Keine
Bindungswirkung einer strafrechtlichen Verurteilung für die Feststellung der
Erbunwürdigkeit nach § 2339 I Nr. 4 BGB (Urkundendelikt in Bezug auf
Verfügung von Todes wegen)
BGH, Beschluß
vom 16. März 2005 - IV ZR 140/04
Fundstelle:
NJW-RR 2005, 1024
Leitsatz:
Zur Bedeutung einer rechtskräftigen
strafrechtlichen Verurteilung bei der Erbunwürdigkeit gemäß § 2339 Abs. 1
Nr. 4 BGB.
Gründe:
Die Beschwerde hat nicht aufzuzeigen vermocht, daß das Berufungsurteil auf
den von ihr geltend gemachten Zulassungsgründen beruht.
1. Zu Recht rügt sie allerdings die Auffassung des Berufungsgerichts, der
Beklagte sei bereits wegen der bindenden Wirkung seiner rechtskräftigen
strafrechtlichen Verurteilung für erbunwürdig zu erklären. Eine Bindung
des Zivilrichters an strafgerichtliche Urteile ist mit der das
Zivilprozeßrecht beherrschenden freien Beweiswürdigung nicht vereinbar
(Stein/Jonas/Schlosser, ZPO 22. Aufl. § 14 EGZPO Rdn. 3). Aus diesem Grund
setzt § 14 Abs. 2 Nr. 1 EGZPO anderslautende landesrechtliche
Prozeßvorschriften außer Kraft. Der Zivilrichter muß sich seine
Überzeugung grundsätzlich selbst bilden und ist regelmäßig auch nicht an
einzelne Tatsachenfeststellungen eines Strafurteils gebunden. Allerdings
darf er bei engem rechtlichen und sachlichen Zusammenhang von Zivil-und
Strafverfahren rechtskräftige Strafurteile nicht völlig unberücksichtigt
lassen, er ist vielmehr gehalten, sich mit den Feststellungen
auseinanderzusetzen, die für seine eigene Beweiswürdigung relevant sind
(BGH, Urteil vom 27. September 1988 - XI ZR 8/88 - BGHR EGZPO § 14 Abs. 2
Nr. 1 Strafurteil 1; BAG, Urteil vom 22. Januar 1998 - 2 AZR 455/97 -NJW
1999, 82 unter II 2 b). Die freie Tatsachenprüfung findet ihre Grenze
nur, soweit Existenz und Inhalt eines Strafurteils
Tatbestandsvoraussetzungen eines Anspruchs bilden (vgl. BGH, Urteil vom
22. September 1982 - IVb ZR 576/80 - NJW 1983, 230 unter 2 zu § 581 ZPO;
siehe ferner etwa §§ 8, 9 StrEntschG).
Letzteres ist bei strafgerichtlichen Verurteilungen wegen der als Gründe
für eine Erbunwürdigkeit in § 2339 Abs. 1 Nr. 1-4 BGB bezeichneten
Handlungen nicht der Fall; nach einhelliger zutreffender Auffassung
scheidet eine Bindungswirkung aus (Staudinger/Olshausen, [2004] BGB § 2339
Rdn. 28; Soergel/Damrau, BGB 13. Aufl. § 2339 Rdn. 2; Deutscher
Erbrechtskommentar/Stiewe, BGB § 2339 Rdn. 2; Weimar, MDR 1962, 633, 634).
Gründe für eine andere Beurteilung bei der Erbunwürdigkeit wegen
Urkundenfälschung sind weder dargetan noch sonst ersichtlich.
2. Trotz dieser vom Berufungsgericht abweichend von der geltenden Rechtslage
behandelten prozeßrechtlichen Frage kommt eine Zulassung der Revision nicht
in Betracht. Die Frage ist nicht entscheidungserheblich; es kann
ausgeschlossen werden, daß das Berufungsgericht bei Verneinung der
Bindungswirkung und ausdrücklicher Berücksichtigung des Berufungsvorbringens
anders entschieden hätte (vgl. nur BGH, Urteil vom 18. Juli 2003 - V ZR
187/02 - NJW 2003, 3205; Beschlüsse vom 11. Februar 2003 - XI ZR 153/02 -
MDR 2003, 647 und vom 19. Dezember 2002 - VII ZR 101/02 - NJW 2003, 831).
Das Landgericht hat unter gebotener Einbeziehung des Strafverfahrens (vgl.
BGH, Urteil vom 27. September 1988 aaO) und insbesondere unter zulässiger
urkundsbeweislicher Verwertung einzelner Beweisergebnisse (vgl. BAG aaO) wie
der erstatteten Schriftgutachten nach entsprechenden ausführlichen Hinweisen
aufgrund umfassender Beweiswürdigung rechts- und verfahrensfehlerfrei sich
die Überzeugung von der Täterschaft des Beklagten verschafft. Das
Berufungsgericht billigt ausweislich seines Hinweisbeschlusses nach § 522
Abs. 2 ZPO vom 19. März 2003 diese Beurteilung des Landgerichts. Im Lichte
dieses Beschlusses ist auch der Satz in den Gründen des Berufungsurteils zu
sehen, wonach das Landgericht den Beklagten zu Recht für erbunwürdig erklärt
hat. Beweisaufnahme, Beweiswürdigung und Beweisergebnis hat die Berufung
nicht wirksam anzugreifen vermocht. Ihr dagegen gerichtetes Vorbringen ist -
wie dies bereits im vorangegangenen Wiederaufnahmeverfahren angenommen
worden ist - unerheblich. Den Beweisangeboten war nicht nachzugehen.
Insbesondere geben die vorgelegten Privatgutachten S. und P. bereits in
Ermangelung ausreichender Untersuchungsgrundlagen keinen Anlaß, an den
überzeugend begründeten Untersuchungsergebnissen der im Strafverfahren
herangezogenen Sachverständigen zu zweifeln. Deren Anhörung hat der Beklagte
trotz entsprechender Hinweise des Landgerichts indes nicht beantragt. Das
Berufungsvorbringen beschränkt sich im Kern auf ein schlichtes Bestreiten,
die Testamente verfaßt zu haben. Das reicht aber angesichts der vom
Landgericht umfassend gewürdigten Umstände und Beweisergebnisse in
Verbindung mit den Einlassungen des Beklagten im Strafverfahren nicht aus.
Es kann daher ausgeschlossen werden, daß das Berufungsgericht im Ergebnis
anders als geschehen entschieden hätte. |