Gläubiger einer Löschungsbewilligung einer nicht valutierten Grundschuld (unteilbare Leistung iSv § 432 BGB); Bereicherungsanspruch aus § 816 II BGB bei Leistung an einen nicht (allein) Berechtigten


BGH, Beschluss vom 9. Mai 2007 - IV ZR 182/06


Fundstelle:

noch nicht bekannt


Amtl. Leitsatz:

Wird die Löschungsbewilligung für eine Grundschuld an den Ersteher eines zwangsversteigerten Grundstücks geleistet, obwohl dieser nach dem Sicherungsvertrag zu deren Entgegennahme nicht - alleine - berechtigt ist, und wird infolge der anschließenden Löschung der Grundschuld dem früheren Eigentümer eine Befriedigungsmöglichkeit genommen, kann diesem ein bereicherungsrechtlicher Ausgleichsanspruch aus § 816 Abs. 2 BGB zustehen.


Zentrale Probleme:

Es geht um einen etwas komplizierten Sachverhalt, der aber einige grundsätzliche sachenrechtliche und bereicherungsrechtliche Fragen aufwirft. Vereinfacht: Die Parteien (frühere Eheleute) hatten ein Grundstück, das in ihrem Miteigentum stand, mit einer Grundschuld belastet. Das Darlehen, welches die Grundschuld sichern sollte, wurde aber nicht ausbezahlt. Damit bestand ein schuldrechtlicher Rückübertragungsanspruch der Eheleute bzgl. der Grundschuld (aus dem Sicherungsvertrag). Als das Grundstück zwangsversteigert wurde, ersteigerte es der Ehemann. Die Grundschuld wurde bei der Feststellung des geringsten Gebots (§ 10 ZVG) berücksichtigt, d.h. sie bleibt stehen und ist vom Erwerber zu übernehmen. Nach Erwerb erhielt der Ehemann von der Bank eine Löschungsbewilligung und lies die Grundschuld löschen. Der Senat stellt klar, daß die Ehegatten hier Gläubiger einer unteilbaren Leistung i.S.v. § 432 BGB waren und die Bank die Löschungsbewilligung nur an beide gemeinsam befreiend leisten konnte. Da die Kl. diese Leistung an einen Nichtberechtigten aber genehmigt hatte (§ 185 II BGB), hat sie gegen den Bekl. einen Anspruch aus § 816 II BGB. Da die Grundschuld gelöscht ist, besteht ein Wertersatzanspruch in Höhe des (anteiligen) Nominalwerts der Grundschuld (§ 818 Abs. 2 BGB).

©sl 2007


Gründe:

1 1. Die Parteien sind seit 25. Januar 1989 geschiedene Eheleute und waren gemeinschaftliche Eigentümer eines Grundstücks, die Klägerin zu 2/3, der Beklagte zu 1/3. Das Grundstück war zum Zeitpunkt seiner Teilungsversteigerung am 11. November 1998 mit einer Briefgrundschuld und einer Buchhypothek, der ein Darlehen zugrunde lag, belastet. Die Briefgrundschuld über 99.000 DM valutierte jedoch nicht mehr; bereits mit Schreiben vom 8. Januar 1993 hatte der Grundschuldgläubiger dem Beklagten den Grundschuldbrief zusammen mit einer notariell beglaubigten Löschungsbewilligung übersandt. Der Beklagte machte hiervon aber erst nach der Versteigerung Gebrauch, so dass die Grundschuld am 8. November 1999 gelöscht wurde. Die Buchhypothek über 140.000 DM valutierte am 11. November 1998 nur noch mit 53.174,83 DM. Bei der Festsetzung des geringsten Gebotes waren beide Grundpfandrechte mit ihrem vollen Nominalbetrag berücksichtigt worden; im Zuschlagbeschluss zugunsten des Beklagten wurden sie als weiter bestehend festgestellt.

2 Die Klägerin verlangt vom Beklagten zum einen Nachzahlung von 2/3 des Nominalbetrages der Grundschuld, zum anderen Erstattung von ihr gezahlter Darlehensraten samt Zinsen sowie Freistellung vom noch offenen Restdarlehensbetrag. Das Berufungsgericht hat der Klage in Abänderung des landgerichtlichen Urteils bis auf einen Teil des Zinsanspruchs stattgegeben.

3 2. Die Revision ist nur hinsichtlich des Zuzahlungsanspruchs aus der Briefgrundschuld zugelassen und damit im Übrigen nicht statthaft (§§ 543 Abs. 1 Nr. 1, 552 ZPO).

4 Das Berufungsgericht hat die Revision zugelassen, "da die Fortbildung des Rechts und die Sicherung einer einheitlichen Rechtsprechung eine Entscheidung des Revisionsgerichts" erforderten, "wie die oben dargestellten unterschiedlichen Entscheidungen zeigen". Darin kommt in zulässiger Weise eine konkludente Beschränkung der Revisionszulassung zum Ausdruck (vgl. BGHZ 155, 392, 394; Senatsurteil vom 22. März 2006 - IV ZR 6/04 - NJW-RR 2006, 1091 unter II 1).

5 Nur für den Zuzahlungsanspruch hinsichtlich der Briefgrundschuld hat das Berufungsgericht überhaupt "unterschiedliche(n) Entscheidungen" dargestellt. Da schließlich die Ansprüche hinsichtlich beider Grundpfandrechte Gegenstand eines Teilurteils sein können, ist eine Beschränkung der Zulassung möglich (st. Rspr. Senatsurteil vom 22. März 2006 aaO m.w.N.).

6 3. Soweit die Revision zugelassen ist, liegen die Voraussetzungen für die Zulassung nicht vor (§ 552a ZPO).

7 a) Grundsätzliche Bedeutung kommt einer Rechtssache nicht schon dann zu, wenn sie lediglich in Zusammenhang mit einer abstrakt generell formulierten Rechtsfrage gebracht wird. Erforderlich ist vielmehr, dass die Rechtssache diese Rechtsfrage als entscheidungserheblich, klärungsbedürftig und klärungsfähig aufwirft und deshalb das abstrakte Interesse der Allgemeinheit an der einheitlichen Entwicklung und Handhabung des Rechts berührt (BGHZ 154, 288, 291; 152, 182, 191). Das Berufungsgericht hat den Zuzahlungsanspruch der Klägerin zu Recht auf § 816 Abs. 2 BGB und hilfsweise zusätzlich auf die analoge Anwendung von § 50 ZVG gestützt. Vor diesem Hintergrund stellt sich die Wahl der tatsächlich einschlägigen Anspruchsgrundlage als rein abstrakte Rechtsfrage dar.

8 b) Der vom Berufungsgericht nach einem Zwangsversteigerungsverfahren bejahte Anspruch aus § 816 Abs. 2 BGB ist grundsätzlich anerkannt, wenn zwischen dem Grundpfandrechtsgläubiger und dem Ersteigerer eine Leistungsbeziehung besteht (BGH, Urteil vom 9. Februar 1989 - IX ZR 145/87 - NJW 1989, 1349 unter III, insofern in BGHZ 106, 375 nicht abgedruckt; OLGR München 2006, 562; Stöber, ZVG 18. Aufl. § 50 Rdn. 3 a.E.; vgl. auch BGH, Urteil vom 23. März 1993 - XI ZR 167/92 - NJW 1993, 1919 unter I 2 b bb). Eine solche Leistungsbeziehung hat das Berufungsgericht hier im Ergebnis zutreffend angenommen.

9 Wie sich aus Ziff. II 2 der Grundschuldbestellung/Sicherungsabrede ergibt, schuldete die Grundschuldgläubigerin nur die Erteilung der Löschungsbewilligung, nicht aber die eigentliche Löschung der Grundschuld. Die Übersendung der Löschungsbewilligung diente der Erfüllung des Rückgewähranspruchs aus dem Sicherungsvertrag.

10 Diese Leistung erfolgte an den Beklagten als Nichtberechtigten. Der schuldrechtliche Anspruch auf Rückgewähr der Grundschuld durch Löschungsbewilligung ist unteilbar (vgl. BGH, Urteil vom 21. Dezember 1984 - V ZR 204/83 - NJW 1985, 849 unter 2); im Außenverhältnis gilt § 432 Abs. 1 BGB (BGH, Beschluss vom 31. Januar 1995 - XI ZR 30/94 -NJW-RR 1995, 589 unter II 1; Urteil vom 13. Januar 1993 - XII ZR 212/90 - NJW-RR 1993, 386 unter B II 4 a). Die Erteilung der Löschungsbewilligung allein an den Beklagten konnte die Grundschuldgläubigerin deshalb nicht befreien (vgl. OLG Hamm, Beschluss vom 28. September 1989 - 27 W 59/89 - juris Tz. 3). Hieran vermag Ziff. II 9 der Sicherungsabrede, wonach die Grundschuldgläubigerin bei mehreren Schuldnern oder Eigentümern die Unterlagen, die sich auf das Schuldverhältnis und seine Sicherung beziehen, einem von diesen überlassen kann, nichts zu ändern. Schlösse diese Allgemeine Geschäftsbedingung auch die Erteilung der Löschungsbewilligung ein, läge hierin eine unangemessene Benachteiligung der Klägerin (vgl. BGHZ 108, 98, 99 ff.).

11 Mit der Erhebung ihrer Klage hat die Klägerin die Leistung an den nichtberechtigten Beklagten genehmigt (§ 182 Abs. 1 BGB; vgl. BGH, Urteil vom 15. Mai 1986 - VII ZR 211/85 - NJW 1986, 2430 unter II 1 m.w.N.). Der Beklagte hat den in der Entlastung des 2/3-Grundstücksanteils der Klägerin vom Nominalwert der gelöschten Grundschuld verkörperten Wert der Löschungsbewilligung zu ersetzen (§ 818 Abs. 1, 2 BGB).

12 c) Ob bei fehlender Leistungsbeziehung eine analoge Anwendung von § 50 ZVG in Betracht kommt (so OLGR Hamm 2002, 276 gegen BGH, Urteil vom 23. März 1993 aaO unter II), bedarf keiner Erörterung. Ein solcher Fall liegt hier nicht vor.