Bereicherungsanspruch
nach § 816 II BGB nach Genehmigung einer nicht befreienden Leistung an einen
Nichtberechtigten (§ 362 II, 185 BGB) und Insolvenz des Schuldners
BGH, Beschluss vom 15.
Januar 2009 - IX ZR 237/07
Fundstelle:
NJW-RR 2009, 705
Amtl. Leitsatz:
Eine vor
Insolvenzeröffnung von dem Schuldner an einen Nichtberechtigten erbrachte
Leistung kann nach Insolvenzeröffnung von dem Berechtigten genehmigt werden,
um bei dem Nichtberechtigten Rückgriff zu nehmen.
Zentrale Probleme:
Der Schuldner zahlt an einen Nichtberechtigten, ohne daß
er gegenüber dem wahren Gläubiger befreit wird. Anschließend fällt er in
Insolvenz. Der Gläubiger würde, wenn er seine fortbestehende Forderung
geltend macht, nur eine Insolvenzforderung haben. Also genehmigt er die
Zahlung an den Dritten und kondiziert von diesem nach § 816 II BGB. Der
Senat hält das für zulässig, indem er auf die Rückwirkung der Genehmigung
abstellt. Das ist hochproblematisch. In der bereicherungsrechtlichen
Literatur wird teilweise in Frage gestellt, ob eine Genehmigung im Rahmen
von § 816 II BGB überhaupt in Frage kommt.
©sl 2009
Gründe:
I.
1 Der Kläger ist Verwalter in dem am 29. Juni 2001 über das Vermögen der
Firma F. GmbH (nachfolgend: Schuldnerin) eröffneten Insolvenzverfahren.
2 Die Schuldnerin stellte der D. GmbH (nachfolgend: D. GmbH), einem
Konzernunternehmen der Beklagten, am 31. August 2000 für erbrachte
Telekommunikationsdienstleistungen den Betrag von 141.225,72 DM in Rechnung.
Die D. GmbH, die nach einer späteren Veräußerung aus dem Konzernverband der
Beklagten von der T. GmbH (nachfolgend: T. GmbH) übernommen wurde,
veranlasste am 10. Oktober 2000 und am 30. Oktober 2000 jeweils eine Zahlung
von etwa 141.000 DM an die Schuldnerin. Nach Feststellung der Doppelzahlung
überwies die Schuldnerin am 26. November 2000 einen Betrag von 141.225,72 DM
(72.207,56 €) statt an die D. GmbH versehentlich an die Beklagte. In dem
Überweisungsbeleg wurde die Beklagte ausdrücklich als Empfänger der Zahlung
bezeichnet, unter dem Verwendungszweck neben der Rechnungsnummer 770430 die
Kundennummer der D. GmbH sowie der Zusatz "Ihre Doppelzahlung" angegeben.
3 Die T. GmbH beantragte am 31. August 2004 gegen die Beklagte unter Angabe
des dem Anspruchsgrunds "ungerechtfertigte Bereicherung" den Erlass eines
Mahnbescheids über 75.902,17 €. Im Rahmen eines anderen Rechtsstreits
schlossen die T. GmbH und die Beklagte am 22. September 2005 einen
Vergleich, durch den sich die Beklagte zur Zahlung von 100.000 € an die T.
GmbH verpflichtete. Mit dieser Zahlung sollte nach dem Inhalt des Vergleichs
auch die Forderung aus dem Mahnverfahren abgegolten werden.
4 Außerdem leitete die T. GmbH am 23. Dezember 2004 gegen die Schuldnerin
ein Mahnverfahren zwecks Erstattung der Überzahlung in Höhe von 72.207,56 €
ein. Diese Forderung wurde am 14. April 2005 zur Insolvenztabelle
festgestellt.
5 Mit vorliegender Klage begehrt der Kläger von der Beklagten Erstattung der
Überweisung vom 26. November 2000 über 72.207,56 €. Landgericht und
Oberlandesgericht haben die Klage abgewiesen. Der Kläger verfolgt sein
Zahlungsbegehren mit der Nichtzulassungsbeschwerde weiter.
II.
6 Die statthafte und auch im Übrigen zulässige Nichtzulassungsbeschwerde des
Klägers bleibt ohne Erfolg.
7 1. Soweit das Oberlandesgericht von einer Genehmigung der am 26. November
2000 von der Schuldnerin an die Beklagte bewirkten Überweisung durch die T.
GmbH im Zuge des gegen die Beklagte am 31. August 2004 eingeleiteten
Mahnverfahrens ausgeht (§ 816 Abs. 2 BGB), handelt es sich um eine
revisionsrechtlich unangreifbare tatrichterliche Würdigung.
8 In der Klageerhebung kann regelmäßig die Genehmigung der Leistung an den
Nichtberechtigten gesehen werden, auch wenn dies nicht ausdrücklich erklärt
wird (BGH, Urt. v. 20. Juni 1990 - XII ZR 93/89, ZIP 1990, 1126, 1127). Eine
solche Annahme ist jedenfalls gerechtfertigt, wenn die Klagebegründung die
Voraussetzungen eines den Anspruch aus § 816 Abs. 2 BGB ausfüllenden
Tatsachenvortrags enthält (BGH, Beschl. v. 16. September 2008 - IX ZR
172/07, ZIP 2008, 1991, 1992 Rn. 11). Diesen Anforderungen ist im Blick auf
den in dem Mahnbescheid vom 31. August 2004 angebrachten Vermerk
"ungerechtfertigte Bereicherung" genügt, der den Willen der T. GmbH zum
Ausdruck bringt, die Überweisung der Schuldnerin an die Beklagte als
Voraussetzung für die Begründetheit des mit dem Mahnbescheid verfolgten
Anspruchs zu genehmigen. Da eine Genehmigung bereits konkludent erklärt
werden kann (BGH, Urt. v. 20. Juni 1990, aaO; Staudinger/Gursky, BGB 2003 §
182 Rn. 9), bedarf es keiner Entscheidung, ob auch den für die
Konkretisierung eines Mahnbescheids zu beachtenden Anforderungen (BGHZ 172,
42, 55; vgl. auch BGH, Urt. v. 10. Juli 2008 - IX ZR 160/07, WM 2008, 1935)
genügt ist. Die Wirksamkeit der Genehmigung wird durch den von der T. GmbH
im späteren Insolvenzverfahren der Schuldnerin erhobenen Anspruch nicht
berührt, weil die Erteilung einer Genehmigung ebenso wie ihre Verweigerung
unwiderruflich ist (BGHZ 13, 179, 187).
9 2. Die Überweisung der Schuldnerin an die Beklagte stellt eine Leistung im
Sinne des § 812 Abs. 1 Satz 1 und des § 816 Abs. 2 BGB dar.
10 Unter einer Leistung im Sinne des § 812 Abs. 1 Satz 1 BGB ist eine
bewusste und zweckgerichtete Vermehrung fremden Vermögens zu verstehen
(BGH, Urt. v. 23. Oktober 2003 - IX ZR 270/02, NJW 2004, 1169). Die
lediglich das Motiv der Zahlung betreffende fehlerhafte Adressierung der
Überweisung durch die Schuldnerin lässt deren Leistungswillen im Verhältnis
zur Beklagten nicht entfallen, so dass die rechtsgrundlose Überweisung im
Valutaverhältnis rückabzuwickeln ist (BGH, Urt. v. 9. März 1987 - II ZR
238/86, NJW 1987, 1825, 1826; Urt. v. 18. Dezember 2008 - IX ZR 192/07 z.V.b.;
Schimansky in Schi-mansky/Bunte/Lwowski, Bankrechts-Handbuch 3. Aufl. § 50
Rn. 24; Bamberger/Roth/Wendehorst, BGB 2. Aufl. § 812 Rn. 45). Davon
abgesehen kann - wie für den Fall einer gefälschten Überweisung entschieden
wurde - auch eine Zuwendung genehmigt werden, die nicht auf einer Leistung
des Genehmigenden beruht (BGH, Urt. v. 20. Juni 1990, aaO).
11 3. Die Genehmigung der Überweisung an die Beklagte durch die T. GmbH ist
wirksam und steht in Einklang mit § 91 Abs. 1 InsO.
12 a) Nach dem Wortlaut dieser Bestimmung können Rechte an Gegenständen der
Insolvenzmasse nach Eröffnung des Insolvenzverfahrens nicht wirksam erworben
werden. Die Norm schützt die Masse vor dem Verlust von
Vermögensgegenständen, indem sie jeden Rechtserwerb für unwirksam erklärt,
gleich auf welcher Rechtsgrundlage er beruht. Damit wird die
haftungsrechtliche Zuweisung der Masse an die Gläubiger gegen Eingriffe
gesichert, die in anderer Weise als durch Rechtshandlungen des Schuldners
und Vollstreckungsmaßnahmen bewirkt werden (MünchKomm-InsO/Breuer, 2. Aufl.
§ 91 Rn. 3).
13 b) Bedarf eine vor Verfahrenseröffnung erfolgte Verfügung des Schuldners
zu ihrer Gültigkeit der Genehmigung eines Dritten, so kann diese Genehmigung
noch nach Verfahrenseröffnung erteilt werden, weil die Genehmigung gemäß §
184 Abs. 1 BGB auf den Zeitpunkt der Verfügung zurückwirkt. Die
Insolvenzeröffnung beseitigt die Verfügungsbefugnis des Schuldners, lässt
aber die Genehmigungsbefugnis außenstehender Dritter unangetastet. Die
Wirksamkeit einer Genehmigung wird also nach einhelliger Auffassung nur
durch die Eröffnung des Insolvenzverfahrens über das Vermögen des
Genehmigenden und nicht durch ein nach Bewirkung der Leistung über das
Vermögen des Verfügenden eröffnetes Insolvenzverfahren eingeschränkt (RGZ
134, 73, 78; BGH, Urt. v. 9. Oktober 1958 - II ZR 229/57, WM 1958, 1417,
1418 f; HK-InsO/Kayser, 5. Aufl. § 91 Rn. 34; MünchKomm-InsO/Breuer, aaO §
91 Rn. 45; Lüke in Kübler/Prütting/Bork, InsO § 91 Rn. 52; Uhlenbruck, InsO
12. Aufl. § 91 Rn. 28; HmbKomm-InsO/Kuleisa, 2. Aufl. § 91 Rn. 21; im
Ergebnis ebenso Jaeger/Windel, InsO § 91 Rn. 106). Infolge der fingierten
Rückwirkung der seitens der T. GmbH erteilten Genehmigung gilt die Leistung
der Schuldnerin - anders als in dem einen Zwischenerwerb der Masse
voraussetzenden Fall der Konvaleszenz (§ 185 Abs. 2 Satz 1 Alt. 2 BGB; BGH,
Beschl. v. 25. September 2003 - IX ZR 213/03, NJW-RR 2004, 259) - als noch
vor Verfahrenseröffnung rechtsgültig an die Beklagte erbracht.
14 c) Zwar wird im bereicherungsrechtlichen Schrifttum die Möglichkeit der
Genehmigung einer Leistung des in Insolvenz gefallenen Schuldners an einen
Nichtberechtigten in Zweifel gezogen (Staudinger/Stephan Lorenz, BGB § 816
Rn. 32 m.w.N; Reuter/Martinek, Ungerechtfertigte Bereicherung 1983 § 8 III,
S. 354 f). Zutreffend wird jedoch auf den Vorrang des Insolvenzrechts
hingewiesen, der nicht mit Hilfe des Bereicherungsrechts korrigiert werden
kann: Gestattet das Insolvenzrecht - wie unter b) dargelegt - die
Genehmigung der Leistung des Schuldners an einen Nichtberechtigten durch den
Berechtigten noch nach Insolvenzeröffnung, kann dieser unter Verzicht auf
seinen Anspruch gegen den Schuldner bei dem Nichtberechtigten Rückgriff
nehmen (Schlechtriem in: Ungerechtfertigte Bereicherung, Symposium für
Detlef König, 1984 S. 57, 76 Fn. 78; Erman/Westermann/Buck-Heeb, BGB 12.
Aufl. § 816 Rn. 17; MünchKomm-BGB/Lieb, 4. Aufl. § 816 Rn. 60;
Bamberger/Roth/ Wendehorst, aaO § 816 Rn. 30).
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