Erbrechtliche Anrechung
bei lebzeitigen Zuwendungen im Wege "vorweggenommener Erbfolge" und
Pflichtteilsrecht: Anrechnung auf Erbteil oder/und Pflichtteil, Abgrenzung
zwischen § 2315 und § 2316 BGB
BGH v. 27.1.2010 - IV ZR
91/09 -
Fundstelle:
NJW 2010, 3023
für BGHZ vorgesehen
Amtl. Leitsatz:
a) Erfolgt eine Zuwendung "im Wege
vorweggenommener Erbfolge unentgeltlich", ist für die Pflichtteilsberechnung
im Auslegungsweg zu ermitteln, ob der Erblasser damit eine Ausgleichung
gemäß §§ 2316 Abs. 1, 2050 Abs. 3 BGB, eine Anrechnung gemäß § 2315 Abs. 1
BGB oder kumulativ Ausgleichung und Anrechnung gemäß § 2316 Abs. 4 BGB
anordnen wollte.
b) Ausschlaggebend für den Willen des Erblassers ist, ob mit seiner
Zuwendung zugleich auch eine Enterbung des Empfängers mit bloßer
Pflichtteilsberechtigung festgelegt (Anrechnung) oder aber nur klargestellt
werden sollte, dass der Empfänger lediglich zeitlich vorgezogen bedacht
wird, es im Übrigen aber bei den rechtlichen Wirkungen einer Zuwendung im
Erbfall verbleiben soll (Ausgleichung).
c) Genügen Erben im Rahmen ihrer Darlegungs- und Beweislast - soweit ihnen
möglich - konkret zum Wert der Zuwendung vorzutragen, obliegt es dem
Pflichtteilsberechtigten im Rahmen der ihn treffenden Auskunftspflichten
diesem Vorbringen seinerseits substantiiert zu entgegnen.
Zentrale Probleme:
Eine sehr lehrreiche Entscheidung zur Frage der
Ausgleichung von Vorempfängen, wenn der Erblasser unter Lebenden im Rahmen
"vorweggenommener Erbfolge" Vermögen übertragen hat. Die Entscheidung legt
lehrbuchartig die Varianten dar, die hier gemeint sein können: Anrechnung
auf den Erbteil würde bedeuten, daß bei der Frage des Pflichtteilswertes
zunächst ein in seinem Wert geminderter gesetzlicher Erbteil als
Berechnungsgrundlage dient. Davon gibt es dann als Pflichtteil die Hälfte.
Es kann aber auch eine direkte Anrechnung auf den Pflichtteil erfolgen (§
2315 BGB), was für den Betroffenen ungünstiger ist. Schließlich ist auch
noch eine Kombination denkbar.
Der Stoff der Entscheidung überschreitet wohl dasjenige, was (in Bayern) von
der JAPO für das erste Examen verlangt wird ("Gründzüge des Erbrechts").
Aber: non scholae sed vitae ....
©sl 2010
Tatbestand:
1 Der Kläger macht gegen seine Schwester (Beklagte zu 1) und
deren Kinder (Beklagte zu 2 und 3) Pflichtteils- und
Pflichtteilsergänzungsansprüche nach der 2005 verstorbenen Mutter bzw.
Großmutter der Parteien (Erblasserin) geltend.
2 Mit Vertrag vom 31. Dezember 1981 (Übergabevertrag) übertrug die
Erblasserin mit Wirkung zum 1. Januar 1982 den 1965 von ihrem Ehemann (Vater
bzw. Großvater der Parteien) geerbten und seitdem von ihr betriebenen
Großhandel für Herrentextilien und Herrenaccessoires auf den Kläger. Die
Übertragung erfolgte gemäß Nr. 7 des Übergabevertrages "im Wege der
vorweggenommenen Erbfolge unentgeltlich".
3 Der Kläger führte den Betrieb bis 1996 fort.
4 Durch notarielles Testament vom 4. Januar 1985 setzte die Erblasserin die
Beklagten zu ihren Erben ein.
5 Der Kläger berechnet seinen Pflichtteil zuletzt auf 190.742,98 € nach
einem aufgrund erstinstanzlicher Beweisaufnahme von ihm angenommenen
Nachlasswert von 762.871,93 €; hinzu komme eine Pflichtteilsergänzung in
Höhe von 5.965 € aufgrund einer Schenkung der Erblasserin an die Beklagte zu
3 über 23.859,44 €.
6 Die Beklagten sind der Auffassung, dem Kläger stünden wegen der
Übertragung des Großhandelsbetriebes und wegen umfangreicher nach § 2057a
BGB auszugleichender Sonderleistungen keine erbrechtlichen Ansprüche mehr
zu. Nach Ansicht des Klägers hat dagegen der Betrieb bei Übertragung keinen
Wert gehabt.
7 Beide Vorinstanzen haben unter Berücksichtigung der Betriebsübertragung
1981 die Klage abgewiesen. Mit der Revision verfolgt der Kläger sein
Zahlungsbegehren weiter.
Entscheidungsgründe:
8 Die Revision hat Erfolg. Sie führt zur Aufhebung der angefochtenen
Entscheidung und Zurückverweisung der Sache an das Berufungsgericht.
9 I. Das Berufungsgericht hält den Kläger wegen der ihm im Wege
"vorweggenommener Erbfolge" übergebenen Firma nach den §§ 2316 Abs. 1, 2050
Abs. 3 BGB für ausgleichspflichtig. Mit Rücksicht darauf könnten
Pflichtteils- und Pflichtteilsergänzungsansprüche nicht festgestellt werden,
selbst wenn zu seinen Gunsten von einem Nachlasswert von 762.871,93 €
ausgegangen und keine Ausgleichung besonderer Leistungen der Beklagten zu 1
nach § 2057a BGB vorgenommen werde.
10 Der Kläger habe den Vortrag der Beklagten, er habe bezogen auf den
Todestag der Erblasserin mit dem ihm übertragenen Betrieb einen Vorempfang
in Höhe von 400.000 € bis 450.000 € erhalten, nicht substantiiert
bestritten. Zwar treffe die Beklagten die Beweislast für das Bestehen von
Ausgleichspflichten. Der Kläger trage aber eine sekundäre Darlegungslast für
den Wert der Zuwendung im Umfang seiner Auskunftspflicht gemäß § 2057 BGB.
Der habe er nicht genügt, weil er die Unterlagen, die zur Feststellung des
Unternehmenswertes mit betriebswirtschaftlicher Methode notwendig seien -
vor allem die Bilanzen und Gewinn- und Verlustrechnungen der letzten fünf
Jahre vor dem Betriebsübergang - nicht vorgelegt habe.
11 Sein Vortrag, er sei niemals im Besitz dieser Unterlagen gewesen, sei
unglaubhaft. Selbst wenn ihm aber heute in Ermangelung weiterer noch
vorhandener Unterlagen eine Substantiierung des Unternehmenswertes nicht
möglich sein sollte, müsse ihm wegen schuldhafter Beweisvereitelung die
Beweislast für einen die Klageforderung zumindest teilweise rechtfertigenden
Wert der Zuwendung auferlegt werden. Eine Schätzung des Unternehmenswertes
gemäß § 287 ZPO sowie weitere Sachaufklärung durch Vernehmung des
Steuerberaters oder Einholung eines Sachverständigengutachtens scheide in
Ermangelung belastbarer Anknüpfungstatsachen aus.
12 II. Das hält rechtlicher Nachprüfung nicht stand.
13 Bereits der Ansatz des Berufungsgerichts, der Kläger könne bei
unentgeltlichen Zuwendungen im Wege der "vorweggenommenen Erbfolge" - nur -
gemäß § 2316 Abs. 1 BGB i.V. mit § 2050 Abs. 3 BGB ausgleichspflichtig sein,
ist nicht frei von Rechtsirrtum. Das Berufungsgericht schließt damit die
weiteren vom Gesetz in §§ 2315 Abs. 1 und 2316 Abs. 4 BGB vorgesehenen
Möglichkeiten, wie Vorempfänge bei der Ermittlung von Pflichtteilsansprüchen
zu berücksichtigen sein können, von vornherein aus, ohne dass dafür eine
Grundlage benannt wird oder sonst ersichtlich ist (1). Aber auch die nur
unvollkommen angegebene und daher nicht sicher nachvollziehbare Berechnung
der Ausgleichspflicht gemäß § 2316 Abs. 1 BGB ist rechtsfehlerhaft (2). Eine
eigene Sachentscheidung gemäß § 563 Abs. 3 ZPO ist dem Senat mangels
Entscheidungsreife nicht möglich (3).
14 1. Ob und wie Vorempfänge sich auf eine Pflichtteilsberechnung
auswirken, hängt zunächst davon ab, welche Anordnungen der Erblasser bei der
Zuwendung getroffen hat.
15 a) In Betracht kommen dafür erstens die Anordnung, die Zuwendung zur
Ausgleichung zu bringen gemäß §§ 2316 Abs. 1, 2050 Abs. 3 BGB, zweitens die
Bestimmung, die Zuwendung auf den Pflichtteil anzurechnen gemäß § 2315 Abs.
1 BGB, sowie drittens gemäß § 2316 Abs. 4 BGB die Zuwendung nach beiden
vorgenannten Bestimmungen auszugleichen und zugleich anzurechnen. Dabei
folgt die Ermittlung des Ausgleichs-, Anrechnungs- oder
Ausgleichs-/Anrechnungspflichtteils nach den jeweiligen tatbestandlichen
Voraussetzungen ganz unterschiedlichen Berechnungsweisen, die je nach den
Umständen des Falles insbesondere den Vermögensverhältnissen, Vorempfängen
und Pflichtteilsberechtigten auch zu ganz unterschiedlichen Ergebnissen
führen können (vgl. statt aller MünchKomm-BGB/Lange, 4. Aufl. § 2315 Rdn. 11
ff., § 2316 Rdn. 9 ff., 20 ff.). Das erklärt sich aus den verschiedenen
Berechnungssystemen, nach denen - zusammengefasst - bei einer Ausgleichung
der Wert der Zuwendung von dem Erbteil abgezogen und erst von diesem so
ermittelten Betrag der Pflichtteil berechnet wird, während bei einer
Anrechnung der Pflichtteil zunächst selbst berechnet und dann von diesem
Pflichtteil der Wert der Zuwendung abgezogen wird (vgl. Sostmann,
MittRheinNotK 1976, 479, 493). Bei einer gleichzeitigen Ausgleichungs- und
Anrechnungsanordnung ist schließlich zunächst der Pflichtteil im Wege der
Ausgleichung zu bestimmen und dieser Wert danach um die Hälfte des
Zuwendungswertes zu kürzen (vgl. Thubauville, MittRheinNotK 1992, 289, 300).
Nach den jeweiligen Vermögensverhältnissen und Pflichtteilsberechtigungen
kann eine "Anrechnung auf den Erb- und Pflichtteil" gemäß § 2316 Abs. 4 BGB
sogar dazu führen, dass der Pflichtteil des Zuwendungsempfängers größer ist,
als wenn nur die Anrechnung angeordnet wäre; bei lediglich
pflichtteilsberechtigten Abkömmlingen und nur einer berücksichtigungsfähigen
Zuwendung ist der Pflichtteil des Zuwendungsempfängers bei Anwendung des §
2315 Abs. 1 BGB oder des § 2316 Abs. 4 BGB allerdings gleich (vgl. Soestmann
aaO S. 494 f., 515).
16 b) Welche dieser Regelungen zur Anwendung kommt, wenn die Zuwendung -
wie hier von der Erblasserin und dem Kläger im Übergabevertrag ausdrücklich
festgelegt - im Wege "vorweggenommener Erbfolge unentgeltlich" vorgenommen
worden ist, kann nur durch Auslegung ermittelt werden (vgl. RG JW 1925,
2124 Nr. 13; SeuffArch 76 Nr. 57; Recht 1904, 284 Nr. 1312; OLG Düsseldorf
ZEV 1994, 173 m. Anm. Baumann S. 174; SchlHOLG ErbR 2008, 329 m. Anm.
Pastewski S. 331 f.; Staudinger/Haas, BGB [2006] § 2315 Rdn. 19, 23;
MünchKomm-BGB/ Lange aaO § 2316 Rdn. 12; Soergel/Dieckmann, BGB 13. Aufl. §
2315 Rdn. 6; Erman/W. Schlüter, BGB 12. Aufl. § 2315 Rdn. 4, jeweils m.v.w.N.).
Der Senatsrechtsprechung ist nicht etwa - wie das Berufungsgericht
angenommen haben könnte - zu entnehmen, dass damit stets nur eine
Ausgleichungsanordnung gemäß § 2316 Abs. 1 BGB gemeint sein kann. Vielmehr
hat der Senat lediglich anerkannt, dass es - abhängig von den jeweiligen
Umständen - möglich ist, eine solche Wendung als Ausgleichsanordnung zu
verstehen (BGHZ 82, 274, 278; Urteil vom 12. Oktober 1988 - IVa ZR 166/87 -
FamRZ 1989, 175 unter I 2).
17 Mit "vorweggenommener Erbfolge" wird zunächst nur die Übertragung von
Vermögen (oder eines wesentlichen Teils davon) durch den (künftigen)
Erblasser auf einen oder mehrere als (künftige) Erben in Aussicht genommene
Empfänger beschrieben. Sie richtet sich im Grundsatz nicht nach Erbrecht,
sondern den Rechtsgeschäften unter Lebenden mit ihren vielfachen
Gestaltungsmöglichkeiten. Es obliegt weithin dem Tatrichter durch Auslegung
zu ermitteln, was die Parteien des Rechtsgeschäfts vereinbart haben (BGHZ
113, 310, 313; Senatsurteil vom 1. Februar 1995 - IV ZR 36/94 - NJW 1995,
1349 unter 2 a = juris Tz. 11).
Dieser tatrichterlichen Aufgabe hat das Berufungsgericht nicht genügt, indem
es ohne weiteres meint, allein wegen der Verwendung des Begriffes
"vorweggenommene Erbfolge" im Vertragstext von einer Ausgleichung ausgehen
zu müssen. Sofern es sich darin durch einen unzureichenden Parteivortrag
bestärkt gesehen haben sollte, hätte es eines rechtlichen Hinweises gemäß §
139 ZPO bedurft, da dies offensichtlich von den Parteien so nicht erkannt
worden ist, zumal ihre Wortwahl in den Schriftsätzen zur Frage, wie die
Zuwendung sich auf den Pflichtteil auswirkt, zwischen "Anrechnung" und
"Ausgleichung" wechselt, ohne erkennbar auf die spezifischen nach dem
Gesetzestext damit verbundenen rechtlichen Konsequenzen abzielen zu wollen.
18 c) Begriff und Motivation legen es bei einer "vorweggenommenen Erbfolge"
zunächst eher nahe, dass damit die Eigentumsübertragung als mit Rücksicht
auf das künftige Erbrecht umschrieben werden soll (Senatsurteil vom 1.
Februar 1995 aaO), was wiederum für eine Ausgleichsanordnung spricht, weil
so die Berücksichtigung der Zuwendung auf den Erbteil, nicht aber auf den
Pflichtteil bezogen wird (vgl. SchlHOLG aaO; Pastewski aaO). In einer
solchen Anordnung mit Bezug auf den Erbteil ist die Bestimmung der
Anrechnung auf den Pflichtteil daher nicht ohne weiteres enthalten, was
durch die Entstehungsgeschichte des § 2315 BGB verstärkt wird: Die
ursprünglich in § 2288 Abs. 2 Satz 1 der Reichstagsvorlage vorgesehene
Auslegungsregel, im Zweifel sei von einer Anrechnung auszugehen, wurde von
der Reichstagskommission als zu weitgehend gestrichen (RG SeuffArch aaO;
Pastewski aaO m.w.N.).
19 Eine pflichtteilsmindernde Anrechnungsbestimmung, die auch kon-kludent
erfolgen kann (vgl. nur RGZ 67, 306 f.; OLG Düsseldorf aaO; MünchKomm-BGB/Lange
aaO § 2315 Rdn. 6), ist damit jedoch keineswegs ausgeschlossen. Nach den
jeweiligen Umständen können solche Erklärungen des Erblassers durchaus so zu
verstehen sein, dass der Vorempfang ganz allgemein von allem abgezogen
werden soll, was der Empfänger aus dem Nachlass zu erhalten habe und zwar in
dem Sinne, dass er auf das beschränkt sein soll, was er durch die Zuwendung
unter Lebenden von dem Erblasser bereits erhalten hat; die "Bestimmung der
Anrechnung auf den Erbteil ... (schließt) ... die Auslegung nicht aus, dass
damit auch die Anrechnung auf den Pflichtteil bestimmt" ist (so ausdrücklich
RG JW 1925, 2124 f.).
20 d) Entscheidend ist nach alledem der im Auslegungsweg zu ermittelnde
Erblasserwille, ob mit der Zuwendung zugleich auch eine Enterbung des
Empfängers mit bloßer Pflichtteilsberechtigung gewünscht war und im
Übergabevertrag festgelegt werden sollte, oder ob die Klausel lediglich
klarstellen sollte, dass der Empfänger das, was er an sich erst mit dem Tode
des Erblassers erhalten sollte, nun schon zu Lebzeiten bekommt, im Übrigen
es aber bei den rechtlichen Wirkungen einer Zuwendung im Erbfall verbleiben
soll (vgl. zum Ganzen Sostmann aaO S. 482 ff., 489 ff.; Thubauville aaO S.
297). Der erkennbare Erblasserwille muss für die Annahme einer
Anrechnungsbestimmung gemäß § 2315 Abs. 1 BGB mithin auf eine Kürzung der
dem Empfänger am Restnachlass zustehenden Pflichtteilsrechte gerichtet sein,
wobei aber die Enterbungsabsicht bei Formulierung der Anrechnungsbestimmung
noch nicht bestanden haben muss; es reicht, dass der Erblasser die
Möglichkeit in Betracht gezogen hat (Staudinger/Haas aaO § 2315 Rdn. 21).
21 Diese Ermittlung des Erblasserwillens erfordert eine Gesamtbewertung
aller relevanten Umstände, wobei insbesondere auch die zeitlichen
Zusammenhänge zwischen Zuwendung und Testamentserrichtung, der
Vermögensgegenstand und seine wirtschaftliche Nutzbarkeit durch den
Empfänger vor dem Erbfall sowie die Größenordnung der vorgezogenen
Vermögenszuwendung zu berücksichtigen sind. Ebenso können Vorstellungen des
Erblassers über eine gleichmäßige Behandlung von Abkömmlingen eine Rolle
spielen, wobei zu beachten ist, dass ein solcher Erblasserwille bei der
Berechnung des Ausgleichspflichtteils i.S. von § 2316 Abs. 1 BGB an Grenzen
stößt, weil enterbte Vorempfänger rechnerisch mit der Hälfte des Vorempfangs
begünstigt bleiben, was einer etwa beabsichtigten völligen Gleichstellung
entgegensteht (vgl. MünchKomm-BGB/Lange aaO § 2316 Rdn. 12; Soergel/Dieckmann
aaO § 2316 Rdn. 12). Die Beweislast für eine pflichtteilsmindernde
Anrechnungsbestimmung i.S. von § 2315 Abs. 1 BGB bleibt indes letztlich beim
Erben (MünchKomm-BGB/Lange aaO § 2315 Rdn. 6; Soergel/Dieckmann aaO § 2315
Rdn. 6).
22 2. Nach den vom Berufungsgericht wohl in seine Berechnung eingestellten
Werten (Nachlass 762.871,93 €; auf den Erbfallzeitpunkt inde-xierte
Zuwendung, vgl. BGHZ 96, 174, 181, 400.000 €) trifft seine Annahme nicht zu,
dass mit Rücksicht auf die zugrunde gelegte Ausgleichspflicht gemäß § 2316
Abs. 1 BGB ein Pflichtteils- oder Pflichtteilsergänzungsanspruch nicht
festgestellt werden könne.
23 Dieses Ergebnis ist bei den genannten Zahlen allerdings im Falle einer
Anrechnungsbestimmung gemäß § 2315 Abs. 1 BGB zu erreichen, was
möglicherweise dem Berufungsgericht bei dem Verständnis der Regelung in Nr.
7 des Übergabevertrages vorgeschwebt hat. Denn der Anrechnungspflichtteil
aus Pflichtteil abzüglich Zuwendung ergibt rechnerisch einen negativen Wert
(762.871,93 € + 400.000 € = 1.162.871,93 € : 4 = 290.717,98 € abzügl.
400.000 € = -109.282,02 €).
24 Bei einer Ausgleichung verbleibt hingegen - was die Revision zutreffend
darlegt - ein positiver Ausgleichungspflichtteil (762.871,93 € + 400.000 € =
1.162.871,93 € : 2 [Abkömmlinge] = 581.435,97 € -400.000 € = 181.435,97 € x
1/2 = 90.717,99 €).
25 Bei einer Kombination von Ausgleichung und Anrechnung scheiden hier
wiederum Pflichtteilsansprüche aus, da die Differenz aus
Ausgleichungspflichtteil und halbem Vorempfang - wie bei einer Anrechnung
allein - negativ ist (90.717,98 € - 200.000 € = -109.282,02 €).
26 Je nachdem, wie die vom Erblasser und Kläger im Übergabevertrag
vereinbarte unentgeltliche Betriebsübergabe 1982 "im Wege der
vorweggenommenen Erbfolge" gemeint gewesen ist - nur Erbteils- oder auch
Pflichtteilsbezug -, entscheidet sich, ob für den Kläger überhaupt noch ein
Pflichtteils- und Pflichtteilsergänzungsanspruch in Betracht kommen kann.
27 3. Darüber wird der Tatrichter zunächst erneut zu befinden haben.
28 Der Senat weist für die - je nach dem Ergebnis - gegebenenfalls
erforderliche weitere Bearbeitung vorsorglich auf folgendes hin: Neben der
Feststellung des Nachlasswertes bedarf es auch der des Wertes der Zuwendung.
Die Beklagten haben im Rahmen der ihnen auch bezüglich
berücksichtigungsfähiger Zuwendungen obliegenden Darlegungs- und Beweislast
zum Unternehmenswert ausreichend substantiiert vorgetragen. Mehr ist ihnen
insbesondere angesichts des Umstandes nicht möglich, dass dem Kläger laut
Nr. 8.3 Übergabevertrag sämtliche für die (Fort-)Führung des Betriebes
notwendigen und zweckmäßigen Unterlagen übergeben worden sind. Hinzu kommt -
worauf das Berufungsgericht ebenfalls zutreffend abstellt -, dass er gemäß
Nr. 5.4 Abs. 2 und Nr. 6 Übergabevertrag Steuernachforderungen aufgrund
einer steuerlichen Außenprüfung für den Zeitraum bis 31. Dezember 1981 und
sämtliche im Unternehmen begründete Verbindlichkeiten nach der Bilanz zum
31. Dezember 1981 übernommen hat, was ohne den Erhalt der entsprechenden
Betriebsunterlagen aus der Zeit vor der Betriebsübergabe für ihn nicht
nachzuvollziehen gewesen wäre. Dem Kläger obliegt es daher jetzt, dem
Vorbringen der Beklagten seinerseits substantiiert zu entgegnen. Sein
Vortrag reicht dafür bislang nicht aus. Unter Berücksichtigung, dass seine
Auskunftspflichten aus § 2057 BGB oder zusätzlich aus § 242 BGB auch
wertbildende Faktoren der Zuwendung erfassen können (vgl. MünchKomm-BGB/Heldrich
aaO § 2057 Rdn. 6 m.w.N. in Fn. 11), geht zu seinen Lasten, wenn er sich
nicht in der Lage sieht, so konkret und zusammenhängend vorzutragen, dass
daraus gegebenenfalls unter sachverständiger Beratung und durch Vernehmung
von Zeugen zu einzelnen streitigen Punkten der Wert des Betriebes im
Zeitpunkt der Übergabe erschlossen werden kann. Punktuelle und teilweise
wenig plausible Angaben wie etwa zu einem Kapitalkonto, Geldzuflüssen aus
Spielgewinnen oder sonstigen steuerlichen Aspekten genügen dafür nicht.
29 Schließlich können Pflichtteilsrestansprüche solange nicht zugesprochen
werden, als Feststellungen zu der bislang - aus Sicht des Berufungsgerichts
folgerichtig - offen gelassenen Frage fehlen, inwieweit die Beklagte zu 1
besondere Leistungen gemäß § 2057a BGB zur Ausgleichung bringen kann.
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