Einbauküche als
"Zubehör" (§ 97 BGB), Voraussetzungen der Zubehöreigenschaft
BGH, Versäumnisurteil vom
20. November 2008 - IX ZR 180/07
Fundstelle:
noch nicht bekannt
Amtl. Leitsatz:
Zur Zubehöreigenschaft
einer Einbauküche, die der Mieter in seine Wohnung einbringt.
Tatbestand:
1 Die Parteien streiten um das Eigentum an einer Einbauküche und die
Berechtigung der Beklagten, bei ihrem Auszug aus der Wohnung die
wesentlichen Teile davon mitzunehmen.
2 Die Kläger ersteigerten am 13. April 2006 das Grundstück M. straße in V. .
Dieses stand zuvor im Eigentum der Tochter der Beklagten zu 1. Zum Zeitpunkt
des Zuschlags befand sich in der Wohnung im ersten Obergeschoss des Gebäudes
die streitige Einbauküche. Mieter dieser Wohnung waren die Beklagten. Bei
ihrem Auszug entfernten sie die Einbauküche mit Ausnahme eines
Eckspülelements. Zu diesem Zweck durchsägten sie die Arbeitsplatte auf
beiden Seiten der Spüle. Mit der Klage verlangen die Kläger von den
Beklagten, die Einbauküche auf ihre Kosten wieder einzubauen und den
ursprünglichen Zustand wiederherzustellen.
3 Der Räumung der Wohnung war ein Rechtsstreit zwischen den Parteien
vorausgegangen, in dem sich die Beklagten gegenüber der Klägerin durch
Vergleich vom 28. Juli 2006 unter anderem verpflichteten, "es zu
unterlassen, von dem Anwesen M. straße wesentliche Bestandteile und/oder
Zubehör des Grundstücks und/oder des Gebäudes zu entfernen".
4 Die Kläger sind der Meinung, die Einbauküche sei wesentlicher Bestandteil
des Grundstücks, mindestens Zubehör, und deshalb mit dem Zuschlagsbeschluss
ihr Eigentum geworden. Mit der Entfernung der Küche hätten die Beklagten
zudem gegen ihre Verpflichtung aus dem Vergleich verstoßen. Sie bestreiten,
dass die Beklagte zu 1 die Küche gekauft habe. Die Beklagten seien zu diesem
Zeitpunkt auch nicht Mieter gewesen. Ein Mietvertrag sei erst später mit der
Zwangsverwalterin abgeschlossen worden.
5 Die Beklagten behaupten, die Beklagte zu 1 habe die Küche erworben, wenn
auch der Kauf über das Einkaufskonto ihrer Tochter, der
Grundstückseigentümerin, abgewickelt worden sei. Sie habe die Küche als
Mieterin in die Wohnung eingebracht. Was ein Mieter zu vorübergehendem Zweck
in die Wohnung einbringe, könne weder Zubehör noch wesentlicher Bestandteil
geworden sein.
6 Das Amtsgericht hat die Klage abgewiesen. Das Landgericht hat ihr
stattgegeben. Mit der zugelassenen Revision verfolgen die Beklagten ihr
Klageabweisungsbegehren weiter.
Entscheidungsgründe:
7 Da die Kläger in der mündlichen Verhandlung nicht vertreten waren, war
über die Revision der Beklagten durch Versäumnisurteil zu entscheiden. Das
Urteil beruht aber inhaltlich nicht auf der Säumnis der Kläger, sondern auf
der Berücksichtigung des gesamten Sach- und Streitstandes (vgl. BGHZ 37, 39,
81 ff).
8 Die Revision führt zur Aufhebung und Zurückverweisung.
I.
9 Das Berufungsgericht meint, dass die Einbauküche nicht wesentlicher
Bestandteil des Gebäudes geworden sei. Sie sei jedoch als Zubehör anzusehen,
weil entgegen der Auffassung des Amtsgerichts nicht festgestellt werden
könne, dass es in dieser Gegend eine Verkehrsanschauung gebe, wonach
Einbauküchen nicht als Zubehör angesehen würden. Zwar seien Einbauküchen
anderen Orts wieder verwendbar. Die Wiederverwendung bedinge aber in der
Regel eine neue Arbeitsplatte und berge die Gefahr, dass nicht mehr alle
Teile verwendet werden könnten. Nach den Erfahrungen der Kammer sei es
deshalb häufig üblich, dass Einbauküchen beim Verkauf von Häusern oder
Eigentumswohnungen mitverkauft würden. Das lasse einen Rückschluss darauf
zu, dass der Einbauende von vorneherein nicht damit rechne, eine Einbauküche
bei einem Auszug mitzunehmen.
10 Die Zubehöreigenschaft entfalle auch nicht deshalb, weil die Benutzung
der Küche für den Zweck der Wohnung nur vorübergehend habe erfolgen sollen.
Das müsse zwar bei einer Mietwohnung in Erwägung gezogen werden, weil der
Mieter die Küche in aller Regel wieder mitnehmen wolle. Im vorliegenden Fall
sei dies jedoch anders, auch wenn man unterstelle, dass die Küche von der
Beklagten zu 1 gekauft worden sei und schon zum Erwerbszeitpunkt ein
Mietvertrag über die Wohnung bestanden habe. Denn bei Bezug der Wohnung im
Hause der Tochter sei davon auszugehen, dass die vorgestellte zeitliche
Nutzungsdauer unbegrenzt sei. Die Tochter habe der Beklagten zu 1 gestattet,
den Kauf der Küche über ihr Einkaufskonto abzuwickeln. Die Tochter habe ein
Interesse gehabt, dass die Küche auf Dauer eingebaut bleibe. Für die Absicht
der Beklagten, die Einbauküche in der Wohnung zu lassen, spreche auch, dass
die Eckspüle zurückgelassen worden sei. Da die Küche schon vor acht Jahren
eingebaut worden sei, sprächen auch das Nachkaufproblem und das
Wertverlustargument dafür, die Küche als dauerhaft eingebaut anzusehen.
II.
11 Diese Erwägungen halten rechtlicher Nachprüfung nicht stand.
12 Die Kläger können gemäß § 985, § 823 Abs. 1 BGB sowie aus dem
abgeschlossenen Vergleich die Herausgabe der Küche und deren Wiedereinbau
verlangen, wenn sie im Wege der Zwangsversteigerung Eigentum an ihr erworben
hatten. Durch den Zuschlag haben die Kläger gemäß §§ 90, 55 ZVG Eigentum
an den wesentlichen Bestandteilen des Grundstücks und an dem Zubehör
erworben. Die Beklagte zu 1 hat ihr Eigentum nicht nach Maßgabe des § 55
Abs. 2, § 37 Nr. 5 ZVG geltend gemacht.
13 Das Berufungsgericht hat die Eigenschaft der streitigen Einbauküche als
wesentlicher Bestandteil des Gebäudes zutreffend abgelehnt. Es hat jedoch
die Zubehöreigenschaft zu Unrecht bejaht. Die Feststellung, dass die
Einbauküche nicht nur den Bedürfnissen der Beklagten gedient habe, sondern
dauerhaft der Wohnung habe dienen sollen, beruht auf Rechtsfehlern.
14 Gemäß § 97 BGB ist eine bewegliche Sache grundsätzlich dann Zubehör,
wenn sie, ohne schon Bestandteil der Hauptsache zu sein, nicht nur
vorübergehend deren wirtschaftlichem Zweck zu dienen bestimmt ist und zu ihr
in einem dieser Bestimmung entsprechenden räumlichen Verhältnis steht (BGHZ
165, 261, 263). Die danach erforderliche Zweckbestimmung erfolgt in der
Regel durch schlüssige Handlung, für die die tatsächliche Benutzung der
Sache für den wirtschaftlichen Zweck einer anderen Sache ein Indiz sein
kann. Dazu genügt nicht, dass die Verbindung nur für einen von vornherein
begrenzten Zeitraum oder lediglich zur Befriedigung der Bedürfnisse des
derzeitigen Nutzers erfolgt (BGHZ 62, 49, 52; BGH, Urt. v. 1. Februar
1990 - IX ZR 110/89, WM 1990, 603, 605).
15 Für das richterliche Ermessen, was im Einzelfall als Zubehör anzusehen
ist, besteht zwar ein weiter Spielraum (BGHZ 165, 261, 265). Die Beurteilung
muss aber widerspruchs- und denkfehlerfrei erfolgen. Hieran fehlt es.
16 Das Berufungsgericht hat angenommen, dass die Beklagten die Einbauküche
auf Dauer in die Wohnung eingefügt hätten und sie dort hätten belassen
wollen. Die getroffenen Feststellungen tragen dieses Ergebnis nicht.
17 1. Das Berufungsgericht unterstellt, dass die Küche aus Mitteln der
Beklagten zu 1 erworben wurde. Es unterstellt weiterhin, dass bereits zu
diesem Zeitpunkt ein Mietvertrag über die Wohnung bestand.
18 Hiervon ausgehend nimmt es an, dass die Einbauküche dem wirtschaftlichen
Zweck der Hauptsache, nämlich der Wohnung, zu dienen bestimmt war. Damit ist
zwar die Voraussetzung des § 97 Abs. 1 Satz 1 BGB erfüllt. Die
Zubehöreigenschaft fehlt jedoch gleichwohl, wenn die Sache im Verkehr nicht
als Zubehör angesehen wird, § 97 Abs. 1 Satz 2 BGB.
19 Das Amtsgericht hatte für den süddeutschen Raum festgestellt, dass es
nicht der Verkehrsauffassung entspreche, Einbauküchen als Zubehör anzusehen.
Insbesondere rechne man damit, dass ein Mieter die von ihm angeschaffte
Einbauküche wieder mitnehme. Dies entspricht einer verbreiteten
Auffassung in der Rechtsprechung (vgl. etwa OLG Karlsruhe NJW-RR 1986, 19,
20; NJW-RR 1988, 459, 460; OLG Frankfurt/Main ZMR 1988, 136; OLG Hamm NJW-RR
1989, 333; FamRZ 1998, 1028; OLG Zweibrücken Rpfleger 1993, 169, 170; OLG
Koblenz ZMR 1993, 66, 68; OLG Düsseldorf VersR 1995, 559).
20 Das Landgericht ist dem nicht gefolgt. Es hat aber lediglich
festgestellt, es sei nach seiner Erfahrung häufig üblich, dass Einbauküchen
beim Verkauf von Häusern oder Eigentumswohnungen mitverkauft würden. Das
lässt entgegen der Auffassung des Landgerichts jedoch nicht den Schluss zu,
dass auch ein Mieter, der eine Einbauküche angeschafft und eingebaut hat,
von vornherein nicht damit rechnet, er könne die Einbauküche bei seinem
Auszug wieder mitnehmen. Dieser Schluss mag möglich sein, wenn der
Eigentümer die Einbauküche eingebaut hat. Für die vom Mieter angeschaffte
und eingebaute Küche vermag die genannte Beobachtung des Berufungsgerichts
ersichtlich nichts auszusagen. Das Berufungsgericht führt selbst an anderer
Stelle aus, dass ein Mieter in aller Regel die Küche beim Auszug wieder
mitnehmen wolle, es sei denn, er könne sie an den Nachmieter verkaufen. Es
spricht nichts dafür, dass der Eigentümer einer vermieteten Wohnung und die
allgemeine Verkehrsanschauung dies anders sehen.
21 2. Zutreffend hat das Berufungsgericht gesehen, dass eine
Zubehöreigenschaft auch dann nicht vorliegt, wenn die Benutzung der Sache
für den wirtschaftlichen Zweck der Hauptsache nur vorübergehend sein soll, §
97 Abs. 2 Satz 1 BGB. Die Widmung des Einfügenden, seine Zweckbestimmung,
entscheidet darüber, ob die Einbauküche Zubehör wird (vgl. BGH, Urt. v.
1. Februar 1990 aaO S. 605).
22 Richtig nimmt das Berufungsgericht an, dass ein Mieter die Küche in
aller Regel beim Auszug wieder mitnehmen will, er also gerade keine
Zweckbestimmung trifft, dass die Einbauküche Zubehör werden soll. Da es
unterstellt, dass die Beklagte zu 1 die Küche aus eigenen Mitteln erworben
hat und Mieterin war, lag der Schluss nahe, dass auch sie die Einbauküche
nur zur vorübergehenden Nutzung eingebracht hatte, die Zubehöreigenschaft
also nicht begründet wurde. Die vom Berufungsgericht für sein gegenteiliges
Ergebnis angeführten Umstände beruhen weder auf ausreichenden tatsächlichen
Feststellungen noch sind sie erheblich.
23 a) Das Berufungsgericht unterstellt, ohne Feststellungen dazu zu treffen,
dass die Nutzung der Wohnung unbegrenzt dauern sollte. Die Beklagten hätten
nicht damit rechnen müssen, die Wohnung einmal verlassen zu müssen. Dies ist
mit der Unterstellung eines Mietvertrages nicht vereinbar; die Beklagten
hatten danach kein gesichertes Wohnrecht. Ihnen konnte wie einem fremden
Mieter gekündigt werden. Der Beklagte zu 2 war auch mit der damaligen
Eigentümerin des Grundstücks nicht verwandt.
24 b) In dem Umstand, dass die Tochter der Beklagten zu 1 gestattet hatte,
den Kauf über ihr Einkaufskonto bei einem Versandhaus abzuwickeln, mag eine
Hilfe zu sehen sein. Irgendwelche Nachteile waren damit für die Tochter
ersichtlich nicht verbunden; dementsprechend durfte sie auch nicht erwarten,
die Küche werde bei einem Auszug ihrer Mieter, der Beklagten, eingebaut
zurückbleiben.
25 c) Nicht nachvollziehbar ist die Annahme des Berufungsgerichts, das
Zurücklassen des Eckspülelements spreche für den Willen zur dauerhaften
Einfügung der Küche. Auf der Hand liegt vielmehr, dass die Spüle in der
neuen Wohnung, zum Beispiel wegen der dortigen räumlichen Gegebenheiten,
keine Verwendung finden konnte oder sollte.
26 d) Schließlich spricht auch das Wertverlustargument und das
Nachkaufproblem nicht für einen auf Dauer angelegten Einbau bei einer acht
Jahre alten Küche. Die durchschnittliche Verwendungs- und Lebensdauer einer
Einbauküche ist weitaus länger als acht Jahre. Demgemäß hat die Beklagte sie
auch mitgenommen. Die damit verbundenen, vom Berufungsgericht vermuteten
Probleme haben sie davon ersichtlich nicht abgehalten. Wäre die Küche kaum
mehr etwas wert gewesen, wie das Berufungsgericht vermutet, wäre auch das
Interesse der Kläger an dem Wiedereinbau nicht nachvollziehbar, das sie mit
5.000 € beziffert haben.
III.
27 Das angefochtene Urteil kann demnach keinen Bestand haben. Es ist
aufzuheben (§ 562 Abs. 1 ZPO). Die Sache ist nicht entscheidungsreif, so
dass sie an das Berufungsgericht zurückverwiesen werden muss (§ 563 Abs. 3,
Abs. 1 ZPO).
28 1. Das Berufungsgericht wird zunächst erneut zu prüfen haben, ob in
seiner Region die von einem Mieter eingebrachte Einbauküche von der
Verkehrsanschauung nicht als Zubehör anzusehen ist, § 97 Abs. 1 Satz 2 BGB.
Darlegungs- und beweispflichtig hierfür sind die Beklagten (BGH, Urt. v.
1. Februar 1990 aaO S. 605; OLG Nürnberg, MDR 2002, 815, 816). Die Frage
kann regional unterschiedlich zu beurteilen sein und die Antwort kann sich
im Laufe der Jahre geändert haben (vgl. BGH, Urt. v. 1. Februar 1990 aaO S.
604 f). Sie wird von der Rechtsprechung unter Bezug auf die regionalen
Gegebenheiten jedenfalls zum Teil verneint (vgl. die Nachweise unter II 1).
29 2. Lässt sich nach der allgemeinen Verkehrsanschauung eine
Zubehöreigenschaft nicht verneinen, ist weiter maßgeblich, ob nach der
Zweckbestimmung der Beklagten gemäß § 97 Abs. 2 Satz 1 BGB lediglich eine
vorübergehende Benutzung der Einbauküche für die Wohnung begründet wurde.
Auch hierfür sind die Beklagten darlegungs- und beweispflichtig.
30 Da nach den bisherigen Feststellungen und Unterstellungen des
Berufungsgerichts eine dauerhafte Zubehöreigenschaft nicht vorläge, wird
nunmehr über die Behauptung der Klägerin Beweis zu erheben sein, dass die
Küche aus Mitteln der Grundstückseigentümerin beschafft und eingebaut wurde.
Für diesen Fall hat das Berufungsgericht die dauerhafte Zubehöreigenschaft
in rechtlich nicht zu beanstandender Weise bejaht. Die Beklagten hätten
kein Recht an der Einbauküche. Der Klageanspruch wäre jedenfalls aus § 823
Abs. 1, § 862 BGB begründet.
31 3. Kann eine derartige Feststellung nicht getroffen werden, wird die
Frage erheblich, ob ein Mietvertrag bestand. Gab es zum Zeitpunkt des
Erwerbs und Einbaus der Küche keinen Mietvertrag, war diese aber aus Mitteln
der Beklagten zu 1 angeschafft und von ihr eingebaut worden, begründete dies
entgegen der Auffassung des Berufungsgerichts allein noch nicht eine
dauerhafte Zubehöreigenschaft. Die Vermutung des Berufungsgerichts,
dabei würde es sich um eine Gegenleistung für die Wohngelegenheit handeln,
die eine Widmung zum dauerhaften Verbleib der Küche in der Wohnung belege,
ist reine Spekulation. Die Annahme einer dauerhaften Widmung als Zubehör
wäre nur dann gerechtfertigt, wenn die Beklagten das gesicherte Recht und
die Absicht gehabt hätten, auf Dauer in der Wohnung zu bleiben (vgl. BGH,
Urt. v. 1. Februar 1990 aaO S. 605; OLG Koblenz ZMR 1993, 66, 67).
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