Verjährungshemmung durch Rechtsverfolgung nach § 204 BGB n.F. und
Zulässigkeit des Rechtsbehelfs
BGH, Urteil
vom 28. September 2004 - IX ZR 155/03
Fundstelle:
NJW 2004, 3772
für BGHZ vorgesehen
Zentrales Problem:
Im konkreten Fall geht es - im
Zusammenhang mit dem neuen Verjährungsrecht - darum, ob auch ein erfolgloser
Antrag zur Zuständigkeitsbestimmung nach § 204 Nr. 13 die Verjährung hemmt.
Über die - vom BGH bejahte - Frage hinaus beschäftigt sich die Entscheidung
mit dieser Frage in einem generellen, auch die übrigen Hemmungstatbestände
des § 204 BGB einbeziehenden Kontext.
©sl 2004
Amtl. Leitsatz:
Die Verjährung des Anfechtungsanspruchs
wird auch durch einen erfolglosen Antrag des Insolvenzverwalters auf
Zuständigkeitsbestimmung gegenüber den in der Antragsschrift bezeichneten
Anfechtungsgegnern bei nachfolgend fristgerechter Klage gehemmt.
Tatbestand:
Der Kläger macht gegen die Beklagte Rückzahlungsansprüche aus
Insolvenzanfechtung geltend. Die Beklagte erwirkte am 30. Juni 1999 einen
Vollstreckungsbescheid gegen die A. GmbH (fortan: Schuldnerin) über
23.978,87 DM und leitete danach die Zwangsvollstreckung ein. Zur Abwendung
der Zwangsvollstreckung stellte die Schuldnerin am 25. August 1999 einen
Scheck über 7.271,16 DM und am 28. Oktober 1999 einen weiteren Scheck über
2.000 DM aus, welche die Beklagte einlöste. Am 16. November 1999 zahlte die
Schuldnerin weitere 10.728,84 DM. Auf einen am 14. Februar 2000
eingegangenen Antrag hin eröffnete das Amtsgericht Leipzig am 4. April 2000
das Insolvenzverfahren über das Vermögen der Schuldnerin und bestellte den
Kläger zum Insolvenzverwalter.
Mit einem am 2. April 2002 beim Oberlandesgericht Dresden eingegangenen
Schriftsatz beantragte der Kläger, ein gemeinsames Gericht für eine Klage
gegen 68 Gläubiger der Schuldnerin - darunter die Beklagte - zu bestimmen,
von denen der Kläger Beträge im Wege der Insolvenzanfechtung zurückforderte.
Das Oberlandesgericht wies den Antrag mit Beschluß vom 6. Mai 2002 zurück,
weil seiner Ansicht nach weder die Voraussetzungen für eine notwendige noch
für eine einfache Streitgenossenschaft vorlagen. Der Beschluß ging dem
Kläger am 16. Mai 2002 zu. Gegenüber der vom Kläger am 14. August 2002
eingereichten und der Beklagten am 20. August 2002 zugestellten Klage beruft
sich die Beklagte auf Verjährung und bestreitet die Voraussetzungen einer
Insolvenzanfechtung.
Die Klage ist in den Vorinstanzen erfolglos geblieben. Mit der -
zugelassenen - Revision verfolgt der Kläger sein Begehren weiter.
Entscheidungsgründe:
Die
Revision des Klägers ist begründet.
I. Das Berufungsgericht hat angenommen, der Anfechtungsanspruch sei gemäß §
146 InsO verjährt. Zwar habe der Kläger den Antrag auf
Zuständigkeitsbestimmung rechtzeitig beim Oberlandesgericht eingereicht und
auch innerhalb von drei Monaten nach Ablehnung des Gesuchs Klage erhoben.
Eine Hemmung der Verjährung sei jedoch nicht eingetreten. Nach dem Wortlaut
des § 204 Abs. 1 Nr. 13 BGB setze die Hemmung voraus, daß das angerufene
höhere Gericht aufgrund des Vortrags in der Lage sei, ein zuständiges
Gericht zu bestimmen. Ohne Gerichtsstandsbestimmung liege eine
Sachentscheidung im Sinne des § 204 Abs. 1 Nr. 13 BGB nicht vor.
II. Dies hält rechtlicher Prüfung nicht stand.
1. Das Berufungsgericht hat zu Recht das seit dem 1. Januar 2002 geltende
Verjährungsrecht angewendet (Art. 229 § 6 Abs. 1 Satz 1 EGBGB).
Ebenfalls zutreffend ist das Berufungsgericht davon ausgegangen, daß der
anfechtungsrechtliche Rückgewähranspruch ohne Berücksichtigung einer Hemmung
durch das Zuständigkeitsbestimmungsverfahren bei Einreichung der Klage nach
§ 146 Abs. 1 InsO verjährt gewesen wäre. Zu Unrecht hat das Berufungsgericht
jedoch im Streitfall eine Hemmung der Verjährung verneint.
2. Das Berufungsgericht hat § 204 Abs. 1 Nr. 13 BGB zu eng ausgelegt. Die
Vorschrift hemmt die Verjährung auch dann, wenn der Antrag auf Bestimmung
der Zuständigkeit erfolglos bleibt (Staudinger/Peters, BGB 13. Bearb. 2004,
§ 204 Rn. 110; MünchKomm-ZPO/Patzina, 2. Aufl. § 37 Rn. 3).
a) Eine verbreitete Ansicht in der Literatur meint, daß die Hemmung der
Verjährung nach § 204 Abs. 1 Nr. 13 BGB eine "Sachentscheidung" voraussetze
(Palandt/Heinrichs, BGB 63. Aufl. § 204 Rn. 28; AnwKomm-BGB/Mansel,
Schuldrecht § 204 Rn. 38; Bamberger/Roth/Henrich, BGB § 204 Rn. 43;
MünchKomm-BGB/Grothe, 4. Aufl. Bd. 1a § 204 Rn. 57; Mansel/Budzikiewicz, Das
neue Verjährungsrecht § 8 Rn. 79; ebenso zu § 210 BGB a.F. Soergel/Niedenführ,
BGB 13. Aufl. § 210 Rn. 3). Von einem Teil des Schrifttums wird darüber
hinaus auch vertreten, die Unterbrechungs- oder Hemmungswirkung eines
Antrags auf Zuständigkeitsbestimmung trete nur ein, wenn ein solcher Antrag
Erfolg habe (Musielak/Smid, ZPO 3. Aufl. § 37 Rn. 3;
Wieczorek/Schütze/Hausmann, ZPO 3. Aufl. § 37 Rn. 4; Herz, Die gesetzliche
Zuständigkeitsbestimmung 1990 S. 118; wohl auch BGB-RGRK/Johannsen, 12.
Aufl. § 210 Rn. 1).
b) Damit werden indes die schutzwürdigen Interessen des Schuldners
überbewertet. Die Vorschrift des § 204 Abs. 1 Nr. 13 BGB schützt den
Gläubiger, der darauf angewiesen ist oder darauf Wert legt, für die von ihm
beabsichtigte Klage oder Klagehäufung ein zuständiges Gericht bestimmt zu
erhalten.
Der mit dem Bestimmungsverfahren einhergehende Zeitverlust kann für ihn
insbesondere bei kurzen Verjährungsfristen gefährlich werden. Hier hemmt §
204 Abs. 1 Nr. 13 BGB die Verjährung, damit der Gläubiger eine gegenüber
anderen Gläubigern gleichwertige Chance hat, seinen Anspruch durchzusetzen.
Der Zeitverlust eines Zuständigkeitsbestimmungsverfahrens wird
verjährungsrechtlich nicht dem Gläubiger, sondern grundsätzlich dem
Schuldner zu gewiesen, weil der Gläubiger zur Durchsetzung seiner Ansprüche
einen Weg beschreitet, der auch dem Schutz des Schuldners dient. Unter
diesen Umständen darf ein Zeitverlust, der seinen Grund in der Dauer dieses
Verfahrens findet, verjährungsrechtlich nicht zu Lasten des Gläubigers
gehen.
Diese Erwägung trifft auch auf die Fälle zu, in denen sich der Antrag des
Gläubigers, ein zuständiges Gericht zu bestimmen, als erfolglos erweist.
§ 204 BGB faßt die Hemmung der Verjährung durch Rechtsverfolgung zusammen.
Allen Fallgruppen der Vorschrift ist gemeinsam, daß der Gläubiger ernsthaft
zu erkennen gibt, seinen behaupteten Anspruch durchsetzen zu wollen. Die
verschiedenen Hemmungstatbestände sind gleichrangig; der Gläubiger ist nicht
gezwungen, eine der Maßnahmen vorrangig zu ergreifen. Kommt aus der Sicht
des Klägers ein Antrag nach § 36 Abs. 1 Nr. 3 ZPO in Betracht, so besteht
kein Anlaß, die verjährungshemmende Wirkung hier davon abhängig zu machen,
ob das Gericht den Antrag für zulässig und begründet hält. Schon der
Wortlaut des § 204 Abs. 1 Nr. 13 BGB bezieht sich nur auf den Gegenstand des
Antragsverfahrens, nicht darauf, daß der Bestimmungsantrag Erfolg hat.
Wäre die Verjährungshemmung vom Erfolg eines Antrags abhängig, so würden die
Interessen des Gläubigers in einem solchen Fall niedriger als in den übrigen
Hemmungstatbeständen der gerichtlichen Anspruchsverfolgung bewertet, ohne
daß ein sachlicher Grund hierfür bestünde. Das Gesetz verlangt für eine
Hemmung der Verjährung durch Rechtsverfolgung grundsätzlich nicht, daß die
Antragsteller eine für sie günstige Sachentscheidung erstreiten. Nach den
Vorstellungen des Gesetzgebers sollte der mit der Hemmung verbundene bloße
Aufschub des Verjährungslaufs unabhängig vom Ausgang des jeweiligen
Verfahrens sein (BT-Drucks.
14/6040, S. 118 zur Abschaffung des § 212 BGB a.F. sowie
BT-Drucks. 14/6857 S. 44 zur
Prüfbitte des Bundesrates, die Hemmung wie die Unterbrechung in den Fällen
des § 212 Abs. 1 BGB a.F. nachträglich entfallen zu lassen). Daher hemmt
eine unzulässige Klage die Verjährung (vgl. BGHZ 78, 1, 5;
BT-Drucks. 14/6040 S. 118;
MünchKomm-BGB/Grothe, 4. Aufl. Bd. 1a § 204 Rn. 25). Die Hemmung ist
nicht einmal an irgendeine Entscheidung der angerufenen Stelle gebunden,
sondern tritt grundsätzlich auch ein, wenn der Gläubiger den Antrag im Laufe
des Verfahrens zurücknimmt (Palandt/Heinrichs, BGB 63. Aufl. § 204 Rn.
33, 34; MünchKomm-BGB/Grothe, 4. Aufl. Bd. 1a § 204 Rn. 65). Gleiches gilt
beispielsweise für Anträge im vereinfachten Verfahren über den Unterhalt (§
204 Abs. 1 Nr. 2 BGB; vgl. Palandt/Heinrichs, aaO § 204 Rn. 35;
MünchKomm-BGB/Grothe, aaO § 204 Rn. 79), für das Mahnbescheidsverfahren (§
204 Abs. 1 Nr. 3 BGB; vgl. Palandt/Heinrichs, aaO § 204 Rn. 36;
MünchKomm-BGB/Grothe, aaO § 204 Rn. 81), das Güteverfahren (§ 204 Abs. 1 Nr.
4 BGB; vgl. Palandt/Heinrichs, aaO § 204 Rn. 37; MünchKomm-BGB/Grothe, aaO §
204 Rn. 86) oder das Verfahren im vorläufigen Rechtsschutz (§ 204 Abs. 1 Nr.
9 BGB; vgl. Palandt/ Heinrichs, aaO § 204 Rn. 41; MünchKomm-BGB/Grothe, aaO
§ 204 Rn. 93). Besonders deutlich wird die Unabhängigkeit der Hemmung vom
Erfolg der eingeleiteten Verfahrenshandlungen bei der Hemmung durch
Aufrechnung im Prozeß (§ 204 Abs. 1 Nr. 5 BGB). Sie ist gerade auf den Fall
zugeschnitten, daß die Aufrechnung unzulässig oder unmöglich ist; die
Hemmung tritt daher nur ein, wenn keine Sachentscheidung zugunsten des
Aufrechnungsgläubigers ergeht (vgl. Palandt/Heinrichs, aaO § 204 Rn. 20;
MünchKomm-BGB/Grothe, aaO § 204 Rn. 33).
Zwar kann nach der Rechtsprechung des Bundesgerichtshofs zu § 209 Abs. 2 Nr.
4 BGB a.F. nur eine nach § 72 ZPO zulässige Streitverkündung die Verjährung
unterbrechen (vgl. BGHZ 65, 127, 130 f). Über die aus der Unzulässigkeit
folgende Wirkungslosigkeit der Streitverkündung wird jedoch im
Ursprungsrechtsstreit nicht entschieden; sie ist erst in dem späteren
"Folgeprozeß" zu prüfen (BGHZ 70, 187, 189). Deshalb kann aus dieser
Verfahrenslage für die Hemmungswirkung von Verfahrensanträgen, über die -
wie im Falle des § 204 Abs. 1 Nr. 13 BGB - selbständig entschieden wird,
nichts hergeleitet werden.
Es wäre nicht sachgerecht, für den Fall der Gerichtsstandsbestimmung den
Grundsatz zu durchbrechen, daß die Verjährung unabhängig vom Ausgang des
Verfahrens gehemmt werden kann. Dann könnte der Gläubiger in Zweifelsfällen
die vom Gesetz eröffnete Wahlmöglichkeit kaum nutzen, weil die Gefahr
bestünde, daß das Gericht zu seinen Ungunsten entscheidet. Damit wäre die
Hemmung durch eine mangels Zuständigkeitsbestimmung unzulässige Klage
verjährungsrechtlich wirkungsvoller als ein Antrag auf
Zuständigkeitsbestimmung. Hätte der Gläubiger die gehäufte Klage gegen alle
Prozeßgegner vor einem beliebigen Gericht erhoben, wäre die Verjährung
selbst dann gehemmt gewesen, wenn das Gericht die Klage mangels
Zuständigkeit abgewiesen oder der Gläubiger die Klage vor einer Entscheidung
zurückgenommen hätte. Dem Gläubiger hätte unter diesen Umständen gemäß § 204
Abs. 2 Satz 1 BGB eine sechsmonatige Frist für eine erneute Klage zur
Verfügung gestanden; innerhalb dieser Frist hätte dem Gläubiger zur
Verjährungshemmung sogar ein nachgeholter Zuständigkeitsbestimmungsantrag
genügen können (vgl. BGHZ 53, 270, 273 f). Darin läge ein
Wertungswiderspruch (vgl. schon MünchKomm-ZPO/Patzina, aaO § 37 Rn. 3).
c) Erhebliche Interessen des Schuldners am ungehemmten Lauf der Verjährung,
die das Gesetz nicht bereits berücksichtigt hat, bestehen nicht.
Ein innerhalb der laufenden Verjährungsfrist eingereichter Antrag auf
Bestimmung der Zuständigkeit macht deutlich, daß der Gläubiger gewillt ist,
seinen Anspruch gerichtlich durchzusetzen. Einen entsprechenden ernsthaften
Willen des Berechtigten nimmt der Gesetzgeber in allen der Klagerhebung
verjährungsrechtlich gleichgestellten Fällen an (vgl. BGH, Urt. v. 8.
Dezember 1992 - X ZR 123/90, WM 1993, 620, 622 zu § 210 BGB a.F.). Der
Gesetzgeber erachtet den Gläubiger für schutzwürdiger als den Schuldner,
sobald der Gläubiger angemessene und unmißverständliche Schritte zur
Durchsetzung des Anspruchs ergriffen hat (BT-Drucks. 14/6040, S. 111). Der
Gläubiger soll davor geschützt werden, daß sein Anspruch verjährt, nachdem
er ein förmliches Verfahren mit dem Ziel der Durchsetzung des Anspruchs
eingeleitet hat (BT-Drucks. 14/6040, S. 112). Dies ist auch der Fall bei
einem Antrag auf Zuständigkeitsbestimmung.
Dem steht nicht entgegen, daß dem Schuldner der Antrag auf
Gerichtsstandsbestimmung unbekannt bleiben kann, weil dessen Übermittlung an
die Gegner nicht allgemein vorgeschrieben ist. Allerdings wird eine
Bekanntgabe in der Regel erforderlich sein, um der Gegenseite zu dem Antrag
rechtliches Gehör zu gewähren (vgl. Herz, aaO S. 121 f; Zöller/Vollkommer,
ZPO 24. Aufl. § 37 Rn. 3; Stein/Jonas/Roth, ZPO 22. Aufl. § 37 Rn. 1).
Unterbleibt eine Anhörung der Gegenseite, weil das angerufene Gericht die
beantragte Zuständigkeitsbestimmung a limine ablehnt, so ist das von den
Antragsgegnern verjährungsrechtlich hinzunehmen. Die Schuldner sind nach dem
Gesetz nicht schlechthin davor geschützt, daß die Verjährung durch Anträge
gehemmt wird, von denen sie zunächst nichts erfahren. Zwar knüpft das Gesetz
die Hemmung durch Rechtsverfolgung regelmäßig an Tatbestände, die eine
Kenntnis des Schuldners von der Verfahrenshandlung erwarten lassen. Die
Vorschriften des § 204 Abs. 1 Nr. 9 und 12 BGB enthalten aber ebenfalls
Tatbestände, in denen die Hemmung eintritt, obwohl der Schuldner die diese
Wirkung auslösenden Umstände erst nach dem vermeintlichen Ablauf der
Verjährung erfährt (vgl.
BT-Drucks. 14/6040 S. 115, 116; vgl. auch MünchKomm-BGB/Grothe, 4. Aufl.
Bd. 1a § 204 Rn. 45). Selbst bei der Verjährungshemmung durch Klageerhebung
(§ 204 Abs. 1 Nr. 1 BGB) liegt dies nach § 167 ZPO nicht anders.
d) Schließlich vernachlässigt die Ansicht, nach der nur ein erfolgreicher
Antrag auf Zuständigkeitsbestimmung die Verjährung hemmt, daß das angerufene
Gericht den Antrag auch rechtsfehlerhaft ablehnen kann. Eine von der
Richtigkeit der späteren Entscheidung abhängende Verjährungshemmung ist
jedoch mit der für den Gläubiger bereits bei Einreichung des Antrags
notwendigen sicheren Kenntnis über seine Wirkungen nicht vereinbar. Das
Gesetz knüpft den Schutz der Gläubigerinteressen an bestimmte Tatsachen,
deren Eintritt nicht von der Entscheidung der angerufenen Stelle abhängt.
Falls sich aus § 204 Abs. 1 Nr. 9 BGB, § 922 Abs. 3 ZPO bei Ablehnung eines
Arrest- oder Verfügungsantrages etwas anderes ergeben sollte (vgl. auch
BT-Drucks. 14/6040 S. 115), so
wäre dies eine Ausnahme. Es bestünde kein Anlaß, nach diesem neu
geschaffenen Hemmungstatbestand die im Gesetz überkommenen Unterbrechungs-
bzw. Hemmungstatbestände anders als in bisheriger Weise auszulegen.
Zum Schutz der Schuldnerinteressen genügt es nach der gesetzgeberischen
Wertung, daß der Gläubiger bei unzulässigen oder unbegründeten Anträgen die
Kosten zu tragen hat (vgl. Mugdan, Die gesamten Materialien zum BGB, Bd.
1 S. 789; vgl. auch BT-Drucks. 14/6857 S. 44). Eine weitere
Schlechterstellung des Gläubigers ist schon im Gesetzgebungsverfahren zum
alten Verjährungsrecht weder für erforderlich noch für sachgerecht gehalten
worden (Mugdan, aaO). Sollte ein Gläubiger im Einzelfall mit Hilfe
unzulässiger oder unbegründeter Anträge in mißbräuchlicher Weise versuchen,
die Hemmung der Verjährung herbeizuführen, so kann dem durch Anwendung von §
242 BGB begegnet werden (vgl. BT-Drucks. 14/6857 S. 44; ebenso Palandt/Heinrichs,
BGB 63. Aufl. § 204 Rn. 33 zur Antragsrücknahme).
e) Die vom Berufungsgericht herangezogenen Entscheidungen des
Bundesgerichtshofs zur Unterbrechung der Gewährleistungsverjährung bei
unzulässigem Antrag auf Beweissicherung (BGH, Urt. v. 20. Januar 1983 - VII
ZR 210/81, NJW 1983, 1901; v. 22. Januar 1998 - VII ZR 204/96, NJW 1998,
1305, 1306) führen schon deshalb zu keinem anderen Ergebnis, weil sie Fälle
betrafen, bei denen das Gericht dem Beweissicherungsantrag stattgegeben
hatte, obwohl der Antrag nach Ansicht des Prozeßgerichts unzulässig war. Der
allgemeine Gegenschluß des Berufungsgerichts aus diesen Entscheidungen auf
die verjährungsrechtliche Wirkungslosigkeit unbegründeter
Zuständigkeitsbestimmungsanträge ist unzutreffend.
3. Das Berufungsurteil stellt sich auch nicht aus anderen Gründen im
Ergebnis als richtig dar.
Nach den von der Revision nicht angegriffenen Feststellungen des
Berufungsgerichts hat der Kläger die Anfechtungsklage innerhalb von drei
Monaten nach Erledigung des Gerichtsstandsbestimmungsverfahrens eingereicht.
Damit sind die Voraussetzungen der Verjährungshemmung nach § 204 Abs. 1 Nr.
13 BGB erfüllt.
III. Die Sache ist noch nicht zur Endentscheidung reif (§ 563 Abs. 1 ZPO),
weil das Berufungsgericht - aus seiner Sicht folgerichtig - zu den
Voraussetzungen des Anfechtungsanspruchs keine Feststellungen getroffen hat.
Für die neue Verhandlung weist der Senat auf folgendes hin:
1. Die Zahlungen vom 25. August (7.271,16 DM) und 28. Oktober 1999 (2.000
DM) sind nur nach § 133 Abs. 1 InsO anfechtbar. Obwohl sie zur Abwendung der
Zwangsvollstreckung aufgrund des Vollstreckungsbescheides vom 30. Juni 1999
erfolgten, handelt es sich um kongruente Leistungen, weil sie außerhalb des
Dreimonatszeitraums vor dem Antrag auf Eröffnung des Insolvenzverfahrens
liegen (BGHZ 155, 75, 82 f).
Hat die Schuldnerin wenigstens mittelbar auch die Begünstigung des
Gläubigers bezweckt, so hätte sie mit Gläubigerbenachteiligungsvorsatz
gehandelt. Bei einer kongruenten Leistung kommt dies in Betracht, wenn die
Schuldnerin mit der Befriedigung gerade dieses Gläubigers Vorteile für sich
erlangen oder Nachteile von sich abwenden will (BGH, Urt. v. 17. Juli 2003 -
IX ZR 272/02, ZIP 2003, 1799, 1800; vgl. auch BGHZ 155, 75, 84). Dies wäre
etwa der Fall bei einem massiven Druck durch die Beklagte. Hierzu wird das
Berufungsgericht gegebenenfalls die Hintergründe der Zahlungen aufklären
müssen.
Weiterhin setzt die Vorsatzanfechtung gemäß § 133 Abs. 1 InsO voraus, daß
die Beklagte zur Zeit der Handlung den Vorsatz der Schuldnerin kannte. Die
Beklagte muß mithin gewußt haben, daß die Zahlungen vom 25. August und 28.
Oktober 1999 die übrigen Gläubiger der Schuldnerin benachteiligten und daß
die Schuldnerin dies wollte. Hierbei wird das Berufungsgericht neben dem
Schreiben vom 28. April 1999 zu berücksichtigen und zu klären haben, ob die
Beklagte Kenntnis der (drohenden) Zahlungsunfähigkeit hatte (§ 133 Abs. 1
Satz 2 InsO).
2. Die Zahlung vom 16. November 1999 über 10.728,84 DM könnte gemäß § 131
Abs. 1 Nr. 2 InsO anfechtbar sein, wenn auch sie unter dem Druck einer
(unmittelbar drohenden) Zwangsvollstreckung stand (vgl. BGH, Urt. v. 11.
April 2002 - IX ZR 211/01, ZIP 2002, 1159, 1160 f). Sie erfolgte in den
letzten drei Monaten vor dem Antrag auf Eröffnung des Insolvenzverfahrens.
Sollte das Berufungsgericht sich nicht davon überzeugen können, wird es die
Voraussetzungen des § 130 Abs. 1 Nr. 1 InsO zu prüfen haben. Die Beklagte
kannte aufgrund der Schreiben der Schuldnerin vom 28. April und 11. Mai 1999
und durch den unternommenen Vollstreckungsversuch die damalige
Zahlungsunfähigkeit. Sofern sich die Beklagte auf eine allgemeine Aufnahme
der Zahlungen seitens der Schuldnerin vor den an sie erbrachten Leistungen
berufen würde, so trüge sie dafür die Beweislast (vgl. BGHZ 149, 100, 109;
aaO 178, 188).
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