Anfechtung der Anfechtung bei der
Erbschaftsannahme: Geltung der Frist des § 121 BGB
BGH, Beschluss vom 10. Juni 2015 - IV
ZB 39/14 - KG Berlin
Fundstelle:
noch nicht bekannt
Amtl. Leitsatz:
Für die Anfechtung der Anfechtungserklärung der
Annahme oder Ausschlagung der Erbschaft sowie der Versäumung der
Ausschlagungsfrist (§ 1956 BGB) gelten die Fristen des § 121 BGB, nicht
diejenigen des § 1954 BGB.
Zentrale Probleme:
Ein etwas verschachtelter Fall aus dem Erbrecht, der
aber nicht nur dafür, sondern auch für den Allgemeinen Teil des BGB
lehrreich ist. Ausgangspunkt ist, dass auch eine Anfechtungserklärung (§ 143
I BGB) eine Willenserklärung (und ein einseitiges Rechtsgeschäft) ist und
daher ebenfalls nach den §§ 119 ff BGB angefochten werden kann (mit der
Folge, dass das zunächst angefochtene und damit nach § 142 I BGB nichtige
Rechtsgeschäft wiederum ex tunc wirksam ist). Für die Anfechtung von Annahme
und Ausschlagung einer Erbschaft sieht § 1954 I BGB eine gegenüber § 121 BGB
im Einzelfall deutlich längere Anfechtungsfrist vor, denn nach § 121 I BGB
muss die Anfechtung unverzüglich nach Kenntnis des Anfechtungsgrundes
(maximal nach 10 Jahren, § 121 II BGB) erfolgen, nach § 1954 I BGB in jedem
Fall innerhalb von 6 Wochen (das kann im Einzelfall natürlich auch kürzer
als die Frist nach § 121 BGB sein, wenn die Kenntnis des Anfechtungsgrundes
erst später eintritt). Hier hatte ein Erbe die Anfechtungsfrist versäumt,
weil er glaubte, der Nachlass sei werthaltig. Auch das kann man nach § 1956
BGB wie eine Annahme anfechten. Da er nicht wusste, dass die Fristversäumung
eine Annahme darstellt, konnte er nach §§ 119 I BGB wegen eines
Erklärungsirrtums anfechten. Dann aber merkte er, dass der Nachlass doch
werthaltig ist und ficht nun die Anfechtung an. Das ist wohl ein relevanter
Eigenschaftsirrtum nach § 119 II BGB bei der (ersten) Anfechtungserklärung,
denn er irrte sich bei der Anfechtung der (fiktiven) Annahme über eine
verkehrswesentliche Eigenschaft des Nachlasses. Dafür gilt aber die Frist
des § 121 BGB (und nicht § 1954 I BGB) - und die war hier verstrichen.
©sl 2015
Gründe:
1 I. Die Beteiligten zu 1 und 2 sind neben einem nachverstorbenen Bruder die
Kinder der am 18. Juni 1996 verstorbenen Erblasserin; die Beteiligten zu 3
bis 5 sind die Kinder der Beteiligten zu 1. Die Erblasserin hinterließ keine
letztwillige Verfügung.
2 Mit notariell beglaubigter Erklärung vom 13. November 1996, beim
Nachlassgericht eingegangen am 19. November 1996, erklärte die Beteiligte zu
1, die Erbschaft nicht annehmen zu wollen. Ihr sei die Frist zur
Ausschlagung nicht bekannt gewesen. Sie fechte daher die Versäumnis der
Ausschlagungsfrist an und schlage die Erbschaft aus. Der Nachlass
sei überschuldet. Mit notariell beglaubigter Erklärung vom 26.
August 2013, beim Nachlassgericht eingegangen am 29. August 2013, focht die
Beteiligte zu 1 ihre Ausschlagungserklärung vom 13. November 1996 an und
begründete dies damit, sie sei im Zeitpunkt der Ausschlagung davon
ausgegangen, der Nachlass sei überschuldet, habe nunmehr indessen erfahren,
dass zum Nachlass noch ein Anteil am Nachlass einer Tante der Erblasserin
gehöre.
3 Der Beteiligte zu 2 hat am 12. November 2013 die Erteilung eines
Erbscheins beantragt, der aufgrund gesetzlicher Erbfolge ihn und den
nachverstorbenen Bruder zu je 1/3 und im Hinblick auf die Ausschlagung der
Beteiligten zu 1 die Beteiligten zu 3 bis 5 zu je 1/9 als Miterben ausweist,
hilfsweise für den Fall, dass die Ausschlagung der Beteiligten zu 1 nicht
wirksam sein sollte, die Erteilung eines Erbscheins, der statt der
Beteiligten zu 3 bis 5 die Beteiligte zu 1 als weitere Miterbin zu 1/3
ausweist. Das Nachlassgericht hat mit Beschluss vom 14. August 2014 die zur
Erteilung des Erbscheins erforderlichen Tatsachen für festgestellt erachtet
und angekündigt, dem Hauptantrag zu entsprechen. Das Beschwerdegericht hat
die Beschwerde der Beteiligten zu 1 zurückgewiesen. Hiergegen richtet sich
ihre vom Kammergericht zugelassene Rechtsbeschwerde, mit der sie ihr
Begehren auf Zurückweisung des Erbscheinsantrags des Beteiligten zu 2 zum
Hauptantrag weiterverfolgt.
II. Die zulässige Rechtsbeschwerde hat in der Sache keinen Erfolg.
5 1. Das Beschwerdegericht, dessen Entscheidung u.a. in ZEV 2015, 96
veröffentlicht ist, hat ausgeführt, die Beteiligte zu 1 sei durch
Ausschlagung als Miterbin weggefallen mit der Folge, dass an ihre Stelle
ihre Kinder getreten seien. Die erste Anfechtungserklärung vom 13. November
1996 sei wirksam. Die Beteiligte zu 1 habe sich darüber geirrt, dass es der
Ausschlagung der Erbschaft bedürfe und die Versäumung der Ausschlagungsfrist
von Gesetzes wegen zur Annahme führe. Hierin liege ein Anfechtungsgrund
gemäß § 1956 BGB. Ohne den Irrtum hätte weder die Beteiligte zu 1 noch ein
unparteiischer Beobachter bei verständiger Würdigung der Gesamtheit der
Umstände die Annahme erklärt oder die Abgabe einer wirksamen
Ausschlagungserklärung versäumt. Für den hypothetischen Kausalverlauf seien
die dem Anfechtenden zum Zeitpunkt des Fristablaufs bekannten und darüber
hinaus auch die für ihn damals mit zumutbarer Anstrengung erfahrbaren
Umstände zugrunde zu legen, nicht jedoch die erst wesentlich später bekannt
gewordenen Tatsachen, die zu der weiteren "Anfechtung der Anfechtung"
geführt haben. Aus dem Kenntnisstand zum Zeitpunkt des Ablaufs der
Ausschlagungsfrist habe die Beteiligte zu 1 objektiv berechtigten Anlass für
die Ausschlagung wegen Überschuldung gehabt.
6 Die zweite Anfechtungserklärung vom 29. August 2013 habe nicht zur
Nichtigkeit der ersten Anfechtungserklärung geführt, da sie nicht fristgemäß
erfolgt sei. Gemäß § 121 Abs. 1 BGB müsse die Anfechtung unverzüglich
erfolgen, nachdem der Anfechtungsberechtigte von dem Anfechtungsgrund
Kenntnis erlangt habe. Hier habe die Beteiligte zu 1 bereits durch das
Schreiben des Genealogen vom 6. August 2013 (richtig: 7. August 2013) von
dem Anteil am Nachlass ihrer Großtante erfahren, jedoch erst am 26. August
2013 die Anfechtungserklärung beglaubigen lassen. Einer weiteren Aufklärung
des Grundes für diese Verzögerung bedürfe es indessen nicht, da jedenfalls
die Zehnjahresfrist des § 121 Abs. 2 BGB nicht gewahrt sei. Diese Frist habe
am 1. Januar 2002 zu laufen begonnen und sei am 31. Dezember 2011
abgelaufen. Die Regelung des § 1954 BGB sei demgegenüber weder unmittelbar
noch analog anzuwenden. Erfahre der Anfechtungsberechtigte später von
Tatsachen, die seine Anfechtungserklärung als irrtumsbehaftet erscheinen
ließen, sei es ihm zumutbar, unverzüglich die Anfechtung der Anfechtung zu
erklären, um möglichst schnell Rechtsklarheit zu schaffen. Darüber hinaus
bestehe kein Bedürfnis, durch eine entsprechende Anwendung der 30-jährigen
Ausschlussfrist gemäß § 1954 Abs. 4 BGB einen erneuten irrtumsbedingten
Wechsel der Erbfolge zu ermöglichen.
7 2. Das hält rechtlicher Überprüfung stand.
8 a) Rechtsfehlerfrei hat das Beschwerdegericht zunächst angenommen,
dass die Anfechtungserklärung der Beteiligten zu 1 vom 13. November 1996
wirksam ist.
9 aa) Die Beteiligte zu 1 hat in ihrer Anfechtungserklärung erklärt,
sie habe die Erbschaft nicht annehmen wollen und ihr sei über die Frist zur
Ausschlagung der Erbschaft nichts bekannt gewesen. Hierin liegt ein
beachtlicher Anfechtungsgrund im Sinne des § 1956 BGB in Gestalt eines
Erklärungsirrtums nach § 119 Abs. 1 Alt. 2 BGB (RGZ 143, 419, 423
f.; OLG Rostock NJW-RR 2012, 1356 Rn. 17; BayObLG ZEV 1994, 112).
10
bb) Die Anfechtung gemäß § 119 Abs. 1 BGB setzt ferner die
Kausalität des Irrtums für die Abgabe der Willenserklärung voraus.
Voraussetzung hierfür ist bei der Erbschaftsanfechtung, dass ohne den Irrtum
weder der Irrende selbst nach seinen persönlichen Verhältnissen und
Eigenschaften noch ein unparteiischer Beobachter bei verständiger Würdigung
der Gesamtheit der Umstände die Annahme erklärt oder die Abgabe einer
wirksamen Ausschlagungserklärung versäumt hätte (vgl. RGZ 143, 419,
424). Auf dieser Grundlage ist eine objektive Wertung vorzunehmen,
die auf den Zeitpunkt des Ablaufs der Ausschlagungsfrist abstellt
(OLG Düsseldorf NJW-RR 2013, 842 Rn. 12; OLG Hamm ZErb 2009, 137 Rn. 15; LG
Bonn Rpfleger 1985, 148, 149; MünchKomm-BGB/ Leipold, 6. Aufl. § 1956 Rn. 9;
Palandt/Weidlich, BGB 74. Aufl. § 1956 Rn. 3; Löhnig/Plettenberg, ZEV 2015,
99 f.). Entgegen der Auffassung der Rechtsbeschwerde kommt es aus
Gründen der Rechtssicherheit auch auf den Kenntnisstand der Beteiligten an.
Bei Ablauf der Ausschlagungsfrist war der Beteiligten zu 1 ausschließlich
bekannt, dass in den Nachlass der Erblasserin lediglich Verbindlichkeiten
fielen, so dass dieser überschuldet war. Für die Kausalität des Irrtums kann
demgegenüber - wie das Beschwerdegericht zu Recht annimmt - nicht auf die
erst später bekannt gewordene Tatsache der Zugehörigkeit eines weiteren
Vermögensgegenstandes zum Nachlass abgestellt werden, die sodann zur
Anfechtungserklärung vom 26. August 2013 führte. Eine
Berücksichtigung dieses Umstandes hätte zur Folge, dass schon die erste
Anfechtung als unwirksam anzusehen wäre und es einer zweiten
Anfechtungserklärung von vornherein nicht bedürfte. Ein solches Verständnis
des Kausalitätserfordernisses losgelöst von den Erkenntnismöglichkeiten im
Zeitpunkt der ersten Anfechtungserklärung führte dazu, dass diese Anfechtung
bei späterem Bekanntwerden neuer Umstände ohne jede zeitliche Befristung
hinfällig wäre. Dies kommt schon aus Gründen der Rechtssicherheit nicht in
Betracht (vgl. Löhnig/Plettenberg aaO).
11 b) Zutreffend hat das Beschwerdegericht ferner angenommen, dass
die zweite Anfechtungserklärung der Beteiligten zu 1 vom 26. August 2013
unwirksam ist und daher nicht gemäß § 142 Abs. 1 BGB zur Nichtigkeit der
ersten Anfechtungserklärung geführt hat.
12 aa) Anerkannt ist allerdings, dass auch eine Anfechtungserklärung
gemäß §§ 1954, 1956 BGB ihrerseits angefochten werden kann (vgl.
OLG Hamm ZErb 2009, 137 Rn. 33; BayObLGZ 1980, 23, 27; Soergel/Stein, BGB
13. Aufl. § 1954 Rn. 12; Erman/Schmidt, BGB 14. Aufl. § 1955 Rn. 5).
Der Anfechtungsgrund ergibt sich aus dem Irrtum der Beteiligten zu 1 über
die - tatsächlich nicht gegebene - Überschuldung des Nachlasses, die eine
verkehrswesentliche Eigenschaft im Sinne von § 119 Abs. 2 BGB darstellt
(Senatsurteil vom 8. Februar 1989 - IVa ZR 98/87, BGHZ 106, 359,
363; OLG Hamm ZErb 2009, 137 Rn. 15; BayObLG NJW-RR 1999, 590 unter II 2 d
cc).
13 bb) Die Anfechtungserklärung der Beteiligten zu 1 ist indessen
verfristet.
14 (1) Die Frage, nach welchen Bestimmungen sich die Frist für die
Anfechtung einer Anfechtungserklärung richtet, wird unterschiedlich
beurteilt. Die überwiegende Auffassung geht davon aus, dass die
allgemeine Regelung des § 121 BGB Anwendung findet, die Anfechtung mithin
ohne schuldhaftes Zögern erfolgen muss (§ 121 Abs. 1 Satz 1 BGB)
und ausgeschlossen ist, wenn seit der Abgabe der Willenserklärung 10 Jahre
verstrichen sind (so BayObLGZ 1980, 23, 28f.; Erman/Schmidt, BGB 14. Aufl. §
1955 Rn. 5; Palandt/Weidlich, BGB 74. Aufl. § 1955 Rn. 1; MünchKomm-BGB/Leipold,
6. Aufl. § 1954 Rn. 21; Muscheler, Erbrecht II Rn. 3065; Lange/Kuchinke,
Erbrecht 5. Aufl. S. 223 f.; Malitz in Münchener Anwaltshandbuch Erbrecht,
2. Aufl. § 22 Rn. 62; Kraiß, BWNotZ 1992, 31, 35). Auf dieser Grundlage war
die Anfechtungsfrist hier jedenfalls gemäß § 121 Abs. 2 BGB i.V.m. Art. 229
§ 6 Abs. 4 und Abs. 5 EGBGB nicht gewahrt, da die Zehnjahresfrist am 31.
Dezember 2011 abgelaufen war.
15 Die Gegenauffassung wendet für die Frist zur Anfechtung der
Anfechtungserklärung § 1954 BGB an (Soergel/Stein, BGB 13. Aufl. § 1954 Rn.
12; Damrau/Masloff, Erbrecht 3. Aufl. § 1954 Rn. 13; Löhnig/Plettenberg, ZEV
2015, 99). Auf der Grundlage dieser Auffassung ist hier keine Verfristung
eingetreten, da die Beteiligte zu 1 ihre Anfechtung vom 26. August 2013
innerhalb der Sechswochenfrist des § 1954 Abs. 1 BGB erklärt hat. Die Frist
beginnt mit dem Zeitpunkt, in welchem der Anfechtungsberechtigte von dem
Anfechtungsgrund Kenntnis erlangt hat (§ 1954 Abs. 2 Satz 1 BGB). Dies war
hier das Schreiben der Genealogen vom 7. August 2013, durch das die
Beteiligte zu 1 vom Anteil am Nachlass der Großtante als Gegenstand des
Nachlasses der Erblasserin erfuhr. Ein Ausschluss der Anfechtung gemäß §
1954 Abs. 4 BGB kommt ebenfalls nicht in Betracht, da seit der ersten
Anfechtungserklärung noch keine 30 Jahre verstrichen waren.
16 (2) Die zuerst genannte Auffassung trifft zu. Die
Anfechtungserklärung der Beteiligten zu 1 ist mithin verfristet. Eine
unmittelbare Anwendung von § 1954 Abs. 1 BGB kommt bereits deshalb nicht in
Betracht, weil hier nicht die Anfechtung der Annahme oder der Ausschlagung,
sondern die Anfechtung der Anfechtungserklärung in Rede steht (Muscheler,
Erbrecht II Rn. 3065; a.A. Löhnig/Plettenberg, ZEV 2015, 99).
Da diese in den §§ 1954, 1956 f. BGB nicht geregelt ist, gelten für sie die
allgemeinen Vorschriften der §§ 119 ff. BGB.
17 Auch für eine entsprechende Anwendung von § 1954 BGB besteht keine
Veranlassung. Zwar bestimmt § 1957 Abs. 1 BGB, dass die Anfechtung der
Annahme als Ausschlagung und die Anfechtung der Ausschlagung als Annahme
gilt. Dies hat aber nicht zur Konsequenz, dass allein deshalb die Anfechtung
einer Anfechtung der Annahme (bzw. der Versäumung der Ausschlagungsfrist)
hinsichtlich der Anfechtungsfrist wie die Anfechtung einer Ausschlagung und
die Anfechtung einer Anfechtung der Ausschlagung wie die Anfechtung einer
Annahme behandelt werden müssten. Angefochten wird in derartigen Fällen
nicht die fingierte Ausschlagung oder Annahme, sondern die
Anfechtungserklärung selbst. Die Fiktion des § 1957 Abs. 1 BGB hat lediglich
den Sinn, der Anfechtung einer Annahme bzw. der Anfechtung einer
Ausschlagung eine über die bloße Nichtigkeit der angefochtenen
Willenserklärung hinausgehende Wirkung zu verleihen, damit sofort
erbrechtlich klare Verhältnisse geschaffen werden und ein nochmaliger
Schwebezustand vermieden wird (vgl. BayObLGZ 1980, 23, 28). Darum geht es
hier nicht, da die Anfechtung der Anfechtungserklärung von selbst den
Rechtszustand wiederherstellt, der vor der ersten Anfechtungserklärung
bestanden hat. Darüber hinaus lehnt sich die Fristenregelung des § 1954 BGB
an die Bestimmung des § 1944 BGB über die Ausschlagungsfrist an. Der
Gleichlauf von Ausschlagungs- und Anfechtungsfrist ist daher angesichts der
in § 1957 Abs. 1 BGB angeordneten Wirkung der Anfechtung konsequent (vgl.
Muscheler aaO). Darum handelt es sich bei der Anfechtung einer
Anfechtungserklärung nicht.
18 Auch aus praktischen Gründen besteht kein Bedarf für eine Anwendung der
längeren Anfechtungsfristen des § 1954 BGB gegenüber denjenigen in § 121
BGB. Hat ein Beteiligter bereits einmal seine Annahme oder Ausschlagung
angefochten und erfährt er später, dass diese Anfechtungserklärung auf einem
Irrtum beruhte, so ist es ihm zuzumuten, nunmehr unverzüglich im Sinne von §
121 Abs. 1 Satz 1 BGB die Anfechtung zu erklären, damit möglichst schnell
Rechtssicherheit hergestellt wird. Weder bedarf er hierzu einer
sechswöchigen Überlegungsfrist gemäß § 1954 Abs. 1 und 2 BGB noch ist es
sachgerecht, gemäß § 1954 Abs. 4 BGB erst nach Ablauf von 30 Jahren eine
Anfechtung der Anfechtungserklärung auszuschließen. Dies könnte bei
mehrfachen, zeitlich hintereinander gestaffelten Anfechtungserklärungen
(vgl. etwa den Fall OLG Hamm ZErb 2009, 137) eine endgültige Klärung der
Rechtsnachfolge nach dem Erblasser für einen unabsehbaren Zeitraum
erschweren.
19 Gegen eine Anwendung von § 1954 BGB spricht auch das Wertungskonzept des
Gesetzgebers im Bereich des Verjährungsrechts, der die frühere 30-jährige
Verjährungsfrist für erbrechtliche Ansprüche gemäß § 197 Abs. 1 Nr. 2 BGB
mit Wirkung ab dem 1. Januar 2010 abgeschafft hat. Dem steht auch nicht die
Regelung des zum 1. Januar 2010 neu eingeführten § 199 Abs. 3a BGB entgegen,
wonach Ansprüche, die auf einem Erbfall beruhen oder deren Geltendmachung
die Kenntnis einer Verfügung von Todes wegen voraussetzt, ohne Rücksicht auf
die Kenntnis oder grob fahrlässige Unkenntnis in 30 Jahren von der
Entstehung des Anspruchs an verjähren. Mit dieser Formulierung hat der
Gesetzgeber gegenüber der bisherigen Rechtslage zum Ausdruck gebracht, dass
nicht sämtliche erbrechtlichen Ansprüche erfasst sind, sondern nur solche,
die originär und unmittelbar mit dem Erbfall verknüpft sind und nicht nur in
irgendeiner Weise mit ihm in Zusammenhang stehen (MünchKomm-BGB/Grothe, 6.
Aufl. § 199 Rn. 50). Erfasst von der Vorschrift werden etwa Fälle, bei denen
es um die schwierige und zeitaufwändige Feststellung der Erben geht, bei
denen ein Testament erst spät aufgefunden wird oder dessen Gültigkeit erst
nach langer Zeit geklärt werden kann (BT-Drucks. 16/8954 S. 12; MünchKomm-BGB/Grothe
aaO). Um eine vergleichbare Fallgestaltung handelt es sich bei der
Anfechtung einer Anfechtungserklärung von vornherein nicht.
20 III. Wegen der Erfolglosigkeit der Rechtsbeschwerde ist zugleich der
Antrag auf Verfahrenskostenhilfe zurückzuweisen.
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