte geworben wird (vgl. aber für
den Bereich der nicht zum Handel an einer inländischen Börse zugelassenen Wertpapiererstemissionen
nunmehr die spezialgesetzliche Haftungsregelung nach § 13 VerkaufsprospektG (v.
13. Dezember 1990, BGBl. I, 2749) i.V.m. §§ 45 bis 48 BörsG).
2. Letztlich kann dies aber
offen bleiben, weil die Ad-hoc-Mitteilungen der I. AG vom 20. Mai 1999 und vom
13. September 1999 jedenfalls nicht die an einen "Prospekt" im Sinne
der Prospekthaftungsgrundsätze zu stellenden Anforderungen erfüllen.
a) Ein Prospekt stellt in
der Regel die für den Anlageinteressenten wichtigste und häufigste
Informationsquelle dar und bildet im allgemeinen die Grundlage seiner
Anlageentscheidung. Nach der Rechtsprechung des Bundesgerichthofes darf ein
Anleger erwarten, daß er ein zutreffendes Bild über das Beteiligungsobjekt
erhält, d.h. daß der Prospekt ihn über alle Umstände, die für seine
Entschließung von wesentlicher Bedeutung sind oder sein können, sachlich richtig
und vollständig unterrichtet (vgl. BGHZ 123, 106, 109 f.; Sen.Urt. v. 29. Mai
2000 - II ZR 280/98, NJW 2000, 3346 - jew. m.w.N.). Diese Anforderungen kann
eine Ad-hoc-Mitteilung i.S. des § 15 Abs. 1 WpHG a.F. in der Regel nicht
erfüllen. Sie ist anlaßbezogen auf neue, bislang nicht veröffentlichte gewichtige
Einzeltatsachen, die lediglich die bereits bekannten Informationen für den
Sekundärmarkt ergänzen. Dabei erhebt die Bekanntgabeeiner solchen
kapitalmarktbezogenen Einzelinformation - anders als die den Primärmarkt
betreffende Publizität eines (Emissions-)Prospekts – erkennbar nicht den
Anspruch, eine das Publikum des Sekundärmarktes umfassend informierende
Beschreibung zu sein.
b) So lag es jedenfalls
hier bezüglich der beiden Ad-hoc-Mitteilungen der I. AG vom 20. Mai 1999 und
13. September 1999. Sie betrafen jeweils einzelne Geschäftsabschlüsse, die ein
vollständiges Bild über sämtliche für den Aktienkauf wesentlichen Umstände der
Gesellschaft und die etwa damit verbundenen Risiken ersichtlich nicht
vermittelten; ebensowenig ließen die vermittelten Einzeltatsachen verläßliche
Rückschlüsse über die Entwicklung der Aktie zu.
II. Schadensersatz aus
Verletzung von Schutzgesetzen Zu Recht hat das Berufungsgericht Ansprüche des
Klägers aus § 823 Abs. 2 BGB in Verbindung mit der Verletzung etwaiger
Schutzgesetze verneint.
1. Ein Anspruch gemäß § 823
Abs. 2 BGB i.V.m. § 15 WpHG a.F. besteht nicht.§ 15 WpHG a.F. ist kein
Schutzgesetz i.S. von § 823 Abs. 2 BGB. Normzweck des § 15 WpHG a.F. ist nach
den Gesetzesmaterialien nicht der Schutz der Individualinteressen der Anleger,
sondern ausschließlich die im öffentlichen Interesse liegende Sicherung der
Funktionsfähigkeit des Kapitalmarktes (vgl. insbesondere: BT-Drucks. 12/7918,
S. 96, 102). Dementsprechend stellt § 15 Abs. 6 Satz 1 WpHG a.F. ausdrücklich
klar, daß Verstöße gegen § 15 Abs. 1 bis 3 WpHG a.F. keine
Schadensersatzpflicht des Emittenten auslösen. Das schließt eine
Schutzgesetzeigenschaft des § 15 WpHG a.F. aus (h.M., vgl. BVerfG, Urt. v. 24.
September 2002 - 2 BvR 742/02, ZIP 2002, 1986, 1988; Kümpel in
Assmann/Schneider, WpHG 2. Aufl. § 15 Rdn. 188; Rützel, AG 2003, 69, 72;
Thümmel, BB 2001, 2331, 2332; Groß, WM 2002, 477, 482; Horn, Festschrift Ulmer
2003, S. 817, 819; zur Gegenansicht: Möllers/Rotter, Ad-hoc-Publizität 2003, §
16 Rdn. 55).
2. Auch § 88 BörsG a.F ist
- entgegen der Ansicht der Revision – kein Schutzgesetz i.S. des § 823 Abs. 2
BGB. Der Senat hat bislang die Frage, ob § 88 Abs. 1 Nr. 1 BörsG a.F. Schutzgesetz
i.S. von § 823 Abs. 2 BGB ist, offengelassen (vgl. Urt. v. 11. November 1985 -
II ZR 109/84, NJW 1986, 837, 840). Er verneint sie nunmehr in Übereinstimmung
mit der Rechtsprechung des Bundesverfassungsgerichts und der herrschenden
Meinung (vgl. BVerfG ZIP 2002, 1986, 1988 mit umfangreichen Nachw. z.
Meinungsstand). Nach den Gesetzesmaterialien (BT-Drucks. 10/318, S.44) ist über
§ 88 BörsG a.F. ein Schutz des einzelnen Anlegers nicht gewollt. Schutzgesetz
ist eine Rechtsnorm nur dann, wenn sie - sei es auch neben dem Schutz der Allgemeinheit
- gerade dazu dienen soll, den einzelnen oder einzelne Personenkreise gegen die
Verletzung eines Rechtsguts zu schützen. Dabei kommt es nicht auf die Wirkung,
sondern auf Inhalt und Zweck des Gesetzes sowie darauf an, ob der Gesetzgeber
bei Erlaß des Gesetzes gerade einen Rechtsschutz, wie er wegen der behaupteten
Verletzung in Anspruch genommen wird, zugunsten von Einzelpersonen oder
bestimmten Personenkreisen gewollt oder zumindest mitgewollt hat (Sen.Urt. v.
21. Oktober 1991 - II ZR 204/90, NJW 1992, 241, 242 m.w.N.). Der Tatbestand des
§ 88 BörsG a.F. erfordert ein Handeln in der Absicht, auf den Börsen- oder
Marktpreis von Wertpapieren einzuwirken. Wie bereits in den Gesetzesmaterialien
zum Ausdruck kommt (BT-Drucks. 10/318, S. 45), steht bei § 88 BörsG a.F.
allgemein die Zuverlässigkeit und Wahrheit der Preisbildung an Börsen und
Märkten mit ihrer für das gesamte Wirtschaftsleben weitreichenden Bedeutung im
Vordergrund. § 88 BörsG a.F. bezweckt deshalb nach dem Willen des Gesetzgebers in
erster Linie den Schutz der Allgemeinheit. Zwar wirkt sich der Schutz der Allgemeinheit
mittelbar auch zugunsten des einzelnen Kapitalanlegers aus (vgl. BT-Drucks. aaO
S. 46). Damit erstrebt das Gesetz aber noch nicht einen besonderen
Schadensersatzanspruch zum Schutze (auch) der Individualinteressen des
einzelnen (vgl. dazu: BGHZ 84, 312, 314; 125, 366, 374). Der dem einzelnen zustatten
kommende mittelbare Schutz ist vielmehr nur eine Reflexwirkung des Gesetzes,
die die zivilrechtliche Haftung nicht begründen kann (vgl. BGHZ 89, 383, 401).
Die Funktion, den Anleger vor Täuschungen und Vermögensverlusten zu schützen,
wurde von § 264 a StGB übernommen; diese Norm ist aufgrund ihres drittschützenden
Charakters Schutzgesetz i.S. von § 823 Abs. 2 BGB (Sen.Urt. v. 21. Oktober 1991
aaO; vgl. dazu noch unten unter 5.).
3. Entgegen der Ansicht der
Revision müssen weder § 15 WpHG a.F. noch § 88 BörsG a.F. aufgrund europarechtlicher
Vorgaben in berichtigender Auslegung als Schutzgesetze ausgelegt werden. Der
EG-Insider-Richtlinie 89/592/EWG vom 13. November 1989 (ABl Nr. L 334/30,
Einleitung und Art. 13; sowie die in Art. 7 in Bezug genommene Richtlinie
79/279/EWG) oder der EGTransparenz-Richtlinie 88/627/EWG vom 12. Dezember 1988
(ABl Nr. L 348/62) läßt sich kein Gebot entnehmen, § 15 WpHG a.F. oder § 88 Abs.
1 Nr. 1 BörsG a.F. als Schutzgesetz i.S. von § 823 Abs. 2 BGB auszugestalten (BVerfG
ZIP 2002, 1986, 1989).
4. Einen Anspruch aus § 823
Abs. 2 BGB i.V.m. § 400 Abs. 1 Nr. 1 AktG hat das Berufungsgericht zutreffend
verneint, weil die unrichtigen Ad-hoc-Mitteilungen vom 20. Mai 1999 und 13.
September 1999 nicht den Tatbestand des § 400 Abs. 1 Nr. 1 AktG erfüllen.
a) Zwar ist die
Strafvorschrift des § 400 Abs. 1 Nr. 1 AktG Schutzgesetz i.S. von § 823 Abs. 2
BGB (einhellige Meinung: vgl. z.B. BGHZ 149, 10, 20; Otto in Großkomm./AktG, 4.
Aufl. 1997, § 400 Rdn. 2 m.w.N.). § 400 Abs. 1 Nr. 1 AktG soll das Vertrauen
potentieller Anleger und gegenwärtiger Aktionäre der Gesellschaft in die
Richtigkeit und Vollständigkeit bestimmter Angaben über die
Geschäftsverhältnisse schützen.
b) Die Beklagten haben
jedoch durch die beiden Ad-hoc-Mitteilungen nicht die Verhältnisse der
Gesellschaft "in Darstellungen oder Übersichten über den
Vermögensstand" (§ 400 Abs. 1 Nr. 1 AktG) unrichtig wiedergegeben. Unter
"Übersichten über den Vermögensstand" sind alle Zusammenstellungen von
Zahlenmaterialien, insbesondere alle Arten von Bilanzen zu verstehen, die einen
Gesamtüberblick über die wirtschaftliche Situation des Unternehmens ermöglichen
(vgl. Otto aaO § 400 Rdn. 33). Darunter fallen ersichtlich nicht
Ad-hoc-Mitteilungen, die - wie im vorliegenden Fall - nur jeweils einen
einzelnen Geschäftsabschluß bekanntgeben. Als "Darstellungen über den
Vermögensstand" gelten nur solche Berichte, die den Vermögensstand des
Unternehmens so umfassend wiedergeben, daß sie ein Gesamtbild über die
wirtschaftliche Lage der Aktiengesellschaft ermöglichen und den Eindruck der
Vollständigkeit erwecken. Auch das ist bei den Ad-hoc-Mitteilungen vom 20. Mai
1999 und 13. September 1999 offensichtlich nicht der Fall. Soweit in der
Literatur vereinzelt die Ansicht vertreten wird, daß sich die "Darstellungen"
i.S. von § 400 Abs. 1 Nr. 1 AktG nicht auf den Vermögensstand beziehen müßten
(Baums, Bericht der Regierungskommission "Corporate Governance" vom
10. Juli 2001, BT-Drucks. 14/7515 Rdn. 184; Möllers, Ad-hoc-Publizität 2003, §
12 Rdn. 85 ff.), kann dem nicht gefolgt werden. Bereits aus dem eindeutigen,
einer (derartigen) Auslegung nicht zugänglichen Wortlaut der Vorschrift (vgl.
Art. 103 Abs. 2 GG; dazu: BVerfGE 47, 109, 120 f.,124; 64, 389, 393 f.) ergibt
sich, daß Darstellungen - genau wie in § 264 a StGB - auch den Vermögensstand
betreffen müssen und nicht isoliert betrachtet werden können.
5. Auch eine Haftung der
Beklagten nach § 823 Abs. 2 BGB i.V.m. § 264 a StGB hat das Berufungsgericht zu
Recht verneint. Zwar hat die Strafnorm drittschützenden Charakter (vgl.
Sen.Urt. v. 21. Oktober 1991 - II ZR 204/90, NJW 1992, 241 f.) und ist damit
Schutzgesetz i.S. von § 823 Abs. 2 BGB. Um den Tatbestand des § 264 a StGB zu
erfüllen, muß u.a. die fehlerhafte Information "in Prospekten" oder
"in Darstellungen oder Übersichten" über den Vermögensstand erfolgen.
Die Ad-hoc-Mitteilungen der I. AG vom 20. Mai 1999 bzw. 13. September 1999 sind
jedoch – wie bereits an anderer Stelle ausgeführt - weder "Prospekte"
(siehe oben I. 2.) noch "Darstellungen oder Übersichten über den
Vermögensstand" (siehe oben II. 4.). Unabhängig davon fehlte es hier an
dem außerdem in § 264 a Abs. 1 StGB vorausgesetzten Zusammenhang der
Tathandlung mit dem "Vertrieb von Anteilen" (Nr. 1) oder mit einem
Erhöhungsangebot (Nr. 2) (vgl. dazu: Lackner, StGB 24. Aufl. § 264 a Rdn. 6).
6. Ein Anspruch des Klägers
gemäß § 823 Abs. 2 BGB i.V.m. § 263 Abs. 1 StGB scheidet nach den zutreffenden
Erwägungen des Berufungsgerichts bereits deshalb aus, weil hier eine Absicht
der Beklagten, sich oder einem Dritten "stoffgleich" zu Lasten des
Vermögens des Zedenten einen Vermögensvorteil zu verschaffen, nicht feststellbar
ist. Gemäß § 263 StGB muß der Täter einen Vermögensvorteil unmittelbar aus dem
Vermögen des Geschädigten in der Weise anstreben, daß dieser Vorteil "die
Kehrseite des Schadens" ist (BGHSt 6,115,116; Tiedemann in Leipziger
Komm., StGB 11. Aufl. 2000, § 263 Rdn. 256). Eine - lediglich mittelbare -
Begünstigung der I. AG oder der Beklagten selbst durch einen infolge der
falschen Ad-hoc-Mitteilung steigenden Aktienkurs reicht nicht aus (Möllers,
Ad-hoc-Publizität, § 12 Rdn. 104; Rützel, AG 2003, 69, 73; Rodewald/Siems, BB
2001, 2437, 2440). Hinsichtlich der an dem Aktienkauf des Zedenten beteiligten
unbekannten Verkäufer liegt eine Bereicherungsabsicht der Beklagten fern.
III. Schadensersatzanspruch
aus § 826 BGB
Zu Unrecht hat das
Berufungsgericht allerdings einen Schadensersatzanspruch des Klägers aus § 826
BGB verneint.
1. Zur Begründung hat es
ausgeführt: Nach dem Ergebnis der Beweisaufnahme stünden zwar die Unrichtigkeit
der Ad-hoc-Mitteilungen vom 20. Mai 1999 und 13. September 1999, die Kenntnis
der Beklagten hiervon und der Kausalzusammenhang zwischen der unrichtigen
Meldung vom 20. Mai 1999 und der Anlageentscheidung des Zedenten P. fest. Auch
wenn dieser bei wahrheitsgemäßer Information die Aktien nicht gekauft hätte,
könne er schon nicht im Wege des Schadensersatzes "Rückgängigmachung"
des Erwerbs verlangen, weil er bewußt in ein hochspekulatives Marktsegment
investiert habe. Jedenfalls hätten die Beklagten insoweit nicht vorsätzlich
gehandelt, weil sie weder vorausgesehen noch billigend in Kauf genommen hätten,
daß Anleger in I.-Aktien wegen des Vertrauens in die Richtigkeit der
Darstellung der Ad-hoc-Mitteilungen einen Schaden, insbesondere in Form der
Beeinträchtigung ihres wirtschaftlichen Selbstbestimmungsrechts, erleiden könnten.
Selbst wenn die von P. erworbenen Mitgliedschaftsrechte, was naheliege, wegen
des fehlenden Auftrags der M. AG einen geringeren Wert gehabt hätten, hätten
die Beklagten nicht vorwerfbar in Verfolgung eigensüchtiger Interessen und in
dem Bewußtsein einer möglichen Schädigung potentieller Anleger gehandelt. Denn
sie hätten sich aufgrund des - wenn auch in erheblich geringerem Umfang –
erteilten Auftrags der M. in euphorischer Stimmung bezüglich der weiteren Unternehmensentwicklung
befunden und seien überzeugt gewesen, die Zielvorstellungen zu dem erwarteten
umfangreichen Auftrag erfüllen zu können.
Diese Bewertung hält in
wesentlichen Punkten revisionsrechtlicher Nachprüfung nicht stand.
2. Die Beweiswürdigung ist
zwar grundsätzlich Sache des Tatrichters, an dessen Feststellungen das Revisionsgericht
gemäß § 559 ZPO n.F. gebunden ist. Revisionsrechtlich ist seine Würdigung
jedoch darauf zu überprüfen, ob er sich mit dem Prozeßstoff und den
Beweisergebnissen umfassend und widerspruchsfrei auseinandergesetzt hat, die
Würdigung also vollständig und rechtlich möglich ist und nicht gegen Denk- oder
Erfahrungssätze verstößt (st.Rspr., vgl. z.B. BGH, Urt. v. 11. Februar 1987 -
IV b ZR 23/86, BGHR ZPO § 286 Abs. 1 Revisionsrüge 1).
Danach liegt schon den -
teilweise im Widerspruch zu den getroffenen Feststellungen stehenden -
Ausführungen des Berufungsgerichts zum Schaden offenbar ein unzutreffendes
Verständnis des Schadensbegriffs i.S. der §§ 826, 249 ff. BGB zugrunde; darüber
hinaus beruht die Verneinung der subjektiven Voraussetzungen des § 826 BGB auf
einer zum Teil widersprüchlichen und unvollständigen Bewertung der objektiven
Tatumstände sowie auf einer Überspannung der Anforderungen an den Vorsatz (§
286 ZPO).
a) Auf der Grundlage der
Feststellungen zur Kausalität zwischen der falschen Ad-hoc-Mitteilung vom 20.
Mai 1999 und der Anlageentscheidung des Zedenten P. kann der Kläger nach § 826
BGB - bei Vorliegen auch der weiteren Voraussetzungen dieser Norm (vgl. dazu
unten) - von den Beklagten nicht etwa nur, wie das Berufungsgericht offenbar meint,
den Differenzschaden des Zedenten in Höhe des Unterschiedsbetrags zwischen dem
tatsächlichen Transaktionspreis und dem Preis, der sich bei pflichtgemäßem
Publizitätsverhalten gebildet hätte, sondern grundsätzlich Naturalrestitution
(§ 249 BGB) in Form der Erstattung des gezahlten Kaufpreises gegen Übertragung
der erworbenen Aktien verlangen (vgl. zu dieser Unterscheidung im Rahmen von §
37 c WpHG n.F.: Fleischer, BB 2002, 1869, 1870 f.). § 826 BGB stellt
hinsichtlich des Schadens begrifflich nicht auf die Verletzung bestimmter
Rechte oder Rechtsgüter ab: Schaden ist danach nicht nur jede nachteilige
Einwirkung auf die Vermögenslage, sondern darüber hinaus jede Beeinträchtigung
eines rechtlich anerkannten Interesses und jede Belastung mit einer ungewollten
Verpflichtung (vgl. Wagner in Münch.Komm.z.BGB 4. Aufl. § 826 Rdn. 6 m.w.N.).
Der Inhalt der Pflicht zum Ersatz eines solchen Schadens bestimmt sich nach den
§§ 249 ff. BGB. Danach ist im vorliegenden Fall der in seinem Vertrauen in die
Richtigkeit der Ad-hoc-Mitteilung vom 20. Mai 1999 enttäuschte Anleger P. im
Wege der Naturalrestitution so zu stellen, wie er stehen würde, wenn die für
die Veröffentlichung Verantwortlichen ihrer Pflicht zur wahrheitsgemäßen
Mitteilung nachgekommen wären. Da er in diesem Fall - wie festgestellt - die
Aktien nicht erworben hätte, kann er nach § 249 Abs. 1 BGB Geldersatz in Höhe
des für den Aktienerwerb aufgewendeten Kaufpreises gegen Übertragung der
erworbenen Rechtspositionen auf die – an dem Erwerbsgeschäft nicht beteiligten
- Schädiger verlangen.
Eine Einschränkung der
Schadensersatzpflicht, wie sie das Oberlandesgericht wegen der Investition des
Zedenten in ein Papier des "hochspekulativen" Neuen Marktes annimmt,
ist nicht berechtigt; sie steht im Widerspruch zu der festgestellten
Überzeugung des Gerichts, daß P. ohne die fehlerhaften Mitteilungen die Aktien
der I. AG nicht erworben hätte. Selbst unter dem Blickwinkel des
Rechtswidrigkeitszusammenhangs/Schutzzwecks der Haftungsnorm ist für
fehlerhafte Ad-hoc-Mitteilungen, die auch die übrigen
Tatbestandsvoraussetzungen einer sittenwidrigen vorsätzlichen Schädigung i.S.
des § 826 BGB erfüllen, eine Beschränkung der Rechtsfolgen zugunsten des
Schädigers nicht veranlaßt. Zwar hat der Gesetzgeber in § 15 Abs. 6 Satz 1 WpHG
a.F. - wie bereits ausgeführt - eine besondere Schadensersatzhaftung für die
Verletzung der Ad-hoc-Publizität i.S. von § 15 Abs. 1bis 3 WpHG a.F.
ausdrücklich ausgeschlossen und damit zugleich klargestellt, daß jene Norm kein
Schutzgesetz i.S. des § 823 Abs. 2 BGB sein soll. Gemäß § 15 Abs. 6 Satz 2 WpHG
a.F. bleiben jedoch ausdrücklich - schon bezogen auf den Emittenten -
Schadensersatzansprüche, die auf anderen Rechtsgrundlagen beruhen, unberührt.
Unter derartige allgemeine zivilrechtliche Haftungstatbestände fällt
insbesondere die sittenwidrige vorsätzliche Schädigung nach § 826 BGB. Ein
Haftungsausschluß in Fällen betrügerischer oder sittenwidriger Schädigung Dritter
wäre - wie im Gesetzgebungsverfahren ausdrücklich klargestellt wurde (vgl.
Bericht des Finanzausschusses des Deutschen Bundestages, BT-Drucks. 12/7918, S.
102) - mit den Grundsätzen der Rechtsordnung nicht vereinbar. Für die - ohnehin
nicht ausgeschlossene - Haftung der die falschen Ad-hoc-Mitteilungen veranlassenden
Vorstände als gesetzliche Vertreter des Emittenten gelten daher im Bereich des
§ 826 BGB ebenfalls keine generellen Beschränkungen hinsichtlich Art und Umfang
des Schadensersatzes.
b) Ausgehend hiervon und
auf der Grundlage der den Beklagten bekannten objektiven Unrichtigkeit der
Ad-hoc-Mitteilung vom 20. Mai 1999 ist die Verneinung der (weiteren)
subjektiven Voraussetzungen des § 826 BGB durch das Berufungsgericht ebenfalls
rechtsfehlerhaft.
Die Veröffentlichung der
Mitteilung vom 20. Mai 1999 als Ad-hoc-Mitteilung setzte bereits nach dem
Gesetz (§ 15 Abs. 1 WpHG a.F.) voraus, daß die mitgeteilte neue Tatsache
"geeignet ist, den Börsenpreis der zugelassenen Wertpapiere erheblich zu
beeinflussen". Da dies ohne Kauf- und Verkaufsentscheidungen von
individuellen Marktteilnehmern als zu erwartender Reaktion auf die Mitteilung
der meldepflichtigen Tatsache nicht möglich ist, wissen die verantwortlichen
Vorstände, daß es infolge der fehlerhaften Ad-hoc-Information zu entsprechenden
Anlageentscheidungen kommen wird (so zutreffend Fuchs/Dühn, BKR 2002, 1063,
1067). Kennen sie die Unrichtigkeit der Adhoc-Mitteilung, so wissen sie auch,
daß deshalb Wertpapierkäufe auf fehlerhafter Tatsachengrundlage getätigt
werden. Da beide Beklagten die Bedeutung der konkreten Ad-hoc-Mitteilung und
deren Unrichtigkeit kannten, ist - wie die Revision zutreffend geltend macht -
schon nach der Lebenserfahrung davon auszugehen, daß die unrichtige Meldung
keinen anderen Zweck hatte, als dem Börsenpublikum einen gestiegenen
Unternehmenswert vorzuspiegeln und den Börsenpreis positiv zu beeinflussen. Von
einer bloßen Leichtfertigkeit - wie das Oberlandesgericht meint - kann
ersichtlich keine Rede sein. Dagegen sprechen weitere erhebliche Umstände, die
das Berufungsgericht übersehen hat. Unstreitig mußte der Beklagte zu 2 in
Anwesenheit des Beklagten zu 3 in der Hauptversammlung der I. AG vom 24. Juni
1999 auf entsprechende Frage einer Aktionärin klarstellen, daß die M. AG am 19.
Mai 1999 lediglich 14.000 JNT-Surfstationen bestellt hatte; gleichwohl bestätigten
die Beklagten - anstelle einer gebotenen sofortigen Richtigstellung durch
Ad-hoc-Meldung - bereits in der Ad-hoc-Mitteilung vom 30. August 1999 wieder
die falsche Ursprungsmeldung vom 20. Mai 1999. Schließlich hat das
Berufungsgericht auch die bedeutsame Indiztatsache außer Betracht gelassen, daß
die Beklagten in der Ad-hoc-Mitteilung vom 13. September 1999 sogar einen in
vollem Umfang frei erfundenen "erneuten Mega-Deal" in Gestalt der
angeblichen Order eines P.er Unternehmens über 55 Mio. DM veröffentlichten. Auch
diese erneute Falschmeldung
diente ersichtlich keinem anderen Zweck als der positiven Beeinflussung des
Börsenkurses und der Irreführung des Börsenpublikums über den wirklichen Wert
des Unternehmens.
Zudem hat das
Berufungsgericht die Anforderungen an den Vorsatz überspannt. Für den Vorsatz
im Rahmen des § 826 BGB genügt ein "Eventualdolus". Dabei braucht der
Täter nicht im einzelnen zu wissen, welche oder wieviele Personen durch sein
Verhalten geschädigt werden; vielmehr reicht aus, daß er die Richtung, in der
sich sein Verhalten zum Schaden irgendwelcher anderer auswirken könnte, und die
Art des möglicherweise eintretenden Schadens vorausgesehen und mindestens
billigend in Kauf genommen hat (st.Rspr., so schon RGZ 55, 60; BGH, Urt. v. 20.
November 1990 - VI ZR 6/90, BGHR BGB § 826 Schädigungsvorsatz 2). Angesichts
der Gesamtumstände besteht hier an einer vorsätzlichen Handlungsweise der
Beklagten in bezug auf die Mitteilung vom 20. Mai 1999 kein Zweifel. Den
Beklagten war bei einer Parallelwertung in der (juristischen) Laiensphäre
positiv bewußt, daß durch die Falschmeldung u.a. die Erwerber von I.-Aktien
ihre Kaufentscheidungen auf fehlerhafter Tatsachengrundlage trafen, die sie bei
der gebotenen richtigen Information entweder überhaupt nicht oder aber nur zu
anderen Konditionen getroffen hätten. Derartige Schäden als Folgen ihrer -
direkt vorsätzlichen - Handlungsweise nahmen sie zumindest billigend in Kauf.
Ein solcher Eventualvorsatz der Beklagten hinsichtlich der als Folge ihres Tuns
erwarteten, mindestens aber für möglich gehaltenen Schäden bei den Investoren
läßt sich - entgegen der Ansicht des Berufungsgerichts - nicht aufgrund einer
lediglich euphorischen Stimmung der Beklagten in bloße Fahrlässigkeit
"umqualifizieren". Nach der Lebenserfahrung ist davon auszugehen, daß
den Beklagten als u.a. für die zentrale Aufgabe der Publizität verantwortlichen
Organen des Unternehmens, die über die Auswirkungen ihrer unrichtigen
Ad-hoc-Information auf den Aktienmarkt Bescheid wußten, nicht durch eine
(momentane) Euphorie über vermeintliche Chancen und Zukunftsperspektiven der I.
AG der Verstand "ver-nebelt" wurde. Mit Recht rügt die Revision
insoweit, daß nicht einmal nachvollziehbar dargelegt ist, worauf bezüglich des
Geschäfts mit M. über die insoweit nicht ausreichende bloße Hoffnung hinaus
bereits eine gesicherte Erwartung hinsichtlich der Zielvorstellung weiterer
Aufträge hätte gestützt werden können; denn ersichtlich war weder die hierfür
erforderliche Software bis zur Serienreife gediehen noch die Lauffähigkeit der
Hardware gesichert. Abgesehen davon beträfe die etwaige Hoffnung oder Erwartung
der Beklagten, den falsch gemeldeten "Mega-Deal" zu einem späteren
Zeitpunkt noch zustande bringen zu können, nur die Möglichkeit einer künftigen
Minderung oder wirtschaftlichen Beseitigung eines beim Anleger mit dem
Aktienkauf bereits eingetretenen Vermögensschadens; das gilt insbesondere für
den - wie hier – bereits dadurch entstandenen Schaden, daß der Anleger infolge
der Irreführung Aktien erworben hat, die er ohne die Falschmeldung nicht
erworben hätte. Eine etwaige spätere Schadenskompensation ließe aber die schon
eingetretene Vollendung der vorsätzlichen Schädigung unberührt.
c) Die vorsätzliche
Veröffentlichung der bewußt unwahren Ad-hoc-Mitteilung ist schließlich auch -
entgegen der Ansicht des Berufungsgerichts - als sittenwidrig i.S. des § 826
BGB, d.h. als "gegen das Anstandsgefühl aller billig und gerecht
Denkenden" verstoßend (st.Rspr. seit RGZ 48, 114, 124), anzusehen.
Freilich genügt dafür im
allgemeinen die bloße Tatsache, daß der Täter gegen eine gesetzliche Vorschrift
verstoßen hat, ebensowenig wie der Umstand, daß sein Handeln bei einem anderen
einen Vermögensschaden hervorruft. Vielmehr muß sich die besondere
Verwerflichkeit des Verhaltens aus dem verfolgten Ziel, den eingesetzten
Mitteln, der zutage tretenden Gesinnung oder den eingetretenen Folgen ergeben.
Hier wird die Verwerflichkeit allerdings bereits durch das Verhalten der
Beklagten indiziert: die direkt vorsätzliche unlautere Beeinflussung des Sekundärmarktpublikums
durch eine grob unrichtige Adhoc-Mitteilung. Ein solches Handeln verstößt
derart gegen die Mindestanforderungen im Rechtsverkehr auf dem Kapitalmarkt,
daß ein Ausgleich der durch sie bei den einzelnen Marktteilnehmern verursachten
Vermögensschäden geboten erscheint. Eine derartige Verhaltensweise ist nicht
etwa deshalb in einem milderen Licht zu sehen, weil Ad-hoc-Mitteilungen wie die
vorliegende gerade in der fraglichen "euphorischen Phase" des Neuen
Marktes vielfach zu Werbezwecken veröffentlicht worden sind; denn darin lag -
auch im vorliegenden Fall - selbst ein Mißbrauch des Rechtsinstituts der
Ad-hoc-Publizität. Zudem setzten sich die Beklagten - was das Oberlandesgericht
außer Betracht läßt – bedenkenlos über die Hinweise von Mitarbeitern
hinsichtlich der Unrichtigkeit der Meldung ebenso hinweg wie später über den
Umstand, daß sogar in der Bereichsöffentlichkeit der Hauptversammlung der
Schwindel entdeckt worden war. Mit der Veröffentlichung der Mitteilung über
einen angeblichen Großauftrag – wie auch durch die weitere Falschmeldung im
September 1999 - haben die Beklagten gezeigt, daß ihnen offensichtlich jedes
Mittel recht war, um in den potentiellen Anlegern des Marktes positive
Vorstellungen über den Wert des Unternehmens hervorzurufen und über die
einsetzende Nachfrage den Kurs der I.-Aktie "zu pushen".
Die Beklagten verfolgten
mit den falschen Ad-hoc-Mitteilungen auch in jedenfalls objektiv unlauterer
Weise "eigene Zwecke". Sie waren nämlich – was das Oberlandesgericht
übersehen hat - nicht etwa unbeteiligte "Nur-Vorstände", sondern
besaßen als Gründungsgesellschafter Aktien der I. AG im Millionenumfang, so daß
sie von dem mit den unrichtigen Meldungen bezweckten"Pushen" der
Kurse zumindest mittelbar selbst profitierten. In diesem Zusammenhang weist die
Revision zutreffend darauf hin, daß die Beklagten aus - wenn auch nicht mit den
hier inkriminierten Meldungen unmittelbar zusammenhängenden - unstreitigen
Verkäufen eigener Aktienpakete Anfang des Jahres 1999 jeweils knapp 29 Mio. DM
und im Juli 2000 jeweils ca. 500.000,00 € erlösten. Bereits daraus läßt sich
entnehmen, daß ihnen auch bewußt war, daß eine durch die unrichtigen
Ad-hoc-Mitteilungen bewirkte Kurssteigerung zu einer Wertsteigerung der eigenen
Beteiligung an der I. AG führen würde. Vorrangiges Ziel oder
gar Endziel ihrer ungesetzlichen Handlungsweise mußten solche "eigenen
Zwecke" im Rahmen des § 826 BGB nicht sein.
IV. Aufgrund der
aufgezeigten Rechtsfehler unterliegt das angefochtene Urteil der Aufhebung. Da
eine weitere Sachverhaltsaufklärung nicht erforderlich und insbesondere
weitergehender entscheidungsrelevanter Vortrag zu den
Tatbestandsvoraussetzungen des § 826 BGB nicht zu erwarten ist, hat der Senat in
der Sache selbst zu entscheiden.
1. Nach den vorstehenden
Ausführungen haften die Beklagten dem Kläger - ohne daß dies noch weiterer Ausführungen
bedürfte - für den dem Zedenten P. durch die sittenwidrige vorsätzliche
Schädigung entstandenen Schaden gemäß § 826 BGB auf Schadensersatz in Höhe des
geltend gemachten Bruttoaufwands von 90.945,70 DM nebst Zinsen Zug um Zug gegen
Übertragung von 1.150 Stückaktien der I. AG, wie bereits das Landgericht zutreffend
entschieden hatte.
2. Eine Kürzung des
Ersatzanspruchs des Zedenten des Klägers gemäß § 254 BGB findet nicht statt. Es
kann dahinstehen, ob gegenüber einer sittenwidrigen vorsätzlichen Schädigung
der vorliegenden Art überhaupt unter dem Blickwinkel des § 254 Abs. 2 Satz 1
BGB dem geschädigten Anleger eine Kursbeobachtungs- und Verkaufspflicht bei
sinkenden Kursen aufzuerlegen wäre (vgl. zur Mitverschuldensfrage im Rahmen von
§ 37 b, c WpHG n.F.: Fleischer/Kalls, AG 2002, 329, 334 f.). Denn jedenfalls
hätte der Anleger P. - unabhängig davon, wann er von den erst Ende August 2000
erfolgten Korrekturmeldungen der I. AG Kenntnis erlangte - einer wie auch immer
gearteten Schadensminderungspflicht schon durch die rechtzeitige
"Anmeldung" seines Ersatzanspruchs bei den Beklagten mit Schreiben
seines Prozeßbevollmächtigten vom 7. November 2000 genügt.